Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240134/3/Wei/Bk

Linz, 07.03.1996

VwSen-240134/3/Wei/Bk Linz, am 7. März 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 3. Kammer (Vorsitzender Dr. Fragner, Berichter Dr. Weiß, Beisitzerin Mag. Bissenberger) über die Strafberufung der A E S, geb. 1968, D, vom 11. Juli 1995 gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 26. Juni 1995, Zl. 101-4/9 (Registriernummer ), wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Aids-Gesetz 1993 (wiederverlautbart mit BGBl Nr.

728/1993) zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, die nach dem Strafrahmen des § 9 Abs 1 Aids-Gesetz 1993 zu bemessende Geldstrafe auf den Betrag von S 5.000,-- und die nach dem § 16 Abs 1 und 2 VStG 1991 festzusetzende Ersatzfreiheitsstrafe auf 2 Tage reduziert.

II. Die Berufungswerberin hat einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz von S 500,-- zu leisten.

Im Berufungsverfahren entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines weiteren Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991, §§ 64 Abs 1 und 2, 65 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis vom 26. Juni 1995 hat die belangte Behörde die Berufungswerberin (Bwin) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben am 17.9.1994 um 22.45 Uhr-23.10 Uhr in L, L, durch Ausübung der Prostitution mit einem Kunden gewerbsmäßig Unzucht getrieben, ohne sich vor Aufnahme dieser Tätigkeit einer amtsärztlichen Untersuchung auf einen Kontakt mit dem Virus LAV/HTLV III unterzogen zu haben." Dadurch erachtete die Strafbehörde den § 4 Abs 2 iVm § 9 Abs 1 Z 2 Aids-Gesetz 1993 als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung "gemäß § 9 Abs. 1 Z. 2 leg.cit." (gemeint: nach dem Strafrahmen des § 9 Abs 1 Aids-Gesetz 1993) eine Geldstrafe von S 12.000,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Tagen. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden S 1.200,-- vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das der Bwin am 6. Juli 1995 durch Hinterlegung zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitige, am 11. Juli 1995 bei der belangten Strafbehörde persönlich überreichte Berufung vom gleichen Tag. Sie lautet:

"Ich erhebe gegen die Höhe der Geldstrafe Berufung, da ich seit April 1995 keine Beschäftigung habe. Außerdem habe ich am 4.7.1995 einen Aids-Test gemacht." Dazu legte die Bwin die Kopie eines Befundes vom 4. Juli 1995 des Dr. H P, Facharzt für medizinische und chemische Labordiagnostik, S, vor, dem folgende Daten zu entnehmen sind:

HIV-1/HIV-2 Antikoerper : NEGATIV Enzymimmunoassay 1.3. Die belangte Behörde hat ihren Verwaltungsstrafakt ohne Begleitschreiben zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t :

2.1. Polizeibeamte des Wachzimmers L der Bundespolizeidirektion L haben aufgrund eigener dienstlicher Wahrnehmung Anzeige gegen die Bwin erstattet. Während des Zivilstreifendienstes sahen die Beamten am 17. September 1994 gegen 22.30 Uhr die ihnen bekannte Bw, eine polizeibekannte Geheimprostituierte, in L vor dem Haus P nach einem kurzen Gespräch in das Fahrzeug, des Kunden Mag.

W S einsteigen. Das Fahrzeug fuhr anschließend zur Lagerhalle in L. Dort klopften die Beamten um 23.10 Uhr an die Eingangstür, worauf der Kunde öffnete. In der Halle stand ein Wohnwagen, in dem sich die Bwin nur mit einem Body bekleidet aufhielt. Bei der getrennten Befragung gaben beide zu, einen Geschlechtsverkehr unter Verwendung eines Präservativs durchgeführt zu haben. Die Bwin bestritt allerdings die Annahme eines Liebeslohnes, weil der Kunde ein alter Bekannter gewesen wäre. Dieser sagte aber aus, daß ein Geschlechtsverkehr in seinem Wohnwagen vereinbart worden war und daß er den Liebeslohn von S 1.000,-- vorher bezahlt hatte.

