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VwSen-240449/2/SR/Ri

Linz, 02.12.2002

VwSen-240449/2/SR/Ri Linz, am 2. Dezember 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung der M E, M, St. M/M, gegen den Bescheid der Bezirkshauptfrau von Rohrbach vom 4. November 2002, Zl. SanRB96-60-2002, wegen Übertretung der Lebensmittelhygieneverordnung, zu Recht erkannt:

  1. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG eingestellt.
  2. Die Berufungswerberin hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117 - AVG iVm § 24, § 44a Z1, § 45 Abs.1 Z2, § 51c und § 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002- VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit oben bezeichnetem Straferkenntnis der Bezirkshauptfrau von Rohrbach wurde die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben am 14.9.2002 in Ihrem Gastgewerbebetrieb in St. M i.M., Markt, nicht dafür gesorgt, dass alle Gegenstände, Armaturen und Geräte, mit denen Lebensmittel in Berührung kommen, saubergehalten wurden, da in der Kaffeelade die Abfälle mit einem Schimmelrasen bedeckt waren.

Durch diese Verschimmelung wurde nicht ausreichend vorgesorgt, dass Kaffee durch äußere Einwirkung hygienisch nachteilig beeinflusst wird.

Durch erneutes Hineinklopfen von Kaffeesatz werden die bereits gebildeten Schimmelsporen aufgewirbelt und auf die im Umkreis befindlichen Gebrauchsgegenstände (Gläser, Tassen, usw.) verbreitet. Bei Verwendung dieser Gebrauchsgegenstände zur Verabreichung von Lebensmitteln werden diese durch äußere Einflüsse (Schimmelsporen) hygienisch nachteilig beeinflusst.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 4 Abs.1 Z.5 i.Vm. Abschnitt V lit.a der Lebensmittelhygieneverordnung, BGBl.Nr. 31/1998

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von

36 Euro

Falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

1 Tag

gemäß §

74 Abs.4 Lebensmittelgesetz 1975

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

3,60 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10% der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15 Euro angerechnet);

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 39,60 Euro."

2. Gegen dieses der Bw am 6. November 2002 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende bei der Behörde erster Instanz am 12. November 2002, somit rechtzeitig eingebrachte Berufung.

2.1. In der Begründung hat die Behörde erster Instanz im Wesentlichen ausgeführt, dass das Lebensmittelaufsichtsorgan im Zuge der Revision in der Kaffeesudlade eindeutige Spuren von Schimmelsporen festgestellt habe. Die fachliche Eignung zu einer derartigen Feststellung könne dem Aufsichtsorgan nicht abgesprochen werden. Der strafbare Tatbestand stünde somit fest.

2.2. Dagegen bringt die Bw u.a. vor, dass sie eine Stunde nach der Revision keinen Schimmelrasen feststellen hätte können. Dem Lebensmittelaufsichtsorgan habe sie dies telefonisch mitgeteilt und dieser habe ihr erklärt, dass in Anzeigen bei Vorhandensein von Schimmelpunkten die Bezeichnung "Schimmelrasen" verwendet werden würde. Laut Ansicht der Bw hätte der "Ist-Zustand" in der Anzeige genau beschrieben werden müssen. Ihrer Meinung nach und nach der allgemeinen Lebenserfahrung könne von einem "Schimmelrasen" nur dann gesprochen werden, wenn ein "weißes Fadengeflecht bzw. ein watteartiger Überzug" vorliegen würde. Ein solcher sei jedoch nicht vorgelegen. Neben Hinweisen auf diverse Lexika führt die Bw weiters aus, dass "normalerweise" die Sudlade "täglich" entleert würde. Der bei der Revision vorgefundene Kaffeesud könne höchstens vom Vortag gestammt haben. Sie würde daher bezweifeln, dass sich innerhalb eines Tages ein wie in der Anzeige bezeichneter "Schimmelrasen" gebildet haben kann.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat den gegenständlichen Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

3.1. Aufgrund der Aktenlage steht folgender relevanter Sachverhalt fest:

Am 14. September 2002 hat das Lebensmittelaufsichtsorgan F M nach 14.00 Uhr im Cafe der Bw eine Revision vorgenommen und dabei auch die Sudlade kontrolliert. In der "Kaffeelade" befand sich Kaffeesud vom Vortag. Auf diesem waren - ausschließlich im hintersten Teil der Sudlade - einzelne Schimmelsporen (ca. 10 weiße Punkte) erkennbar.

Die Bw ist in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht unbescholten, verfügt über ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 360 Euro, hat kein Vermögen und gemeinsam mit ihrem Ehemann Sorgepflichten für zwei Kinder.

