Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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Linz, 21.03.1997

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E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Strafberufungen der H, geb. , N, je vom 5. August 1996 gegen die in chronologischer Reihenfolge nach der Tatzeit im folgenden aufgezählten Straferkenntnisse je vom 16. Juli 1996 des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz, und zwar:

1. Zl. 101-4/9-330043670, 2. Zl. 101-4/9-330043534, 3. Zl. 101-4/9-330043742, 4. Zl. 101-4/9-330043741, 5. Zl. 101-4/9-330044777, 6. Zl. 101-4/9-330046121, 7. Zl. 101-4/9-330045417, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem AIDS-Gesetz 1993 (W BGBl Nr. 728/1993) zu Recht erkannt:

I. Den Berufungen wird Folge gegeben, die nach dem Strafrahmen des § 9 Abs 1 AIDS-Gesetz 1993 zu bemessenden Geldstrafen werden je auf S 3.000,-- (in Summe daher S 21.000,--) und die gemäß § 16 Abs 1 und 2 VStG festzusetzenden Ersatzfreiheitsstrafen je auf 1,5 Tage (in Summe daher 10,5 Tage) herabgesetzt.

II. Die Berufungswerberin hat als Beiträge zu den Kosten der erstinstanzlichen Strafverfahren je S 300,-- (10 % der verhängten Strafe), insgesamt daher S 2.100,--, zu leisten.

In den Berufungsverfahren entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines weiteren Beitrags zu den Kosten der Strafverfahren.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991, §§ 64 ff VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit den nachstehend angeführten Straferkenntnissen je vom 16. Juli 1996 hat die belangte Strafbehörde die Berufungswerberin (Bwin) je der Ausübung der Prostitution mit einem Kunden, ohne sich vor Aufnahme dieser Tätigkeit gemäß § 4 Abs 2 AIDS-Gesetz 1993 einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion unterzogen zu haben, im Sinne der Strafbestimmung des § 9 Abs 1 Z 2 AIDS-Gesetz 1993 schuldig erkannt, und zwar zu den folgenden Tatzeiten und Tatorten:

1. Zl. 101-4/9-330043670 (= VwSen-240204/1996) Tatzeit: 12.3.1996, zwischen 21.50 und 22.30 Uhr Tatort: Linz, in einem Wohnwagen gegenüber H 68 (Schotterparkplatz); 2. Zl. 101-4/9-330043534 (= VwSen-240202/1996) Tatzeit: 20.3.1996, 00.30 Uhr Tatort: Linz, im Wohnwagen gegenüber H 64; 3. Zl. 101-4/9-330043742 (= VwSen-240203/1996) Tatzeit: 12.4.1996, zwischen 23.00 und 23.45 Uhr Tatort: Linz, in einem Wohnwagen gegenüber H (Schotterparkplatz); 4. Zl. 101-4/9-330043741 (= VwSen-240209/1996) Tatzeit: 13.4.1996, zwischen 01.00 und 01.30 Uhr Tatort: Linz, in einem Wohnwagen gegenüber H Nr. 61 (Schotterparkplatz); 5. Zl. 101-4/9-330044777 (= VwSen-240206/1996) Tatzeit: 26.4.1996, um 23.30 Uhr Tatort: Linz, in einem Wohnwagen H nächst Nr. 53 (Schotterparkplatz); 6. Zl. 101-4/9-330045417 (= VwSen-240200/1996) Tatzeit: 22.5.1996, zwischen 00.35 und 00.55 Uhr Tatort: Linz, P 3, 2. Stock (Wohnung M); 7. Zl. 101-4/9-330046121 (= VwSen-240208/1996) Tatzeit: 31.5.1996, zwischen 01.10 Uhr und 01.40 Uhr Tatort: Linz, P 3, 2. Stock (Wohnung M).

