Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240343/2/Wei/Bk

Linz, 04.10.2000

VwSen-240343/2/Wei/Bk Linz, am 4. Oktober 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung der I, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 14. September 1999, Zl. 101-4/9-330097300, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 4 Abs 2 iVm § 9 Abs 1 Z 2 AIDS-Gesetz 1993 (W BGBl Nr. 728/1993, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 78/1998) zu Recht erkannt:

I. Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; § 66 Abs 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem bezeichneten Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz wurde die Berufungswerberin (Bwin) wie folgt schuldig gesprochen und bestraft:

"Sie haben am 7.7.1999 um 22.00 Uhr in L G im Lokal "J", durch Ausübung der Prostitution mit einem Kunden (Herrn A) gewerbsmäßig Unzucht getrieben, ohne sich vor Aufnahme dieser Tätigkeit einer Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion unterzogen zu haben."

Dadurch erachtete die belangte Behörde § 4 Abs 2 iVm § 9 Abs 1 Z 2 AIDS-Gesetz 1993 idgF als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung "gemäß § 9 Abs. 1 Z. 2 leg. cit." eine Geldstrafe von S 5.000,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden S 500,-- (10 % der Geldstrafe) vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das der Bwin zu Handen ihres Rechtsvertreters am 24. September 1999 zugestellt wurde, richtet sich die am 6. Oktober 1999 rechtzeitig zur Post gegebene Berufung gleichen Datums, mit der die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens angestrebt wird.

In der Berufung wird bestritten, dass die Bwin am 7. Juli 1999 im Lokal "J" die Prostitution ausgeübt hätte. Richtig wäre nur, dass sie Herrn A erlaubt hätte, ihr beim Duschen zuzusehen. Zu einer Geschlechtshandlung wäre es aber nicht gekommen. Als Mangelhaft wird gerügt, dass sich im Akt keine Zeugenaussage des A befindet.

2.1. Mit Anzeige vom 7. Juli 1999 der kriminalpolizeilichen Abteilung der BPD Linz wurde über eine Kontrolle im L Lokal "J" berichtet, bei der festgestellt worden wäre, dass sich die Bwin mit dem Gast A im Separee im 1. Stock des Objektes G aufgehalten hätte. Die Bwin habe nach Konfrontation mit B schließlich zugegeben, den Geschlechtsverkehr gegen Geldleistung unternommen zu haben. Der Gast B wäre den Geldbetrag schuldig geblieben.

In der Anzeige werden angebliche Aussagen der Bwin und des A wiedergegeben, ohne dass eine niederschriftliche Einvernahme durchgeführt wurde.

2.2. Die belangte Behörde hat mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 19. Juli 1999 die Tat wie im angefochtenen Straferkenntnis angelastet, ohne auf den Namen des angeblichen Kunden der Bwin hinzuweisen.

Mit der rechtsfreundlich vertretenen Rechtfertigung vom 30. Juli 1999 wurde der Vorwurf bestritten und vorgebracht, dass die Bwin im Lokal "J" zwei Mal wöchentlich als Putzfrau beschäftigt und weitere zwei Mal als Animierdame tätig wäre. Die Durchführung eines Geschlechtsverkehrs mit einem Kunden wird ausdrücklich in Abrede gestellt. Richtig wäre nur, dass sie mit einem Kunden in den ersten Stock ging, um zu duschen, nachdem dieser versprochen hatte, eine Flasche Sekt um S 1.600,-- zu bezahlen. Sie dusche regelmäßig zwei bis drei Mal am Abend und habe dem Kunden in Aussicht gestellt, dabei zusehen zu dürfen. In der Folge hätte sich der Kunde entfernt und wäre mit dem Aufzug hinuntergefahren. Anschließend wäre ein Polizeibeamter gekommen, der fragte, was sie getan habe. Sie hätte den Vorfall danach so, wie oben dargelegt, geschildert.

