Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240325/2/WEI/Bk

Linz, 30.12.1999

VwSen-240325/2/WEI/Bk Linz, am 30. Dezember 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des W gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Statutarstadt Steyr vom 30. November 1998, Zl. SanLA-24/98, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 74 Abs 1 iVm §§ 8 lit f), 9 Abs 1 lit a) Lebensmittelgesetz 1975 - LMG 1975 (BGBl Nr. 86/1975 idF vor BGBl I Nr. 63/1998) zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG eingestellt.

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; § 66 Abs 1 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis vom 30. November 1998 wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben es als Vorstandsmitglied und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma B, zu vertreten, daß am 24.3.1998 in der Filiale oa. Firma in drei Packungen à 12 Stück 'B' (Kaugummi) zum Verkauf bereitgehalten und somit in Verkehr gebracht wurden, auf deren Verpackung folgende Bezeichnung aufschien: 'Zink ist Bestandteil vieler Enzyme und von Insulin, unterstützt den Stoffwechsel von Haut, Haaren, Nägel, Nerven, stärkt das Immunsystem und ist für Wachstum und Fortpflanzung (Kinderwunsch) unerlässlich', ohne daß diese gesundheitsbezogenen Angaben zugelassen gewesen wären.

Da es verboten ist, beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln sich auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen oder auf physiologische oder pharmakologische, insbesondere jungerhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlankmachende oder gesunderhaltende Wirkungen zu beziehen oder den Eindruck einer derartigen Wirkung zu erwecken, stellt das Inverkehrbringen oa. Lebensmittel eine Übertretung der Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes dar."

Dadurch erachtete die belangte Behörde § 9 Abs 1 lit a) iVm §§ 8 lit f), 74 Abs 1 LMG 1975 als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung gemäß § 74 Abs 1 LMG 1975 eine Geldstrafe von S 3.000,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden S 300,-- vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw am 2. Dezember 1998 zu Handen seiner Rechtsvertreter zugestellt worden ist, richtet sich die gegenständliche Berufung vom 15. Dezember 1998, die am 16. Dezember 1998 rechtzeitig bei der belangten Behörde einlangte. Die Berufung strebt die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens an.

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t :

2.1. Anlässlich einer lebensmittelpolizeilichen Revision am 24. März 1998 um 9.35 Uhr im B, hat das Lebensmittelaufsichtsorgan des Magistrats Steyr drei Packungen à 12 Stück des Kaugummis "B" als amtliche Probe gezogen und der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Linz zur Begutachtung übermittelt. Dieses von der Firma S GmbH gelieferte Produkt wurde im Geschäft zum Verkauf feilgehalten.

Im aktenkundigen amtlichen Untersuchungszeugnis der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung Linz vom 3. April 1998, UZ. 001737/1998, wird das eingereichte Produkt "B" als weißer polsterförmiger Kaugummi mit reinem Geruch und entsprechendem Geschmack bezeichnet. Im Befund ist weiter vermerkt, dass die gemäß § 18 LMG 1975 vorgesehene Anmeldung an den BMGU als Verzehrprodukt zu Zl. 331.108/0-VI/B/12/98 anhängig und die Untersagungsfrist abgelaufen ist.

Das Gutachten der Bundesanstalt beanstandet Hinweise auf der Verpackung des "B" als gemäß § 9 lit a) LMG 1975 verboten und damit als falsch bezeichnet iSd § 8 lit f LMG 1975. Es handelt sich um folgende Formulierung:

"Zink ist Bestandteil vieler Enzyme und von Insulin, unterstützt den Stoffwechsel von Haut, Haaren, Nägel, Nerven, stärkt das Immunsystem und ist für Wachstum und Fortpflanzung (Kinderwunsch) unerlässlich."

