Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240366/3/WEI/Bk

Linz, 31.08.2000

VwSen-240366/3/WEI/Bk Linz, am 31. August 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des G, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 17. April 2000, Zl. SanRB 96-1-2000, betreffend Beschlagnahme von Arzneiwaren zu Recht erkannt:

Aus Anlass der Berufung wird der angefochtene Beschlagnahmebescheid aufgehoben.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem angefochtenen Bescheid über eine Beschlagnahme wurde wie folgt abgesprochen:

"Sie haben am 3.2.2000 gegen 09.00 Uhr durch ihre Erfüllungsgehilfin K vorsätzlich Arzneiwaren bzw. -mittel, die dem Arzneiwareneinfuhrgesetz unterliegen, nämlich

2 Packungen UTILIN S säurefest stark CH.-B.: 17029

1 Packung UTILIN schwach CH.B.: 14048

1 Packung LATENSIN schwach CH.-B.: 10059

10 Packungen NOTAKEHL D5 N 2 100 ml Tropfen Ch.-B.: 12077

1 Packung HEPAGALLIN N Ch.-B: 991104

1 Packung SANUKEHL Cand D6 Ch.-B.: 18037

1 Packung SANUKEHL Klebs D6 Ch.-B.: 28125

1 Packung PHÖNIX SOLIDAGO II/035 Ch.-B.: 270496

1 Packung PHÖNIX PHÖNOHEPAN Ch.-B.: 240104

1 Packung PHÖNIX ANTITOX Ch.-B.: 030497

1 Packung GRIPPS TROPFEN 50 ml Mischung Ch.-B.: 1182

1 Packung Steirocall Lösung zum Einnehmen 100 ml Ch.-B.: 099901

1 Packung CITROKEHL Mischungen flüssiger Verdünnungen Ch.-B.: 02108

1 Packung CEFABENE 100 ml Dulcamara -Tinktur Ch.-B.: 94086

von Passau über den Grenzübergang Haibach nach Österreich eingeführt, ohne dass Ihnen dafür eine Einfuhrbewilligung erteilt worden ist."

Die belangte Behörde nahm Bezug auf die Verwaltungsübertretung gemäß § 2 Abs 1 iVm § 6 Abs 1 Arzneiwareneinfuhrgesetz, BGBl Nr. 179/1970, zuletzt geändert durch BGBl I Nr. 112/1997, und sprach zur Sicherung der Strafe des Verfalls die Beschlagnahme der oben genannten Arzneiwaren gemäß § 39 VStG aus.

1.2. Gegen diesen Beschlagnahmebescheid, der dem Bw nach dem aktenkundigen Rückschein am 28. April 2000 ausgefolgt und damit zugestellt worden ist, richtet sich die rechtsfreundlich vertretene Berufung vom 4. Mai 2000, die am 8. Mai 2000 rechtzeitig bei der belangten Behörde einlangte. Die Berufung strebt sinngemäß die Aufhebung des Beschlagnahmebescheids an.

In der Sache wird vorgebracht, dass die eingeführten Arzneimitteln ausschließlich homöopathische Mittel gewesen wären, die nach EU-Recht keiner Einfuhrbewilligung unterlägen. Es handelte sich um in Deutschland geprüfte und zugelassene homöopathische Mittel, die nach der zuständigen EU-Richtlinie, welche allerdings nicht bezeichnet wird, dem freien Arzneiwarenverkehr für homöopathische Arzneimittel unterlägen. Die Beschlagnahme verstoße daher gegen gültiges EU-Recht und sei damit rechtswidrig. Einen Nachweis über die Zulassung in Deutschland hat die Berufung nicht vorgelegt.

2. Aus dem Akt ergibt sich der folgende unbestrittene S a c h v e r h a l t :

2.1. Mit Anzeige der Zollwacheabteilung A/M vom 3. Februar 2000 wurde der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht, dass die Apothekenhelferin K im Auftrag der N in Passau bzw des Bw mit dem Pkw Arzneiwaren nach Österreich brachte, um sie vom Postamt H an die Empfänger zu versenden. Sie rechtfertigte sich anlässlich der Zollkontrolle am Parkplatz des Postamtes H damit, nicht gewusst zu haben, dass die homöopathischen Medikamente nicht in Österreich eingeführt werden dürfen. 3 bis 4 mal wöchentlich habe sie 2 oder 3 Medikamentenpakete beim Postamt H aufgegeben, die für Abnehmer in Österreich bestimmt sind, wobei die Empfänger direkt in der Apotheke oder per Telefon oder Fax bestellten.

