Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-260041/2/Gf/La

Linz, 10.05.1993

VwSen-260041/2/Gf/La Linz, am 10. Mai 1993 DVR 0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des M B, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 6. Oktober 1992, Zl. Wa96-33/05-1992, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird gemäß 24 VStG i.V.m. 66 Abs. 4 AVG stattgegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben.

II. Gemäß 65 VStG entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde sowie zu den Kosten des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 6. Oktober 1992, Zl. Wa96-33/05-1992, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 3.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 3 Tage) verhängt, weil er "mindestens bis zum 1. Juli 1992" die im Bereich seines Sägewerksbetriebes angefallenen, stark organisch belasteten Abwässer über einen Kanal in den Almfluß abgeleitet habe. Dadurch habe er eine Übertretung des 137 Abs. 3 lit. g iVm 32 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a des Wasserrechtsgesetzes, BGBl.Nr. 215/1959, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 760/1992 (im folgenden: WRG), begangen, weshalb er zu bestrafen gewesen sei.

1.2. Gegen dieses dem Berufungswerber am 9. Oktober 1992 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 16. Oktober 1992 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung.

2. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Gmunden zu Zl. Wa96-33-1992; da bereits aus diesem hervorging, daß das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, konnte gemäß 51e Abs. 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

3. In der Sache selbst hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

3.1. Nach 137 Abs. 3 lit. g iVm 32 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a WRG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 100.000 S zu bestrafen, der ohne die erforderliche wasserrechtliche Bewilligung Stoffe, die unmittelbar oder mittelbar die Beschaffenhait von Gewässern beeinträchtigen, in festem, flüssigem oder gasförmigem Zustand mit den dafür erforderlichen Anlagen in Gewässer einbringt.

Gemäß 44a Z. 1 VStG hat der Spruch des Straferkenntnisses die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Nach der hiezu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet dies, daß einerseits die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben ist, daß die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird, und daß andererseits die Identität der Tat (insbesondere nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht (vgl. VwSlg 11466 A/1984). Diesem Gebot ist dann entsprochen, wenn dem Beschuldigten im Spruch des Straferkenntnisses zum einen die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, daß er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch zum anderen geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. VwSlg 11894 A/1985). Was die Konkretisierung des Spruches im Hinblick auf die Tatzeit bei einem Dauerdelikt betrifft, so sind diesbezüglich sowohl der Anfang als auch das Ende des strafbaren Verhaltens anzuführen (vgl. zB VwGH v. 27. Juni 1989, Zl. 89/04/0002; VwSen-220144 v. 22. Februar 1993).

3.2. Letzteren Anforderungen wird das mit der vorliegenden Berufung angefochtene Straferkenntnis offensichtlich nicht gerecht. Denn ohne Zweifel handelte es sich bei der gegenständlich dem Berufungswerber von der belang ten Behörde zum Vorwurf gemachten bewilligungslosen Einbringung von Stoffen in Gewässer mit den dafür erforderlichen Anlagen, nämlich der Abwässer seines Holzlagerplatzes über einen Kanal in den Almfluß, um ein Dauerdelikt. Der Spruch des Straferkenntnisses enthält jedoch hinsichtlich der Tatzeit nur die Festlegung "Sie haben mindestens bis zum 1. Juli 1992 .....", also des Endes des als strafbar erachteten Verhaltens, ohne gleichzeitig auch dessen Anfang zu fixieren; nach der oben unter 3.1. dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht dieser sohin jedenfalls insoweit nicht dem Konkretisierungsgebot des 44a Z. 1 VStG.

3.3. Nach der früheren, vom Verwaltungsgerichtshof auch auf die unabhängigen Verwaltungssenate übertragenen Judikatur "ist die Berufungsbehörde, wenn der Abspruch der ersten Instanz fehlerhaft ist, nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, dies in ihrem Abspruch richtigzustellen. Naturgemäß ist die Berufungsbehörde dabei auf die 'Sache' des bei ihr anhängigen Verfahrens ..... beschränkt." (vgl. zB VwGH v. 25. September 1992, Zl. 92/09/0178).

