Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240185/2/Wei/Bk

Linz, 18.12.1996

VwSen-240185/2/Wei/Bk Linz, am 18. Dezember 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Strafberufung der A, geb., K, vom 8. Februar 1996 gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 16. Jänner 1996, Zl. 101-4/9-570002910, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem AIDS-Gesetz 1993 (W BGBl Nr.

728/1993) zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, die nach dem Strafrahmen des § 9 Abs 1 AIDS-Gesetz 1993 zu bemessende Geldstrafe auf den Betrag von S 3.000,-- und die gemäß § 16 Abs 1 und 2 VStG festzusetzende Ersatzfreiheitsstrafe auf 1 Tag reduziert.

II. Im Strafverfahren erster Instanz hat die Berufungswerberin einen Kostenbeitrag von S 300,-- zu leisten. Im Berufungsverfahren entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines weiteren Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991, §§ 64 ff VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis vom 16.

Jänner 1996 hat die belangte Behörde die Berufungswerberin (Bwin) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben am 7.5.1995 um 01.35 Uhr in L, E 11, beim Spielplatz, durch Ausübung der Prostitution mit einem Kunden gewerbsmäßig Unzucht getrieben, ohne sich vor Aufnahme dieser Tätigkeit einer amtsärztlichen Untersuchung auf einen Kontakt mit dem Virus LAV/HTLV III unterzogen zu haben." Dadurch erachtete die Strafbehörde § 4 Abs 2 iVm § 9 Abs 1 Z 2 AIDS-Gesetz 1993 als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte "gemäß § 9 Abs. 1 Z. 2 leg. cit." (richtig:

Strafrahmen des § 9 Abs 1 leg.cit.) wegen dieser Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe von S 8.000,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 8 Tagen. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden S 800,-- vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das der Bwin mit RSb-Brief am 2. Februar 1996 zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitige als Einspruch fehlbezeichnete Berufung vom 8. Februar 1996, mit der eine Herabsetzung der Strafe sowie eine Ratenzahlung angestrebt wird.

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende S a c h v e r h a l t :

2.1. Eine Zivilstreife der Bundespolizeidirektion Linz beobachtete am 7. Mai 1995 um 01.25 Uhr, daß die Bwin im Bereich P in L mit dem Kunden J ein Gespräch offensichtlich zwecks Anbahnung der Prostitution führte. In der Folge gingen beide zu Fuß in Richtung E zum Kinderspielplatz. Die Polizeibeamten folgten den beiden und ertappten sie daraufhin bei Durchführung eines Geschlechtsverkehrs, wobei ein Präservativ verwendet wurde. Der Kunde gab an, daß ein Geschlechtsverkehr um S 1.000,-- vereinbart worden wäre. Die Bwin gab zu, daß sie sich keiner Untersuchung auf einen Kontakt mit dem Virus LAV/HTLV III unterzogen hatte.

2.2. Nach Aufforderung zur Rechtfertigung vom 23. Mai 1995 versuchte die belangte Behörde vergeblich die Einkommensund Vermögensverhältnisse der Bwin in Erfahrung zu bringen.

Eine dem Parteiengehör unterzogene realistische Einschätzung erfolgte aber nicht. In der Folge erließ die Strafbehörde das angefochtene Straferkenntnis vom 16. Jänner 1996. Im Rahmen der Strafbemessung wertete die belangte Behörde vier einschlägige Vorstrafen vom 28. Juni 1995 zu je S 3.000,-als erschwerend. Im übrigen schätzte sie das Einkommen in einer Höhe von S 15.000,-- (ohne Zeitangabe).

2.3. In ihrer auf das Strafmaß beschränkten Berufung teilt die Bwin mit, daß sie vor drei Monaten nach etlichen Jahren wieder eine Wohnung bezogen habe und diese auf keinen Fall verlieren wolle. Außerdem lebe sie von der Sozialhilfe. Sie sehe keinen Weg, "diese horrende Summe" zu bezahlen.

Abschließend ersucht sie, die Strafe zu reduzieren und einer Ratenzahlung zuzustimmen.

2.4. Die belangte Strafbehörde hat ihren Verwaltungsstrafakt kommentarlos und ohne Begleitschreiben vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erwogen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, daß der entscheidungswesentliche Sachverhalt bereits aufgrund der Aktenlage hinreichend geklärt ist.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 9 Abs 1 Z 2 AIDS-Gesetz 1993 begeht, sofern keine gerichtlich strafbare Handlung vorliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist nach dem Einleitungssatz mit einer Geldstrafe bis zu S 100.000,-- zu bestrafen, wer gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper duldet oder solche Handlungen an anderen vornimmt, ohne sich vor der Aufnahme dieser Tätigkeit oder regelmäßig wiederkehrend einer amtsärztlichen Untersuchung gemäß § 4 Abs 2 zu unterziehen.

Nach dem § 4 Abs 2 AIDS-Gesetz 1993 haben sich Personen vor Aufnahme der Prostitution und danach periodisch wiederkehrend, mindestens jedoch in Abständen von drei Monaten, neben den vorgeschriebenen Untersuchungen nach dem Geschlechtskrankheitengesetz, StGBl Nr. 152/1945, und den auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen (vgl V über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die der Prostitution nachgehen, BGBl Nr. 314/1974 idF BGBl Nr.

591/1993) einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion zu unterziehen.

Die Bwin ist offenbar geständig. Sie hat den Schuldspruch nicht bekämpft. Insofern ist daher Rechtskraft eingetreten.

