Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240452/2/SR/Ri

Linz, 08.05.2003

 

 

 VwSen-240452/2/SR/Ri Linz, am 8. Mai 2003

DVR.0690392
 

 

E R K E N N T N I S
 
 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung des H H, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. J H und Mag. Dr. T H, Rstraße, W, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck, vom 5. Februar 2003, Zl. SanRB9645-2001, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 74 Abs. 1 iVm §§ 7 Abs. 1 lit. c, 8 lit. f Lebensmittelgesetz 1975 (BGBl. Nr. 86/1975, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 98/2001) zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z2 VStG eingestellt.

 

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

 
Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; § 66 Abs.1 VStG 1991.
 
 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben es als persönlich haftender Gesellschafter der H KG. und sohin als im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG 1991 satzungsgemäß zur Vertretung derselben nach außen berufenes Organ zu verantworten, dass diese Gesellschaft mit dem Sitz in S, Lstraße, am 09.01.2001 die als Lebensmittel einzustufende Ware

"Sahne-Streichwurst"

durch Lieferung an die E BetriebsgmbH., Bsstr., W, in Verkehr gebracht hat, die nach den Bestimmungen des Österreichischen Lebensmittelgesetzes als falsch bezeichnet zu beurteilen war. In der Probe wurde Rindfleischprotein nachgewiesen, ohne dass dieser Bestandteil in der Liste der Zutaten angegeben war. Aufgrund der aktuellen Situation in Zusammenhang mit der BSE-Problematik ist das Fehlen der Zutat "Rindfleisch" in der Liste der Zutaten, ein zur Irreführung geeigneter Umstand, der nach der Verbrauchererwartung, nämlich ein rindfleischfreies Produkt zu kaufen, sehr wesentlich ist."

Dadurch erachtete die belangte Behörde § 7 Abs. 1 lit. c und § 8 lit. f) LMG 1975 als verletzte Rechtsvorschrift und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung gemäß § 74 Abs. 1 LMG 1975 eine Geldstrafe von 218,02 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden 21,80 Euro und als "Ersatz der Barauslagen für Lebensmitteluntersuchungskosten" 235,46 Euro vorgeschrieben.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw am 19. Februar 2003 zu Handen seiner Rechtsvertreter zugestellt worden ist, richtet sich die rechtzeitige Berufung vom 5. März 2003, die am 7. März 2003 bei der belangten Behörde einlangte.

2.1. Bezogen auf die Spruchausführung hat die Behörde erster Instanz in der Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Firma H das gegenständliche Produkt geliefert und somit in Verkehr gebracht habe. Im Rahmen der Lebensmitteluntersuchung sei Rindfleischprotein in der "Sahne-Streichwurst" nachgewiesen worden. Gemäß den Begriffsbestimmungen des § 8 lit. f Lebensmittelgesetz sei die Probe falsch bezeichnet worden.

 

2.2. Dagegen bringt der Vertreter des Bw u. a. vor, dass eine Vorschrift, wie sie die Behörde offenbar im Auge habe, aus § 8 lit. f) LMG nicht erschließbar sei. Das "Anzeigegutachten" habe keine ausreichende Grundlage. Es erschöpfe sich in der Behauptung, dass eine Verbrauchererwartung bestünde, ein rindfleischfreies Produkt zu kaufen. Eine derartige Verbrauchererwartung sei nicht dokumentiert und würde weder aus dem Gutachten noch aus dem Straferkenntnis hervorgehen. Laut Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Salzburg sei Rinderprotein nachweisbar gewesen. Eine bestimmte Menge sei dabei nicht festgestellt worden. Die Untersuchung der Gegenprobe durch Nalytec habe ergeben, dass die Rinderbestandteile nicht nachweisbar gewesen seien, nämlich weniger als 2 %. Diese Anteile seien auf die angegebene Zutat Sahne rückführbar. Da der Behörde widersprüchliche Gutachten vorgelegen seien, hätte sie sich im Rahmen der Beweiswürdigung damit auseinandersetzen müssen. Erstmals im angefochtenen Bescheid habe der Bw erfahren, dass auch ein Gutachten der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH vorliegen würde. Der Bw habe dazu nicht Stellung nehmen können und daher dem Gutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen treten können. Innerhalb der Berufungsfrist sei ihm die Vorlage eines Gutachtens nicht möglich gewesen. Im Übrigen sei auch nach diesem Gutachten die Menge des Anteils an Rinderprotein noch offen und in Bezug auf die Nachweisgrenze - 1 % oder 2 % - bestünden Widersprüche.

Aus diesen Gründen wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der BH Vöcklabruck zu Zl. SanRB9645-2001; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 500 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs. 3 Z. 3 VStG von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

4. In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 74 Abs. 1 LMG 1975 idF vor BGBl I Nr. 98/2001 (Euroumstellung) begeht eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht nach § 63 Abs. 2 Z 1 LMG 1975 einer strengeren Strafe unterliegt, und ist nach dem letzten Halbsatz mit Geldstrafe bis zu 100.000 Schilling zu bestrafen, wer Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel oder Gebrauchsgegenstände der im § 6 lit. a, b oder e bezeichneten Art falsch bezeichnet, oder Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel, die falsch bezeichnet sind, oder solche falsch bezeichneten Gebrauchsgegenstände in Verkehr bringt.

 

Gemäß § 7 Abs. 1 lit. c) LMG 1975 ist es verboten, falsch bezeichnete Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe in Verkehr zu bringen.

