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des Landes Oberösterreich
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VwSen-260078/2/Wei/Shn

Linz, 22.03.1994

VwSen-260078/2/Wei/Shn Linz, am 22. März 1994 DVR.0690392 VwSen-260079/2/Wei/Shn

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufungen der Ehegatten A J, geb. ..., und A C, geb. ..., beide H, beide vertreten durch Dr. W H, Rechtsanwalt in , R, je vom 3. August 1993 gegen die Straferkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn je vom 21. Juli 1993, Zl. Wa 96/46/1992/G und Zl. Wa 96/47/1992/G wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 - WRG 1959 (BGBl Nr. 215/1959 idF BGBl Nr. 252/1990) zu Recht erkannt:

I. Den Berufungen wird Folge gegeben, die angefochtenen Straferkenntnisse werden behoben und die Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG 1991 eingestellt.

II. Die Leistung von Beiträgen zu den Kosten der Strafverfahren entfällt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; § 66 Abs 1 VStG 1991
Entscheidungsgründe:

1.1. Mit den oben bezeichneten Straferkenntnissen je vom 21.

Juli 1993 wurden die Berufungswerber (Bw) gleichlautend wie folgt für schuldig befunden:

"Sie haben jedenfalls in der Zeit vom 1.9.1990 bis 9.3.1992 zur Speisung Ihrer Fischzuchtanlage auf den Grundstücken Nr.

..., ... und ..., alle KG. S, eine Grundwasserentnahme durchgeführt, und die dazu dienenden Anlagen betrieben, ohne im Besitz der dafür erforderlichen wasserrechtlichen Bewilligung gewesen zu sein.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 10 Abs. 1 und 2 Wasserrechtsgesetz 1959, BGBl.Nr. 215/1959 idF. BGBl.Nr. 252/1990" Wegen dieser Verwaltungsübertretungen verhängte die belangte Behörde gemäß § 137 Abs 3 lit b) WRG 1959 gegen den Bw eine Geldstrafe von S 6.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 6 Tage) und gegen die Bwin eine Geldstrafe von S 1.500,-(Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden).

1.2. Gegen diese Straferkenntnisse, die dem Rechtsvertreter der Bw am 23. Juli 1993 zugestellt wurden, richten sich die inhaltlich gleichlautenden Berufungen je vom 3. August 1993, die am 4. August 1993 und damit rechtzeitig zur Post gegeben wurden.

2.1. Die belangte Behörde ging unbestritten davon aus, daß die Bw im Zeitraum vom 1. September 1990 bis 9. März 1992 zur Speisung ihrer Fischzuchtanlage auf den im Spruch angeführten Grundstücken die Grundwasserentnahme durchführten und die Anlagen betrieben haben, ohne im Besitz einer dafür erforderlichen wasserrechtlichen Bewilligung zu sein. Im übrigen hat die belangte Behörde das von den Bw im erstinstanzlichen Strafverfahren zu ihrer Verteidigung erstattete Vorbringen großteils unwidersprochen wiedergegeben, allerdings einer anderen rechtlichen Beurteilung in bezug auf den relevierten Notstand unterzogen.

