Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221747/2/Kon/Pr

Linz, 25.06.2001

VwSen-221747/2/Kon/Pr Linz, am 25. Juni 2001
DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Robert Konrath über die Berufung des Herrn E. H., vertreten durch Rechtsanwälte Dr. H./N. & Partner, L., gegen den Bescheid (Ermahnung) des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz, vom 1.12.2000, GZ: 100-1/16-330105153, wegen Übertretung der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), zu Recht erkannt:
Der Berufung wird keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.
Rechtsgrundlage:
§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.
Entscheidungsgründe:
Im angefochtenen Bescheid wird der Berufungswerber (Bw) der Verwaltungsübertretung gemäß § 50 Abs.2 iVm § 367 Z14 GewO 1994 mit nachstehendem Tatvorwurf für schuldig erkannt:
"Sie haben es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der Fa. Qu. Aktiengesellschaft mit Standort L., zu verantworten, dass - wie aus einer Anzeige der Lebensmittelpolizei (GsA) des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 14.01.2000 hervorgeht, die Fa. Qu. AG in ihrem Katalog Frühjahr/Sommer 2000 (Ausgabe Mitte Juli 2000) Verzehrprodukte wie: Fischöl-Kapseln, Apfelessig-Kapseln, Beta-Kerotin-Kapseln, Zinkhefe-Kapseln, Schwarzkümmel-Kapseln, Lecithin-Granulat, Kalzium+C-Tabletten, Selen-Kapseln, Tomaten-Lykopin-Kapseln, Karotin-Kapseln, Puh-Erh-Tee-Kapseln, Gelatine-Kapseln, Magnesium-Tabletten und Kalzium-Tabletten sowie Arzneimittel wie: Mistel-Weißdorn-Dragees zum Versand angeboten hat, obwohl dies gem. § 50 Abs.2 iVm § 367 Z14 GewO 1994 idgF untersagt ist."
Zur Begründung ihrer Entscheidung verweist die belangte Behörde auf § 21 VStG.
Gegen diesen Bescheid wurde wegen fehlender Tatsachenfeststellungen und unrichtiger rechtlicher Beurteilung rechtzeitig Berufung erhoben.
Hiezu führt der Bw begründend aus:
"2.
Die von der G. G. GmbH & Co. hergestellten und in Deutschland im Versandwege auf zulässige Weise in Verkehr gebrachten Artikel fallen nicht nur nach deutschem sondern auch nach österreichischem Recht grundsätzlich in den Lebensmittelbereich, in dem es sich i.S. § 3 LMG um Stoffe handelt, die dazu bestimmt sind, von Menschen gegessen, gekaut oder getrunken zu werden, ohne überwiegend Ernährungs- oder Genusszwecken zu dienen.
Als solche stellen sie Verzehrprodukte i.S. § 3 LMG dar.
Diese Verzehrprodukte unterliegen nach österreichischem Recht vor erstmaligem Inverkehrbringen dem Prüf- und Kontrollregime der österreichischen Gesundheitsbehörde; sie unterliegen der Anmeldepflicht gemäß § 18 Abs.1 LMG und ist deren Inverkehrbringen auch in Österreich zulässig, soweit nicht vom Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz (nunmehr: Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) gemäß § 18 Abs 2 LMG längstens binnen drei Monaten mit Bescheid ein solches Inverkehrbringen infolge Einstufung als Arzneimittel, sei es wegen objektiver oder subjektiver Zweckbestimmung, untersagt wird.
In Erfüllung dieser gesetzlichen Voraussetzungen hat die QU. die genannten Artikel vor deren Aufnahme in den Versandkatalog gemäß § 18 LMG beim zuständigen Bundesministerium als Verzehrprodukte angemeldet, dies unter Beischluss der erforderlichen Warenmuster und Unterlagen und wurde dazu vom Bundesministerium mitgeteilt bzw. bestätigt, dass diese Artikel keine Arzneimittel und damit Verzehrprodukte darstellen.
B e w e i s : wie vor sowie

Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 8.3.2000 GZ 2.450.808/1-VIII/C/17/00.
3.
Zu Unrecht geht die Behörde davon aus, dass durch das Anbieten dieser vor ihrem erstmaligen Inverkehrbringen gemäß § 18 LMG angemeldeten und nicht untersagten Verzehrprodukte zum Versand durch die QU. AG mittels deren Versandkatalog eine Gesetzesverletzung, konkret ein Verstoß gegen § 50 Abs.2 GewO gesetzt worden wäre.