Für ihre Tätigkeit als Putzfrau erhalte sie S 3.000,--. Dies wurde mit einer Gehaltsabrechnung für Juni 1999 belegt. Für ihre Animiertätigkeit erhalte die Bwin kein gesondertes Gehalt, sondern von Gästen gelegentlich ein sog. "Tischgeld".

2.3. Die belangte Behörde hat auf Grund dieser Rechtfertigung der Bwin keine Zeugen einvernommen und auch keine weiteren Ermittlungen veranlasst. Sie erließ vielmehr in der Folge das angefochtene Straferkenntnis vom 14. September 1999 und ging einfach von der Anzeigeschilderung aus, wonach die Bwin den entgeltlichen Geschlechtsverkehr selbst zugegeben habe.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt festgestellt, dass das angefochtene Straferkenntnis schon auf Grund der Aktenlage aufzuheben ist.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 9 Abs 1 Z 2 AIDS-Gesetz 1993 begeht, sofern keine gerichtlich strafbare Handlung vorliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist nach dem Einleitungssatz mit einer Geldstrafe bis zu S 100.000,-- zu bestrafen,

wer gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper duldet oder solche Handlungen an anderen vornimmt, ohne sich vor der Aufnahme dieser Tätigkeit oder regelmäßig wiederkehrend einer amtsärztlichen Untersuchung gemäß § 4 Abs 2 zu unterziehen.

Nach § 4 Abs 2 AIDS-Gesetz 1993 haben sich Personen vor Aufnahme einer Tätigkeit im Sinne des § 4 Abs 1 leg.cit. und darnach periodisch wiederkehrend, mindestens jedoch in Abständen von drei Monaten, neben den vorgeschriebenen Untersuchungen nach dem Geschlechtskrankheitengesetz (StGBl Nr. 152/1945) und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion zu unterziehen.

§ 4 Abs 1 AIDS-Gesetz 1993 verbietet Personen bei Infektion oder Verdacht auf Infektion mit HIV, gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper zu dulden oder solche Handlungen an anderen vorzunehmen.

4.2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu den Sprucherfordernissen des § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (ständige Rspr. seit den Erk. verst. Senate in VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Im Bescheidspruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale in der Begründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechts nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 1996, 970 f, Anm 2 zu § 44a VStG).

Tatbestandsvoraussetzung des § 9 Abs 1 Z 2 AIDS-Gesetz 1993 ist die tatsächliche gewerbsmäßige Ausübung sexueller Handlungen (und nicht einfach der Prostitution) ohne vorherige amtsärztliche Untersuchung. Die belangte Behörde hat ohne nähere Konkretisierung angelastet, dass die Bwin durch Ausübung der Prostitution mit einem Kunden gewerbsmäßig Unzucht getrieben hätte. Dieser pauschale Tatvorwurf ist unzureichend, weil ihm keine hinreichende Aussagekraft zukommt. Er nimmt nicht ausdrücklich Bezug auf die verbotene Tätigkeit iSd § 9 Abs 1 Z 2 AIDS-Gesetz 1993. Der begründende Hinweis auf die Anzeige vermag daran nichts zu ändern.

Im Übrigen ist der erkennende Verwaltungssenat der Meinung, dass die Darstellung in der Anzeige der BPD Linz vom 7. Juli 1999 nach der Aktenlage nicht hinreichend objektiviert ist. Von Schuldbeweisen kann keine Rede sein, zumal der Belastungszeuge nicht zur Sache einvernommen wurde und die Behauptungen des Meldungslegers über ein angebliches Zugeben des Geschlechtsverkehrs durch die Bwin nicht ausreichend sind. Da die Organe der BPD Linz offenbar keinerlei Beweissicherung veranlasst haben, ist nunmehr nach mehr als einem Jahr realistischerweise nicht mehr zu erwarten, dass ein Schuldbeweis erbracht werden könnte.

Im Ergebnis war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren schon im Hinblick auf die unzureichende Beweislage gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

5. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von S 2.500,-- (entspricht 181, 68 Euro) zu entrichten.

Dr. W e i ß

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