2.2. Nach Einholung eines Firmenbuchauszuges forderte die belangte Behörde mit Schreiben vom 31. August 1998 den Bw als Vorstandsmitglied und damit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der B Aktiengesellschaft zur Rechtfertigung auf, wobei sie ihm ein Tatverhalten wie im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses anlastete. Der Bw brachte daraufhin durch seine Rechtsvertreter einen Antrag auf Akteneinsicht ein, dem die belangte Behörde mit Schreiben vom 10. September 1998 durch Übersendung einer Aktenkopie und Einräumung einer Stellungnahmefrist von 2 Wochen entsprach. Nach ungenütztem Verstreichen dieser Frist erließ die belangte Behörde das angefochtene Straferkenntnis vom 30. November 1998.

2.3. In der rechtsfreundlich verfassten Berufung vom 15. Dezember 1998 werden unrichtige rechtliche Beurteilung und mangelhaftes Verfahren geltend gemacht. Der Lieferant hätte mitgeteilt, dass nunmehr neue Verpackungen mit nahezu identischem Text in Verkehr wären, die vom Bundesministerium für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz als unbedenklich eingeschätzt worden wären. Die Berufung legt dazu Ablichtungen des 1. und 2. Einlegeblattes des bezughabenden Ministerialaktes zur Zl. 331.107/1-VI/B/12/97 vor und beantragt aus diesem Grund die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.

2.4. Bei den vorgelegten Aktenteilen handelt es sich offensichtlich um Akten auf Grund von gemäß § 9 LMG 1975 gestellten Anträgen der Firma S HandelsgmbH in B betreffend gesundheitsbezogene Angaben zu ihren Produkten Magnesium-Kaugummi, Selen-Kaugummi und Zink-Kaugummi. Für den Gegenstand dieses Verfahrens kann der erkennende Verwaltungssenat folgende relevante Passage entnehmen:

Zink-Kaugummi:

"B"

"Tagesbedarf von Zink von Erwachsenen (WHO):

12-15 mg."

Bei den beantragten Angaben handelt es sich um keine gesundheitsbezogenen Angaben gemäß § 9 LMG 1975.

"Zink ist Bestandteil vieler Enzyme und von Insulin, unterstützt den Stoffwechsel von Haut, Haaren, Nerven, Immunsystem, Wachstum und Fortpflanzung."

Bei der beantragten Angabe handelt es sich um eine allgemein gehaltene Aussage zu Funktion und Wirkung von Zink im menschlichen Organismus. Gegen diese Angabe wird kein Einwand erhoben.

Dieser Rechtsstandpunkt des Bundesministeriums für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz bzw der Sektion VI im Bundeskanzleramt, wo nunmehr nach der neuen Kompetenzverteilung seit 1997 auch sämtliche Agenden des früheren Bundesministeriums für Gesundheit und Konsumentenschutz anfallen (zur neuen Ressortkompetenz Barfuß/Smolka/Onder, LMR2, 4. Lfg. Vorbemerkung VI/1) die wurde am 16. Februar 1998 durch Unterschriften der zuständigen Beamten auf dem Einlageblatt dokumentiert.

2.5. Die belangte Behörde hat ihren Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt, ohne dem Berufungsvorbringen entgegenzutreten.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, dass der wesentliche Sachverhalt hinreichend geklärt erscheint und das angefochtene Straferkenntnis schon nach der Aktenlage aufzuheben ist.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 74 Abs 1 LMG 1975 idF vor BGBl I Nr. 63/1998 begeht eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht nach § 63 Abs 2 Z 1 LMG 1975 einer strengeren Strafe unterliegt, und ist nach dem letzten Halbsatz mit Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen,

wer Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel oder Gebrauchsgegenstände der im § 6 lit a, b oder e bezeichneten Art falsch bezeichnet, oder Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel, die falsch bezeichnet sind, oder solche falsch bezeichneten Gebrauchsgegenstände in Verkehr bringt.

Gemäß § 7 Abs 1 lit c) LMG 1975 ist es verboten, falsch bezeichnete Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe in Verkehr zu bringen.

Nach der Begriffsbestimmung des § 8 lit f) LMG 1975 sind Lebensmittel falsch bezeichnet, wenn sie mit zur Irreführung geeigneten Angaben über Umstände, die nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung, wesentlich sind, wie über Art, Herkunft, Verwendbarkeit, Haltbarkeit, Zeitpunkt der Herstellung, Beschaffenheit, Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen, Menge, Maß, Zahl oder Gewicht, oder in solcher Form oder Aufmachung oder mit verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben (§ 9) in Verkehr gebracht werden.