Die Behörde lässt außer Acht, dass das mit der Gewerberechtsnovelle 1997 neu in § 50 Abs.2 aufgenommene Verbot des Versandhandels mit Verzehrprodukten mit dem das nationale Recht verdrängenden Gemeinschaftsrecht nicht in Einklang zu bringen ist.
Voranzustellen ist dazu, dass das Gemeinschaftsrecht den Begriff "Verzehrprodukt", der ein rein österreichisches Spezifikum darstellt, nicht kennt; Verzehrprodukte fallen unter den gemeinschaftsrechtlichen Lebensmittelbegriff, wobei keine gemeinschaftsrechtlichen Regelungen in Gestalt von Richtlinien oder Verordnungen über das Inverkehrbringen von Lebensmitteln, insbesondere zur Frage, ob solche im Versandhandel vertrieben werden dürfen, bestehen.
Mangels Existenz einer gemeinschaftsrechtlichen Sekundärrechtsakte kommt für die mit § 50 Abs.2 GewO begründete Beanstandung des Absatzes von aus Deutschland importierten Waren deshalb Art. 28 EG-V (früher Art. 30) zu tragen.
Der in Art. 28 EG-V verankerte Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit verbietet mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie Maßnahmen gleicher Wirkung, wobei seit der E. DASSONVILLE unter einer Maßnahme gleicher Wirkung jede Handelsregelung der Mitgliedsstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, verstanden wird (Slg. 1974, 837 RN 5); klargestellt ist seit der E. CASSIS DE DU ON, dass darunter nicht nur diskriminierende, sondern auch unterschiedslos geltende Vorschriften, somit solche, die hinsichtlich der Rechtsfolgen nicht zwischen in- und ausländischen Waren unterscheiden, zu subsumieren sind.
Dieser Rechtsprechung gemäß gilt, dass jeder Mitgliedsstaat den Absatz eingeführter Waren in seinem Hoheitsgebiet zulassen muss, auch wenn solche inländischen Vermarktungsvorschriften widersprechen.
Es gilt das Herkunftslandprinzip und nicht das Bestimmungslandprinzip und muss danach eine im Herkunftsland vermarktungsfähige Ware auch im Bestimmungsland unabhängig von dessen Rechtsnormen grundsätzlich vermarktungsfähig sein, soweit nicht ein Rechtfertigungsgrund nach Art. 30 EG- V (früher Art. 36) für die abweichende im Bestimmungsland geltende Verbotsnorm besteht.
Der EuGH legt Art. 28 dahin aus, dass Waren, die den Rechtsvorschriften des Herkunftslands entsprechen und dort rechtmäßig produziert und vermarktet werden, im Bestimmungsland nicht durch - wenn auch diskriminierungsfreie aber andere - Rechtsnormen behindert werden dürfen, wobei auch eine Behinderung in der Form, dass dem Wirtschaftsteilnehmer eine Doppelbelastung auferlegt wird, indem er sein Produkt anpassen, es umgestalten, anders etikettieren oder angleichen muss, damit dieses auch den Bestimmungen des Bestimmungslands entspricht, als Maßnahme gleicher Wirkung i.S. Art. 28 gilt.
Ansatzpunkt des EuGH dabei die Behinderung durch nachteilige Zusatz- und Anpassungskosten.
Dementsprechend werden vom EuGH auch (unterschiedslos) anwendbare Vorschriften des Bestimmungslands, welche bestimmte Formen der Werbung, der Absatzforderung oder des Vertriebs beschränken oder verbieten, als Maßnahmen gleicher Wirkung bewertet, wenn diese zur Aufgabe einheitlicher Werbe- und Absatzstrategien zwingen und damit Zusatz- oder Anpassungskosten erfordern (Slg. 1982, 4575 RN 15 - OOSTHOEG; Slg. 1993, I-2361 -YVES ROCHER).
Die Beurteilung des gemeinschaftsrechtlich relevanten Zwangs zur Aufgabe einheitlich konzipierter Vertriebs-, Absatzförderungs- oder Werbestrategien als Maßnahme gleicher Wirkung ist auch nach der E. KECK (Slg. 1993, I-6097), mit welcher Entscheidung der EuGH die Nichtanwendbarkeit von Art.28 für "bestimmte Verkaufsmodalitäten" festgestellt und den Anwendungsbereich von Art. 28 insoweit eingeschränkt hat, aufrecht; der aus unterschiedlichen Rechtsnormen resultierende Anpassungszwang ist nach wie vor ein Umstand, der die Anwendbarkeit von Art. 28 begründet; dies schon wegen der durch Anpassungs- und Zusatzkosten gegebenen stärkeren Behinderung des Absatzes ausländischer Waren als inländischer Waren "in tatsächlicher Hinsicht".
