Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240473/4/SR/Ri

Linz, 15.11.2004

 

 

 VwSen-240473/4/SR/Ri Linz, am 15. November 2004

DVR.0690392
 

 

E R K E N N T N I S
 
 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung des H H, Fleischermeister, Lstraße, S, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. J H M.B.L.-HSG und Mag. Dr. T H, Rstraße, W gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 16.10.2003, Zl. SanRB96-74-2002 wegen Übertretung des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

 

I.  Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Ziffer 2 VStG eingestellt.

 

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl. Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 10/2004 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z. 2 und § 51e Abs.2 Z. 1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 117/2002 - VStG

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der H Partyservice GmbH, Lstraße, S und sohin als im Sinne des § 9 Abs.1 VStG. 1991 satzungsgemäß zur Vertretung derselben nach außen berufenes Organ zu verantworten, dass diese Gesellschaft am 21.6.2002 "Rinderhüftsteaks" an die H KG. in S, Hstr., geliefert und somit in Verkehr gebracht hat, obwohl sich nach einer Untersuchung der am 24.06.2002 von einer Beschwerdepartei an den Magistrat der Landeshauptstadt Salzburg, Markt- und Veterinäramt, überbrachten Proben (3 Stück Rinderhüftsteaks, erworben in der H F, Bstr. , S), bei der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH., Lebensmitteluntersuchung Innsbruck, Zweigstelle Salzburg, ergab, dass diese Lebensmittel als wertgemindert zu beurteilen waren.

Die Proben wiesen eine erhöhte aerobe Keimzahl auf, dadurch wird eine Minderung der spezifischen wertbestimmenden Eigenschaften bewirkt.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 74 Abs.2 Ziffer 1 Lebensmittelgesetz 1975, BGBl. Nr. 86 i.d.g.F. in Verbindung mit §§ 7 Abs.1 lit.b und 8 lit. g leg. cit.

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von

218 Euro

Falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

72 Stunden

gemäß

 

§ 74 Abs. 2 Z. 1 leg. cit.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

21,80 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10% der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 200 S bzw. 14,53 EU angerechnet);

262,08 Euro als Ersatz der Barauslagen für Lebensmitteluntersuchungskosten

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 501,88 Euro."

 

 

2. Gegen dieses dem Vertreter des Bw am 23. Oktober 2003 zu eigenen Handen zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende bei der Behörde erster Instanz rechtzeitig eingebrachte Berufung.

 

2.1. Im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wirft die Behörde erster Instanz dem Bw allgemein vor, dass er zu verantworten habe, dass die Gesellschaft (Firma H P GmbH) "am 21.06.2002 `Rinderhüftsteaks´ an die H K in S geliefert und somit in Verkehr habe. Ohne direkten Zusammenhang wird in der Folge auf ein Untersuchungsergebnis vom 24.06.2002 verwiesen. In der Begründung führte die Behörde erster Instanz u.a. aus, dass das gegenständliche Produkt am 21. Juni 2002 von der Firma H P GmbH, Lstraße, S an die Firma H K, Hstraße, S geliefert worden sei. Das Lieferdatum "21.06.2002" habe die Firma H K unter Vorlage eines entsprechenden Lieferscheines bekanntgegeben.

 

2.2. Dagegen hat der Bw im Wesentlichen ausgeführt, dass bis zu seiner letzten Eingabe vom 8. Juli 2003 nach der Aktenlage das Alter der Ware nicht bestimmt werden konnte. Der Umstand, dass die H K am 21. Juni 2002 mit dieser Ware beliefert worden sei, besage nicht, dass der Zeuge F E aus dieser Liefercharge auch tatsächlich gekauft habe. In diesem Punkt sei das rechtliche Gehör verletzt worden.

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck. Auf Grund der Aktenlage und geringfügiger weitergehender Ermittlungen ließ sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären. Gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG konnte von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

3.1. Auf Grund der Aktenlage und der ergänzenden Erhebungen steht folgender relevanter Sachverhalt fest:

 

Der Zeuge F E erwarb am 21. Juni 2002 in der H-Filiale in S, Bstraße zwei Packungen Rinderhüft-Steak der Firma H P GmbH mit den Codierungen "2 719807 004187" und "2 719801 003643". Jede Packung beinhaltete zwei einzeln verschweißte Stück Hüftsteaks.

 

Die Packung mit der Codierung "2 719801 003643" wies eine Mindesthaltbarkeit bis "28.06.2002" auf und wurde am 18. Juni 2002 an die H K, Hstraße, S geliefert. Jene Packung mit der Codierung "2 719807 004187" wies eine Mindesthaltbarkeit bis "29.06.2002" und wurde am 19. Juni 2002 an die H K, Hstraße, S geliefert. Ohne Zwischenlagerung wurden die angelieferten Lebensmittel auf Lkw´s der H K umgeladen und an die gegenständliche H-Filiale geliefert.