2.2. Auf die am 18. Oktober 1994 eigenhändig zugestellte Aufforderung zur Rechtfertigung vom 6. Oktober 1994 hat die Bwin nicht reagiert. Die Erhebungsabteilung des Magistrats Linz versuchte mehrfach vergeblich die persönlichen Verhältnisse der Bwin festzustellen. Zuletzt wurde mit Schreiben vom 17. Mai 1995 berichtet, daß die Bwin bei mehreren Hausbesuchen nicht hätte angetroffen werden können und schriftlichen Einladungen keine Folge leistete. Sie wäre bei der Firma V, H, beschäftigt.

In weiterer Folge erließ die belangte Behörde das angefochtene Straferkenntnis vom 26. Juni 1995. Begründend wird ausgeführt, daß die Einlassung der Kunde wäre ein alter Bekannter gewesen, eine Schutzbehauptung sei, die durch die Aussage des Kunden eindeutig widerlegt werde.

Straferschwerend wurden vier einschlägige Vorstrafen gewertet. Die Bwin wurde nach dem aktenkundigen Strafregister am 3. Oktober 1994 und dreimal am 23. Jänner 1995 wegen Übertretung des § 9 Abs 1 Z 2 Aids-Gesetz 1993 bestraft. Mildernde Umstände wurden nicht festgestellt. Da die Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht erhoben werden konnten, nahm die Strafbehörde im Hinblick auf das bestehende Arbeitsverhältnis ein monatliches Nettoeinkommen von S 12.000,-- an.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, daß der entscheidungswesentliche Sachverhalt bereits aufgrund der Aktenlage hinreichend geklärt ist.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 9 Abs 1 Z 2 Aids-Gesetz 1993 begeht, sofern keine gerichtlich strafbare Handlung vorliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist nach dem Einleitungssatz mit einer Geldstrafe bis zu S 100.000,-- zu bestrafen, wer gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper duldet oder solche Handlungen an anderen vornimmt, ohne sich vor der Aufnahme dieser Tätigkeit oder regelmäßig wiederkehrend einer amtsärztlichen Untersuchung gemäß § 4 Abs 2 zu unterziehen.

Nach dem § 4 Abs 2 Aids-Gesetz 1993 haben sich Personen vor Aufnahme der Prostitution und danach periodisch wiederkehrend, mindestens jedoch in Abständen von drei Monaten, neben den vorgeschriebenen Untersuchungen nach dem Geschlechtskrankheitengesetz, StGBl Nr. 152/1945, und den auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen (vgl V über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die der Prostitution nachgehen, BGBl Nr. 314/1974 idF BGBl Nr.

591/1993) einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion zu unterziehen.

Die Bwin hat den Schuldspruch nicht bekämpft. Insofern ist daher Rechtskraft eingetreten. Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, daß die Bwin auch mit dem nachträglichen Aidstest vom 4. Juli 1995 im Labor eines Privatarztes ihrer Pflicht, eine amtsärztliche Untersuchung iSd Aids-Gesetzes 1993 vor Aufnahme der Prostitution und in periodisch wiederkehrenden Abständen von mindestens drei Monaten vornehmen zu lassen, schon abstrakt nicht nachgekommen ist (vgl dazu näher das h. Erkenntnis vom 09.02.1996, VwSen-240135/6/Wei/Bk).

4.2. Im Rahmen der Strafbemessung sind der belangten Behörde einige Rechtsfehler unterlaufen.

Zunächst ist festzustellen, daß die vier Vorstrafen zu Unrecht als erschwerend gewertet wurden. Der aktenkundigen Aufstellung der belangten Behörde, die die wesentlichen Daten leider nicht eindeutig und unverwechselbar ausweist, sind der 3. Oktober 1994 und dreimal der 23. Jänner 1995 als vermutliche Daten der Herstellung von Straferkenntnissen wegen Übertretungen nach dem § 9 Abs 1 Z 2 Aids-Gesetz 1993 zu entnehmen. Weder die Rechtskraft noch eine Unterscheidung der einzelnen Bescheide nach Aktenzahlen oder zumindest nach Registriernummern ist allgemeinverständlich ausgewiesen.

