Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-550147/4/Gf/Sta

Linz, 09.07.2004

 

 VwSen-550147/4/Gf/Sta Linz, am 9. Juli 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über den Nachprüfungsantrag der B B, G, M, vertreten durch RA Dr. B E, E, W, im Zusammenhang mit der Ausschreibung der Vergabe eines Auftrags zur Herstellung von Betonspuren auf Wirtschaftswegen durch die Zusammenlegungsgemeinschaft R beschlossen:

 

Dem Antrag wird stattgegeben und die Zuschlagserteilung vom
13. Mai 2004 als nichtig erklärt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 13 Abs. 1 AVG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Schreiben vom 26. April 2004 hat die Zusammenlegungsgemeinschaft R (im Folgenden: ZGR) einen Bauauftrag zur Herstellung von Betonspuren auf Wirtschaftswegen im Gesamtwert von ca. 116.000 Euro "beschränkt" (gemeint: im nicht offenen Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung gemäß § 26 Abs. 1 Z. 1 des Bundesvergabegesetzes, BGBl.Nr. 99/2002, im Folgenden: BVergG) ausgeschrieben.

 

1.2. Nach der Öffnung der Angebote am 14. Mai 2004 hat die Agrarbezirksbehörde für Oberösterreich, Dienststelle Gmunden (im Folgenden: ABG), "über Ersuchen der Zusammenlegungsgemeinschaft und in ihrer Eigenschaft als Aufsichtsbehörde im Sinne des Oö. Flurverfassungs-Landesgesetzes" die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 28. Mai 2004 davon verständigt, dass nach einem entsprechenden Beschluss des Ausschusses der ZGR vom Vortag ein anderer Bieter "den Zuschlag erhalten hat".

 

1.3. Mit weiterem Schreiben der ABG vom 13. Mai 2004 war nämlich diesem anderen Bieter per "Schlussbrief" mitgeteilt worden, dass ihm der Auftrag zur Durchführung der Bauarbeiten "erteilt" und "Baubeginn ..... im Juni 2004 sein" wird. Dieses Angebot hat jener Bieter mit "Gegenschlussbrief" vom 3. Juni 2004 "vollinhaltlich angenommen".

 

1.4. Mit Schriftsatz vom 9. Juni 2004 hat die Beschwerdeführerin u.a. einen formal auf § 3 Abs. 1 des Oö. Vergabenachprüfungsgesetzes, LGBl. Nr. 153/2002 (im Folgenden: OöVergNPG), gestützten Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung gestellt.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass das an sie gerichtete Schreiben der ZGR lediglich als Zuschlagsentscheidung i.S.d. § 20 Z. 42 BVergG zu werten und der Nachprüfungsantrag daher rechtzeitig gestellt worden sei. In inhaltlicher Hinsicht wird vorgebracht, dass der in Aussicht genommene Zuschlagsempfänger sein Angebot wohl nachträglich verändert haben müsse, was daraus hervorgehe, dass dieser seine Leistungen einmal mit und einmal ohne Umsatzsteuer angeboten und dabei unerklärlicherweise sowohl einen Steuersatz von 12% als auch einen solchen von 20% zu Grunde gelegt habe. Dieses Angebot hätte daher nicht berücksichtigt werden dürfen. Abgesehen davon sei es auch nicht das preislich günstigste gewesen, weil der bei der Öffnung der Angebote verlesene Wert als Gesamtpreis hätte verstanden werden müssen, zu der noch die Umsatzsteuer hinzuzurechnen gewesen wäre.

 

Daher wurde die Nichtigerklärung der in Aussicht genommenen Zuschlagsentscheidung beantragt.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Agrarbezirksbehörde für Oberösterreich, Dienststelle Gmunden, zu Zl. ABG-100344; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 12 Abs. 2 Z. 2 OöVergNPG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

3. Über den vorliegenden Nachprüfungsantrag hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Bedenken könnten zunächst hinsichtlich der Anwendbarkeit des OöVergNPG, nämlich hinsichtlich der Frage, ob die ZGR eine öffentliche Auftraggeberin ist, entstehen.

 

3.1.1. Diesbezüglich legt § 1 Abs. 2 Z. 5 OöVergNPG fest, dass landesgesetzlich eingerichtete Selbstverwaltungskörperschaften als öffentliche Auftraggeberinnen i.S.d. § 1 Abs. 1 OöVergNPG anzusehen sind.