2.2. Der Aktenlage ist im wesentlichen der folgende unstrittige Sachverhalt zu entnehmen:

Im Jahr 1989 haben die Bw unter Vorlage von sachkundig vorbereiteten Projektsunterlagen um die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für eine Grundwasserentnahme auf den Grundstücken ..., ... und ... zur Speisung ihrer Fischzuchtanlage sowie für die Errichtung und den Betrieb der hiezu dienenden Anlagen angesucht, wobei der Landeshauptmann von Oberösterreich als Wasserrechtsbehörde am 4. und 5. Dezember 1989 und am 18. Jänner 1990 mündliche Verhandlungen an Ort und Stelle durchführte. Mit Bescheid vom 24. April 1990, Zl. Wa-100034/4-1990/Spi/Rö, wurde der Antrag auf wasserrechtliche Bewilligung für eine Grundwasserentnahme im Ausmaß von 670 l/s im Tagesmittel und 770 l/s Spitzenentnahme mit den entsprechenden Anlagen abgewiesen. In der Begründung weist die Wasserrechtsbehörde darauf hin, daß sämtliche Anlagen im Zeitpunkt der Bewilligungsverhandlung bereits fertiggestellt und in Betrieb waren und daß die Grundwasserentnahme im beantragten Umfang bereits seit mehreren Jahren ausgeübt wird. Die Fischzuchtanlage liegt in der Gemeinde Schalchen am Rande der Talebene des Schwemmbaches und des Brunnbaches und am Übergang zum Kobernaußerwald. Das gegenständliche Grundwasservorkommen im Bereich Mattigtal-Kobernaußerwald ist ein Hoffnungsgebiet für eine künftige öffentliche Wasserversorgung durch Fernwasserleitungen und daher schutzwürdig. Aus diesem Grund waren Beschränkungen des Konsensbegehrens in zeitlicher und mengenmäßiger Hinsicht erforderlich, die die Bw im wasserrechtlichen Verfahren nicht akzeptieren wollten. Die Wasserrechtsbehörde erster Instanz hat deswegen den Bewilligungsantrag zur Gänze abgewiesen.

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft hat im Berufungsverfahren mit Bescheid vom 14. Dezember 1992, Zl.

410.071/14-I B/92, die erstbehördliche Entscheidung abgeändert und die wasserrechtliche Bewilligung zur Entnahme von Grundwasser für die Fischzuchtanlage nach Maßgabe der Projektsbeschreibung und von Vorschreibungen erteilt, wobei das Maß der Wasserbenutzung insofern beschränkt worden ist, als bis zum 31. Dezember 2030 eine Wassermenge von 38.016 m3/d bzw 440 l/s im Tagesmittel mit Spitzenentnahmen bis 510 l/s und zusätzlich bis zum 31. Dezember 2005 eine Wassermenge von 19.872 m3/d bzw 230 l/s im Tagesmittel mit Spitzenentnahmen bis 260 l/s entnommen werden darf. Das Mehrbegehren auf unbeschränkte bzw mit 90 Jahren befristete Bewilligung der Grundwasserentnahme wurde abgewiesen.

Die Berufungsbehörde hat festgestellt, daß die Rechtsvorgänger der Bw um das Jahr 1970 eine Grundwassergewinnungsanlage errichteten, um ihre Fischzuchtanlage mit Frischwasser versorgen zu können. Damit sollte ein Rückgang des natürlichen Zuflusses aus dem Schalchener Brunnbach sowie aus aufgehenden Quellen ausgeglichen werden. Der Rückgang der natürlichen Oberflächenwässer wurde auf eine in den Jahren 1956 bis 1970 ohne wasserrechtliche Bewilligung durchgeführte Regulierung des Schwemmbaches zurückgeführt, wobei das Verfahren bislang noch immer nicht abgeschlossen sei. Für die Grundwassergewinnung wurde zwar eine wasserrechtliche Bewilligung beantragt, aber nicht erteilt. Im Rahmen des Wasserrechtsverfahrens sei auch ein Pumpversuch durchgeführt worden. Im Jahre 1989 erfolgte dann ein neuerlicher zusammenfassender Antrag auf wasserrechtliche Bewilligung unter Vorlage von Projektsunterlagen. Die Wasserversorgungsanlage besteht aus insgesamt 16 Schachtbrunnen, wobei jeweils 9 Brunnen betrieben werden und 7 Brunnen als Reservebrunnen ohne Pumpanlage dienen.

Nach den wesentlichen Verfahrensergebnissen beträgt der Wasserbedarf der Fischzuchtanlage bei einer Fischproduktion von ca 45 Tonnen zwischen 650 und 700 l/s und findet im örtlichen Grundwasservorkommen hinreichende Deckung. Das Verhältnis zwischen Bedarf und Vorkommen beträgt ca 1:5.