4.2. Im Rahmen der Strafbemessung sind der belangten Behörde einige Rechtsfehler unterlaufen.

Zunächst ist festzustellen, daß die vier Vorstrafen zu Unrecht als erschwerend gewertet wurden. Nach der Darstellung im Straferkenntnis und der aktenkundigen Aufstellung der belangten Behörde, die hinsichtlich Klarheit der wesentlichen Daten leider sehr zu wünschen übrig läßt, stammen die Vorstrafen vom 28. Juni 1995. Dabei handelt es sich höchstwahrscheinlich um das Datum der Herstellung von Straferkenntnissen wegen früherer Übertretungen nach dem § 9 Abs 1 Z 2 AIDS-Gesetz 1993. Weder die Rechtskraft noch eine Unterscheidung der einzelnen Straferkenntnisse nach Aktenzahlen ist allgemeinverständlich ausgewiesen.

Sämtliche Straferkenntnisse sind erst nach dem gegenständlichen Vorfall vom 7. Mai 1995 erlassen worden.

Daraus folgt, daß sie jedenfalls im Zeitpunkt des Vorfalls noch nicht rechtskräftig sein konnten. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Annahme des Erschwerungsgrundes nach § 33 Z 2 StGB (iVm § 19 Abs 2 VStG) ebenso wie im strafgerichtlichen Verfahren erforderlich, daß die einschlägige Vorstrafe im Zeitpunkt der Begehung der Tat bereits rechtskräftig war (vgl neben VwGH 19.9.1991, 91/06/0106 = ZfVB 1992/5/1909 und VwGH 13.3.1991, 90/03/0016, 0042 = ZfVB 1992/3/1124 die Judikaturnachweise bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. A [1996], 851, E 89 ff zu § 19 VStG).

Die gegenständlichen Vorstrafen bedeuten nur, daß keine Unbescholtenheit der Bwin mehr angenommen werden kann. Die Schuld der Bwin ist zwar im Hinblick auf die wiederholte Begehung des § 9 Abs 1 Z 2 Aids-Gesetz 1993 innerhalb relativ kurzer Zeit als nicht ganz unbedeutend anzusehen. In allgemeiner Hinsicht schuldmindernd erscheint aber das in der Berufung zum Ausdruck kommende geständige Verhalten der Bwin. Außerdem ist die Verwendung eines Präservativs nachgewiesen, was immerhin als eine sogar vom BMGU empfohlene Vorsichtsmaßnahme anzusehen ist, die einer Infektion mit dem HIV-Virus mit großer Wahrscheinlichkeit vorbeugt. Am grundsätzlichen Verstoß gegen die Untersuchungspflicht nach § 4 Abs 2 AIDS-Gesetz 1993 ändert sich dadurch freilich nichts. Das objektive Gewicht dieser Übertretung iSd § 19 Abs 1 VStG erscheint aber gemindert, weil die Schädigung der geschützten öffentlichen Interessen an der Volksgesundheit eher als nicht bedeutend einzustufen ist.

Zu ihren persönlichen Verhältnissen bringt die Bwin unwiderlegt vor, daß sie von der Sozialhilfe lebe und erst vor kurzem nach etlichen Jahren wieder eine eigene Wohnung bezogen habe, die sie verständlicherweise nicht verlieren möchte. Offenbar hat die Bwin auch keinerlei Vermögen, das sie verwerten könnte. Sie dürfte nur über das Existenzminimum verfügen. Schon im Hinblick auf diese ungünstigen persönlichen Verhältnisse war die Geldstrafe weit überhöht.

Bei den gegebenen Strafzumessungsfaktoren und dem anzuwendenden Strafrahmen von bis zu S 100.000,-- erachtet der erkennende Verwaltungssenat eine Geldstrafe in Höhe von S 3.000,-- für angemessen und noch ausreichend, um künftiges Wohlverhalten zu erreichen.

4.3. Die Ersatzfreiheitsstrafe war gemäß § 16 Abs 1 und 2 VStG zu bemessen. Da § 9 Abs 1 AIDS-Gesetz 1993 keine Freiheitsstrafe androht und auch nichts anderes bestimmt, war gemäß § 16 Abs 2 Satz 1 VStG ein Ersatzfreiheitsstrafrahmen von bis zu zwei Wochen zugrundezulegen. Die von der Strafbehörde verhängte Ersatzfreiheitsstrafe, die offenbar vom willkürlichen Verhältnis S 1.000,-- = 1 Tag ausging, war kraß unverhältnismäßig und widersprach der ständigen h.

Judikatur, nach der eine solche unangemessene Relation grundsätzlich unvertretbar ist. Nur mit besonderer Begründung darf eine im Vergleich zur Geldstrafe unverhältnismäßige Ersatzfreiheitstrafe verhängt werden.

Der unabhängige Verwaltungssenat hatte die Ersatzfreiheitsstrafe schon im Hinblick auf die Herabsetzung der Geldstrafe neu festzusetzen. Die wesentlich niedrigere Geldstrafe ist durch den Wegfall der Erschwerungsgründe und durch die geringe Leistungsfähigkeit der Bwin begründet.

Unter Berücksichtigung der Schuld und der spezialpräventiven Bedürfnisse erscheint eine Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 1 Tag ausreichend und angemessen. Auf die geringe Leistungsfähigkeit der Bwin kam es bei der Ersatzfreiheitsstrafe nicht mehr an.

5. Bei diesem Ergebnis entfällt im Berufungsverfahren gemäß § 65 VStG die Verpflichtung der Bwin zur Leistung eines weiteren Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens.

Über die Bewilligung von Ratenzahlungen hat die belangte Strafbehörde gemäß § 54b Abs 3 VStG zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. W e i ß

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