Das von der Behörde herangezogene Verbot des Inverkehrbringens der aus Deutschland stammenden Verzehrprodukte im Versandhandel unter Berufung auf § 50 Abs 2 GewO stellt jedenfalls eine Maßnahme gleicher Wirkung i.S. dieser EuGH-Rechtsprechung dar.
Die QU. wird i.S. der EuGH-Rechtsprechung zu Art. 28 durch den aus § 50 Abs.2 GewO resultierenden Zwang zur Änderung der gemeinsamen Versand-Absatzstrategie für die Verzehrprodukte des gemeinsamen Lieferanten mit ihrer Mutter QU./SCH. unter Verwendung möglichst einheitlicher Versandkataloge gemeinschaftsrechtswidrig behindert; dies sowohl mittelbar als auch unmittelbar, ebenso tatsächlich und was das Vorhaben des Verwendens eines allein für die Verzehrprodukte des gemeinsamen Lieferanten von QU./SCH. erstellten auch in Österreich zur Verteilung kommenden Versandkatalogs betrifft, zumindest potentiell.
Zum Umstand, dass es sich gegenständlich um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt handelt:
Der EuGH sieht in Konstellationen wie im gegenständlichen Fall seit Jahren einen "Auslandsbezug" (siehe etwa Y. R. - Slg. 1993, I-2361); in einer Reihe jüngerer Entscheidungen geht der EuGH weiter, indem er sogar rein nationale Sachverhalte dem Prüfungsregime des Art. 28 EG-V unterstellt.
Bestes jüngstes Beispiel: TK-H., E. vom 13.1.2000 - C-254/98 (WBI2000, 124), ein rein "Tiroler Fall" betreffend den Niederlassungsvorbehalt beim Handel mit Lebensmitteln im Umherziehen laut § 53a GewO, welcher vom EuGH als Verstoß gegen Art. 28 EG-V beurteilt wurde.
Eine Maßnahme gleicher Wirkung i.S. Art. 28 EG-V liegt gegenständlich vor; dies i.S. der EuGH-Entscheidungen O. und Y.R., dies ungeachtet der Weiterentwicklung der EuGH-Judikatur durch die Entscheidung KECK, der zufolge "bestimmte Verkaufsmodalitäten" aus dem Tatbestand des Art. 28 EG-V ausgenommen wurden; wollte man meinen, dass es sich bei § 50 Abs.2 GewO um eine "Verkaufsmodalität" i.S. der E. KECK handelt, ist dies ein nur vordergründig plausibler, jedoch einer näheren Begründung nicht standhaltender Ansatz.
Das Verbot einer bestimmten Absatzform wie z.B. Versandhandelsverbot mag zwar dem Begriff "Verkaufsmodalität" unterliegen, als Regelung des "wer, was, wann, wo und wie man verkaufen darf'; es trifft jedoch nicht zu, dass die KECK-Doktrin Verkaufsmodalitäten jedweder Art umfasst und diese quasi von vornherein einer Prüfung von § 50 Abs 2 GewO auf Gemeinschaftskonformität entgegenstünde.
Zu berücksichtigen ist, dass die E. KECK nur auf Regelungen "bestimmter Verkaufsmodalitäten" abstellt und vom EuGH schon insoweit eine Differenzierung zwischen verschiedenen Verkaufsmodalitäten offengehalten wird; des Weiteren stellt die E. KECK darauf ab, ob eine Bestimmung "den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedsstaaten rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise berührt".
Selbst wenn vom EuGH bislang eine Klärung bei der anzustellenden Differenzierung zwischen verschiedenen Regelungen betreffend "bestimmte Verkaufsmodalitäten" weitgehend fehlt, ist offensichtlich, dass Regelungen, die nicht bloß aufgrund deren Existenz eine allgemeine unterschiedslose Absatzbehinderung darstellen (wie z.B. Beschränkung von Öffnungszeiten) sondern zu spezifischen Einfuhrbehinderungen führen, auch nach der E. KECK als Maßnahme gleicher Wirkung i.S. der C.-Doktrin zu Art. 28 EG-V gelten.
Eine Bestimmung wie § 50 Abs.2 GewO, die im Sinne der C.-Doktrin dazu zwingt, bei im Herkunftsland rechtmäßig mittels Versandkatalog ebenso über Internet angebotenen Waren diese Werbe- und Absatzstrategie beim Marktzugang in Österreich umzustellen, stellt auch nach der E. KECK eine Maßnahme gleicher Wirkung dar; verschlossen ist in Österreich die Durchführung der einheitlich konzipierten Strategie, die Waren so wie im Herkunftsland mittels Versandhandelskatalogen oder im Internet abzubieten; § 50 Abs.2 GewO zwingt demgegenüber im Bestimmungsland Österreich die Etablierung einer stationären Handels- bzw. Filialstruktur auf; dies eine spezifische Einfuhrbehinderung, die auch nach E. KECK als Maßnahme gleicher Wirkung zu berücksichtigen ist.
Vor allem die Zusatz- und Anpassungskosten sind das spezifische Element, so wie dieses in E. O. und im besonders vergleichbaren Fall Y.R. der Fall war.
Zu berücksichtigen ist beim österreich-spezifischen Verzehrprodukte Versandhandelsverbot nach § 50 Abs.2 GewO des Weiteren, dass der von der QU. in Ausrichtung auf das gemeinsame Konzept mit dem deutschen Hersteller und der deutschen Muttergesellschaft unternommene Versandhandel, wenn auch nicht die einzige Marktzugangsmöglichkeit mit den verfahrensgegenständlichen Verzehrprodukten aber doch den neben dem Handel über das Internet einfachsten Zugang auf den Österreichischen Markt darstellt; gegenüber dem Erfordernis der Etablierung eines stationären Handels- oder Filialnetzes stellt der Versandvertrieb naturgemäß schon nach allgemeiner Lebenserfahrung eine wesentlich kostengünstigere und leichtere Marktzugangsmöglichkeit dar .
Dieser vereinfachte Marktzugang wird durch die Vorschrift des § 50 Abs.2 GewO unterbunden und erweist sich angesichts dessen diese Bestimmung als spezifische Marktzugangsbeschränkung.
Vergleichbar insoweit E. TK-H. (WBI 2000, 124), in welchem Fall die Bestimmung des § 53a Abs.2 GewO als Maßnahme gleicher Wirkung mit Art. 28 EG-V als unvereinbar bewertet worden ist.
4.
Eine Rechtfertigung für die dem Gemeinschaftsrecht widerstreitende Regelung des § 50 Abs.2 GewO i.S. Art. 30 EG-V kann nicht aufgezeigt werden, insbesondere auch nicht der Rechtfertigungsgrund des Gesundheitsschutzes.
Es ist nicht ersichtlich, aus welcher Überlegung beim Erfordernis zum Schutz der Gesundheit in Österreich ein anderer Maßstab als in anderen Mitgliedsstaaten, im gegenständlichen Fall der Bundesrepublik Deutschland, angestellt werden sollte.
Insbesondere ist nicht ersichtlich, aus welchen zwingenden Erfordernissen im Österreichischen Recht zwischen dem stationären Verkauf und dem Versandhandel mit Verzehrprodukten unterschieden wird.
Dies angesichts des Umstands, dass es sich um Artikel handelt, die nach der Besonderheit des österreichischen Rechts ohnehin dem Anmeldeverfahren nach § 18 LMG und damit besonderen behördlichen Kontrolle unterliegen, ebenso auch angesichts des Umstands, dass Verzehrprodukte auch im stationären Bereich, insbesondere den Drogeriemärkten, gewohntermaßen "zur freien Entnahme" zum Verkauf angeboten werden, eine begleitende Beratung gesetzlich weder vorgeschrieben ist noch in praxi vorkommt.
B e w e i s : wie vor.
5.
Zusammenfassend ist somit davon auszugehen, dass die von der Behörde gesehene Rechtsverletzung von § 50 Abs.2 GewO iVm § 367 Z14 GewO nicht vorliegt, da verfahrensgegenständlich § 50 Abs.2 GewO wegen Verstoßes gegen die Warenverkehrsfreiheit und damit Vorliegen einer Gemeinschaftsrechtswidrigkeit nicht
anzuwenden ist, und wird aus diesen Gründen gestellt der
ANTRAG,
die Berufungsbehörde möge die Ermahnung des Magistrats der Landeshauptstadt Linz, Bezirksverwaltungsamt, vom 1.12.2000 ersatzlos aufheben und die Einstellung des Verfahrens gemäß § 45 VStG verfügen.
Soweit die Berufungsbehörde den Standpunkt vertritt, dass nach der Judikatur des EuGH eine Anwendbarkeit von Art. 28 EG-V auf das gegenständliche Verzehrprodukte-Versandhandelsverbot nicht offenkundig ist und dessen Anwendung auf den gegenständlichen Fall bezweifelt, wird eine Vorlage der Akte an den EuGH gemäß § 234 EG-V angeregt (bei Ablehnungsbefugnis durch VwGH ist von Vorlagepflicht durch den WS auszugehen - SCHIMA in "Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH", S. 51).
Die dem EuGH zu stellende Vorlagefrage könnte lauten:
‚Ist Art. 28 EG-V so auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die den Versandhandel von importierten Produkten in einem Mitgliedsstaat als Bestimmungsland, die in einem anderen Mitgliedsstaat als Herkunftsland auf zulässige Weise auch im Versandhandel angeboten werden, generell verbietet?' "
Betreffend das Berufungsverfahren ist aufzuzeigen, dass in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird, sodass gemäß § 51e Abs.3 Z1 VStG der Unabhängige Verwaltungssenat von einer Berufungsverhandlung absehen konnte, da eine solche auch von keiner Partei beantragt wurde.
Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:
Kernargument der Berufung ist, dass die Bestimmung des § 50 Abs.2 GewO 1994 gemeinschaftsrechtswidrig sei, weil sie gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs verstoße.
Gemäß § 50 Abs.2 GewO 1994 ist der Versandhandel mit Verzehrprodukten unzulässig. Dieses Verbot gilt auch für den Absatz aus eigener Erzeugung stammenden Waren oder von zugekauften Waren (§ 33 Z6) in der Art des Versandhandels an Letztverbraucher (GR-Novelle 1997).
Nach den Materialien zur GR-Novelle 1997 (HB 1997) wird unter Versandhandel nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine Betriebsform des Einzelhandels, also eine Form des Verkaufs von Waren an Letztverbraucher, verstanden, bei der das Anbieten der Waren nicht in offenen Ladengeschäften (Schaufenstern), sondern schriftlich mittels Katalogen, Anzeigen, Prospekten oder auch durch Vertreter erfolgt und die schriftlich bestellten Waren den Käufern im Versandweg (meist Postversand) zugestellt werden.
Mit der Gewerberechtsnovelle 1997 wurde das Verbot des Versandhandels auf Verzehrprodukte (z.B. Schlankheitsmittel) ausgedehnt. Die Maßnahme dient vor allem dem Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsgefährdung, da der Vertrieb derartiger Produkte im Versandhandel die behördliche Kontrolle erschwert (EB zum 1. Abschnitt Artikel 1 Z28 GR-Novelle 1997).
Gemäß Artikel 28 (ex - Artikel 30) EG-Vertrag sind mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten.
Bezugnehmend auf das Berufungsvorbringen hält zu den angeführten Normen der Unabhängige Verwaltungssenat begründend im Einzelnen fest:
Der Beweggrund des Gesetzgebers der Gewerbeordnung, das Versandhandelsverbot auf Verzehrprodukte auszudehnen ist in jeder Hinsicht nachvollziehbar, liegt es doch auf der Hand, dass es bei dieser Vertriebsform den Organen der Lebensmittelpolizei faktisch unmöglich ist, die auf diese Weise vertriebenen Verzehrprodukte auf ihre Tauglichkeit und Genussfähigkeit hin zu überprüfen. Dem steht die behördliche Anmeldung einschließlich der Nichtuntersagung dieser Produkte nach dem Lebensmittelgesetz nicht entgegen. Dies deshalb, weil die behördliche Anmeldung einschließlich der Nichtuntersagung die Voraussetzung dafür ist, dass diese Verzehrprodukte überhaupt in Verkehr gebracht werden dürfen. Die Anmeldung ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die behördliche Kontrolle, insbesondere durch Organe der Lebensmittelpolizei von im Versandhandel vertriebenen Produkten anders als beim Stationärhandel grundsätzlich erschwert, praktisch gesehen überhaupt unmöglich gemacht wird. Die lebensmittelpolizeiliche Überprüfung von Verzehrprodukten, insbesondere auch der verfahrensgegenständlichen, dient vor allem dem Schutz des Lebens und der Gesundheit der Verbraucher. Diese Überprüfungen sollen mit dazu beitragen, dass gewährleistet ist, dass Verzehrprodukte, wie beispielsweise die im Tatvorwurf angeführten, ihre Eigenschaft als solche behalten und nicht Substanzen aufweisen, die eine gesundheitliche Gefährdung herbeizuführen geeignet sind. Aus diesem Grunde ist es notwendig, dass schon der Gesetzgeber Maßnahmen wie das in Rede stehende Versandhandelsverbot für Verzehrprodukte setzt, um die Gefahr, dass diese Produkte einer lebensmittelpolizeilichen Kontrolle entzogen sind, hintan zu halten.
Im Lichte dieser Erwägungen vermag das Versandhandelsverbot von Verzehrprodukten nicht den Tatbestand einer Maßnahme gleicher Wirkung iSd Artikel 28 EG-Vertrag zu erfüllen. Der Tatbestandsmäßigkeit einer Maßnahme gleicher Wirkung steht entgegen, dass das Versandhandelsverbot gemäß § 50 Abs.2 GewO 1994 eine Regelung der Verkaufsmodalitäten darstellt, die für in- und ausländische Erzeugnisse in gleicher Weise, somit unterschiedslos für alle im Inland tätigen Wirtschaftsteilnehmer gilt. Das gegenständliche Verbot ist sohin nicht diskriminierend ausgestaltet und berührt darüber hinaus den Absatz inländischer oder aus anderen Mitgliedstaaten eingeführter Erzeugnisse rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise (vgl."Keck/Mithouard", EuGH Slg. 1993, I-6097).
Überdies darf nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates der Begriff "Maßnahme gleicher Wirkung" iSd Artikel 28 EG-Vertrag nicht zu extensiv ausgelegt werden. Dieser Begriff ist nur dann erfüllt, wenn auf einen zumindest mittelbaren Zusammenhang zwischen der (behaupteten) Maßnahme iSd Artikel 28 EG-Vertrag und einem mengenmäßig zu verzeichnenden Ausmaß des Rückganges der ansonsten möglichen Einfuhr objektiverweise verwiesen werden kann. Ein solcher Zusammenhang ist aber nicht zu erblicken bzw. vermag der Bw mit seinen Ausführungen auch keinen solchen Zusammenhang darzulegen. Vielmehr kann es als durchaus für möglich erachtet werden, die mangelnde Möglichkeit des Absatzes der Verzehrprodukte durch Versandhandel im Wege des Stationärhandels zu kompensieren. Dies schon allein deshalb, weil der potentielle Kundenkreis des Versandhandels durch das Verbot gemäß § 50 Abs.2 GewO 1994 gleichsam zwangsläufig dem Stationärhandel zugeleitet wird. Der Umstand, dass die Erträge aus dem Versandhandel aufgrund geringerer Vertriebsaufwändungen allenfalls höher ausfallen als dies beim aufwändigeren Stationärhandel der Fall sein kann, liefert jedoch keine Begründung dafür, im Verbot gemäß § 50 Abs.2 GewO 1994 eine "Maßnahme gleicher Wirkung" erblicken zu können.
Der behauptete Verstoß gegen Artikel 28 EG-Vertrag liegt durch das in § 50 Abs.2 GewO 1994 normierte Versandhandelsverbot für Verzehrprodukte sohin nicht vor und ist daher die objektive Tatseite der gegenständlichen Verwaltungsübertretung voll erfüllt. Mangelndes Verschulden wurde in der Berufung nicht einmal ansatzweise behauptet und kann auch die darin vertretene Rechtsansicht nicht als schuldausschließender Rechtsirrtum gewertet werden, sodass auch die subjektive Tatseite der angelasteten Verwaltungsübertretung erfüllt ist.
Der der Ermahnung zu Grunde liegende Schuldspruch der belangten Behörde ist sohin zu Recht ergangen. In Anbetracht des klar in der GewO 1994 zum Ausdruck gebrachten Verbotes, das der Bw missachtete, trifft dies auch auf die gemäß § 21 VStG erteilte Ermahnung zu.
Aus den dargelegten Gründen war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. K o n r a t h

Beschlagwortung: § 50 Abs.2 GewO 1994 (Verbot des Versandhandels für Verzehrprodukte), nicht gemeinschaftsrechtswidrig iS eines Verstoßes gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs. Das Verbot stellt weder eine Einfuhrbeschränkung noch eine Maßnahme gleicher Wertung iSd Artikel 28 (ex 30) EG-Vertrag dar.

Beachte:
Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt;
VfGH vom 25.09.2001, Zl.: B 1139/01-3
 

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 14.09.2005, Zl.: 2001/04/0213-8

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