Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-251172/2/SR/Sta

Linz, 30.12.2004

 

 

 VwSen-251172/2/SR/Sta Linz, am 30. Dezember 2004

DVR.0690392
 

 

E R K E N N T N I S
 
 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung des W R, K, Hstraße, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. M B, S, S gegen Spruchpunkt 2 des Straferkenntnisses des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 20. Oktober 2004, Zl. SV96-9-2003 wegen Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (im Folgenden: ASVG) zu Recht erkannt:

 

 

  1. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt.
  2. Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 - AVG iVm § 24, § 19, § 51c und § 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002- VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit oben bezeichnetem Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben in diesem Zusammenhang Frau L beschäftigt, ohne diese in der Krankenversicherung Pflichtversicherter unverzüglich beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden.

Sie haben dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß 33 ASVG iVm § 111 ASVG i.d.g.F begangen und wird über Sie wegen dieser Verwaltungsübertretung gemäß § 111 ASVG eine Geldstrafe von 730 Euro verhängt.

Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 1 Tag.

Sie haben zusätzlich gemäß § 64 Abs.2 VStG als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens 10% der verhängten Strafe, das sind 73 Euro zu leisten."

 

Unter Spruchpunkt 1 des angefochtenen Straferkenntnisses wurde dem Bw vorgeworfen, dass er am 4.7.2003 und am 27.6.2003, jeweils in der Zeit von 11:00 bis 12:00 Uhr im Gasthaus R in K, Hstraße, die tschechische Staatsangehörige A L, geb. 17.7.1983, gegen Entlohnung (Unterkunft und Verpflegung) als Serviererin beschäftigt habe.

 

2. Gegen dieses dem Vertreter des Bw am 22. Oktober 2004 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende bei der Behörde erster Instanz rechtzeitig eingebrachte Berufung.

 

2.1. Begründend hat die Behörde erster Instanz ausgeführt, dass im Zusammenhang mit dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens festzustellen sei, dass auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes der Tatbestand der dem Bw angelasteten Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht als erfüllt anzusehen ist. Da der Bw ein Ungehorsamsdelikt begangen habe und ihm eine Schuldentlastung nicht gelungen sei, sei die gegenständliche Verwaltungsübertretung auch hinsichtlich ihrer subjektiven Tatbestandsmäßigkeit als erwiesen anzusehen.

 

Bei der Beurteilung des Ausmaßes der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung diene, sei davon auszugehen gewesen, dass Verstöße gegen das ASVG ganz allgemein einen schwerwiegenden Unrechtsgehalt aufweisen können. In Anbetracht des festgestellten Sachverhaltes gehe die Behörde erster Instanz von der fahrlässigen Tatbegehung aus. Straferschwerende Gründe seien nicht vorgelegen. Mildernd sei das Geständnis und die bisherige Unbescholtenheit gewertet worden.

 

2.2. Dagegen hat der Vertreter des Bw in der Berufung u.a. vorgebracht, dass die niederschriftlichen Angaben des Bw, die dieser gegenüber der Zollverwaltung Linz gemacht hatte, offensichtlich nicht berücksichtigt worden seien. Weiters hätte auch jener Meldungsleger, der Frau L am 4. Juli 2003 bzw. am 27. Juni 2003 im Lokal angetroffen hat, als Zeuge vernommen werden müssen. Ein einmaliges Einschenken von einem oder zwei Bier könne nicht als Beschäftigungsverhältnis gewertet werden. Im Gastgewerbe sei es üblich, dass Familienmitglieder bzw. auch eine Freundin mithelfe. Es sei auch eine Selbstverständlichkeit, dass eine Freundin unentgeltlich bei ihrem Freund wohne. Die Argumentation der Behörde sei überhaupt nicht nachvollziehbar. Durch die Einvernahme des Beamten hätte geklärt werden können, dass es sich nur um eine einmalige Ausschank und nicht um eine Beschäftigung gehandelt habe. Weiters sei die objektive Tatseite nicht ausreichend ermittelt worden. § 5 Abs. 1 VStG normiere lediglich eine Schuldvermutung. Den maßgeblichen Sachverhalt habe die bescheiderlassende Behörde zu ermitteln. Die Ausführung im Spruch, wonach Frau A L gegen Entlohnung als Serviererin beschäftigt gewesen sei, widerspreche den Tatsachen. Seine ein oder zwei Bier ausschenkende Freundin sei mit einer Ehefrau, die diese Tätigkeit verrichte, vergleichbar. In einem solchen Fall würde niemand auf die Idee kommen, von einem illegalen Beschäftigungsverhältnis zu sprechen.

 

Im vorliegenden Straferkenntnis könne von einer Beweiswürdigung bzw. einer rechtlichen Beurteilung überhaupt keine Rede sein. Interessant sei, warum die Behörde von einer Entlohnung ausgehe. Im gesamten Ermittlungsverfahren sei davon nicht die Rede; lediglich davon, dass es sich um seine Freundin gehandelt habe.

 

3. Die Behörde erster Instanz hat mit Schreiben vom 10. November 2004 den gegenständlichen Verwaltungsstrafakt SV96-9-2003 samt Berufungsschrift vorgelegt. Das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenat ist entsprechend der Geschäftsordnung ausschließlich zur Entscheidung über Spruchpunkt 2 berufen.

 

3.1. Auf Grund der Aktenlage ergibt sich folgender relevanter Sachverhalt:

 

Am Samstag den 28. Juni 2003 und am Freitag den 4. Juli 2003, jeweils zwischen 11.00 und 12.00 Uhr, hat die tschechische Staatsbürgerin A L geringfügige Serviertätigkeiten im Gasthaus R, Hstraße, K, vorgenommen. Die Serviertätigkeit der tschechischen Staatsbürgerin wurde von ADir. O und FOI S beobachtet.

 

Bei der niederschriftlichen Befragung am 11. Juli 2003 durch ADir O und FOI S bezeichnete der Bw Frau A L als seine Freundin, die er seit ca. einem halben Jahr kenne. Als seine Freundin habe sie bei ihm gewohnt und weder für Unterkunft noch für Essen bezahlen müssen. Laut seinen Angaben habe kein Beschäftigungsverhältnis bestanden. Der Bw erlaubte Frau A L wie seiner Mutter und dem Sohn seiner Schwester den fallweisen Ausschank von Bier und sonstigen Getränken.

 

3.2. Der fallweise Ausschank von Bier und sonstigen Getränken ist unbestritten. Von einem Geständnis im Sinne des Tatvorwurfes kann nicht gesprochen werden. Der Bw hat eine Entlohnung stets bestritten und auch eine Naturalentlohnung in Form von Unterkunft und Verpflegung für verpflichtend zu leistende Serviertätigkeit in Abrede gestellt. Da eine Einvernahme der A L nicht stattfand, aus dem unvollständig ausgefüllten "Personalblatt" ein Beschäftigungsverhältnis nicht abgeleitet werden kann und der Bw ein solches bestritten hat, ist der Schluss der Behörde, dass auf Grund der Aktenlage der im Spruch dargestellte Sachverhalt als erwiesen anzusehen ist, nicht vertretbar. Aus der Verantwortung des Bw in der Niederschrift vom 11. Juli 2003 kann gerade nicht abgeleitet werden, dass sich die A L durch die stundenweise Beschäftigung (je eine Stunde an den angeführten Tagen) in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis befunden und durch diese Tätigkeit Einkünfte erzielt hat, wodurch sie den Lebensunterhalt zu einem nicht unerheblichen Teil bestreiten konnte.

 

Die unvollständigen Ermittlungen lassen daher nicht mit der erforderlichen Sicherheit erkennen, dass der Bw die tschechische Staatsbürgerin beschäftigt hat. Es wurde auch nicht geklärt, in welchem Verhältnis A L zum Bw steht und ob im Falle eines Beschäftigungsverhältnisses von einer Entlohnung nach den Grundsätzen des ABGB auszugehen war.

 

Da, wie unter Punkt 4.2.2. ausgeführt, die Tat nicht entsprechend § 44a VStG konkretisiert und somit auch keine entsprechende Verfolgungshandlung gesetzt worden ist, waren weitergehende Erhebungen in Bezug auf ein allenfalls vorliegendes Beschäftigungsverhältnis nicht mehr erforderlich.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 1 ASVG regelt dieses Bundesgesetz die "Allgemeine Sozialversicherung" im Inland beschäftigter Personen einschließlich der den Dienstnehmern nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes gleichgestellten selbständig Erwerbstätigen und die Krankenversicherung der Pensionisten aus der Allgemeinen Sozialversicherung.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 leg. cit. gelten als im Inland beschäftigte unselbständig Erwerbstätige, deren Beschäftigungsort (§ 30 Abs. 2) im Inland gelegen ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 leg. cit. sind von einer Vollversicherung nach § 4 u.a. geringfügig beschäftigte Personen ausgenommen. Gemäß Abs. 2 gilt ein Beschäftigungsverhältnis als geringfügig, wenn es für eine kürzere Zeit als einen Kalendermonat vereinbart ist und für einen Arbeitstag im Durchschnitt ein Entgelt von höchstens 22,75 Euro, insgesamt jedoch von höchstens 296,21 Euro gebührt.

