Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-250532/6/Lg/Bk

Linz, 01.10.1996

VwSen-250532/6/Lg/Bk Linz, am 1. Oktober 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ewald Langeder über die Berufung des Herrn G, vertreten durch RAe Dr. W, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 4.

Juni 1996, Zl. SV/15/1993/Hol, wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl.Nr. 218, idF BGBl.Nr.

502/1993, zu Recht erkannt:

I. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis wegen Eintritt der Strafbarkeitsverjährung eingestellt. (§§ 64 Abs.4, 71 Abs.1 Z1 AVG iVm §§ 24, 31 Abs.3, 45 Abs.1 Z2 VStG).

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge (§ 66 Abs.1 VStG).

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 5.000 S bzw eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden verhängt, weil er am 1.

Juli 1993, in W einen näher bezeichneten Ausländer illegal beschäftigt habe.

2. Dem angefochtenen Straferkenntnis ging nach der Aktenlage folgendes Verfahren voraus:

2.1. Mit Schreiben des Arbeitsamtes Salzburg vom 5.7.1993 erfolgte die Anzeige des Berufungswerbers bei der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung. Die Anzeige enthält die Behauptung der illegalen Beschäftigung eines näher bezeichneten Ungarn am 1.7.1993 auf der Baustelle A. In der Beilage zur Anzeige findet sich lediglich eine Liste von neun Unternehmen, denen vom Arbeitsamt Salzburg verschiedene Ausländer als illegal Beschäftigte zugeordnet wurden, darunter an sechster Stelle der Berufungswerber, versehen mit dem Namen des gegenständlichen Ausländers. Über die näheren Umstände der Kontrolle enthält die Anzeige nicht die geringste Andeutung. Insbesondere fehlen Protokolle über Ausländerbefragungen.

2.2. Die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung ließ den Berufungswerber im Rechtshilfeweg durch die Bezirkshauptmannschaft Schärding einvernehmen. Dieser gegenüber rechtfertigte sich der Berufungswerber damit, daß er selbst mit dem gegenständlichen Ausländer nie Kontakt gehabt hätte.

Vielmehr sei die Mitarbeit des Ausländers ohne Wissen des Berufungswerbers erfolgt. Der Berufungswerber stellte die Situation nach seinem nachträglichen Informationsstand so dar, daß an der Baustelle legal tätige Ungarn den Ausländer für eine kurze Mitarbeit verpflichtet hätten, um am Wochenende früher nach Hause fahren zu können. Der Ausländer sei insgesamt etwa drei Stunden auf der Baustelle gewesen.

Eine allfällige Bezahlung des Ausländers sei ebenfalls durch die genannten Ungarn, jedenfalls nicht durch den Berufungswerber, erfolgt. Einen Entlohnungsanspruch habe der gegenständliche Ausländer gegenüber dem Berufungswerber nicht gehabt. Die Ungarn seien vom Berufungswerber nicht zur Einstellung des gegenständlichen Ausländers ermächtigt gewesen; sie hätten im Gegenteil gewußt, daß sie keine Rückerstattung der Entlohnung des gegenständlichen Ausländers vom Berufungswerber zu erwarten gehabt haben.

2.3. In der Stellungnahme des Arbeitsamtes Salzburg zu dieser Rechtfertigung wird lapidar die Auffassung vertreten, sie sei "irrelevant".

2.4. Der unabhängige Verwaltungssenat flicht an dieser Stelle der Darstellung des vorangegangenen Verfahrens den Hinweis ein, daß die zitierte Auffassung des Arbeitsamtes Salzburg als zumindest sehr problematisch einzustufen ist.

Der unabhängige Verwaltungssenat verweist in diesem Zusammenhang insbesondere auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17.6.1993, Zl. 92/09/0075. In diesem Erkenntnis spielte die Behauptung des Beschwerdeführers eine zentrale Rolle, es habe sich bei drei an einer Baustelle bei der Arbeit betretenen Ungarn um Freunde eines an der Baustelle beschäftigten, zur Einstellung von Arbeitnehmern nicht ermächtigten gebürtigen Ungarn gehandelt. Die Ungarn hätten mitgearbeitet, damit der gebürtige Ungar so schnell wie möglich mit der Arbeit fertig werde. Außer dem letztgenannten Ungarn hätte niemand von dieser Aushilfe Kenntnis gehabt. Die drei Ungarn seien nur wenige Stunden auf der Baustelle gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof rügte, daß sich die Behörde mit dieser Rechtfertigung nicht auseinandergesetzt hatte. "Dies wäre aber erforderlich gewesen, weil bei Zutreffen dieses Vorbringens eine Zurechnung der Tätigkeit der betreffenden Ausländer zur E Ges.m.b.H. aufgrund der besonderen Begleitumstände, wie es zu dieser Tätigkeit gekommen ist, zu verneinen ist. Der Umstand, daß in wirtschaftlicher Hinsicht die Tätigkeit der Ausländer der E Ges.m.b.H. zugute gekommen ist, kann für sich allein nicht deren Arbeitgebereigenschaft und damit die strafrechtliche Verantwortung des Beschwerdeführers begründen." Auch für die Annahme eines arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses fehle es aufgrund der im Beschwerdefall getroffenen Feststellungen an dem entscheidenden Merkmal einer wirtschaftlichen Abhängigkeit der drei ungarischen Staatsbürger von der E Ges.m.b.H. als deren Arbeitgeber.