Die Berufungsbehörde stützte ihre Entscheidung auf die Ergebnisse des erstinstanzlichen Verfahrens. Sie war entgegen der Erstbehörde der Auffassung, daß das Konsensbegehren mit den erforderlichen Einschränkungen zu bewilligen gewesen wäre, weil das Wasserrechtsgesetz einerseits von einem Rechtsanspruch auf Erteilung der Bewilligung ausgeht, wenn und soweit öffentliche Interessen und fremde Rechte nicht entgegenstehen, und andererseits ein Vorhaben kaum je uneingeschränkt (vgl §§ 13, 21 und 105 WRG 1959) bewilligt werden kann. Die Abweisung des Konsensbegehrens als Ganzes erachtete die Berufungsbehörde nur dann als gerechtfertigt, wenn die beantragte Wasserbenutzung öffentlichen Interessen oder fremden Rechten in einem Maße entgegenstünde, daß sie überhaupt nicht oder nur in einem nicht mehr zweckmäßigen Ausmaß bewilligt werden könnte. Gerade dies habe aber das erstinstanzliche Verfahren nicht ergeben. Rund ein Drittel der beantragten Wassermenge wurde im Sinne einer Vorbehaltsregelung nach § 13 Abs 4 WRG 1959 für höherwertige öffentliche Zwecke bis Ende 2005 befristet. Rund zwei Drittel der beantragten Wassermenge können ohne Gefährdung von Interessen der öffentlichen Wasserversorgung genutzt werden. Insofern hielt die Berufungsbehörde eine gemäß § 21 Abs 1 WRG 1959 an sich zwingende Befristung bis Ende 2030 vertretbar.

2.3. In den Berufungen wird zunächst die mangelnde Feststellung von Tatsachen zur Beurteilung der Frage des Notstandes gerügt. Die gleiche Frage sei schon Gegenstand von älteren verwaltungsgerichtlichen Verfahren (81/07/0091 und 0093) gewesen, in denen festgestellt worden sei, daß der Begriff des Notstandes unvollständig erfaßt wurde. Auch in diesen Verfahren hätten die Bw schon vorgebracht, daß ihnen die Vernichtung der Existenz gedroht hätte, wenn nicht eine entsprechende Ersatzwasserversorgung stattgefunden hätte, weil durch die von den Gemeinden Schalchen und Mattighofen ohne wasserrechtliche Bewilligung erfolgte Schwemmbachregulierung die Quellschüttung in einem Ausmaß reduziert worden wäre, daß der Betrieb der Fischzuchtanlage unmöglich wurde. Der Verwaltungsgerichtshof habe die Prüfung der Frage verlangt, ob die strafbare Handlung die einzige zumutbare Möglichkeit gewesen ist, um eine unmittelbar drohende Gefahr der Existenzvernichtung, welche den Bw die Lebensmöglichkeit entziehe, abzuwenden. Damit hätte sich die belangte Behörde auch im gegenständlichen Fall sachverhaltsbezogen auseinandersetzen müssen. Seinerzeit habe der Landeshauptmann von Oberösterreich als belangte Behörde in verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu den Zlen.

1007, 1095, 1096/75 eingeräumt, daß doch "bis zu einem gewissen Grade" ein Notstand gegeben sei.

Zum Notstand wird ausgeführt, daß die Fischzuchtanlage seit 1920 bestehe. Wegen des Rückganges der Wasserversorgung infolge der Schwemmbachregulierung wäre es schon 1971 notwendig gewesen um die Ersatzwasserversorgung anzusuchen.

Seither laufe das behördliche Verfahren. Es wäre undenkbar rund 20 Jahre den Betrieb einzustellen, nur weil das Verfahren so lange dauert. Ohne die Ersatzwasserversorgung wäre der Betrieb nicht lebensfähig und die Existenz der Bw bedroht. Dies sei nicht nur darin begründet, daß die Fische weggegeben werden müßten, sondern wäre auch jahrzehntelange Aufbauarbeit vernichtet und der Kundenstock verloren. Bei einer solchen Bedrohung liege aber Notstand vor.