 

3.2. Die Behörde erster Instanz hat Ermittlungen zur Feststellung des Liefertermins vorgenommen. Der ihr von der H K in S vorgelegte Lieferschein lässt jedoch nicht den Rückschluss zu, dass die gegenständlichen, beanstandeten Produkte tatsächlich am 21. Juni 2002 durch Lieferung in Verkehr gebracht worden sind. Dem Lieferschein kann nicht entnommen werden, dass die Packungen mit den Codierungen "2 719807 004187" und "2 719801 003643" in der Lieferung vom 21. Juni 2002 enthalten waren. Der handschriftliche Vermerk auf der Teilkopie des Lieferscheins vom 21.06.2002 (Liefertag) ist widersprüchlich. So wird darauf ausgeführt, dass "die Ware ganz frisch war, da mit dem Ablaufdatum (*28. + 29.6.02) das Anlieferungs- und Verkaufsdatum identisch sind".

 

Auf Grund des nicht nachvollziehbaren handschriftlichen Vermerkes und der Unvollständigkeit des Lieferscheines wurden vom Oö. Verwaltungssenat ergänzende Erhebungen getätigt. Über Anfrage teilte Herr J N (zuständig für die Fleischauslieferung bei der Firma H P GmbH) nach Einsicht in die EDV-Aufzeichnungen mit, dass die Packung mit der Codierung "2 719801 003643", Mindesthaltbarkeit bis "28.06.2002", am 18. Juni 2002 und die Packung mit der Codierung "2 719807 004187", Mindesthaltbarkeit bis "29.06.2002", am 19. Juni 2002 an die H K, Hstraße, S geliefert wurde.

 

Da die gegenständliche Anfrage beim Arbeitnehmer des Bw ausschließlich auf Grund der Codierungen erfolgte und sich nach Einsicht in die EDV-Aufzeichnungen die nunmehr festgestellten Liefertermine ergeben haben, kann von Lieferung - und damit von einem Inverkehrbringen - am 21. Juni 2002 nicht ausgegangen werden. Aus den Daten des unvollständigen Lieferscheines lässt sich ebenfalls keine Lieferung am 21. Juni 2002 ableiten. Es war somit der glaubwürdigen Auskunft des Arbeitnehmers des Bw zu folgen und von Lieferungen am 18. und 19. Juni 2002 auszugehen.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Der Vorschrift des § 44a Z. 1 VStG ist (nur) dann entsprochen, wenn

a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und

b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. (Siehe hiezu Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 969).

 

Ziffer 1 stellt somit klar, dass der den Deliktstatbestand erfüllende Sachverhalt mit allen rechtserheblichen Merkmalen konkretisiert umschrieben werden muss.

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z.1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit den verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Dabei sind die Anforderungen an Tatort- und Tatzeitumschreibung von Delikt zu Delikt und je nach den Begleitumständen verschieden und an Rechtsschutzüberlegungen zu messen (vgl u.a. im Anschluss an verst. Senat VwSlg 11.894 A/1985; VwGH 29.9.1993, 93/02/0046; VwGH 31.1.1995, 95/05/0008; VwGH 9.9.1998, 97/04/0031). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 1996, 971).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs. 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl. allgemein VwGH 25.3.1994, 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl. VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs. 4 AVG (vgl etwa VwGH 25.9.1992, 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl. u.a. VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl. VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).

4.2. Die Verfolgungshandlung gegen einen Beschuldigten muss daher das ihm zur Last gelegte Handeln - im Falle des Unterlassens durch Beschreibung jener Handlung, die er hätte setzen müssen und nach Auffassung der Behörde rechtswidriger Weise nicht gesetzt hat - unter Berücksichtigung sämtlicher gemäß § 44a Z. 1 VStG im Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmenden Tatbestandselemente der verletzten Verwaltungsvorschrift gemäß § 44a Z. 2 VStG näher konkretisieren und individualisieren (VwGH vom 7.9.1990, Zl. 85/18/0186).

 

Die Behörde erster Instanz hat dem Bw zwar eine Verwaltungsübertretung zur Last gelegt und ihn zur Rechtfertigung aufgefordert, jedoch mit der gewählten Formulierung keine dem Gesetz entsprechende Konkretisierung iSd § 44a Z. 1 VStG vorgenommen. Sie hat dem Bw vorgehalten, dass er zu verantworten habe, dass die Firma H P GmbH am 21.06.2002 der H K "Rinderhüftsteaks" geliefert und damit in Verkehr gebracht hat und sich nachfolgend 3 Stück Rinderhüftsteaks als wertgemindert erwiesen haben. Eine Lieferung am 21. Juni 2002 wird wohl schon auf Grund des (unvollständigen) Lieferscheins zutreffen, aber diese steht in keinem Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen der als wertgemindert festgestellten Produkte. Da die Packungen mit den Codierungen "2 719807 004187" und "2 719801 003643" am 18. und 19. Juni 2002 durch Lieferung in Verkehr gebracht wurden, trifft der behördliche Tatvorwurf - Inverkehrbringen am 21. Juni 2002 - nicht zu.

 

Dem Oö. Verwaltungssenat war es gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG verwehrt, den Tatvorwurf (hier: Tatzeit) auszutauschen.

 

Da der Bw die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen hat, war der Berufung stattzugeben, das Straferkenntnis aufzuheben und gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG die Einstellung zu verfügen.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der Behörde erster Instanz noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Mag. Stierschneider

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 
 

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