Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-260066/3/Wei/Shn

Linz, 04.06.1993

VwSen - 260066/3/Wei/Shn Linz, am 4. Juni 1993 DVR.0690392 - & -

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Weiß über die Berufung des W, gegen das Straferkenntnis vom 26. April 1993 des Bezirkshauptmannes von Braunau, Wa 96/110/1992/Sch, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs 4 AVG stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

II. Gemäß § 66 Abs 1 VStG entfällt die Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis vom 26. April 1993 des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn zu Wa 96/110/1992/Sch, wurde ausgesprochen, daß die Brauerei S, zwischen dem 2. November und dem 4. November 1992 ca. 3.000 l hochkonzentrierte Zuckerlösung aus dem Bereich der Limonadenherstellung in das öffentliche Kanalnetz der Gemeinde Eggelsberg abgeleitet hätte, wodurch es zu einer Überlastung der Kläranlage der Gemeinde Eggelsberg und in weiterer Folge zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Vorfluters gekommen wäre. Die Brauerei Schnaitl KG hätte somit im fabriksinternen Bereich der Limonadenherstellung die Anlage nicht mit jener Sorgfalt betrieben, die geboten war, um eine Gewässerverunreinigung zu vermeiden.

Da der Berufungswerber mit Schreiben vom 12. Jänner 1993 der belangten Behörde in einem anderen Strafverfahren als verantwortlicher Beauftragter für die Einhaltung der Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes namhaft gemacht worden sei, treffe ihn demnach im Sinne des § 9 VStG 1991 die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit. Wegen der Verwaltungsübertretung nach § 31 Abs 1 iVm § 137 Abs 3 lit d WRG 1959 idF BGBl 1990/252, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 3.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Stunden verhängt, sowie ein Kostenbeitrag von 300 S festgesetzt.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber durch seinen Rechtsvertreter Dr. F, rechtzeitig die Berufung vom 4. Mai 1993 eingebracht.

2.1. In der Begründung des Straferkenntnisses wird angeführt, daß die Verwaltungsübertretung durch die Anzeige des Amtes der O.ö. Landesregierung, Wa-100476/19-1992/Spi/Wab, vom 2. Dezember 1992 als erwiesen anzusehen sei. Da der Berufungswerber trotz der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 3. März 1993 keine Stellungnahme abgegeben hat, sah es die Strafbehörde als erwiesen an, daß er der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nichts entgegen zu halten habe.

2.2. Der Berufungswerber bestreitet als verantwortlicher Beauftragter der Brauerei Schnaitl KG, eine Verwaltungsübertretung nach § 31 Abs 1 WRG 1959 begangen zu haben, und rügt mangelhafte Begründung des Straferkenntnisses, weil sich die Erstbehörde in keiner Weise mit den Tatbestandselementen des § 31 Abs 1 WRG auseinandergesetzt habe. Daß die Zuckerlösung ins öffentliche Kanalnetz gelangt ist, könne noch keinen zwingenden Schluß auf ein schuldhaftes Verhalten rechtfertigen. Aus der Nichtabgabe einer Stellungnahme könne die Strafbehörde im Sinne einer materiellen Wahrheitsforschung nicht schließen, daß deshalb die Verwaltungsübertretung zweifelsfrei feststehe.

Eine Stellungnahme habe der Berufungswerber nur deshalb nicht abgegeben, weil er bemüht gewesen sei, ein Gutachten zur Ursache des Vorfalles beizuschaffen. Im übrigen bringt er zu seiner Entlastung vor, daß die Zuckerlösung zur Limonadenherstellung zwischen dem 2. und 4. November 1992 in einem Polyestertank aufbereitet worden sei, wobei in regelmäßigen Abständen ein Rührwerk eingeschaltet werde. Während dieses Wochenendes sei es zu einem Riß im 10 bis 12 Jahre altem Tank gekommen, der üblicherweise eine doppelt so lange Lebensdauer habe. Dieser Riß sei auf einen Materialfehler oder auch auf Schwingungen im Zusammenhang mit dem Betrieb des Rührwerks zurückzuführen. Der Ablauf sei für den Berufungswerber in keiner Weise vorhersehbar gewesen, weshalb ihm kein strafrechtlicher Vorwurf gemacht werden könne. Zum Beweis für dieses Vorbringen wird auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt.

3.1. Die belangte Strafbehörde hat die Berufung samt Strafakt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt, ohne von der Möglichkeit einer Berufungsvorentscheidung Gebrauch zu machen. Auch eine Gegenäußerung wurde nicht erstattet.