Die belangte Behörde verhängte unrichtigerweise "gemäß § 9 Abs 1 Z 2 leg. cit." (richtig wäre: Strafrahmen des § 9 Abs 1 AIDS-Gesetz 1993) über die Bwin Geldstrafen in Höhe von je S 10.000,-- (insgesamt S 70.000,--) und für den Fall der Uneinbringlichkeit ohne Angabe einer Rechtsgrundlage Ersatzfreiheitsstrafen von je 10 Tagen (insgesamt 70 Tage). Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurde je ein Betrag von S 1.000,-- (insgesamt daher S 7.000,--) vorgeschrieben.

1.2. Gegen diese Straferkenntnisse erhob die Bwin am 5.

August 1996 jeweils mündlich Berufung, worüber von der belangten Behörde eine Niederschrift aufgenommen wurde. Die Bwin erklärte: "Ich berufe nur gegen die Strafhöhe, da eine Bezahlung in dieser Höhe für mich nicht möglich ist." Zu den Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen befragt, gab die Bwin an, geschieden, arbeitslos und ohne Einkommen und Vermögen zu sein.

2.1. Die den einzelnen Straferkenntnissen zugrundeliegenden Sachverhalte beruhen auf Erhebungen der BPD . Bei der Bwin handelt es sich um eine bekannte Geheimprostituierte (siehe auch h. Erk vom 31.10.1996, VwSen-300084/3/Kei/Shn ua Zlen., wegen Übertretungen des § 2 Abs 3 lit a) u c) O.ö. PolStG).

Als Zeugen wurden von der BPD auch die jeweiligen Kunden der Bwin befragt, die angaben, beim Geschlechtsverkehr jeweils ein Kondom benützt zu haben, welches ihnen von der Bwin zur Verfügung gestellt worden war. Im übrigen war die Bw, soweit sie Kenntnis von den Anzeigen hatte, sofort nach Einvernahme geständig.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse wurden von der Bwin trotz Aufforderungen durch die belangte Strafbehörde nicht bekanntgegeben. Diese ging in den angefochtenen Straferkenntnissen schätzungsweise von einem monatlichen Einkommen (gemeint: Nettoeinkommen) in Höhe von S 10.000,-- aus. Sorgepflichten wurden nicht berücksichtigt.

Die Schätzung der belangten Strafbehörde wurde nicht dem Parteiengehör unterzogen.

2.2. Die belangte Strafbehörde hat ihre Verwaltungsstrafakte ohne Begleitschreiben vorgelegt und eine Berufungsvorentscheidung offenbar nicht in Erwägung gezogen.

3. Der erkennende Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, daß der entscheidungswesentliche Sachverhalt nach der Aktenlage unbestritten feststeht. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung war daher entbehrlich.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 9 Abs 1 Z 2 AIDS-Gesetz 1993 begeht, sofern keine gerichtlich strafbare Handlung vorliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist nach dem Einleitungssatz mit einer Geldstrafe bis zu S 100.000,-- zu bestrafen, wer gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper duldet oder solche Handlungen an anderen vornimmt, ohne sich vor der Aufnahme dieser Tätigkeit oder regelmäßig wiederkehrend einer amtsärztlichen Untersuchung gemäß § 4 Abs 2 zu unterziehen.

Nach dem § 4 Abs 2 AIDS-Gesetz 1993 haben sich Personen vor Aufnahme der Prostitution und danach periodisch wiederkehrend, mindestens jedoch in Abständen von drei Monaten, neben den vorgeschriebenen Untersuchungen nach dem Geschlechtskrankheitengesetz, StGBl Nr. 152/1945, und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnung (vgl V über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die der Prostitution nachgehen, BGBl Nr. 314/1974 idF BGBl Nr.

591/1993) einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion zu unterziehen.

Die Bwin hat nur gegen die Strafhöhe berufen, weshalb der Schuldspruch jeweils in Rechtskraft erwachsen und ver bindlich geworden ist. Sie hat sich von Anfang an geständig verhalten.

4.2. Obwohl die Schuldsprüche rechtskräftig geworden sind, hat der erkennende Verwaltungssenat im Rahmen der Strafbemessung zu berücksichtigen, daß die belangte Strafbehörde bei richtiger rechtlicher Beurteilung von einem einheitlichen Fortsetzungszusammenhang hätte ausgehen müssen.