"Diese wäre vor allem dann gegeben, wenn eine gewisse Regelmäßigkeit der Arbeitsleistungen vorgelegen wäre, wofür im Beschwerdefall jeder Hinweis fehlt. Mangels Feststellungen über ein allfälliges an die drei Ungarn zu leistendes Entgelt kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Ausländer auf eine ihnen vom Unternehmen des Beschwerdeführers zu leistende Entlohnung zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes angewiesen gewesen wären." 2.5. Im daraufhin ergangenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung nahm die belangte Behörde eine Beschäftigung als erwiesen an, ohne sich mit der Rechtfertigung des Beschuldigten auseinanderzusetzen. Der Hinweis der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung auf die Möglichkeit einer Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.3 VStG geht, wie hervorzuheben ist, an der Sache vorbei, da unerfindlich ist, wie daraus ein Beschäftigungsverhältnis mit dem Beschuldigten ableitbar sein soll.

2.6. Auf die Berufung des Beschuldigten hin behob der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Salzburg mit Bescheid vom 25.7.1995 das angefochtene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung wegen örtlicher Unzuständigkeit.

3. Die im gegenständlichen Verfahren belangte Behörde sah von weiteren Ermittlungsschritten ab und stützte das angefochtene Straferkenntnis ausschließlich auf den bisherigen Verfahrensverlauf. Die belangte Behörde nahm, wie aus der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses ersichtlich ist, als erwiesen an, daß es der Berufungswerber dem jeweiligen Partieführer an der Baustelle freigestellt habe, Aushilfskräfte einzustellen und die Entgelte mit dem Berufungswerber zu verrechnen. Gestützt wird diese Feststellung lediglich darauf, daß die Partieführer selbst in einem Arbeitsverhältnis zum Berufungswerber standen und daß die Tätigkeit des Ausländers dem Unternehmen des Berufungswerbers zugutekam.

4. Im gegen das angefochtene Straferkenntnis gerichteten "Einspruch" vom 22.7.1996 wird ua vorgetragen, der Rechtsmittelwerber habe davon erst durch Zustellung der Mahnung (am 22.7.1996) Kenntnis erhalten.

Der Bewertung dieses "Einspruchs" ist vorauszuschicken:

Im gegenständlichen Fall endete die Strafbarkeitsverjährungsfrist (§ 31 Abs.3 VStG) am 1.7.1996. Bei (wirksamer) Hinterlegung des angefochtenen Straferkenntnisses am 5.6.1996 (so die Eintragung am Rückschein) hätte der Berufungswerber so gut wie sicher damit rechnen können, daß bei Erhebung der Berufung innerhalb der Zweiwochenfrist (§ 63 Abs.5 AVG) durch den unabhängigen Verwaltungssenat nicht mehr vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Strafbarkeitverjährung ein Straferkenntnis gefällt werden hätte können, zumal es dem Berufungswerber offengestanden wäre, unter voller Ausschöpfung der Frist die Berufung erst am 19.6.1996 zur Post zu geben und überdies der Postenlauf zwischen der Aufgabestelle der Berufung und der belangten Behörde, die Zeit für die Beschlußfassung über eine Berufungsvorlage (Berufungsvorentscheidung) sowie der Postenlauf zwischen der belangten Behörde und dem unabhängigen Verwaltungssenat (Berufungsvorlage) in Rechnung zu stellen ist. Daß unter diesen Umständen (auch unter der - keineswegs gesicherten - Voraussetzung, daß die Berufungsvorlage überhaupt vor Ablauf der Strafbarkeitsverjährungsfrist beim unabhängigen Verwaltungssenat eingelangt wäre) dem unabhängigen Verwaltungssenat selbst bei "bevorzugter Behandlung" des Akts nicht genügend Zeit für die Fällung eines Erkenntnisses vor Ablauf der Verjährungsfrist (geschweige denn für die gerade im vorliegenden Fall notwendigen Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens) zur Verfügung stand, liegt (schon im Hinblick auf die Frist des § 51e Abs.4 VStG) auf der Hand.