Gemäß § 10 Abs. 1 leg. cit. beginnt die Pflichtversicherung der Dienstnehmer, der Personen hinsichtlich einer geringfügigen Beschäftigung nach § 5 Abs. 2 Pflichtversicherten unabhängig von der Erstattung der Anmeldung mit dem Tag des Beginnes der Beschäftigung.

 

Gemäß § 33 Abs. 1 leg. cit. haben die Dienstgeber jeden von ihnen beschäftigten, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung Pflichtversicherten (Vollversicherte und Teilversicherte) bei Beginn der Pflichtversicherung (§ 10) unverzüglich beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An- sowie die Abmeldung des Dienstgebers wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit der Beschäftigte in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

Durch die Satzung des Trägers der Krankenversicherung kann die Meldefrist im allgemeinen bis zu sieben Tagen oder für einzelne Gruppen von Pflichtversicherten bis zu einem Monat erstreckt werden.

 

Der IX. Teil des ASVG legt Sonderbestimmungen fest und der Abschnitt 1a regelt die Versicherung fallweise beschäftigter Personen.

 

Gemäß § 471a Abs. 1 sind fallweise beschäftigte Personen in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes versichert (vollversichert), sofern nicht die Bestimmungen über die Versicherung der unständig beschäftigten Arbeiter in der Land- und Forstwirtschaft (Abschnitt 1) anzuwenden sind.

 

Gemäß § 471b leg. cit. sind unter fallweise beschäftigten Personen Personen zu verstehen, die in unregelmäßiger Folge tageweise beim selben Dienstgeber beschäftigt werden, wenn die Beschäftigung für eine kürzere Zeit als eine Woche vereinbart ist.

 

Gemäß § 471c leg. cit. tritt die Pflichtversicherung nur ein, wenn das dem Dienstnehmer im betreffenden Beitragszeitraum für einen Arbeitstag im Durchschnitt gebührende Entgelt den nach § 5 Abs. 2 Z. 1 geltenden Betrag übersteigt.

 

Gemäß § 471d leg. cit. kann durch die Satzung des Trägers der Krankenversicherung aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung bestimmt werden, dass die Frist für die An- und Abmeldung fallweise beschäftigter Personen hinsichtlich der innerhalb des Kalendermonates liegenden Beschäftigungstage spätestens mit dem Ersten des nächstfolgenden Kalendermonates beginnt.

§ 14 der Satzungen der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse regelt die Meldefristen und verweist auf die §§ 33 Abs. 1, 471b und 471d ASVG.

Gemäß § 14 Abs. 1 der Satzung beträgt die Meldefrist sieben Tage.

Gemäß § 14 Abs. 3 der Satzung beginnt die Frist für die An- und Abmeldung fallweise beschäftigter Personen (§ 471b ASVG) hinsichtlich der innerhalb des Kalendermonates liegenden Beschäftigungstage mit dem Ersten des nachfolgenden Kalendermonates.

 

4.2.1. Wie in der Beweiswürdigung dargelegt, konnte auf Grund des unvollständigen erstbehördlichen Ermittlungsverfahrens ein Beschäftigungsverhältnis der A L nicht erwiesen werden. Selbst wenn von einer Beschäftigung im Sinne des ASVG ausgegangen würde, war, wie nachfolgend dargestellt, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben.

 

4.2.2. Gemäß § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

 

Der Vorschrift des § 44a Z. 1 VStG ist (nur) dann entsprochen, wenn

a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und

b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. (Siehe hiezu Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 969).

Ziffer 1 stellt somit klar, dass der den Deliktstatbestand erfüllende Sachverhalt mit allen rechtserheblichen Merkmalen konkretisiert umschrieben werden muss.

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z.1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit den verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Dabei sind die Anforderungen an Tatort- und Tatzeitumschreibung von Delikt zu Delikt und je nach den Begleitumständen verschieden und an Rechtsschutzüberlegungen zu messen (vgl u.a. im Anschluss an verst. Senat VwSlg 11.894 A/1985; VwGH 29.9.1993, 93/02/0046; VwGH 31.1.1995, 95/05/0008; VwGH 9.9.1998, 97/04/0031). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 1996, 971).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs. 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl. allgemein VwGH 25.3.1994, 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl. VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs. 4 AVG (vgl etwa VwGH 25.9.1992, 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl. u.a. VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl. VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).

 

Die Verfolgungshandlung gegen einen Beschuldigten muss daher das ihm zur Last gelegte Handeln - im Falle des Unterlassens durch Beschreibung jener Handlung, die er hätte setzen müssen und nach Auffassung der Behörde rechtswidriger Weise nicht gesetzt hat - unter Berücksichtigung sämtlicher gemäß § 44a Z. 1 VStG im Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmenden Tatbestandselemente der verletzten Verwaltungsvorschrift gemäß § 44a Z. 2 VStG näher konkretisieren und individualisieren (VwGH vom 7.9.1990, Zl. 85/18/0186).