2.4. Die Berufungen rügen weiters die unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache und führen dazu aus, daß mit dem Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 14. Dezember 1992 in Abänderung des Bescheides des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 24. April 1990 die wasserrechtliche Bewilligung mit Vorschreibungen erteilt worden ist, wobei die Rechtswirkungen richtigerweise auf den Zeitpunkt des Bescheides erster Instanz zurückgingen, weil das Verwaltungsverfahren als Einheit anzusehen sei. Dazu sei auch zu bemerken, daß in zweiter Instanz keine Projektsänderung vorgenommen worden ist. Zusammenfassend bedeute dies, daß der dem Straferkenntnis zugrundeliegende Tatzeitraum 1. September 1990 bis 9. März 1992 zur Gänze abgedeckt sei, da der Bescheid erster Instanz schon am 24.

April 1990 ergangen wäre und eben in zweiter Instanz dahin abgeändert wurde, daß damit die Bewilligung erteilt worden wäre. Unter Hinweis auf die Ausführungen der Berufungsbehörde im wasserrechtlichen Verfahren wird betont, daß aus dem Umstand, daß die Wasserrechtsbehörde erster Instanz rechtswidrigerweise einen abweisenden Bescheid erlassen habe, für die Bw kein Verschulden abgeleitet werden könne.

In diesem Zusammenhang verweisen die Berufungen auch auf die Schadensminderungspflicht der Bw. Der rechtswidrige Bescheid erster Instanz hätte im Falle der Einstellung des Betriebes enorme Schadenersatzansprüche zu Lasten des Bundes nach sich gezogen. Nicht nur der gesamte Fischbestand, der wahrscheinlich als Notverkauf hätte abgegeben werden müssen, wäre vernichtet worden. Auch die Kundschaft und der Wert der Aufzucht wären weg, was einen in viele Millionen gehenden Schaden bedeutet hätte. Da die Bw aber auch eine Schadensminderungspflicht treffe, sei es wohl richtig gewesen, auch während des Berufungsverfahrens die Wasserversorgung aufrecht zu belassen, die im übrigen schon viele Jahre vorher auch so bestanden habe. Es sei ein Pumpversuch genehmigt worden, wobei das Verfahren viele Jahre im Berufungsverfahren unerledigt geblieben ist.

Die Tat sei jedenfalls nach einheitlicher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes durch Notstand entschuldigt, wenn die wirtschaftliche Schädigung die Lebensmöglichkeit unmittelbar bedroht. Dabei reiche es, wenn eine unmittelbar drohende Gefahr für das Vermögen gegeben sei. Die belangte Behörde sei von einem viel zu engen Begriff des Notstandes ausgegangen, weil sie nur eine unmittelbar drohende Lebensgefahr als ausreichend ansah.

In der Fischzuchtanlage der Bw werden rund 45 Tonnen Fische, und zwar Aufzucht- als auch Verkaufsware, gehalten. Es sei klar, daß hier nicht die Wasserzufuhr abgeschaltet und zu einem späteren Zeitpunkt wieder eingeschaltet werden könne.

Eine Lösung wäre nur durch einen Notverkauf und durch eine Amtshaftungsklage in einem späteren Zeitpunkt möglich. Dies sei aber ein absolut unzumutbarer Weg. Man müsse berücksichtigen, daß vom Gesetz her eine Schadensminderungspflicht besteht und daß ein unwiederbringlicher Schaden drohte. Die Aufzuchtsarbeit von 70 Jahren Fischzucht könnte nie mehr ersetzt werden. Auch der Verlust der Kunden wäre nicht wiedergutzumachen. Jedenfalls wäre wiederum jahrelange Aufbauarbeit notwendig.

Bei Abwägung der rechtlichen Begriffe Fahrlässigkeit und Notstand müßten alle Umstände des Einzelfalles mitberücksichtigt werden. Da schon im Jahr 1971 um die Bewilligung der Ersatzwasserversorgung angesucht und in einem Schreiben von Hofrat Dr. R bestätigt worden sei, daß alle Bewilligungsvoraussetzungen vorliegen, müsse es wohl klar sein, daß nicht im Jahr 1990 die Wasserversorgung plötzlich eingestellt werden könne. Es sei dann auch der Großpumpversuch bewilligt worden, wobei insofern allein das Berufungsverfahren 9 Jahre gedauert habe. Die Entscheidung sei auch im Sinne der Bw ergangen.