 

Nach der Begriffsbestimmung des § 8 lit. f) LMG 1975 sind Lebensmittel falsch bezeichnet, wenn sie mit zur Irreführung geeigneten Angaben über Umstände, die nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung, wesentlich sind, wie über Art, Herkunft, Verwendbarkeit, Haltbarkeit, Zeitpunkt der Herstellung, Beschaffenheit, Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen, Menge, Maß, Zahl oder Gewicht, oder in solcher Form oder Aufmachung oder mit verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben (§ 9) in Verkehr gebracht werden.

 

4.2. Die laut dem amtlichen Untersuchungszeugnis vom 2. März 2001, U.-Zl. 57/2001, von der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Salzburg untersuchte Probe enthielt Rinderprotein in nicht näher deklarierter Menge (siehe Seite 2 des Gutachtens: "Rinderprotein - ELISA - nachweisbar"). Im Gutachten wurde abschließend ausgeführt, dass auf Grund des Nachweises von Rindfleischprotein die Probe gemäß den Begriffsbestimmungen des § 8 lit. f Lebensmittelgesetz 1975 als falsch bezeichnet zu beurteilen war und dem Verbot des § 7 Abs. 1 lit. c unterliege. Die Behörde erster Instanz ist der "rechtlichen Beurteilung im Gutachten" gefolgt und hat dem Bw den entsprechenden Tatvorwurf gemacht.

 

Mit Erlass des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 27. März 2001, Zl. 32.014/3-IX/B/1b/01, betreffend den Nachweis von Rindfleisch in Würsten und anderen Fleischwaren wurden nach Befassung der Codex-Unterkommission B 14 "Fleisch und Fleischwaren" (ÖLMB) Grundsätze für die Untersuchung und Beurteilung von Rindfleisch in Würsten und anderen Fleischwaren bekannt gegeben. Dabei handelt es sich zwar um keinen den Oö. Verwaltungssenat bindenden Rechtsakt, aber um eine beachtliche Sachverständigenaussage in Ergänzung zum Kapitel B 14 des ÖLMB. Die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Salzburg hat laut Gutachten die im Erlass vorgesehene Methode - ELISA-Verfahren im Mikrotitertestsystem - zum Nachweis der Tierart angewandt. In der Richtlinie wird ausgeführt, dass aus dem ELISA-Testkit ein qualitatives Ergebnis resultiert und Aussagen über die Menge an Protein der detektierten Tierart nicht möglich sind.

 

Der Bw ließ am 10. September 2001, Zahl 29148/01 die gegenständliche Sahnestreichwurst von der ANALYTEC, Labor für Lebensmitteluntersuchung und Umweltanalytik in Salzburg, untersuchen. Die Untersuchung nach der QAM-2-13.2-02 (ELISA) Methode erbrachte "Rinderbestandteile" in einer Größenordnung von "weniger als 2 %", die als geringfügig angesehen und auf den Sahnezusatz zurückgeführt wurden.

 

Die in der Folge bei den Gutachtern eingeholten Stellungnahmen waren - bezogen auf die jeweiligen Gegengutachten - teilweise widersprüchlich und bezeichneten ohne nähere Ausführungen die eigene Messmethode als die einzig richtige. Aber trotz des Verweises auf die oben angeführte Richtlinie des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen führte die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH, Lebensmitteluntersuchung Innsbruck, Zweigstelle Salzburg in der abschließenden Stellungnahme vom 30. Dezember 2002 aus, dass "Aussagen über die tatsächliche Menge an Protein der nachgewiesenen Tierart prinzipiell nicht möglich sind". Auf Grund dieser Einschränkung bleibt somit offen, ob die von der ANALYTEC angewendete ELISA-Methode nicht doch ein quantitatives Ergebnis ermöglicht hat.

 

4.3. An sich ist die Unterlassung von Angaben allein noch keine Falschbezeichnung (vgl mwN Barfuß/Smolka/Onder, Lebensmittelrecht2, Teil I A, Komm zu § 8, 20 f). Die Unterlassung der Angabe von Rinderprotein kann jedenfalls im Hinblick auf den oben wiedergegebenen Erlass des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen nicht als Falschbezeichnung angesehen werden. Der Bundesminister hat im Punkt "Beurteilung" ausgeführt, dass "beim Proteinnachweis einer Tierart, die nicht ausgelobt wurde, gegebenenfalls ein Verstoß gegen die LKMV vorliege". Nur dann, wenn die "Abwesenheit dieser Tierproteine explizit ausgelobt wurde (z.B.: `Rindfleischfrei´) oder diese der Auslobung widerspricht (z.B.: `100% Schweinefleisch´), ist die Probe gemäß § 8 lit. f LMG als `falsch bezeichnet´ zu beurteilen".

 

Der Rechtsansicht im Erlass des Bundesminister ist zu folgen. Die nachgewiesene Zutat - Rindfleischprotein - wurde nicht ausgelobt und das verwendete Etikett lässt auch keine Deutung dahingehend zu, dass das untersuchte Produkt den Anschein erwecken sollte, "Rindfleischfrei" zu sein. Der Tatvorwurf einer "Falschbezeichnung" im Sinne der angeführten Bestimmungen ist daher nicht zutreffend.

 

Es war der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren mangels einer Verwaltungsübertretung gemäß § 45 Abs. 1 Z2 VStG einzustellen.

5. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs. 1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens. Ebenso wenig ist Ersatz für Untersuchungskosten gemäß § 45 Abs. 2 LMG 1975 zu leisten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Stierschneider

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