Die Zollwache hat mit dem Bw am 3. Februar 2000 eine Niederschrift aufgenommen, in der dieser bekannt gab, sich absolut sicher gewesen zu sein, dass es seit dem österreichischen Beitritt zur EU keine Beschränkung mehr für die Einfuhr nicht verschreibungspflichtiger Arzneiwaren gäbe. Außerdem berief er sich auf den § 72 des deutschen Arzneimittelrechtes und legte dazu auszugsweise Kopien einer Gesetzesausgabe vor.

Danach geht aus dem § 72 des deutschen Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts unter dem Titel "Einfuhrerlaubnis" hervor, dass das Verbringen nach Deutschland zum Zwecke der gewerbs- oder berufsmäßigen Abgabe von Arzneimitteln an andere aus Ländern, die nicht Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaften oder andere Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind, einer Erlaubnis der zuständigen Behörde bedarf.

Die oben genannten Medikamente wurden von einem Organ der Zollwache gemäß dem § 7 Arzneiwareneinfuhrgesetz (vorläufig) beschlagnahmt und in weiterer Folge an die belangte Behörde abgeliefert.

2.2. Die belangte Behörde hat die Anzeige mit den Beipackzetteln der beschlagnahmten Arzneiwaren an das Bundesministerium für Arbeit Gesundheit und Soziales (BMAGS) übermittelt und um Beurteilung ersucht. Mit Schreiben vom 16. März 2000, Zl. 22.283/8-VIII/A4/2000, teilte das BMAGS mit, dass es sich nach do. Beurteilung bei den gegenständlichen Produkten um Arzneimittel im Sinne des § 1 Abs 1 Arzneimittelgesetzes handelt, die auch dem Arzneiwareneinfuhrgesetz unterlägen.

In der Folge erließ die belangte Behörde den angefochtenen Beschlagnahmebescheid vom 17. April 2000, in dem sie begründend auf die maßgeblichen Rechtsvorschriften Bezug nahm und auf Grund der Anzeige der Zollwache davon ausging, dass der begründete Verdacht bestünde, der Bw habe die angeführten Arzneiwaren vorsätzlich nach Österreich eingeführt, ohne dass ihm dafür eine Einfuhrbewilligung erteilt worden wäre.

2.3. Die belangte Behörde hat ihre Verwaltungsakten zur Berufungsentscheidung mit dem Hinweis vorgelegt, dass sich die beschlagnahmten Arzneimittel nach wie vor bei ihr befinden. Im Nachhang wurde das Schreiben der Rechtsvertreter des Bw vom 7. August 2000 vorgelegt, in dem angekündigt wird, dass der Bw die Belieferung österreichischer Kunden mit zugelassenen Arzneimitteln wieder aufnehmen werde, um Schaden zu vermeiden, und weil er bislang nichts Gegenteiliges mehr gehört habe.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt hinreichend geklärt erscheint und der angefochtene Beschlagnahmebescheid schon nach der Aktenlage aufzuheben ist.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 2 Abs 1 Arzneiwareneinfuhrgesetz BGBl 179/1970, zuletzt geändert durch Art IV des BGBl I Nr. 112/1997, ist die Einfuhr von Waren iSd § 1 Z 1 bis Z 4 (Einstufungen nach dem Zolltarifgesetz 1988) dosiert oder in Aufmachung für den Kleinverkauf, soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, nur zulässig, wenn dafür eine Einfuhrbewilligung erteilt wurde.

Nach § 5 Abs 1 Arzneiwareneinfuhrgesetz idF BGBl Nr. 97/1993 ist eine Einfuhrbewilligung in bestimmten, in 17 Ziffern umschriebenen Ausnahmefällen nicht erforderlich. In Betracht kommen könnte im gegenständlichen Fall allenfalls die Ausnahme nach der Ziffer 1.