Dies bedeutet, daß der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich selbst dazu verpflichtet wäre, einen im Sinne des 44a Z. 1 VStG deshalb mangelhaft konkretisierten Spruch, weil in diesem der Anfang eines Dauerdeliktes fehlt, innerhalb der (hier noch offenen) Verfolgungsverjährungsfrist - die im wasserrechtlichen Verwaltungsstrafverfahren gemäß 137 Abs. 9 erster Satz WRG nicht bloß sechs Monate, sondern ein Jahr beträgt - entsprechend zu konkretisieren.

Dies würde jedoch dazu führen, daß der Oö. Verwaltungssenat nicht nur aus eigenem zu ermitteln und dem Berufungswerber vorzuwerfen hätte, wann er den Anfang des Dauerdeliktes gesetzt hat, sondern in der Folge auch darüber zu entscheiden müßte, ob er auch in diesem Sinne tatbestandsmäßig gehandelt hat. Die damit institutionalisierte Inquisitionsmaxime widerspräche aber diametral dem in Art. 90 Abs. 2 B-VG und in Art. 6 Abs. 1 MRK verfassungsmäßig grundgelegten Prinzip des Anklageprozesses.

Könnte bei isolierter Betrachtung des Art. 90 Abs. 2 B-VG noch zweifelhaft sein, ob von dem in dieser Bestimmung verwendeten Begriff des "Strafverfahrens" auch das Verwaltungsstrafverfahren erfaßt ist (vgl. R. Walter - H. Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 7. Auflage, Wien 1992, RN 786, mwN; s. aber auch R. Thienel, Anklageprinzip und Zeugnisentschlagungsrecht, Wien 1991, 33, mwN), so geht aber jedenfalls Art. 6 Abs. 1 MRK davon aus, daß unter "strafrechtlicher Anklage" auch das Verwaltungsstrafrecht zu verstehen und das diesbezügliche Verfahren vom Anklageprinzip dominiert ist (vgl. J. Frowein - F. Peukert, EMRK-Kommentar, Kehl 1985, RN 29 zu Art. 6).

Die Realisierung der Prinzipien des Art. 6 MRK war der wesentliche Beweggrund, der zur Schaffung der unabhängigen Verwaltungssenate mit der B-VG-Novelle 1988, BGBl.Nr. 685/1988, führte (vgl. die E zur RV, 132 BlgStenProtNR, 17. GP, 4, und den AB, 668 BlgStenProtNR, 17. GP, 1). Da auch kein entsprechender Vorbehalt zu Art. 6 MRK besteht, ist sohin davon auszugehen, daß die unabhängigen Verwaltungssenate lediglich urteilsfindende, nicht aber zugleich auch strafverfolgende Institutionen verkörpern; dies kommt auch in Art. 129 B-VG unmißverständlich zum Ausdruck, der die unabhängigen Verwaltungssenate (neben dem Verwaltungsgerichtshof) dazu beruft, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu sichern.

66 Abs. 4 AVG, der gemäß 24 VStG auch im Strafverfahren anzuwenden ist, verwehrt es damit - in diesem Sinne verfassungskonform interpretiert - dem unabhängigen Verwaltungssenat von vornherein, im Berufungsverfahren den Spruch der belangten Behörde in einer solchen Weise zu konkretisieren, daß dadurch objektiv gesehen ein gesetzeskonformer Tatvorwurf überhaupt erst konstituiert wird.

3.4. Es war daher schon aus den dargelegten Gründen der vorliegenden Berufung gemäß 24 VStG iVm 66 Abs. 4 AVG stattzugeben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben, ohne daß auf das weitere Berufungsvorbringen einzugehen war.

4. Bei diesem Ergebnis war dem Berufungswerber gemäß 65 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann von den Parteien des Verfahrens innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den Oö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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