Ein fortgesetztes Delikt liegt vor, wenn eine Reihe von deliktischen Einzelhandlungen durch Gleichartigkeit der Begehungsform und der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines erkennbaren zeitlichen Zusammenhanges aufgrund eines Gesamtkonzeptes des Täters zu einer Einheit verschmelzen (vgl dazu die Judikatur bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II, E 76 ff zu § 22 VStG). Dabei müssen die Einzelakte von einem vorgefaßten einheitlichen Willensentschluß, dem sog Gesamtvorsatz (= Gesamtkonzept), getragen sein, der schrittweise durch fortgesetzte Einzelakte als Teilhandlungen eines Gesamtkonzepts des Täters auf die Zielerreichung gerichtet ist (vgl näher mN Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A [1992], § 28 Rz 34 ff; ebenso Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. A [1996], 866 Anm 1 zu § 22 VStG).

Von einem Sammeldelikt als Erscheinungsform des fortgesetzten Delikts spricht man bei Deliktstypen, die auf Gewohnheits- oder Gewerbsmäßigkeit der Begehung und damit auch auf die verpönte Lebensführung abstellen, die durch die funktional und wertmäßig eine Einheit bildenden Einzeltaten zum Ausdruck kommt (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch, 5. A [1996], 866 f). In diesem Sinne hat der Verwaltungs gerichtshof in dem Erkenntnis eines verstärkten Senats vom 19. Mai 1980, Zl. 3295/80 (vgl VwSlg 10138/1980), zur Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht und dem Anbieten hiezu die Ansicht vertreten, daß deliktische Einzelhandlungen solange als eine rechtlich einheitliche Verwaltungsübertretung (= juristische Handlungseinheit) anzusehen sind, als der Täter nicht durch nach außen tretendes Verhalten zu erkennen gegeben hat, daß er seine verpönte innere Haltung und damit das zugrundeliegende Gesamtkonzept geändert hat. Die Anbahnung und Ausübung der Prostitution wurde demnach als juristische Handlungseinheit im Sinne eines Sammeldelikts angesehen. Der Verwaltungsgerichtshof nimmt im Zusammenhang mit gewerbsmäßiger Prostitution regelmäßig Deliktseinheit an, wenn die allgemeinen Voraussetzungen (gleichartige Begehungsweise, ähnliche Begleitumstände und zeitliche Kontinuität) der Rechtsfigur des fortgesetzten Delikts zutreffen (vgl dazu die Nachw bei Hauer/Leukauf, Handbuch, 5. A [1996], 1432, E 3 zu § 3 Sbg PolStG und 1450, E 30 und E 31 zu § 14 lit b) Tir PolStG).

§ 9 Abs 1 Z 2 AIDS-Gesetz 1993 stellt analog zu den üblichen Prostitutionsdelikten auf die gewerbsmäßige Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen ab, wobei diese Tätigkeit ohne amtsärztliche Untersuchung gemäß § 4 Abs 2 AIDS-Gesetz 1993 vorgenommen werden muß. Wegen der gleichartigen Begehungsweise im zeitlichen Zusammenhang unter ähnlichen Begleitumständen liegt in objektiver Hinsicht eindeutig ein Fortsetzungszusammenhang vor. Da die Bwin überdies eine amtsbekannte Geheimprostituierte ist, war auch an ihrem Gesamtvorsatz, die Prostitution durch Einzelakte regelmäßig und fortgesetzt ohne die erforderliche amtsärztliche Untersuchung auszuüben, nicht zu zweifeln. Sie hat die Prostitution trotz wiederholten Betretens auf frischer Tat (erstmalig am 12.3.1996) weiterhin planmäßig ausgeübt und dabei ihre innere Einstellung, von einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion abzusehen, nicht geändert. Die belangte Strafbehörde hätte daher Deliktseinheit annehmen und für den aktenkundigen Zeitraum von März 1996 bis Mai 1996 nur eine einheitliche Strafe verhängen dürfen. Das Kumulationsprinzip des § 22 VStG ist im Falle des Vorliegens eines fortgesetzten Delikts nicht anwendbar (vgl abermals Hauer/Leukauf, Handbuch, 6. A [1996], 865 f Anm 1 zu § 22 VStG).

