Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230793/3/Fra/Bk

Linz, 03.09.2001

VwSen-230793/3/Fra/Bk Linz, am 3. September 2001

DVR.0690392
 

E R K E N N T N I S
 
 
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 1.  Kammer (Vorsitzender: Dr. Grof, Berichter: Dr. Fragner, Beisitzer: Dr. Keinberger) über die Berufung des Herrn JS, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. vom 29. Juni 2001, AZ: Sich96-63-2001-Ha, betreffend Übertretung des § 83 Abs.1 Sicherheitspolizeigesetz, zu Recht erkannt:
 
 
Der Berufung wird Folge gegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu zahlen.
 
 
Rechtsgrundlagen:
§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, und 45 Abs.1 Z1 VStG; § 66 Abs.1 VStG.
 
 
 
Entscheidungsgründe:
 
1. Die Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 83 Abs.1 Sicherheitspolizeigesetz (im Folgenden: SPG) eine Freiheitsstrafe von fünf Tagen verhängt, weil er sich in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt und in diesem Zustand eine Tat begangen hat, die ihm sonst als Verwaltungsübertretung zugerechnet würde, indem er am 9.1.2001, gegen 18.10 Uhr, in 4910 Ried i.I., Braunauerstraße, am Gehsteig neben der Einfahrt zur BP Tankstelle, infolge übermäßigen Alkoholkonsums zu Sturz kam und dort regungslos liegen blieb, wodurch er den öffentlichen Anstand verletzt und damit gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte verstoßen hat.
Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 1.000 S vorgeschrieben.
 
2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig bei der Strafbehörde eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. legte das Rechtsmittel samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine primäre Freiheitsstrafe verhängt wurde, durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer (§ 51c 2. Satz VStG) entscheidet. Eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung entfällt, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).
 
3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:
 
Der Bw bringt lediglich vor, er habe sich zur Tatzeit nicht an der Tatörtlichkeit, sondern in Wels aufgehalten. Abgesehen davon, dass der Bw diese Behauptung nicht einmal ansatzweise belegt, waren folgende rechtliche Erwägungen für die spruchgemäße Entscheidung ausschlaggebend.
Gemäß § 83 Abs.1 SPG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 3.000 S zu bestrafen, wer sich in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt und in diesem Zustand eine Tat begeht, die ihm außer diesem Zustand als Verwaltungsübertretung zugerechnet würde.
 
Gemäß § 83 Abs.2 leg.cit. kann bei Vorliegen erschwerender Umstände anstelle einer Geldstrafe eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen verhängt werden. Die Strafe darf jedoch nach Art und Maß nicht strenger sein, als sie das Gesetz für die im Rauschzustand begangene Tat (begangene Taten) androht.
 
Gemäß § 1 Abs.1 des Oö. Polizeistrafgesetzes begeht, wer den öffentlichen Anstand verletzt, außer in den Fällen einer sonst mit Verwaltungsstrafe oder einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung, eine Verwaltungsübertretung.
 
Gemäß § 1 Abs.2 leg.cit. ist als Anstandsverletzung iSd Abs.1 jedes Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.
 
Nicht jede Verletzung des "guten Tones" schlechthin kann als strafbare Anstandsverletzung qualifiziert werden (arg.: "grober" Verstoß iSd § 1 Abs.2 Oö. Polizeistrafgesetzes), sondern nur eine solche, die auf einen Mangel an Schamgefühl schließen lässt und geeignet ist, den Verletzer in der sittlichen Wertung, die ihm von seinen Mitmenschen zuteil wird, herabzusetzen (Hellbling [FN 2] S 71 in RdG = Illustrierte Rundschau der Bundesgendarmerie). In dieser Umschreibung wird die unterste Grenze einer Anstandsverletzung zu erblicken sein (Neumayer [FN 2] RdG 1955/9, S 9).
 
Das bloße Liegen im betrunkenen Zustand an einem öffentlichen Ort kann in der Regel nicht als Verletzung des Anstandes iSd herkömmlichen Auslegung dieses Begriffes gewertet werden (vgl. ÖS = Öffentliche Sicherheit 1955/5, S 18). Der Oö. Verwaltungssenat ist allerdings durchaus der Auffassung, dass das inkriminierte Verhalten bei Hinzutreten anderer Umstände wie mangelhafte Bekleidung, ekelerregender Anblick usw sehr wohl den Tatbestand der Anstandsverletzung iSd § 1 Oö. Polizeistrafgesetz erfüllen könnte. Es kommt jeweils auf die situationsbezogenen Erfordernisse an. Dem Bw wurden hier aber keine weiteren Verhaltensweisen oder sonstigen Umstände zur Last gelegt, solche sind auch aktenmäßig nicht evident. Daraus resultiert, dass das "bloße" Liegen im betrunkenen Zustand am Gehsteig iSd herkömmlichen Auslegung des Begriffes nicht als Anstandsverletzung zu werten ist, woraus weiters folgt, dass der Bw auch den ihm zur Last gelegten Tatbestand des § 83 Abs.1 SPG nicht erfüllt hat. Ob der Bw mit seinem Verhalten allenfalls eine Übertretung der StVO zu verantworten hat, war, weil ihm dies nicht vorgeworfen wurde, nicht zu beurteilen.
 
Aus den genannten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.
 
4. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.
 
 
 
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500,00 Schilling (entspricht  181,68 Euro) zu entrichten.
 
 
Dr. G r o f
 

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