Aber bereits aus den genannten Daten ist ersichtlich, daß sämtliche Straferkenntnisse erst nach dem gegenständlichen Vorfall vom 17. September 1994 erlassen worden sind. Daraus folgt, daß sie jedenfalls im Zeitpunkt des Vorfalls noch nicht rechtskräftig sein konnten. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Annahme des Erschwerungsgrundes nach § 33 Z 2 StGB (iVm § 19 Abs 2 VStG) ebenso wie im strafgerichtlichen Verfahren erforderlich, daß die einschlägige Vorstrafe im Zeitpunkt der Begehung der Tat bereits rechtskräftig war (vgl neben VwGH 19.9.1991, 91/06/0106 = ZfVB 1992/5/1909 und VwGH 13.3.1991, 90/03/0016, 0042 = ZfVB 1992/3/1124 die Judikaturnachweise bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. A [1990], 803 E 65 bis E 67 zu § 19 VStG).

Die Schuld der Bwin kann im Hinblick auf die wiederholte Begehung des § 9 Abs 1 Z 2 Aids-Gesetz 1993 innerhalb relativ kurzer Zeit als nicht unbedeutend angesehen werden.

Schuldmindernd erscheint aber, daß sich die Bwin nachträglich - wenn auch nicht vorschriftsgemäß - einem HIV-Test bei einem Facharzt für medizinische und chemische Labordiagnostik unterzogen hat. Dies zeigt zumindest eine gewisse Einsicht und läßt den Gesinnungsunwert ihres Verhaltens in einem milderen Licht erscheinen.

Zu ihren persönlichen Verhältnissen bringt die Bwin vor, daß sie seit April 1995 keine Beschäftigung hätte. Allerdings geht der erkennende Verwaltungssenat im Hinblick auf die amtsbekannten Verwaltungsstrafverfahren davon aus, daß die Bwin auch Einnahmen aus der regelmäßigen oder fallweisen Ausübung der Prostitution erzielt. Unter Berücksichtigung des üblichen Liebeslohnes von S 1.000,-- für einen Geschlechtsverkehr erscheint ein Nettomonatseinkommen von wenigstens S 10.000,-- als sehr großzügige Annahme zugunsten der Bwin. Bei den gegebenen Strafzumessungsfaktoren und dem anzuwendenden Strafrahmen von bis zu S 100.000,-- erachtet die erkennende Kammer mit Rücksicht auf eher ungünstige persönliche Verhältnisse der Bwin eine Geldstrafe in Höhe von S 5.000,-- für angemessen und noch ausreichend, um künftiges Wohlverhalten zu erreichen.

4.3. Die Ersatzfreiheitsstrafe war gemäß § 16 Abs 1 und 2 VStG zu bemessen. Da § 9 Abs 1 Aids-Gesetz 1993 keine Freiheitsstrafe androht und auch nichts anderes bestimmt, war gemäß § 16 Abs 2 Satz 1 VStG ein Ersatzfreiheitsstrafrahmen von bis zu zwei Wochen zugrundezulegen. Die von der Strafbehörde verhängte Ersatzfreiheitsstrafe, die offenbar vom nicht gesetzmäßigen Verhältnis S 1.000,-- = 1 Tag ausging, war kraß unverhältnismäßig und widersprach der ständigen h.

Judikatur, nach der eine solche unangemessene Relation grundsätzlich unvertretbar ist. Nur mit besonderer Begründung darf eine im Vergleich zur Geldstrafe unverhältnismäßige Ersatzfreiheitstrafe verhängt werden.

Der unabhängige Verwaltungssenat hatte die Ersatzfreiheitsstrafe schon im Hinblick auf die Herabsetzung der Geldstrafe neu festzusetzen. Die wesentlich niedrigere Geldstrafe ist durch den Wegfall der Erschwerungsgründe und durch die geringe Leistungsfähigkeit der Bwin begründet.

Unter Berücksichtigung der Schuld und der spezialpräventiven Bedürfnisse erscheint eine Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 2 Tagen ausreichend und angemessen. Auf die geringe Leistungsfähigkeit der Bwin kam es bei der Ersatzfreiheitsstrafe nicht mehr an.

5. Bei diesem Ergebnis entfällt im Berufungsverfahren gemäß § 65 VStG die Verpflichtung der Bwin zur Leistung eines weiteren Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r

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