Während dieser Zeiten sei das Wasser jedenfalls zu Recht bezogen worden. Wegen des zu Unrecht abweisenden Bescheides der Wasserrechtsbehörde erster Instanz könne nicht plötzlich ein Straftatbestand gegeben sein. Bei dieser Sachlage sei es eigentlich verwunderlich, warum nicht schon in erster Instanz das Strafverfahren sofort eingestellt worden ist.

2.5. Die belangte Behörde hat mit den Berufungen die bezughabenden Verwaltungsstrafakten zur Entscheidung vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat die Berufungsverfahren wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und nach Einsichtnahme in die Verwaltungsstrafakten in Verbindung mit den Berufungen festgestellt, daß der entscheidungswesentliche Sachverhalt als unstrittig anzusehen ist und vorwiegend Rechtsfragen zu beurteilen sind. Dabei ist der Berufungsentscheidung der unter Punkt 2.2. festgestellte Sachverhalt mit geringfügigen Ergänzungen zugrundezulegen. Die beantragte Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war auch im Hinblick auf § 51e Abs 1 VStG entbehrlich.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 137 Abs 3 lit b) WRG 1959 begeht, sofern die Tat nicht strengerer Strafe nach Abs 4 oder 5 unterliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu S 100.000,-- zu bestrafen, wer ohne gemäß § 10 Abs 2 oder 3 erforderliche wasserrechtliche Bewilligung oder entgegen einer solchen Grundwasser erschließt oder benutzt, in den Grundwasserhaushalt eingreift, hiefür dienende Anlagen errichtet, ändert oder betreibt oder artesische Brunnen errichtet oder betreibt.

Aus § 10 Abs 1 WRG 1959 ergibt sich, daß der Grundeigentümer zur Benutzung des Grundwassers für den notwendigen Haus- und Wirtschaftsbedarf keiner Bewilligung der Wasserrechtsbehörde bedarf, wenn die Förderung nur durch handbetriebene Pumpoder Schöpfwerke erfolgt oder wenn die Entnahme in einem angemessenen Verhältnis zum eigenen Grunde steht. In allen anderen Fällen ist gemäß § 10 Abs 2 WRG 1959 zur Erschließung oder Benutzung des Grundwassers und zu den damit im Zusammenhang stehenden Eingriffen in den Grundwasserhaushalt sowie zur Errichtung oder Änderung der hiefür dienenden Anlagen die Bewilligung der Wasserrechtsbehörde erforderlich.

Daß die gegenständliche Grundwasserentnahme mit den bestehenden Anlagen und im dargelegten Ausmaß zur Versorgung des Fischzuchtbetriebes im Sinne des § 10 Abs 2 WRG 1959 bewilligungspflichtig ist, bedarf keiner näheren Begründung.

Unstrittig ist insofern auch der angelastete Tatzeitraum.

Tatsächlich erfolgt die Grundwasserversorgung der Fischzucht schon seit Anfang der 70er Jahre, als der nach Ansicht der Bw durch eine konsenslose Regulierung des Schwemmbaches bewirkte Rückgang der natürlichen Oberflächenwässer einen weiteren Betrieb der Fischzuchtanlage ohne Ersatzwasserversorgung unmöglich gemacht hätte.

Unzutreffend ist die in der Berufung geäußerte Rechtsansicht, daß die in zweiter Instanz erteilte wasserrechtliche Bewilligung auf den Zeitpunkt der ablehnenden Entscheidung erster Instanz zurückwirke, weshalb der angelastete Tatzeitraum bereits durch eine Bewilligung gedeckt sei. Es trifft zwar zu, daß die Berufungsentscheidung an die Stelle der erstinstanzlichen tritt, dies jedoch erst im Zeitpunkt ihrer durch Zustellung bewirkten Erlassung. Die rechtsgestaltende Wirkung der wasserrechtlichen Bewilligung, der gleichzeitig eine negative Tatbestandswirkung in bezug auf die Verwaltungsübertretung des § 137 Abs 3 lit b) WRG 1959 zukommt, kann erst mit dem Zeitpunkt ihrer rechtskräftigen (unabänderlichen) Erteilung eintreten.