3.2. Unbestritten ist, dass der Kaffeesud in der Sudlade zumindest vom 13. September 2002 gestammt hat. Weiters wird von der Bw nicht bestritten, dass sich im hintersten Teil der Sudlade "weiße Punkte" auf dem Kaffeesud befunden haben. Dem Aufsichtsorgan ist aufgrund seiner beruflichen Erfahrungen zuzumuten, dass er Staubkörner von Schimmelsporen unterscheiden kann und es hiezu keiner weitergehenden Untersuchungen bedarf, um eine derartige Unterscheidung zu treffen. In seiner Stellungnahme ist F M dem Vorbringen der Bw - weiße Punkte nur im hintersten Teil der Sudlade - nicht entgegengetreten sondern hat davon ausgehend nachvollziehbar dargelegt, dass es sich bei den weißen Punkten um die Sporen, also dem sichtbaren Teil des Schimmels, gehandelt hat und mit Sicherheit das Hyphengeflecht bereits im ganzen Kaffeesud zu finden gewesen wäre.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 74 Abs.4 LMG 1975 begeht im Fall der Ziffer 1 eine Verwaltungsübertretung und ist nach dem letzten Halbsatz wie nach Abs.1 (dh - seit Inkrafttreten von BGBl I Nr. 98/2001 am 01.01.2002 - mit Geldstrafe bis zu 7.300 Euro zu bestrafen,

wer den Bestimmungen einer auf Grund des § 10, des § 12 Abs.2 hinsichtlich der Deklaration von Zusatzstoffen, des § 16 Abs.4 hinsichtlich vorgeschriebener Bezeichnungen, der §§ 21, 27 Abs.1, 29, 30 Abs.5 oder 33 Abs.1 erlassenen Verordnung zuwiderhandelt.

Nach § 4 Abs.1 der auf Grund der §§ 10, 21 und 29 lit.b LMG 1975 erlassenen Lebensmittelhygieneverordnung, BGBl II Nr. 31/1998, zuletzt geändert durch BGBl II Nr. 33/1999, in Kraft getreten am 29.01.1999, hat der Inhaber oder Geschäftsführer eines Lebensmittelunternehmens für die Einhaltung der im Anhang angeführten Hygienevorschriften zu sorgen. Dabei gelten hier gemäß Ziffer 5 die Abschnitte V bis X für alle auf die Urproduktion folgenden Stufen während der Zubereitung, Verarbeitung, Herstellung, Verpackung, Lagerung, Beförderung, Verteilung, Behandlung oder des Anbietens zum Verkauf oder zur Lieferung an den Verbraucher.

Gemäß Abschnitt V lit.a - Gerätespezifische Anforderungen - müssen alle Gegenstände, Armaturen und Geräte, mit denen Lebensmittel in Berührung kommen

saubergehalten werden.

Abschnitt VI (Lebensmittelabfälle):

1. Lebensmittelabfälle und andere Abfälle dürfen nicht in Räumen, in denen mit Lebensmitteln umgegangen wird, gesammelt werden, es sei denn, dies ist für den ordnungsgemäßen Betriebsablauf unvermeidbar.

2. Lebensmittelabfälle und andere Abfälle müssen in verschließbaren Behältern gelagert werden. Diese Behältnisse müssen angemessen gebaut sein, in einwandfreiem Zustand gehalten werden und leicht zu reinigen und erforderlichenfalls zu desinfizieren sein.

3. Es sind geeignete Vorkehrungen für die Beseitigung und Lagerung von Lebensmittelabfällen und sonstigen Abfällen zu treffen. Abfalllager müssen so konzipiert und geführt werden, dass sie sauber und frei von Ungeziefer gehalten werden können und Kontaminationen von Lebensmitteln, Ausrüstungen und Betriebsstätten vermieden werden.

4.2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Dabei sind die Anforderungen an Tatort- und Tatzeitumschreibung von Delikt zu Delikt und je nach den Begleitumständen verschieden und an Rechtsschutzüberlegungen zu messen (vgl u.a. im Anschluss an verst. Senat VwSlg 11.894 A/1985; VwGH 29.9.1993, 93/02/0046; VwGH 31.1.1995, 95/05/0008; VwGH 9.9.1998, 97/04/0031).

Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 1996, 971).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs.4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl allgemein VwGH 25.3.1994, 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs.4 AVG (vgl etwa VwGH 25.9.1992, 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl u.a. VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).

4.3. Wie aus der Anzeige erschließbar ist und in den Feststellungen und in der Beweiswürdigung dargelegt, hat die Bw den Kaffeesud solange in der Sudlade belassen, dass sich darauf bereits Schimmelsporen gebildet hatten.

Trotz Vorliegens dieses Sachverhaltes hat die Behörde erster Instanz der Bf. vorgeworfen, dass sie in ihrem Gastgewerbebetrieb nicht dafür gesorgt hat, dass alle Gegenstände, Armaturen und Geräte, mit denen Lebensmittel in Berührung kommen, sauber gehalten wurden. Dieses tatbestandsmäßige Verhalten lässt sich aus dem vorliegenden Sachverhalt nicht ableiten. Kaffeesud ist aber als Lebensmittelabfall im Sinne des Abschnittes VI der Lebensmittelhygieneverordnung zu betrachten. Die Bw hätte somit geeignete Vorkehrungen für die Lagerung von Lebensmittelabfällen treffen und die Sudlade so führen müssen, dass sie sauber gehalten und Kontamination von Lebensmitteln, Ausrüstung und Betriebsstätte vermieden werden hätte können.

Gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG hat die Behörde die Einstellung eines Strafverfahrens zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat.

Da die Bw die ihr angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen hat, war das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen.

5. Gemäß § 66 Abs.1 VStG entfällt damit auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Mag. Stierschneider

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