4.3. Der bei der Strafbemessung anzuwendende Strafrahmen des § 9 Abs 1 AIDS-Gesetz 1993 (Einleitungssatz) sieht eine Geldstrafe von bis zu S 100.000,-- vor. Die Ersatzfreiheitsstrafe war gemäß § 16 Abs 1 und 2 VStG mangels einer abweichenden Regelung innerhalb eines Rahmens von zwei Wochen festzusetzen. Die rechtskräftigen Schuldsprüche der angefochtenen Straferkenntnisse können nicht abgeändert werden. Der unabhängige Verwaltungssenat ist aber im Rahmen der Strafbemessung zu einer Korrektur der Straferkenntnisse befugt, wobei er eine wertende Gesamtbetrachtung des sich aus den Einzelakten ergebenden Unrechtsgehaltes vorzunehmen hat (vgl schon idS das h. Erk vom 31.10.1996, VwSen-300084/3/Kei/Shn ua Zlen.). Dabei muß die Summe der verhängten Einzelstrafen zum gesamten Unrechtsgehalt des fortgesetzten Delikts im angemessenen Verhältnis stehen. Je höher die Anzahl der Einzelhandlungen, desto höher ist naturgemäß auch der Unrechtsgehalt des gesamten Fortsetzungszusammenhangs.

Die belangte Behörde hat an sich richtig weder besondere straferschwerende noch strafmildernde Umstände iSd §§ 33, 34 StGB angenommen. Bei der Schuldbewertung sind aber auch die allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung des § 32 StGB (iVm § 19 Abs 2 VStG) zu beachten. Den vorgelegten Verwaltungsakten ist zu entnehmen, daß sich die Bwin gegenüber den einschreitenden Polizeibeamten durchwegs geständig verhalten hatte. Sie berief dementsprechend in der Schuldfrage auch nicht. Deshalb sind ihr zumindest die Tatsachengeständnisse schuldmindernd anzurechnen. Auch die Verwendung eines Präservativs, das von der Bwin den Kunden jeweils zur Verfügung gestellt wurde, zur Durchführung des Geschlechtsverkehrs wirkt sich unrechts- und schuldmindernd aus (vgl schon VwSen-240185/2/Wei/Bk vom 18.12.1996). Es handelt sich dabei sogar um eine schon früher vom BMGU empfohlene Vorsichtsmaßnahme, die einer Infektion mit dem HIV-Virus mit großer Wahrscheinlichkeit vorbeugt. Am grundsätzlichem Verstoß gegen die Untersuchungspflicht nach § 4 Abs 2 AIDS-Gesetz 1993 ändert sich dadurch freilich nichts. Das objektive Gewicht dieser Übertretungen erscheint aber nach den Kriterien des § 19 Abs 1 VStG gemindert, weil die Schädigung der geschützten öffentlichen Interessen an der Volksgesundheit eher als nicht bedeutend einzustufen ist.

4.4. Die Bwin hat vorgebracht, daß sie arbeitslos und ohne Einkommen wäre. Im Hinblick auf die amtsbekannte fortgesetzte Ausübung der Prostitution kann aber bedenkenlos von einem monatlichen Einkommen von wenigstens S 10.000,-ausgegangen werden. Andererseits ergibt sich aus dem h.

Erkenntnis vom 31. Oktober 1996, VwSen-300084/3/Kei/Shn ua Zlen., daß die Bwin wegen der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution noch Geldstrafen in Höhe von insgesamt S 65.000,-- und Kosten von S 6.500,-- zu bezahlen hat. In diesem Berufungsverfahren ist auch bekannt geworden, daß die Bwin für einen mj. Sohn sorgepflichtig ist.

