Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240557/2/BMa/Be

Linz, 22.03.2006

 

 

 

VwSen-240557/2/BMa/Be Linz, am 22. März 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bergmayr-Mann über die Berufung der B P, geb. , B, S, vertreten durch RA Dr. K W, U, S, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Schärding vom 8. Juli 2005, Zl. SanRB96-15-2-2005, wegen einer Übertretung des AIDS-Gesetzes und des Geschlechtskrankheitengesetzes zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

Der Antrag auf Zuerkennung der aufschließenden Wirkung wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

Die Berufungswerberin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I:  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden: AVG), BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004, iVm §§ 24, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden: VStG), BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002

zu II: § 64 Abs. 1 AVG

zu III:  § 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Schärding vom 8. Juli 2005, Zl. SanRB96-15-2-2005, wurde die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

" Sie haben am 26.02.2005 in der "B-Bar" in S, B, gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper geduldet und solche an anderen vorgenommen, indem Sie mit einem männlichen Kunden (F E) einen Geschlechtsverkehr vollzogen,

  1. ohne sich vor Aufnahme dieser Tätigkeit einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Untersuchung unterzogen zu haben und
  2. ohne sich vor Beginn dieser Tätigkeit einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Freisein von Geschlechtskrankheiten unterzogen zu haben.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

  1. § 4 Abs.2, § 9 Abs.1 Z.2 des AIDS-Gesetzes 1993
  2. § 1 der Verordnung über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die mit ihrem Körper gewerbsmäßige Unzucht treiben, BGBl.Nr. 591/1993 i.V.m. § 11 Abs.2 und § 12 Abs.2 des Geschlechtskrankheitengesetzes

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von: 1. 200 Euro

2. 35 Euro

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von: 1. 60 Stunden

2. 10 Stunden

Gemäß: 2. (gemeint offensichtlich: 1.)§ 9 Abs.1 Einleitungssatz des AIDS-Gesetzes,

3. (gemeint offensichtlich: 2.)§ 2 Abs.2 des Geschlechtskrankheitengesetzes

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

23,50 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafe

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe und Kosten) beträgt daher 258,50 Euro".

 

Begründend wurde im Wesentlichen dazu ausgeführt, der der Rechtsmittelwerberin angelastete Sachverhalt sei aufgrund der glaubwürdigen Zeugenaussage ihres Kunden R F E als erwiesen anzusehen.

Als Verschuldensgrad sei Fahrlässigkeit anzunehmen.

Im Zuge der Strafbemessung sei ihre bisherige Unbescholtenheit als mildernd zu werten gewesen, während Erschwerungsgründe nicht hervorgekommen seien; auf die von der Bw angegeben Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse sei entsprechend Bedacht genommen worden.

1.2. Gegen dieses ihrem Rechtsvertreter am 12. Juli 2005 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 26. Juli 2005 - und damit rechtzeitig - unmittelbar bei der belangten Behörde eingebrachte Berufung.

Die Bw rügt im Wesentlichen Verfahrensmängel und eine unzureichende Beweiswürdigung durch die belangte Behörde. Die Behauptungen des Zeugen R F E und auch die des Zeugen H E, die als sogenannte "Lockvögel" für einen Konkurrenzbetrieb tätig gewesen seien, seien widersprüchlich und damit unglaubwürdig.

Abschließend wird die Einstellung des Verfahrens, die Aufhebung des Straferkenntnisses sowie die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gegen den Bescheid der belangten Behörde beantragt.

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Schärding zu Zl. SanRB96-15-2-2005; da sich aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs.2 Z.1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 4 Abs. 2 des AIDS-Gesetzes 1993, BGBl. I Nr. 728/1993, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 98/2001, haben sich Personen - neben den nach dem Geschlechtskrankheitengesetz, StBl. Nr. 152/1945, und auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen vorgeschriebenen Untersuchungen - vor der Aufnahme einer Tätigkeit, die mit der gewerbsmäßigen Duldung sexueller Handlungen am eigenen Körper oder der gewerbsmäßig Vornahme sexueller Handlungen an anderen verbunden sind, einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion zu unterziehen.

Nach § 9 Abs. 1 Z. 2 AIDS-Gesetz 1993 begeht ua. diejenige Person eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 7.260 Euro zu bestrafen, die gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper duldet oder solche Handlungen an anderen vornimmt, ohne sich vor Beginn dieser Tätigkeit einer amtsärztlichen Untersuchung gemäß § 4 Abs. 2 zu unterziehen.

3.4.  Nach §§ 12 Abs. 2, 11 Abs. 2 des Geschlechtskrankheitengesetzes, StGBl. Nr. 152/1945, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 98/2001, und § 1 der Verordnung über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die der Prostitution nachgehen, begeht diejenige Person eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 70 Euro zu bestrafen, die gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper duldet oder solche Handlungen an anderen vornimmt, ohne sich vor Beginn dieser Tätigkeit einer amtsärztlichen Untersuchung über das Freisein von Geschlechtskrankheiten unterzogen zu haben.

 

3.5. Nach § 44a Z. 1 VStG in jener Ausprägung, die diese Bestimmung durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) erfahren hat, muss der Spruch des Straferkenntnisses die als erwiesen angenommene Tat derart konkretisieren, dass die Beschuldigte einerseits in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, und sie andererseits rechtlich davor geschützt wird, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 Anm. zu

§ 44a VStG, S. 1520 ff).