Im Lichte dieser Situation ist die Eingabe des Rechtsmittelwerbers zu bewerten. Zunächst ist glaubwürdig, daß der Rechtsmittelwerber vom (allfälligen) Vorliegen eines Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Schärding überrascht war und erst im Zuge der Mahnung (am 22.7.1996) davon erfuhr. Die Argumentation des Rechtsmittelwerbers ist - in Anbetracht der komplexen verfahrensrechtlichen Implikationen - einerseits als Bezweiflung der Korrektheit des Zustellvorganges, andererseits als von ihm unverschuldete Unmöglichkeit der Kenntniserlangung von der Hinterlegung zu interpretieren.

Die erstgenannte Alternative wäre folgendermaßen rechtlich zu beurteilen: Die mangelhaftige Zustellung steht der Berufung bei Kenntnis des Bescheidinhaltes vor Zustellung nicht entgegen, wenn der Bescheid durch die Zustellung an eine andere Partei bereits dem Rechtsbestand angehört; in einem solchen Fall ist ein Rechtsmittel jedenfalls als rechtzeitig erhoben zu betrachten (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5.

Auflage, S 1215 mwN).

Die zweitgenannte Alternative, die von der Prämisse der Wirksamkeit der Zustellung ausgeht, läuft auf die Behauptung des Vorliegens eines Wiedereinsetzungsgrundes (§ 71 Abs.1 Z1 AVG - Glaubhaftmachung der Verhinderung an der Fristeinhaltung durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis) hinaus. Gelangt eine Hinterlegung trotz ordnungsgemäßer Zustellung dem Empfänger nicht zur Kenntnis, steht nämlich diesem das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Verfügung (vgl. statt vieler VwGH vom 16.10.1990, Zl. 87/05/0063; zitiert nach Hauer-Leukauf, ebd, S 1253, E12).

Nachforschungen des unabhängigen Verwaltungssenats haben ergeben, daß der Postamtsleiter des Postamtes A bestätigen konnte, daß am 5.6.1996 tatsächlich, wie vom Berufungswerber behauptet, eine Urlaubsvertretung tätig war. Der völlig unleserliche "Schriftzug" über der Linie, die auf dem Rückschein für die Unterfertigung des Zustellers vorgesehen ist, deckt sich außerdem nicht mit der dem unabhängigen Verwaltungssenat vom Postamtsleiter übermittelten Unterschriftprobe desjenigen Zustellers, der nach den Aufzeichnungen des Postamtes A die Zustellung vorgenommen haben mußte. Diese Ungereimtheit allein reicht jedoch wohl nicht aus, die Unwirksamkeit des Zustellvorganges zu begründen. Vielmehr ist dennoch wahrscheinlich, daß die Hinterlegungsanzeige durch einen befugten und geschulten Zusteller ordnungsgemäß angebracht wurde.

Laut Rückschein wurde die Hinterlegungsanzeige an der Eingangstür angebracht. Bei dieser Form der Hinterlegung erscheint es nicht ausgeschlossen, daß die Hinterlegungsanzeige ohne Verschulden des Berufungswerbers abhanden gekommen ist. Im Hinblick auf die unter 4.

geschilderte Interessenlage des Rechtsmittelwerbers einerseits und der Annahme der tatsächlichen Anbringung der Hinterlegungsanzeige an der Eingangstür andererseits erscheint die Annahme eines vom Rechtsmittelwerber unverschuldeten Verlusts der Hinterlegungsanzeige vor der Möglichkeit der Kenntnisnahme durch diesen als ausreichend wahrscheinlich. Demgemäß ist davon auszugehen, daß dem Berufungswerber die Glaubhaftmachung iSd § 71 Abs.1 Z1 AVG gelungen ist.

6. Aus diesem Grund war dem als mit einer Berufung verbundenen Wiedereinsetzungsantrag zu verstehenden Vorbringen des Rechtsmittelwerbers zunächst im Sinne der Stattgebung eines (rechtzeitigen - § 71 Abs.2 AVG) Wiedereinsetzungsantrages beizutreten. Damit war der Weg frei für die Entscheidung über die (gleichzeitig eingebrachte - § 71 Abs.3 AVG) Berufung. Da zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Berufung bereits Strafbarkeitsverjährung eingetreten war, war das Verfahren einzustellen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. Langeder

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