 

3.1.1.1. Essentielle Merkmale einer Selbstverwaltungseinrichtung sind deren Weisungsfreiheit gegenüber den Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung bei der Besorgung ihrer Aufgaben mit korrelierender Staatsaufsicht sowie eine demokratische Organkreation (vgl. z.B. allgemein L.K. A - B.C. F - G. H, Österreichisches Staatsrecht, Bd. 2, Wien 1998, RN 32.002 u. 32.004; hinsichtlich der Gemeindeselbstverwaltung z.B. A. G, Die verfassungs- und verwaltungsrechtssystematische Konzeption des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts, Linz 1991, 44 ff).

 

3.1.1.2. Nach § 7 Abs. 1 des Oberösterreichischen Flurverfassungs-Landesgesetzes, LGBl.Nr. 73/1979, zuletzt geändert durch LGBl.Nr. 86/2001 (im Folgenden: OöFlG), bilden die Eigentümer jener Grundstücke, die der Zusammenlegung unterzogen werden, eine Zusammenlegungsgemeinschaft; diese ist eine von der Agrarbehörde durch Verordnung begründete Körperschaft des öffentlichen Rechts. Hinsichtlich ihres in § 7 Abs. 2 OöFlG festgelegten Aufgabenkreises ist sie zwar nicht - wie in Art. 20 Abs. 1 zweiter Satz B-VG vorgesehen - durch Verfassungsgesetz weisungsfrei gestellt, doch ergibt sich (in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise; vgl. L.K. A - B.C. F - G. H, a.a.O., 32.004) aus zahlreichen Bestimmungen des OöFlG, dass die Zusammenlegungsgemeinschaft ihre Aufgaben grundsätzlich unabhängig zu besorgen hat, dabei aber der Aufsicht der Agrarbehörde unterstellt ist (vgl. z.B. § 10 OöFlG). Aus § 8 Abs. 2 OöFlG folgt weiters, dass der Ausschuss als oberstes Organ dieser Gemeinschaft (§ 9 OöFlG) aus demokratisch gewählten Mitgliedern besteht.

 

3.1.1.3. Daraus folgt insgesamt, dass eine Zusammenlegungsgemeinschaft nach dem OöFlG - wie z.B. (insoweit vergleichbar) auch eine Wassergenossenschaft nach § 73 des Wasserrechtsgesetzes (s. dazu H. Rossmann, Das österreichische Wasserrechtsgesetz, 2. Aufl., Wien 1993, 210; B. R, Kommentar zum Wasserrecht, Wien 1993, RN 1 zu § 73) - als Selbstverwaltungskörper und damit als eine öffentliche Auftraggeberin i.S.d. § 1 Abs. 1 und 2 OöVergNPG anzusehen ist, sohin deren Privatwirtschaftsverwaltungs-Agenden - soweit es um die Vergabe von Bau-, Liefer- oder Dienstleistungsaufträgen geht - dem allgemeinen Vergaberechtskontrollschutz unterliegen.

 

3.2. Gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 9 und i.V.m. Anlage II Z. 3 OöVergNPG sind Anträge auf Einleitung des Nachprüfungsverfahrens vor Zuschlagserteilung - als solchen will die Rechtsmittelwerberin den vorliegenden Antrag unzweifelhaft verstanden wissen (vgl. insbesondere S. 7 f der Beschwerdeschrift) - innerhalb der Frist des § 100 Abs. 2 BVergG einzubringen.

 

Nach § 100 Abs. 2 BVergG darf der Zuschlag bei sonstiger Nichtigkeit nicht innerhalb einer Stillhaltefrist von 14 Tagen ab Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung erteilt werden; u.a. im Falle der Durchführung eines nicht offenen Verfahrens ohne vorherige Bekanntmachung verkürzt sich diese Frist jedoch auf sieben Tage.

 

3.2.1. Im gegenständlichen Fall hat die ZGR - wovon auch die Rechtsmittelwerberin ausgeht (vgl. S. 7 der Beschwerdeschrift) - ihren Auftrag nach § 26 Abs. 1 Z. 1 BVergG im Wege eines nicht offenen Verfahrens ohne vorherige Bekanntmachung ausgeschrieben. Das von der Antragstellerin als Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung i.S.d. § 100 Abs. 1 BVergG gewertete Schreiben wurde ihr am 2. Juni 2004 zugestellt, sodass sich der am 9. Juni 2004 beim Oö. Verwaltungssenat eingebrachte Nachprüfungsantrag an sich als rechtzeitig erweisen würde.