 

Die Behörde erster Instanz hat dem Bw zwar eine Verwaltungsübertretung zur Last gelegt und ihn zur Rechtfertigung aufgefordert, jedoch mit der gewählten Formulierung keine dem Gesetz entsprechende Konkretisierung iSd § 44a Z. 1 VStG vorgenommen.

 

So hat sie im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses dem Bw vorgeworfen, dass er "in diesem Zusammenhang" Frau L beschäftigt habe, ohne sie "unverzüglich" beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Mit der Wendung "in diesem Zusammenhang" stellt die belangte Behörde vermutlich auf Spruchpunkt 1 und die Tatzeiten "4.7.2003" und 27.6.2003" ab.

 

Die Annahme einer Beschäftigung am 27.6.2003 ist darüber hinaus aktenwidrig. Abgesehen von der Niederschrift vom 11. Juli 2003 haben die die Anzeige erstattenden Organe den Tattag mit "Samstag den 28.6.2003" bezeichnet. Ob der Bw die tschechische Staatsangehörige A L am 27. Juni 2003 beschäftigt hat, kann dem Akt nicht entnommen werden. Für diesen Zeitpunkt liegen weder ein Geständnis noch eine dienstliche Wahrnehmung vor.

 

Mangels entsprechender Verfolgungshandlung - die beobachtete "Beschäftigung" fand am 28. Juni 2003 statt - und der fehlenden Abänderungsbefugnis - der Austausch eines wesentlichen Tatbestandsmerkmales würde zu einer anderen Tat führen - war der Berufung jedenfalls betreffend des Tatvorwurfes - Beschäftigung am 27. Juni 2003 - stattzugeben und dieser Teil des Spruches gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

Im Gegensatz zu den Spruchausführungen des angefochtenen Straferkenntnisses hat die Behörde erster Instanz dem Bw im Zuge des Parteiengehörs vorgehalten, dass der Bw "Frau A L beschäftigt habe, ohne diese nach dem ASVG in der Krankenversicherung Pflichtversicherter innerhalb der Meldefrist von 7 Tagen bei der Oö. Gebietskrankenkasse angemeldet zu haben".

 

Weder der Tatvorwurf in der Aufforderung zur Rechtfertigung noch der Tatvorwurf im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses stellen taugliche Verfolgungshandlungen dar.

 

Unter der Annahme, dass auf Grund der einstündigen Serviertätigkeit und der Unterkunftgewährung samt Verpflegung von einer Beschäftigung ausgegangen werden kann, hätte nach dem vorliegenden Sachverhalt nur von einer fallweise beschäftigten Person ausgegangen werden können.

 

Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG iVm § 14 Abs. 3 der Satzungen der Oö. Gebietskrankenkasse beginnt die Frist für die Anmeldung fallweise beschäftigter Personen (§ 471b ASVG) hinsichtlich der innerhalb des Kalendermonates liegenden Beschäftigungstage mit dem Ersten des nächstfolgenden Kalendermonates. Da die Meldefrist gemäß § 14 Abs. 1 der genannten Satzungen 7 Tage beträgt, hätte der Bw die Meldung zulässigerweise bis 7. August 2003 vornehmen können. Die Tatanlastung am 17. Juli 2003, die zu diesem Zeitpunkt von einer Meldefrist von 7 Tagen spricht, stellt im Hinblick auf die vorhergehenden Ausführungen keine taugliche Verfolgungshandlung dar. Darüber hinaus hat die Behörde erster Instanz innerhalb der Verfolgungsverjährung keine alle Tatbestandsmerkmale umfassende Verfolgungshandlung gesetzt.

 

Der im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses formulierte Tatvorwurf stellt weder eine zulässige Spruchverbesserung dar noch beschreibt er ein Tatverhalten im Sinne des § 33 Abs. 1 ASVG iVm § 14 Abs. 3 der Satzungen der Oö. Gebietskrankenkasse. Wie bereits ausgeführt ist nämlich auf eine unverzügliche Anmeldeverpflichtung nicht abzustellen und stellt das Unterlassen der unverzüglichen Anmeldung zu Beginn der Pflichtversicherung kein strafbares Verhalten dar.

 

Da der Bw die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen hat, war der Berufung stattzugeben, das Straferkenntnis aufzuheben und gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG die Einstellung zu verfügen.

 

5. Gemäß § 66 Abs. 1 VStG entfällt damit auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

 

 
 

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