3.2. Für den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich war bereits nach Einsichtnahme in den Strafakt der Bezirkshauptmannschaft Braunau zu Wa 96/110/1992/Sch ersichtlich, daß das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, weshalb gemäß § 51e Abs 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

4. In der Sache selbst hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Gemäß § 137 Abs 3 lit d WRG 1959 idF BGBl 1990/252 begeht eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht nach Abs 4 oder Abs 5 einer strengeren Strafe unterliegt, wer durch Außerachtlassung der ihn gemäß § 31 Abs 1 treffenden Sorgfaltspflicht eine Gewässerverunreinigung bewirkt. Bei diesem Delikt handelt es sich nicht bloß um ein Ungehorsamsdelikt bzw schlichtes Tätigkeitsdelikt im Sinne des § 5 Abs 1 Satz 2 VStG, weil der Tatbestand den Eintritt einer Gewässerverunreinigung und damit eines Schadens voraussetzt. Es war daher nicht zulässig, in Anwendung des § 5 Abs 1 Satz 2 fahrlässiges Verhalten des Beschuldigten ohne weiteres anzunehmen, auch wenn der Berufungswerber keine Stellungnahme zu seiner Entlastung im erstinstanzlichen Verfahren abgegeben hat. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die Strafbehörde bei Erfolgsdelikten nicht nur die Erfüllung des objektiven Tatbestandes, sondern auch das Verschulden des Täters nachzuweisen, wobei aufzuzeigen ist, worin die konkrete Schuld des Täters gelegen ist (vgl etwa VwGH 29.3.1989, 89/01/0067; VwGH 26.11.1984, 83/10/0225).

Aufgrund dieser Rechtslage ist der Berufung zuzubilligen, daß es die Erstbehörde zu Unrecht unterlassen hat, sich mit den Tatbestandsmerkmalen auseinanderzusetzen und den für eine Individualisierung und Konkretisierung der Tat notwendigen Sachverhalt von amtswegen zu erheben. Die Strafbehörde hätte die tatsächlichen Umstände, die zur Ableitung der konzentrierten Zuckerlösung in das Kanalsystem geführt haben, näher erforschen und dem Berufungswerber ein konkretes Fehlverhalten nachweisen und vorwerfen müssen.

Der Spruch des Straferkenntnisses ist im übrigen auch deshalb mangelhaft, weil zunächst ausgeführt wird, daß die Brauerei Schnaitl KG die Tat begangen hätte, obwohl nach den §§ 5 Abs 1 und 9 VStG nur physische Personen verantwortlich sein können (vgl dazu Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II, § 9 VStG E 2 ff). Die Rechtspersönlichkeit von OHG und KG ist umstritten. Manche sehen in diesen Gesellschaften juristische Personen, andere Übergangsformen zur juristischen Person (vgl näher Kastner/Doralt/Nowotny, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechts, 5. Auflage, 84 und 143). Bei diesen Personengesellschaften des Handelsrechts handelt es sich jedenfalls um teilrechtsfähige Gebilde, die mit dem Merkmal "Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit" im § 9 Abs 1 VStG gemeint sind (vgl Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II, § 9 VStG Anm 4).

Mit der WR-Novelle 1990 wurde § 137 WRG neugefaßt und das bisherige Konzept der Blankettstrafnormen weitgehend verlassen. Dementsprechend sind die Verwaltungsübertretungen nunmehr im § 137 aufgelistet. Im konkreten Fall ist die übertretene Verwaltungsnorm daher in erster Linie § 137 Abs 3 lit d WRG. § 31 Abs 1 WRG hat durch die Bezugnahme im § 137 Abs 3 lit d WRG Bedeutung hinsichtlich des anzunehmenden Sorgfaltsmaßstabes.

4.2. Aus der Aktenlage geht hervor, daß Herrn Ing. M mit Bescheid des Landeshauptmannes vonOberösterreich vom 18. Dezember 1990 zu Wa-100476/6-1990/Spi/Wab die wasserrechtliche Bewilligung zur Ableitung der beim Betrieb der Brauerei auf bestimmten Grundstücken anfallenden betrieblichen Abwässer in die Ortskanalisation der Gemeinde Eggelsberg sowie zur Errichtung der erforderlichen Anlagen mit quantitativen und qualitativen Beschränkungen erteilt worden ist. Ungeklärt geblieben ist insofern zunächst, ob durch die Ableitung der 3.000 l hochkonzentrierten Zuckerlösung, die wasserrechtlichen Konsenswerte für die Abwasserableitung überschritten worden sind. Die im Akt befindlichen Stellungnahmen der Amtssachverständigen befassen sich nur mit der Ablaufkonzentration der Kläranlage in den Vorfluter bzw der Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Vorfluters, nicht jedoch mit den Konsenswerten der Herrn Ing. Schnaitl erteilten wasserrechtlichen Bewilligung. Im Hinblick auf die Verwaltungsübertretung nach § 137 Abs 2 lit h WRG (Einleitung in eine Kanalisation entgegen einer Bewilligung) wäre die Überschreitung der Konsenswerte und im Hinblick auf die Verwaltungsübertretung nach § 137 Abs 3 lit c WRG (Schädigung der betroffenen Kanalisation) wäre das Ausmaß des Schadens unter Beiziehung eines geeigneten Amtssachverständigen der Abteilung Wasserbau des Amtes der oberösterreichischen Landesregierung zu klären gewesen.

Völlig ungeklärt ist auch die Frage, ob eine Rechtsnachfolge gemäß § 22 Abs 1 zweiter Halbsatz WRG von Herrn Ing. S auf die Brauerei Schnaitl KG in dem Sinne stattgefunden hat, daß die KG nunmehr Eigentümerin der Betriebsanlage oder Liegenschaft und damit Wasserberechtigte ist. Statt dessen könnte auch eine bloße Übertragung von dinglichen oder obligatorischen Rechten an den Anlagen zur Ableitung der beim Betrieb der Brauerei anfallenden Abwässer an die KG stattgefunden haben, was zur Folge hätte, daß Herr Ing. S neben der KG weiterhin für die konsensgemäße Ausübung des Wasserbenutzungsrechtes verantwortlich bliebe (vgl Rossmann, Wasserrechtsgesetz 1959, Wien 1990, Anm 2. zu § 22 auf S 54). Die belangte Behörde hätte jedenfalls aufzuklären gehabt, wieso nunmehr die Brauerei Schnaitl KG als Betreiber der Abwasserbeseitigungsanlage und nicht Herr Ing. M in Betracht kommt, obwohl diesem mit Wasserrechtsbescheid vom 18. Dezember 1990 die Ableitung der beim Betrieb der Brauerei anfallenden Abwässer in die Ortskanalisation samt Kläranlage bewilligt worden ist. Diese Aufklärung wäre schon deshalb notwendig, um die für die einschlägigen Verwaltungsübertretungen im § 137 WRG denkbaren Täter und sonstigen Verantwortlichen (vgl etwa § 137 Abs 6 WRG) zu ermitteln.

4.3. Im übrigen geht aus dem von der Strafbehörde vorgelegten Akt hervor, daß der Berufungswerber nicht als verantwortlicher Beauftragter iS des § 9 Abs 2 Satz 2 VStG in Betracht kommt. Mit dem aus einem anderen Strafverfahren stammenden Schreiben vom 12. Jänner 1993 haben die Rechtsvertreter der Brauerei Ing. Matthias S bekanntgegeben, daß für wasserrechtliche Angelegenheiten Herr Braumeister W zuständig ist und die Abwasserbehandlung in seine Kompetenz fällt.

Die Voraussetzungen zur Person und zur Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten sind im § 9 Abs 4 VStG geregelt. Nach gesicherter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann von einem verantwortlichen Beauftragten, der die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit anstelle des Inhabers des Unternehmens trägt, erst gesprochen werden, wenn dieser seiner Bestellung nachweislich zugestimmt hat. Erst wenn der Zustimmungsnachweis bei der Strafbehörde einlangt, tritt der verantwortliche Beauftragte in rechtswirksamer Weise als Adressat der Verwaltungsstrafnormen an die Stelle des Inhabers des Unternehmens bzw der zur Vertretung nach außen Berufenen. Der Zustimmungsnachweis muß aus der Zeit vor der Begehung der angelasteten Verwaltungsübertretung stammen (vgl verst Sen, VwSlg 12.375 A/1987; VwGH verst Sen 16.1.1987, 86/18/0077; VwGH 27.9.1988, 87/08/0336; VwSlg 11.596 A/1984).

Abgesehen davon, daß auch zu klären wäre, ob dem verantwortlichen Beauftragten für den Bereich seiner Bestellung eine entsprechende Anordnungsbefugnis zukam (vgl § 9 Abs 4 aE VStG), erliegt im gegenständlichen Strafakt nicht einmal ein Zustimmungsnachweis des Berufungswerbers, weil das Schreiben vom 12. Jänner 1993, das im Namen der Brauerei Ing. M an die Behörde gerichtet wurde, nicht als solcher aufgefaßt werden kann. Aber auch wenn diese Mitteilung im Namen des Berufungswerbers erfolgt wäre, wäre sie schon im Hinblick auf die Tatzeit, die bekanntlich zwischen dem 2. und dem 4. November 1992 eingegrenzt wurde, unzureichend. Der Zustimmungsnachweis müßte sich auf die Zeit vor der Begehung der angelasteten Verwaltungsübertretung beziehen. Deshalb durfte die belangte Strafbehörde nicht einfach den Berufungswerber als verantwortlichen Beauftragten behandeln, sondern hätte davon ausgehen müssen, daß die zur Vertretung der KG nach außen Berufenen, dh. also die Komplementäre als persönlich haftende Gesellschafter (vgl §§ 161 und 126 HGB), gemäß § 9 Abs 1 VStG als strafrechtlich Verantwortliche in Betracht kommen.

Da somit iS der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes feststeht, daß jedenfalls der Berufungswerber nicht als verantwortlicher Beauftragter und damit Beschuldigter angesehen werden kann, war schon aufgrund der Aktenlage das Straferkenntnis aufzuheben und die Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG zu verfügen. Bei diesem Ergebnis braucht auf das weitere Berufungsvorbringen nicht mehr eingegangen werden.

5. Aufgrund der Einstellung des Strafverfahrens entfallen gemäß § 66 Abs 1 VStG die Beiträge zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde und des Berufungsverfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine schriftliche Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Diese muß - abgesehen von gesetzlichen Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. W e i ß 6

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