4.2. Zur entscheidenden Frage, ob die konsenslose Grundwasserentnahme der Bw durch Notstand im Sinne des § 6 VStG entschuldigt ist, geht der unabhängige Verwaltungssenat mangels gegenteiliger Indizien davon aus, daß ohne die Ersatzwasserversorgung durch das konsenslos geförderte Grundwasser die Fischzuchtanlage während der vergangenen Jahrzehnte nicht hätte betrieben werden können. Im Zweifel ist auch zugunsten der Bw anzunehmen, daß durch den Wegfall der natürlichen Wasserversorgung Anfang der 70er Jahre die unmittelbar drohende Gefahr der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des seit 1920 bestehenden Fischzuchtbetriebes auf den angeführten Grundstücken bestanden hat. Schließlich haben nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenates die Berufungen auch schlüssig und unwiderlegt dargetan, daß bei einer Fischzucht von 45 Tonnen ein Schaden in Millionenhöhe entsteht, wenn die lebenswichtige Wasserversorgung entzogen wird und in der Folge der Fischbestand notverkauft werden muß, die Aufzuchtsarbeit vernichtet wird und der Kundenstock verloren geht.

Die belangte Behörde hielt den Bw in rechtlicher Hinsicht entgegen, daß bloße Unzumutbarkeit zur Entschuldigung nach dem § 5 Abs 1 VStG nicht genüge und die vorgenommene Grundwasserentnahme ohne wasserrechtliche Bewilligung nicht als Notstandshandlung qualifiziert werden könne. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bezogen auf den gegenständlichen Fall hätte die persönliche Lebensmöglichkeit der Bw unmittelbar bedroht sein müssen. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Mag auch die wirtschaftliche Existenz in Gefahr gewesen sein, von einer direkten Gefahr für das Leben der Bw könne keine Rede sein. Deshalb scheide eine erfolgreiche Berufung auf entschuldigenden Notstand aus. Auch der Hinweis darauf, daß die Behörde zu einem früheren Zeitpunkt von einem "bis zu einem gewissen Grad gegebenen Notstand" gesprochen hat, ändere daran nichts. Das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 6 VStG sei jeweils von der erkennenden Behörde zu beurteilen, wobei Meinungen anderer Behörden unbeachtlich seien.

Mit dieser Darstellung verkennt die belangte Strafbehörde die Rechtslage. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann durchaus auch ein drohender schwerer Vermögensschaden notstandsbegründend sein, wenn die Lebensmöglichkeiten selbst unmittelbar bedroht erscheinen (vgl dazu die Nachweise bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. A [1990], 736 f, E 1a, 1b u 1e, E 2 u E 3c je zu § 6 VStG). Dabei ist davon auszugehen, daß der unmittelbare wirtschaftliche Nachteil in einer solchen Intensität drohen muß, daß die wirtschaftlichen Lebensmöglichkeiten betroffen sind. Dies ist gegenständlich auch der Fall, haben doch die Bw unwiderlegt dargetan, daß der Betrieb ihrer wertvollen Fischzuchtanlage ohne die lebensnotwendige Versorgung mit dem Grundwasser nicht möglich und deshalb auch in seiner Existenz gefährdet wäre. Das Vorliegen einer unmittelbar drohenden Notstandssituation für den Fall der fehlenden Wasserversorgung kann daher nicht zweifelhaft sein.