Gemäß § 9 Abs 1 lit a) LMG 1975 ist es beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen verboten, sich auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen oder auf physiologische oder pharmakologische, insbesondere jungerhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlankmachende oder gesunderhaltende Wirkungen zu beziehen oder den Eindruck einer derartigen Wirkung zu erwecken.

Nach § 9 Abs 3 LMG 1975 hat der BMGU (nunmehr BM für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz) auf Antrag für bestimmte Lebensmittel oder Verzehrprodukte gesundheitsbezogene Angaben mit Bescheid zuzulassen, wenn dies mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung vereinbar ist.

4.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl u.a. VwGH 18.4.1994, 92/10/0381 = ZfVB 1996/3/1067; VwGH 26.9.1994, 92/10/0468 = ZfVB 1996/3/1068; VwGH 4.9.1995, 94/10/0177, 0178 = WBl 1996, 336; VwGH 8.8.1996, 93/10/0220) ist die Frage, ob eine gesundheitsbezogene Angabe vorliegt, nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen. Danach kommt es auf den Eindruck an, der sich beim flüchtigen Lesen für einen nicht unbeträchtlichen Teil der Konsumenten ergibt, wobei auf den Gesamteindruck der Mitteilung Bedacht zu nehmen ist. Auch Generalisierungen können einen gesundheitsbezogenen Eindruck bei Konsumenten erwecken.

Die im vorliegenden Fall beanstandete Aussage über Zink kann in Verbindung mit dem angegebenen Zinkgehalt eines Stückes Kaugummi und dem angegebenen Tagesbedarf eines Erwachsenen sowie dem auf der Verpackung befindlichen weiteren Hinweis "schönere Haut, Haare, Nägel und Immunsystem" und der Empfehlung: "Kauen Sie B regelmäßig zweimal täglich mindestens 10 Minuten." bei der Masse der Konsumenten den Eindruck erwecken, dass das Kauen dieses Produkts gesund ist und bei regelmäßiger Anwendung positive Auswirkungen auf den Körper haben wird.

Die belangte Behörde hat allerdings ebenso wie das amtliche Untersuchungszeugnis der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung Linz nur auf die im Spruch angeführte allgemein gehaltene Aussage über die Funktion und Wirkungen von Zink abgestellt, die sich von der im oben bezeichneten Ministerialakt als unbedenklich eingestufte Aussage (vgl Punkt 2.4.) kaum unterscheidet. Gegen diese allgemeine Aussage, die für sich alleine noch keine physiologische bzw gesunderhaltende Wirkung der regelmäßigen Verwendung des zinkhaltigen Kaugummis bedeutet, hat der erkennende Verwaltungssenat ebenso wenig wie das zuständige Ministerium Einwände. Erst durch die in diesem Zusammenhang auf der aktenkundigen Verpackung vorhandenen weiteren Werbeaussagen (S Weltneuheit zinkhaltiger Kaugummi, schönere Haut - Haare, Nägel und Immunsystem) und die Anwendungshinweise wird suggeriert, dass dem Produkt gesundheitsbezogene Wirkung zukommt.

Die belangte Behörde hat das sich aus den §§ 74 Abs 1, 8 lit f) und 9 Abs 1 lit a) LMG 1975 abzuleitende Tatbestandsmerkmal "falsch bezeichnet durch verbotene gesundheitsbezogene Angaben" nicht hinreichend iSd Sprucherfordernisse nach dem § 44a Z 1 VStG konkretisiert. Dem Oö. Verwaltungssenat ist es verwehrt, den Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses um solche wesentliche Sachverhaltselemente zum Nachteil des Bw zu ergänzen, die erst den Tatvorwurf der belangten Behörde schlüssig erscheinen lassen. Mittlerweile ist auch längst die einjährige Verfolgungsverjährungsfrist nach § 74 Abs 6 LMG 1975 ungenützt verstrichen. Es war daher der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG einzustellen.

5. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von S 2.500,-- (entspricht 181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. W e i ß

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