§ 5 Abs 1 Z 1 Arzneiwareneinfuhrgesetz sieht eine Ausnahme für Arzneispezialitäten vor, bei denen nachgewiesen wird, dass sie gemäß § 11 des Arzneimittelgesetzes zugelassen oder gemäß § 27 dieses Gesetzes registriert sind. Dieser Nachweis ist gemäß § 5 Abs 2 leg.cit. durch den Zulassungsbescheid oder die Registrierung zu erbringen.

4.2. Nach § 11 Abs 1 Arzneimittelgesetz (AMG) dürfen Arzneispezialitäten im Inland grundsätzlich erst abgegeben oder für die Abgabe im Inland bereitgehalten werden, wenn sie vom Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz (BMGK, seit der BMG-Nov BGBl I Nr. 21/1997: BMAGS) zugelassen sind.

Gemäß § 11 Abs 2a AMG unterliegen homöopathische Arzneimittel unter bestimmten in 4 Ziffern angeführten Voraussetzungen nicht der Zulassung. Sie dürfen

Z 1: nur wirksame Bestandteile enthalten, die im homöopathischen Teil eines Arzneibuches einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum beschrieben sind und nach einer homöopathischen Herstellungsvorschrift, die dort beschrieben ist, hergestellt werden;

Z 2: nur zur äußerlichen oder oralen Anwendung am Menschen oder zur Anwendung an Heimtieren oder Tieren exotischer Arten bestimmt sein, deren Fleisch oder Erzeugnisse nicht zur Lebensmittelgewinnung bestimmt ist;

Z 3: keine bestimmte therapeutische Indikation in der Bezeichnung, auf der Kennzeichnung oder in der Gebrauchsinformation aufweisen, und

Z 4: nur in Verdünnungen abgegeben werden, bei denen nach dem Stand der Wissenschaften auch ohne Beurteilung im Einzelfall die Voraussetzungen dieses Bundesgesetzes für die Abgabe der Arzneispezialität gewährleistet erscheinen. Der BMGK (bzw BMASG) hat durch Verordnung zu bestimmen, in welchen Verdünnungsgraden homöopathische Arzneispezialitäten diese Voraussetzungen erfüllen. Dazu ist die Verordnung BGBl Nr. 1011/1994 betreffend anmeldepflichtige homöopathische Arzneispezialitäten ergangen.

Nach dem 2. Satz des § 11 Abs 2a AMG dürfen diese homöopathischen Arzneispezialitäten im Inland nur abgegeben oder für die Abgabe bereitgehalten werden, wenn sie beim BMGK (nunmehr BMASG) angemeldet und gemäß § 27 AMG registriert wurden.

Nach den Bestimmungen des § 27 AMG ist beim BMGK (nunmehr BMASG) ein Register über zugelassene Arzneispezialitäten und über homöopathische Arzneispezialitäten im Sinne des § 11 Abs 2a AMG, sofern deren Registrierung nicht nach § 16a Abs 2 abzulehnen ist, zu führen. Nähere Bestimmungen über die Registrierung sind durch die Verordnung des BMGK BGBl Nr. 432/1984 erlassen worden.

4.3. Die Behauptung des Bw, dass homöopathische Mittel, die in einem Mitgliedsstaat geprüft und zugelassen wurden, nach der zuständigen EU-Richtlinie keiner Einfuhrbewilligung bedürfen, sondern dem freien Arzneiwarenverkehr unterliegen, ist unzutreffend. Die Richtlinie 92/73/EWG des Rates vom 22. September 1992 sieht im Artikel 6 Abs 1 nur vor, dass jeder Mitgliedsstaat in angemessener Weise die bereits von einem anderen Mitgliedsstaat erteilten Registrierungen oder Genehmigungen berücksichtigt. Im Übrigen ist nach Artikel 7 ein besonders vereinfachtes Registrierungsverfahren für homöopathische Arzneimittel vorgesehen, die bestimmte Bedingungen (orale oder äußerliche Anwendung; Fehlen einer besonderen therapeutischen Indikation auf dem Etikett oder in den Informationen zum Arzneimittel; Verdünnungsgrad, der die Unbedenklichkeit garantiert; Kennzeichnungsvorschriften in Art 7 Abs 2) erfüllen. Die nicht unter Artikel 7 fallenden homöopathischen Arzneimittel werden gemäß Artikel 9 Abs 1 der Richtlinie 92/73/EWG nach den bisherigen Richtlinien 65/65 EWG und 75/319/EWG genehmigt und etikettiert.