Der Verwaltungsgerichtshof fordert ferner, daß die Begehung der strafbaren Handlung das einzige (zumutbare) Mittel zur Rettung aus der Notstandssituation war bzw daß der Gefahr zumutbarerweise nicht auf andere Art hätte begegnet werden können (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch, 736 ff, E 1a, E 3b u E 9 zu § 6 VStG). Auch diese Voraussetzung ist erfüllt, weil nach der gegebenen Sachlage keine zumutbare Alternative aufgezeigt werden kann, die Gefahr der Vernichtung des Fischzuchtbetriebes anders als durch eigenmächtige Erschließung und Förderung des Grundwassers abzuwenden. Wie die Ergebnisse des zuletzt durchgeführten wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens gezeigt haben, findet der nicht unwesentliche Grundwasserbedarf der Fischzuchtanlage der Bw in den vorhandenen reichhaltigen Grundwasserreserven des Mattigtales ausreichende Deckung (Verhältnis 1:5) und konnten auch die höherwertigen wasserwirtschaftlichen Interessen an einer zukünftigen öffentlichen Trinkwasserversorgung durch Bindung eines Drittels der Bedarfsmenge als Vorbehaltsmenge ausreichend berücksichtigt werden. Die Bw haben nie mehr als die im Jahr 1992 von der Berufungsbehörde bewilligten Bedarfsmengen entnommen, weshalb auch von einem unangemessenen Mittel keine Rede sein kann.

Zum Wesen des Notstandes gehört schließlich auch, daß die Notstandssituation bzw die Zwangslage von den Betroffenen nicht selbst verschuldet worden ist (vgl etwa Hauer/Leukauf, Handbuch, 737 f, E 5, E 6a, E 7 u E 8b). Für diese Ausschlußmöglichkeit liegen ebenfalls keine geeigneten Anhaltspunkte vor. Die frühere Versorgung durch natürliche Quell- und Oberflächenwässer ist nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens jedenfalls ohne Verschulden der Bw oder ihrer Rechtsvorgänger verlorengegangen. Insofern kann dahingestellt bleiben, ob die auslösende Ursache in der nicht bewilligten und bis heute verfahrensrechtlich nicht abgeschlossenen Regulierung des Schwemmbaches gelegen ist.

Die geradezu unglaublich lange Verfahrensdauer im Zusammenhang mit der bereits Anfang der 70er Jahre beantragten Bewilligung der Grundwasserentnahme kann die Bw nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenates unabhängig davon, ob im Laufe der Zeit Projektsänderungen vorgenommen wurden oder nicht, keineswegs belasten. Vielmehr wird dadurch die aufrechte Zwangslage, die zur eigenmächtigen Wasserversorgung des Fischzuchtbetriebes veranlaßte, noch plausibler.

4.3. Im Ergebnis geht der erkennende Verwaltungssenat aus den angeführten Gründen davon aus, daß die Bw hinsichtlich der angelasteten Verwaltungübertretungen iSd § 6 VStG entschuldigt gehandelt haben. Der an sich auch im Verwaltungsstrafrecht ausnahmsweise in Betracht kommende rechtfertigende (übergesetzliche) Notstand (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch, 736, Anm 3) und 739, E 12 zu § 6 VStG; zur Unterscheidung vgl näher Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A [1992], Rz 49 ff zu § 3 StGB und Rz 2 ff zu § 10 StGB) scheidet im gegenständlichen Fall mangels Rettung eindeutig höherwertiger Interessen aus. Deshalb war das Verhalten der Bw zwar tatbestandsmäßig und rechtswidrig, aber nicht schuldhaft. Daraus folgt weiters, daß der erhobene Einwand der Schadensminderungspflicht iSd § 1304 ABGB nicht stichhältig ist, zumal diese Obliegenheit nicht in einem rechtswidrigen Verhalten bestehen kann. Allerdings teilt der erkennende Verwaltungssenat die Auffassung, daß das Abschalten der Wasserzufuhr verbunden mit einem Notverkauf der Fische sowie den sonstigen festgestellten Nachteilen und die spätere Einbringung einer Amtshaftungsklage keine zumutbare "Lösung" des Problems gewesen wäre.

Denn durch diese Vorgangsweise wäre der schwere und teilweise sicher auch nicht ersetzbare Vermögensschaden nicht abgewendet worden, sondern vielmehr eingetreten. Eine solche Pflicht kann nicht im Sinne des Zumutbarkeitskorrektives gefordert werden, weil dies dazu führen würde, daß der entschuldigende Notstand überflüssig und sinnlos wäre.

Das Strafverfahren war gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen, weil Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen.

5. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung der Bw zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. W e i ß

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