Die ungünstigen finanziellen Verhältnisse der Bwin, die gesamtabwägende Betrachtungsweise im Sinne eines fortgesetzten Delikts hinsichtlich der angelasteten 7 Einzelhandlungen sowie die oben dargelegten schuldmildernden Umstände haben eine deutliche Reduzierung der Geldstrafen zur Folge. Bei den gegebenen Strafzumessungsfaktoren erscheinen Strafen in Höhe von S 3.000,-- tat- und schuldangemessen und auch in spezialpräventiver Hinsicht ausreichend. Die Gesamtstrafe für die etwa drei Monate dauernde fortgesetzte Übertretung des AIDS-Gesetzes beträgt damit statt den erstbehördlich verhängten S 70.000,-- nur noch S 21.000,--. Die strafbehördlichen Geldstrafen waren vor allem auch deshalb deutlich überhöht, weil nicht einmal einschlägige Vorstrafen nach dem AIDS-Gesetz 1993 vorlagen.

Überhöhte Geldstrafen verfehlen eine wünschenswerte spezialpräventive Wirkung, wenn die Bwin bei realistischer Betrachtung dadurch nur verleitet wird, diese Geldstrafen im Wege der verstärkten Ausübung der Prostitution "abzuarbeiten". Im übrigen können höhere Ersatzfreiheitsstrafen auch nicht durch überhöhte Geldstrafen legitimiert werden.

4.5. Die Ersatzfreiheitsstrafen waren nach der ständigen Judikatur des O.ö. Verwaltungssenates grundsätzlich im angemessenen Verhältnis zu den Geldstrafen festzusetzen.

Auch für die Ersatzfreiheitsstrafe gilt der Grundsatz (vgl § 32 Abs 1 StGB), daß Grundlage der Strafbemessung die Schuld des Täters ist. Der Rahmen der Schuldangemessenheit darf dabei nicht verlassen werden. Dies übersieht die belangte Strafbehörde mit ihrem Argument, daß im Prostituiertenmilieu eine Tendenz bestehe, höhere Geldstrafen zu unterlaufen und die Ersatzfreiheitsstrafe anzustreben, die dann aber bei verhältnismäßiger Bemessung eine zu geringe abschreckende Wirkung habe. Wenn gemäß § 16 Abs 2 VStG lediglich ein Ersatzfreiheitsstrafrahmen von 2 Wochen in Betracht kommt, so steht es der Rechtsanwendung nicht zu, diese gesetzliche Vorgabe durch eine überhöhte Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen nach eigenem Gutdünken zu korrigieren. Vielmehr ist es ausschließlich Sache des Gesetzgebers, ausreichende Ersatzfreiheitsstrafrahmen zu schaffen. Außerdem bezweifelt der unabhängige Verwaltungssenat, ob in der Praxis tatsächlich alle Möglichkeiten der zwangsweisen Einbringung von Geldstrafen ausgeschöpft werden.

Auch in den gegenständlichen Berufungsverfahren sind die Ersatzfreiheitsstrafen grundsätzlich in angemessener Relation zu den Geldstrafen festzusetzen. Da die Geldstrafen vor allem im Hinblick auf die ungünstigen persönlichen Verhältnisse der Bwin erheblich zu reduzieren sind, es aber auf die Leistungsfähigkeit der Bwin bei der Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafen nicht mehr ankommt, können im Hinblick auf bestehende general- und spezialpräventive Erfordernisse vergleichsweise höhere Ersatzfreiheitsstrafen vorgesehen werden, die sich aber noch innerhalb des vertretbaren Schuldrahmens zu bewegen haben. Der erkennende Verwaltungssenat hält es unter den gegebenen Umständen für noch vertretbar, je eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1,5 Tagen (insgesamt daher 10,5 Tage) festzusetzen. Dies entspricht etwas mehr als 10 % des Strafrahmens, während die Geldstrafen jeweils 3 % des Primärstrafrahmens ausmachen.

5. Bei diesem Ergebnis hatte die Bwin gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG im erstinstanzlichen Strafverfahren je 10 % der verhängten Strafe, ds je S 300,-- (insgesamt 7 x S 300,-- = S 2.100,--) zu leisten. In den Berufungsverfahren entfiel gemäß § 65 VStG die Vorschreibung von weiteren Beiträgen zu den Kosten der Strafverfahren.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. W e i ß

 

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