Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240355/2/Wei/Bk

Linz, 17.10.2000

VwSen-240355/2/Wei/Bk Linz, am 17. Oktober 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung der C, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 2. Dezember 1999, Zl. 101-4/9-330101297, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 4 Abs 2 iVm § 9 Abs 1 Z 2 AIDS-Gesetz 1993 (W BGBl Nr. 728/1993, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 78/1998) zu Recht erkannt:

I. Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG eingestellt.

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; § 66 Abs 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem bezeichneten Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz wurde die Berufungswerberin (Bwin) wie folgt schuldig gesprochen und bestraft:

"Sie haben am 31.8.99 um ca. 02.00 Uhr in im Nachtclub 'B', durch Ausübung der Prostitution mit einem Kunden gewerbsmäßig Unzucht getrieben, ohne sich vor Aufnahme dieser Tätigkeit einer Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion unterzogen zu haben."

Dadurch erachtete die belangte Behörde § 4 Abs 2 iVm § 9 Abs 1 Z 2 AIDS-Gesetz 1993 idgF als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung "gemäß § 9 Abs. 1 Z. 2 leg. cit." eine Geldstrafe von S 3.000,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden S 300,-- (10 % der Geldstrafe) vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das der Bwin durch Hinterlegung am 21. Dezember 1999 zugestellt wurde, richtet sich die am 30. Dezember 1999 rechtzeitig bei der belangten Behörde eingebrachte Berufung, mit der erschließbar die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens angestrebt wird.

In der Berufung bestreitet die Bwin die Ausübung der Prostitution im Lokal "B" in L. Sie hätte sich dort nur aufgehalten, weil ihre Schulfreundin Besitzerin des Lokals und sie auf Besuch gewesen wäre. In der Bar hätte sie sich nur aufgehalten, weil ihre Schulfreundin die Arbeit in der Bar verrichtet hätte. Sie wäre sich also keiner Schuld bewusst und hoffte daher auf positive Erledigung.

2.1. Mit Anzeige vom 22. September 1999 hat der Gendarmerieposten Molln berichtet, dass sich die Bwin am 31. August 1999 gegen 02.00 Uhr im Nachtclub "B" prostituiert hätte, indem sie mit W aufs Zimmer gegangen und dort sexuelle Handlungen duldete bzw vorgenommen hätte, obwohl sie sich noch keiner amtsärztlichen Untersuchung unterzogen hatte.

Der Sachverhalt wurde der Gendarmerie im Zuge von Erhebungen aus Anlass eines Raufhandels im "B" in L bekannt. Die Bwin hätte gegenüber Beamten angegeben, dass sie vom Raufhandel nichts gesehen habe, weil sie mit einem Gast auf dem Zimmer gewesen wäre. Sie hätte zugegeben, nicht amtsärztlich untersucht worden zu sein. W gab gegenüber der Gendarmerie niederschriftlich am 22. September 1999 einvernommen an, dass er gegen 02.00 Uhr mit der blonden Prostituierten aufs Zimmer gegangen wäre und S 1.500,-- für "Französisch" und "Verkehr" bezahlt hätte.

2.2. Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 27. Oktober 1999 hat die belangte Behörde der Bwin die Tat wie im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angelastet und sie aufgefordert, ihre Einkommens-, Familien- und Vermögensverhältnisse bekannt zu geben, widrigenfalls von einem monatlichen Nettoeinkommen von S 10.000,-- ausgegangen werde. Den am 5. November 1999 beim Zustellpostamt L hinterlegten RSa-Brief hat die Bwin nicht behoben.

2.3. Die belangte Behörde erließ in der Folge das angefochtene Straferkenntnis vom 2. Dezember 1999, ohne irgendwelche Ermittlungen durchzuführen. Sie verwies begründend auf die Anzeige der Gendarmerie Molln, die dem Grunde nach nicht bestritten worden wäre. Strafmildernd wertete die Strafbehörde das Geständnis, obwohl die Bwin gar nicht förmlich zur Sache einvernommen worden war.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt festgestellt, dass das angefochtene Straferkenntnis schon auf Grund der Aktenlage aufzuheben ist.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 9 Abs 1 Z 2 AIDS-Gesetz 1993 begeht, sofern keine gerichtlich strafbare Handlung vorliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist nach dem Einleitungssatz mit einer Geldstrafe bis zu S 100.000,-- zu bestrafen,

wer gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper duldet oder solche Handlungen an anderen vornimmt, ohne sich vor der Aufnahme dieser Tätigkeit oder regelmäßig wiederkehrend einer amtsärztlichen Untersuchung gemäß § 4 Abs 2 zu unterziehen.

Nach § 4 Abs 2 AIDS-Gesetz 1993 haben sich Personen vor Aufnahme einer Tätigkeit im Sinne des § 4 Abs 1 leg.cit. und darnach periodisch wiederkehrend, mindestens jedoch in Abständen von drei Monaten, neben den vorgeschriebenen Untersuchungen nach dem Geschlechtskrankheitengesetz (StGBl Nr. 152/1945) und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion zu unterziehen.

§ 4 Abs 1 AIDS-Gesetz 1993 verbietet Personen bei Infektion oder Verdacht auf Infektion mit HIV, gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper zu dulden oder solche Handlungen an anderen vorzunehmen.

4.2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu den Sprucherfordernissen des § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (ständige Rspr. seit den Erk. verst. Senate in VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Im Bescheidspruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale in der Begründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechts nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 1996, 970 f, Anm 2 zu § 44a VStG).

Tatbestandsvoraussetzung des § 9 Abs 1 Z 2 AIDS-Gesetz 1993 ist die tatsächliche gewerbsmäßige Ausübung sexueller Handlungen (und nicht einfach der Prostitution) ohne vorherige amtsärztliche Untersuchung. Die belangte Behörde hat ohne nähere Konkretisierung angelastet, dass die Bwin durch Ausübung der Prostitution mit einem Kunden gewerbsmäßig Unzucht getrieben hätte. Dieser pauschale Tatvorwurf ist unzureichend, weil ihm keine hinreichende Aussagekraft zukommt. Er nimmt nicht ausdrücklich Bezug auf die verbotene Tätigkeit iSd § 9 Abs 1 Z 2 AIDS-Gesetz 1993. Der begründende Hinweis auf die Anzeige vermag daran nichts zu ändern. Eine taugliche, den Konkretisierungsanforderungen des § 44a Z 1 VStG entsprechende Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs 2 VStG ist dem gesamten Akt nicht zu entnehmen. Auch das Straferkenntnis enthält keine ausreichend konkretisierte Begründung, weshalb mittlerweile nach Ablauf der Sechsmonatefrist des § 31 Abs 2 VStG längst Verfolgungsverjährung eingetreten ist.

Da innerhalb der Frist für die Verfolgungsverjährung von der belangten Strafbehörde kein tauglicher Tatvorwurf erhoben wurde, war das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG einzustellen, ohne dass es weiterer Erörterungen bedurft hätte.

5. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von S 2.500,-- (entspricht 181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. W e i ß

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