Nach Artikel 6 Abs 2 hat ein Mitgliedsstaat die Möglichkeit, auf ein besonders vereinfachtes Registrierungsverfahren für homöopathische Arzneimittel im Sinne des Artikel 7 durch Mitteilung an die Kommission zu verzichten. Dieser Mitgliedsstaat ist dann verpflichtet, die Verwendung der von anderen Mitgliedsstaaten registrierten homöopathischen Arzneimittel zu gestatten.

Von einem freien Arzneiwarenverkehr für homöopathische Arzneimittel kann demnach entgegen der Ansicht des Bw noch keine Rede sein. Die vom österreichischen Gesetzgeber für die homöopathischen Arzneimittel getroffenen Regelungen entsprechen dem geltenden EU-Recht. Eine Einfuhrbewilligung wäre im Sinne des § 5 Abs 1 Z 1 Arzneiwareneinfuhrgesetz dann nicht erforderlich gewesen, wenn der Bw nachgewiesen hätte, dass die eingeführten homöopathischen Mittel entweder in Österreich zugelassen oder nach dem vereinfachten Verfahren gemäß § 11 Abs 2a iVm § 27 AMG angemeldet und registriert worden sind. Beides hat er unbestritten nicht getan.

4.4. Nach § 6 Abs 1 Arzneiwareneinfuhrgesetz begeht eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht gerichtlich strafbar ist, und ist nach dem letzten Halbsatz mit Geldstrafe bis zu S 50.000,--, im Wiederholungsfalle bis zu S 100.000,--, zu bestrafen,

wer Waren im Sinne des § 1 entgegen diesem Bundesgesetz in das österreichische Bundesgebiet einführt.

Gemäß § 6 Abs 2 Arzneiwareneinfuhrgesetz können die dem Täter oder Mitschuldigen gehörigen Arzneiwaren, die den Gegenstand der strafbaren Handlung bilden, für verfallen erklärt werden, wenn die Tat vorsätzlich begangen worden ist.

Die belangte Behörde ging ohne nähere Begründung davon aus, dass der Bw verdächtig wäre, die Arzneiwaren vorsätzlich in das Bundesgebiet eingeführt zu haben. Diese Ansicht kann der erkennende Verwaltungssenat angesichts der Einlassung des Bw bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der Zollwachabteilung A nicht teilen. Der Bw hat nämlich durchaus glaubhaft dargetan, dass er der Meinung war, im EU-Raum bestünden keine Beschränkungen mehr für nicht verschreibungspflichtige, insbesondere homöopathische Arzneiwaren. Dazu konnte er sich auch auf den von ihm vorgelegten § 72 des deutschen Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts berufen, der eine behördliche Einfuhrerlaubnis nur dann fordert, wenn die Arzneimittel nicht aus EU-Staaten eingeführt werden. Auch wenn vom Bw wohl hätte erwartet werden können, dass er sich als Apotheker, der österreichische Kunden beliefert, über die österreichische Rechtslage informiert, bedeutet das noch nicht, dass er vorsätzlich gegen die österreichischen Rechtsvorschriften, die ihm gar nicht bekannt waren, verstoßen wollte. Vielmehr vertraute er darauf, das auch in Österreich eine Rechtslage wie in Deutschland bestünde, wobei er irrtümlich annahm, dass dies auf Grund von rechtsvereinheitlichenden EU-Richtlinien der Fall sein müsste. Es kann daher von einem vorsätzlichen Einführen entgegen den Vorschriften des Arzneiwareneinfuhrgesetzes keine Rede sein, zumal Vorsatz begrifflich ein Wissen und Wollen des Täters (vgl § 5 StGB) voraussetzt.

Fehlte es aber an einer vorsätzlichen Begehungsform, konnte nach § 6 Abs 2 Arzneiwareneinfuhrgesetz auch die Nebenstrafe des Verfalls nicht in Betracht kommen. Eine Beschlagnahme zur Sicherung der Strafe des Verfalls nach § 39 VStG war demnach nicht zulässig. Im Ergebnis war daher der Berufung Folge zu geben und der angefochtene Beschlagnahmebescheid aufzuheben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von S 2.500,-- (entspricht 181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. W e i ß

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