 

Der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, hat die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Wie der VwGH in ständiger Rechtsprechung zu dieser Bestimmung dargelegt hat, ist, um den Anforderungen dieser Gesetzesstelle zu entsprechen, im Spruch die Tat hinsichtlich der Täterin und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

Dem § 44a Z. 1 VStG ist dann entsprochen, wenn aufgrund der Tatumschreibung es der Beschuldigten ermöglicht wird, im Verwaltungsstrafverfahren in der Lage zu sein, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen.

 

Diesen Erfordernissen wird das angefochtene Straferkenntnis schon insofern nicht gerecht, als es bei der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat nicht genügt, lediglich den Gesetzestext (die verba legalia) der angewendeten Gesetzesbestimmung wiederzugeben. Durch die bloße Wiedergabe des Gesetzestextes ist die Bw in Ihren Verteidigungsrechten beeinträchtigt. Bei den genannten Verwaltungsübertretungen, deren Tatbestand ganz wesentlich jeweils auch die "Gewerbsmäßigkeit" umfasst, muss die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat auch diese Gewerbsmäßigkeit näher beschreibende Umstände enthalten. Schon der Spruch müsste erkennen lassen, worin die "Gewerbsmäßigkeit" bestanden hat. Eine Aussage, dass die Bwin für ihre Tätigkeit oder Duldung ein Entgelt erhielt und dies - bei erstmaliger Begehung - zumindest in Wiederholungsabsicht tat, fehlt jedoch. Dies wiegt umso schwerer, als auf die Frage der Gewerbsmäßigkeit auch in der Begründung des Straferkenntnisses der belangten Behörde nicht näher eingegangen wurde.

 

Gem. VwGH - Erkenntnis vom 24. Mai 1993, 93/10/0014, ist eine einmalige, wenn auch entgeltliche Tat allein noch nicht ohne weiteres als Prostitution zu qualifizieren. Das Kriterium "Gewerbsmäßigkeit" erfordert im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Absicht, sich durch öftere Wiederholung der strafbaren Handlung eine, wenn auch nicht dauernde und wenn auch nicht regelmäßige Einkommensquelle zu schaffen.

Der Gerichtshof hat unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung ausgeführt, dass das Erfordernis der Gewerbsmäßigkeit auch bei einer einmaligen Tathandlung als erfüllt angesehen werden kann, sofern diese in der Absicht ausgeführt wird, sich dadurch eine ständige oder doch für längere Zeit wirkende (zusätzliche) Einkommensquelle zu verschaffen, und dies in der einen Tathandlung zum Ausdruck kommt.

Die Bw ist vor der konkreten Anzeige nie als Prostituierte in Erscheinung getreten. Daher kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie den entgeltlichen Geschlechtsverkehr nur über Einwirken ihres Kunden, der ihr 130 Euro dafür geboten hat, vollzogen hat. Diesbezügliche Ausführungen fehlen im bekämpften Strafbescheid zur Gänze.

 

Der Tatvorwurf im Punkt 1. "ohne sich vor Aufnahme dieser Tätigkeit einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Untersuchung unterzogen zu haben" (Hervorhebung nicht im Original) findet im Gesetz keine Deckung. Ob dieser Mangel wesentlich ist oder ob es sich dabei um einen berichtigungsfähigen Fehler handelt, kann im Ergebnis dahingestellt bleiben.

 

Darüber hinaus fehlt das Zitat der verletzten Rechtsvorschrift im Punkt 1. und es ist im Punkt 2. falsch und unvollständig (der Titel und das Zitat der Verordnung lauten richtig: "Verordnung über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die der Prostitution nachgehen, BGBl. Nr. 314/1974, in der Fassung der Verordnung BGBl. Nr. 591/1993"). Die im Spruch tatsächlich anführte "Verordnung über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die mit ihrem Körper gewerbsmäßige Unzucht treiben, BGBl. Nr. 591/1993" gibt es nicht. Nach der Judikatur des VwGH ist auch dadurch dem Gebot des § 44a Z. 2 VStG nicht entsprochen (vgl. z.B. VwSlg. 13.623 A/1992, VwGH vom 26. April 1995, 92/07/0173).

 

3.6. Weil der Tatvorwurf im angefochtenen Straferkenntnis iSd. obigen Ausführungen nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenats so mangelhaft ist, dass er nicht berichtigt werden kann, war das Straferkenntnis schon allein aus diesem Grund aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

Da inzwischen bereits Verfolgungsverjährung eingetreten ist, kam eine Spruchkorrektur in diesem Umfang durch den Unabhängigen Verwaltungssenat schon von vornherein nicht in Betracht.

 

3.7. Vor diesem Hintergrund war der vorliegenden Berufung daher gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen, ohne dass auf die weiteren Vorbringen der Berufungswerberin inhaltlich eingegangen werden musste (Spruchpunkt I).

 

3.8. Gemäß § 64 Abs. 1 AVG (der auf Grund des § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren gilt) haben rechtzeitig eingebrachte Berufungen aufschiebende Wirkung. Die rechtzeitig eingebrachte Berufung hatte daher von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung.

 

Der (im Übrigen auch nicht näher begründete) Antrag, der Berufung die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, war daher mangels Grundlage als unzulässig zurückzuweisen (Spruchpunkt II).

 

4. Bei diesem Ergebnis waren der Bwin gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben (Spruchpunkt III).

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bergmayr-Mann

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