 

3.2.2. Wenngleich dies die Beschwerdeführerin nicht wissen konnte, weil ihr bislang das Schreiben der ABG vom 13. Mai 2004 über die Zuschlagserteilung (s.o., 1.3.) nicht bekannt war, ist im gegenständlichen Fall aber objektiv besehen dennoch offenkundig, dass die Erteilung des Zuschlages an einen anderen Bieter - ohne dass eine den Anforderungen des § 100 Abs. 1 BVergG entsprechende Bekanntgabe vorgenommen worden wäre - bereits mit diesem Schreiben erfolgte und jener den Auftrag am 3. Juni 2004 auch angenommen hat. Damit liegt jedenfalls ein Verstoß gegen die Stillhaltefrist des § 100 Abs. 2 zweiter Satz BVergG vor, der i.V.m. § 100 Abs. 2 erster Satz BVergG zur Nichtigkeit der Zuschlagserteilung führt. (Zum selben Ergebnis käme man nach § 100 Abs. 1 erster i.V.m. letzter Satz BVergG übrigens auch dann, wenn man das Schreiben der ABG vom 13. Mai 2004 - wie die Rechtsmittelwerberin - bloß als Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung wertet, weil diese weder elektronisch noch mittels Telefax erfolgte.)

 

3.2.3. In diesem Zusammenhang erhebt sich aber die Frage, ob und bejahendenfalls wie dieser Verstoß prozessual geltend gemacht werden kann.

 

3.2.3.1. Der Textierung des § 100 Abs. 2 erster Satz BVergG folgend (arg. "bei sonstiger Nichtigkeit") könnte man zunächst die Auffassung vertreten, dass ein während der Stillhaltefrist erteilter Zuschlag schon ex lege nichtig ist, sodass auch die darauf basierende Auftragserteilung als ex tunc nicht zu Stande gekommen anzusehen ist (in diesem Sinne W. S, Bundesvergabegesetz, Wien 2003, RN 4 zu § 100 ["absolute Nichtigkeit"]).

 

3.2.3.2. Unmittelbar könnte diese jedoch nicht mittels eines auf § 3 Abs. 1 OöVergNPG gestützten Nachprüfungsantrages geltend gemacht werden, weil ein solcher nur vor der Zuschlagserteilung gestellt werden kann. Sobald der Zuschlag erteilt ist, wäre eine derartige Beschwerde vielmehr als unzulässig zurückzuweisen; allerdings käme in der Begründung eines solchen Bescheides zumindest mittelbar die Nichtigkeit der Zuschlagserteilung zum Ausdruck.

 

3.2.3.3. Wenn man hingegen den ursprünglich auf § 3 Abs. 1 OöVergNPG gestützten Antrag wegen einer zwischenzeitlich erfolgten widerrechtlichen Zuschlagserteilung in einen Feststellungsantrag gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 i.V.m. § 14 OöVergNPG umdeutet, könnte man hingegen zwar den Rechtsverstoß feststellen, aber eine Nichtigerklärung käme nicht mehr in Betracht, womit der Beschwerdeführer im Ergebnis sogar vergleichsweise schlechter gestellt wäre.

 

3.2.3.4. Um dem unter Rechtsschutzaspekten untragbaren Ergebnis, dass demnach gleichsam wohl sämtliche andere Arten von Rechtsverstößen, nicht aber die zentrale Frage der Nichtigkeit der Zuschlagserteilung unmittelbar prozessual geltend gemacht werden könnten, zu entgehen, führt sohin eine richtlinien- und verfassungskonforme Interpretation nach h. Auffassung dazu, dass ein auf § 3 Abs. 1 OöVergNPG gestützter Nachprüfungsantrag nicht zurückzuweisen, sondern diesem auch dann und insoweit stattzugeben ist, als eine Nichtigerklärung zu erfolgen hat, wenn der Zuschlag noch während der Stillhaltefrist ohne Wissen des Beschwerdeführers erteilt wurde.

 

Insoweit erscheint der Rechtsmittelwerber dann nicht als unterlegene, sondern vielmehr als (zumindest teilweise) obsiegende Partei i.S.d. § 18 Abs. 4 BVergG, weil eine Verletzung des § 100 Abs. 1 und 2 BVergG ungeachtet der von ihm geltend gemachten Beschwerdepunkte i.S.d. § 6 Abs. 1 Z. 5 OöVergNPG jedenfalls von Amts wegen aufzugreifen ist.

 

3.3. Daher war der gegenständlichen Beschwerde gemäß § 13 Abs. 1 OöVergNPG schon aus den zuvor aufgezeigten Gründen stattzugeben und die Zuschlagserteilung vom 13. Mai 2004 als nichtig zu erklären, ohne dass es eines Eingehens auf die weiteren von der Rechtsmittelwerberin geltend gemachten Gründe bedurfte.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. G r o f

 

 
 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum