Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-230776/8/BR/Bk

Linz, 02.05.2001

VwSen-230776/8/BR/Bk Linz, am 2. Mai 2001
DVR.0690392
 
 

E R K E N N T N I S

 
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn J gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Steyr, vom 5. März 2001, Zl. S 9876/ST/00, nach der am 2. Mai 2001 im Rahmen eines Ortsaugenscheins durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:
 

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
 
Rechtsgrundlage:
§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 26/2000 - AVG, iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1, § 51i Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, idF BGBl. Nr. 29/2000 - VStG.
 
II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.
 
Rechtsgrundlage:
§ 66 Abs.1 VStG.
 
 
Entscheidungsgründe:
 
1. Die Bundespolizeidirektion Steyr hat mit dem o.a. Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 81 Abs.1 Sicherheitspolizeigesetz eine Geldstrafe von 1.000 S (72,67 €) und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden verhängt, wobei sie ihm zur Last legte, er habe am 18.12.2000 um 17.43 Uhr in S bis J, "durch wildes Gestikulieren und lautes Schreien und Schimpfen" in besonders rücksichtsloser Weise die Ordnung an einem öffentlichen Ort ungerechtfertigt gestört.
 
1.1. Die Behörde erster Instanz erblickte in der vom Berufungswerber auf der Straße ausgesprochenen Kritik hinsichtlich einer Beamtshandlung eines Mopedfahrers durch ein Organ der Bundespolizeidirektion Steyr, anstatt wegen der rechtswidrigen Verparkung vor seinem Wohnhaus einzuschreiten, ein tatbildliches Verhalten. Dabei ging die Behörde erster Instanz von einer ausgesprochenen Abmahnung und einer nachfolgenden Fortsetzung dieses Verhaltens des Berufungswerbers aus.
 
2. In der dagegen fristgerecht protokollarisch bei der Behörde erster Instanz eingebrachten Berufung bestreitet der Berufungswerber im Ergebnis den Tatvorwurf und wendet unter Hinweis auf seinen Einspruch ein, weder geschrien noch sonst die Ordnung gestört zu haben und auch nicht abgemahnt worden zu sein.
 
3. Die Erstbehörde hat den Akt, offenbar ohne eine Berufungsvorentscheidung in Erwägung zu ziehen, zur Entscheidung vorgelegt. Somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Gemäß §  51e Abs.1 VStG war zur Wahrung der durch Art. 6 Abs.1 EMRK intendierten Rechte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung geboten.
 
4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis geführt durch die Einsichtnahme und Verlesung des Verwaltungsstrafaktes der Bundespolizeidirektion Steyr im Rahmen der vor Ort durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. Einvernommen wurde dabei der Anzeigeleger RevInsp. K als Zeuge und der Berufungswerber als Beschuldigter. An der Berufungsverhandlung nahm auch ein Vertreter der Behörde erster Instanz teil.
5. Unstrittig ist, dass der Berufungswerber von der Straßenecke D, gegenüber dem etwa zehn bis fünfzehn Meter entfernt mit der Beamtshandlung eines Mopedfahrers beschäftigten Sicherheitswachebeamten seinen Unmut wegen der Parkplatzsituation gegenüber seiner von dieser Örtlichkeit nahe gelegenen Wohnung (Haus), J, zum Ausdruck brachte. Inhaltlich meinte er dabei sinngemäß, dass die Polizei doch eher dort wegen der Falschparker als gegen Mopedfahrer einschreiten sollte. Dies erfolgte offenbar in einer eher als Vorwurf anmutenden Weise, sodass sich eine vielleicht eineinhalb Minuten währende verbale Interaktion zwischen dem Sicherheitswachebeamten und den Berufungswerber ergab. Der Meldungsleger vermeinte gegenüber dem Berufungswerber sinngemäß "ob den letzterer nicht gut auf die Polizei zu sprechen sei." Der Berufungswerber konfrontierte den Meldungsleger mit seinem Anliegen und begab sich folglich wieder in Richtung seines vielleicht fünfzig Meter entfernt liegenden Hauseinganges. Weder eine Anzeigeverständigung noch die Aufnahme des Nationales vom Berufungswerber erfolgte durch den Meldungsleger vor Ort. Offenbar wurden die für die Anzeige erforderlichen Daten des Berufungswerbers im Wege des Melderegisters recherchiert.
Im Rahmen der Berufungsverhandlung wurde zwischen Meldungsleger und Berufungswerber in übereinstimmender Weise der Ablauf dieser Interaktion geschildert. Der Berufungswerber konnte überzeugend darlegen, dass es ihm keineswegs darum ging ein störendes Verhalten zu setzen oder den Meldungsleger etwa zu beleidigen. Er habe lediglich in vielleicht etwas erregter Weise seinen Unmut über die unbeanstandet bleibende rechtswidrige Verwendung der Parkplätze vor seinem Haus durch eine dort etablierte Firma zum Ausdruck gebracht, wobei er für den von einer Firma häufig widerrechtlich benützten Parkraum monatlich 500 S zu bezahlen hätte. Mit diesem Vorbringen vermochte der Berufungswerber jedenfalls schlüssig darzutun, dass bei objektiver Beurteilung einerseits seinem Verhalten keine "die Ordnung störende Wirkung in der Form zuzuordnen ist, dass hierdurch andere Menschen zu einer Änderung ihres Verhaltens veranlasst worden sein könnten". Auch der Motivation des Berufungswerbers kann offenkundig ein solches Tatbestandselement nicht entnommen werden. Hier wurde vom Meldungsleger das Verhalten des Berufungswerbers vielleicht zu übersensibel bewertet und zur Anzeige gebracht. Im Rahmen der Berufungsverhandlung konnte festgestellt werden, dass der Berufungswerber an sich etwas lauter zu sprechen pflegt und zur Unterstützung seiner verbalen Ausführungen durchaus auch die Arme etwas umfassender zum Einsatz bringt. Dies wird vom erkennenden Organ der Berufungsinstanz als im Rahmen einer spezifischen Wesensart, wie sie jedem Menschen in der jedes Individuum unterscheidenden Weise zu Eigen ist, erblickt. Zur fraglichen Zeit kann von einem für eine Stadt üblichen Lärmpegel ausgegangen werden. Selbst die Abführung der Berufungsverhandlung wurde von einer Vielzahl vorbeikommender Menschen kaum bemerkt, wobei davon vier Personen in teilweise lebhafter Interaktion beteiligt waren.
Weder aus der Anzeige, noch aus den Ermittlungen der Behörde erster Instanz lässt sich ein schlüssiger Hinweis auf eine im Verhalten des Berufungswerbers gründende Störung der öffentlichen Ordnung entnehmen. Vielmehr standen die Darstellungen des Meldungslegers weitgehend im Einklang mit jenen des Berufungswerbers, wobei am Schluss der Verhandlung beide Beteiligten sich in Form einer versöhnlichen Geste die Hand reichten.
Keinesfalls könnte hier von einem Beweis einer faktischen Ordnungsstörung die Rede sein.
 
6. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
 
6.1. Gemäß § 81 Abs.1 SPG begeht eine Verwaltungsübertretung, "wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört; er ist mit einer Geldstrafe bis zu 3.000 S zu bestrafen. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden."
 
6.1.1. Nach der Rechtslage des SPG wurde die Strafbarkeit gegenüber der früheren Bestimmung des Art. IX Abs.1 Z1 EGVG wohl in zwei Punkten inhaltlich zurückgenommen. Gemäß dem SPG ist bei der Beurteilung eines spezifischen Verhaltens auch auf die Intention des Täters abzustellen, wobei es auch darauf ankommt, ob etwa eine Rechtfertigung für die Störung der Ordnung vorliegt (aus den Gesetzesmaterialien zum Sicherheitspolizeigesetz, Fuchs - Funk - Szymanski, Manz Taschenbuchausgabe, Seite 154 ff). Hier kann allenfalls von einem etwas energischer anmutenden Vertreten eines spezifischen Rechtsstandpunktes ausgegangen werden, wobei dies für sich keine Störung der Ordnung bilden kann. Keinesfalls schien es hierbei dem Berufungswerber um die Herabwürdigung eines Organs der Straßenaufsicht in der Öffentlichkeit gegangen zu sein, wobei dieses Verhalten bereits objektiv nicht geeignet gewesen zu sein scheint, einen solchen Effekt überhaupt herbeizuführen. Es wäre rechtlich höchst bedenklich, würde der Rechtsunterworfene in einem kritischen Dialog mit einem Polizeiorgan schon Gefahr laufen eine Ordnungsstörung zu begehen. Eine solche Intention kann dem Gesetz nicht zugesonnen werden.
Der gesetzlich pönalisierte "Erfolg" im Sinne des Tatbestandes wäre objektiv tatseitig darin zu erblicken, ob der normale Ablauf an einem öffentlichen Ort - hier auf einer öffentlichen Straße - beeinträchtigt wurde. Diese Beeinträchtigung ist nach objektiven Kriterien zu messen. Der Verfassungsgerichtshof ist der Auffassung, dass unter "Ordnung an öffentlichen Orten" nur der Zustand des gewöhnlichen Verhältnisses der Dinge der Außenwelt zueinander verstanden werden kann. Es muss durch das fragliche Verhalten der Ablauf des äußeren Zusammenlebens von Menschen oder ein bestehender Zustand von Dingen in wahrnehmbarer Weise (vom Berufungswerber) gestört worden sein (VfSlg. 4813/1964). "Eine solche negative Veränderung ist wohl schon zu bejahen, wenn eine Person dazu bewogen wird, sich anders zu verhalten, als wenn der Vorfall nicht stattgefunden hätte" (VfGH 25. Jänner 1991, ZfVB 1992/460). Die Ordnungsstörung muss dabei nicht zu einem Aufsehen, einem Zusammenlauf von Menschen und Ähnlichem führen, um strafbar zu sein (VwSlg. 7527A/1969; VwGH vom 25. November 1991, ZfVB 1993/130 sowie Hauer - Kepplinger, Handbuch zum Sicherheitspolizeigesetz, Seite 388, Anm.7).
Das Beweisverfahren vor der Berufungsbehörde erbrachte aber keine konkretisierbaren Anhaltspunkte, dass nur irgendeine wahrnehmbare Veränderung des Verhaltensablaufes der Menschen in der Umgehung der Amtshandlung ausgelöst worden wäre.
Es war daher mit einer Verfahrenseinstellung vorzugehen.
 
Rechtsmittelbelehrung:
 
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 
 
 
 
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof und/oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.
 
 
 
Dr. B l e i e r
 

Beschlagwortung:
Amtshandlung, Kritik, Störung, Öffentlichkeit

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum