Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-260117/2/Wei/Bk

Linz, 22.04.1994

VwSen-260117/2/Wei/Bk Linz, am 22. April 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des Dipl.Ing. A H S, vertreten durch Dr. P W, Rechtsanwalt in L, vom 16. März 1994 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 25. Februar 1994, Zl. Wa 96-589-1992 +7, wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 137 Abs 3 lit d) Wasserrechtsgesetz 1959 - WRG 1959 (BGBl Nr. 215/1959 idF BGBl Nr. 252/1990) zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG 1991 eingestellt.

II. Die Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; § 66 Abs 1 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis vom 25.

Februar 1994 hat die belangte Behörde den Berufungswerber (Bw) wie folgt für schuldig befunden:

"Sie sind gem. § 9 des Verwaltungsstrafgesetzes für die L AG verantwortlich, daß am 20.10.1992 gegen 6,30 Uhr im Betriebsgelände des Viskosefaserbereiches aufgrund eines Betriebsunfalles eine Spinnbadleitung zerdrückt wurde und in der Folge ca. 20 m3 Spinnbad (Schwefelsäure, Natriumsulfat und Zinksulfat) über einen Oberflächenwasserkanal in die Ager gelangt sind und haben dadurch unter Außerachtlassung der gebotenen Sorgfaltspflicht eine Gewässerverunreinigung der Ager bewirkt.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 9 Verwaltungsstrafgesetz i.V.m. § 31 Abs. 1 des WRG 1959, BGBl. 215 i.d.F.d.WRG-Novelle 1990, BGBl. 252" Wegen dieser Verwaltungsübertretung verhängte die belangte Behörde über den Bw unter Hinweis auf § 137 Abs. 3 lit d WRG 1959 eine Geldstrafe von S 3.000,-- und setzte für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Woche fest. Gemäß § 64 VStG wurde als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens ein Betrag von S 300,-- bestimmt.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Rechtsvertreter des Bw mit RSa-Brief am 2. März 1994 zugestellt worden ist, richtet sich die vermutlich am 16. März 1994 zur Post gegebene, bei der belangten Behörde am 17. März 1994 eingelangte, rechtzeitige Berufung vom 16. März 1994.

2.1. In der Begründung führt die belangte Behörde aus, daß sie am 20. Oktober 1992 sowohl von einem Vertreter der L AG als auch durch die Gendarmerie L über einen Betriebsunfall gegen 06.30 Uhr im Viskosefaserbereich der L AG informiert worden sei. Nach dem Bericht des Landesgendarmeriekommandos vom 20. Oktober 1992 sei beim händischen Transportieren eines ausgedienten 1800 kg schweren Mischkondensators im Betriebsgelände des Viskosefaserbereiches der Anlagenteil vom Zugwagen abgekippt und auf die vorbeiführende Spinnbadleitung gefallen, sodaß diese zerdrückt worden sei und etwa 20 m3 des säurehältigen Spinnbades austraten. Die durch den Leitungsbruch ausgetretene Spinnbadmenge sei über Oberflächenwasserkanäle in die Ager gelangt. Die Zusammensetzung von Spinnbad bestehe im wesentlichen aus Schwefelsäure, Natriumsulfat und Zinksulfat.

Es seien insgesamt 18 Wasserproben der Ager ausgewertet worden. Dem Bericht des Amtssachverständigen für Chemie sei zu entnehmen, daß durch den Störfall zumindest kurzfristig eine erhebliche Gewässerverunreinigung der Ager eingetreten ist. Der zusammenfassenden Stellungnahme der Abteilung Umweltschutz des Amtes der o.ö. Landesregierung vom 5.

November 1992 sei zu entnehmen, daß eine gravierende Gewässerschädigung eines längeren Flußabschnittes hervorgerufen worden sei. Die Verwaltungsübertretung sei durch die vorliegenden Erhebungsberichte der Amtssachverständigen für Biologie, Chemie und Toxikologie als erwiesen anzunehmen.

2.2. Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 1. März 1993 hat die belangte Behörde dem Bw ebenso wie weiteren 9 Bediensteten der L AG, deren gleichlautende Berufungen in abgesonderten Verfahren entschieden werden, den im Spruch des Straferkenntnisses dargestellten Sachverhalt angelastet.

Mit der gemeinsamen Rechtfertigung vom 22. April 1993 wurde folgendes vorgebracht:

"1.) Bei der Durchführung dieses Transportes wurde entgegen dem behördlichen Vorwurf die gebotene Sorgfalt eingehalten. Bis zum Störfall wurden bereits ca 20 Transporte mit ähnlichen Behältern anstandslos durchgeführt.

Es bestand daher kein Anlaß zur Annahme, daß irgendein Gefahrenmoment gegeben wäre.

2.) Darüber hinaus war für jene Personen, die den konkreten Transport anordneten und durchführten (G F, M H und einige in diese Strafsache nicht verwickelte Personen) nicht vorhersehbar, daß a) im Fall eines Unfalles auf der Rampe eine Beschädigung der in der Nähe verlaufenden Leitung erfolgen könne und b) daß diese Beschädigung zu einem Austritt gewässergefährdender Substanzen führen könne, die c) in die Ager gelangen könnten.

Beweis: Ortsaugenschein; technischer Sachverständiger; weitere Beweise vorbehalten." Abschließend wurde daher der Antrag auf Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gestellt.

2.3. Zur Frage der Verantwortlichkeit gab die belangte Behörde begründend den § 9 Abs 1 VStG wieder und erklärte dazu, daß die L AG 16 Personen als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche im Sinne dieser Gesetzesbestimmung namhaft gemacht hätte. Daraufhin werden die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 31 Abs 1 und 137 Abs 3 lit d) WRG 1959 dargelegt. Aufgrund dieser Gesetzesbestimmungen vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß durch die durchgeführten Maßnahmen (Transport des Mischkondensators) eine Einwirkung auf Gewässer zwar nicht vorgesehen, aber erfahrungsgemäß möglich sei. Der Verpflichtung zur Vermeidung einer möglichen Gewässerverunreinigung sei der Beschuldigte jedenfalls nicht nachgekommen. Die eigentliche Verunreinigung der Ager sei durch die Analyse der Wasserproben zweifelsfrei erwiesen.

2.4. In der gemeinsamen Berufung des Bw und der anderen Bediensteten der L AG wird ausgeführt, daß sich die in Spruch und Begründung gleichlautenden Straferkenntnisse auf die Behauptung stützen, diese Personen seien gemäß § 9 Verwaltungsstrafgesetz für ein in den Straferkenntnissen näher beschriebenes angebliches Fehlverhalten der Lenzing AG verantwortlich. Die Begründung, daß diese Personen von der L AG "gemäß § 9 VStG namhaft gemachte verantwortliche Personen" seien, treffe weder sachlich noch rechtlich zu.

Mit Schreiben vom 30. November 1992 habe die belangte Behörde die L AG "um Bekanntgabe des Namens und der Anschrift des verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen der L AG" ersucht. Mit Antwortschreiben vom 28. Dezember 1992 habe die L AG die mit diesem Vorgang befaßten Personen bekanntgegeben und ein Organigram übermittelt.

Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen sei gemäß § 9 Abs 1 VStG verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Bei einer Aktiengesellschaft seien dies die Vorstandsmitglieder. Die betroffenen Personen hätten am 20.

Oktober 1992 nicht dem Vorstand der L AG angehört, was im übrigen von der belangten Behörde nicht behauptet worden sei und durch die Organigrame und das Firmenbuch erhärtet werde. Es sei auch keine Bestellung von verantwortlichen Beauftragten im Sinn des § 9 Abs 2 VStG erfolgt.

Aus der behördlichen Anfrage vom 30. November 1992 gehe nicht klar hervor, ob die belangte Behörde den unmittelbaren Täter oder den gemäß § 9 VStG Verantwortlichen wissen wollte. Vorsichtshalber wird darauf hingewiesen, daß die gegenständlich verfolgten Personen als unmittelbare Täter nicht in Frage kämen. Wegen des gleichen Vorfalles sei beim Landesgericht Wels zu 11 EVr 173/94, EHv 13/94, ein Strafverfahren gegen die Mitbeschuldigten Ing. A, M L, F, U, H, M und Dipl.-Ing. L anhängig, gegen die offensichtlich wegen § 137 Abs 7 WRG nicht mit Straferkenntnis vorgegangen wurde.

Da man davon ausgehen könne, daß der Strafantrag des Staatsanwaltes jene Personen betreffe, die als unmittelbare Täter in Frage kommen, scheiden die gegenständlich betroffenen Personen aus. Die belangte Behörde sei offensichtlich ebenfalls dieser Auffassung, andernfalls das Zitat des § 9 VStG im Straferkenntnis unverständlich sei.

Nach dem derzeitigen Verständnis der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes könne auch der beauftragte Dienstnehmer selbst wegen Verstoßes gegen § 31 WRG strafbar sein (Hinweis auf Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht, Rz 3 zu § 31 WRG), obwohl zumindest zweifelhaft sei, ob § 31 WRG ("jedermann") im Zusammenhang mit § 137 Abs 5 und 6 WRG tatsächlich eine Verwaltungsvorschrift darstellt, die eine von § 9 VStG abweichende Regelung enthält. Wenn man von dieser Auffassung ausgeht, dann sei aber zu prüfen, ob die betroffenen Personen tatsächlich als Täter in Frage kommen und ob sie ein Verschulden trifft. In diese Richtung habe das Vorbringen samt Beweisanbot der Rechtfertigung vom 22.

April 1993 gezielt. Da kein Ergebnis eines Ermittlungsverfahrens bekanntgegeben wurde, müsse angenommen werden, daß auf das Beweisanbot überhaupt nicht eingegangen worden ist, was eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens darstelle. Das beantragte Beweisverfahren hätte ergeben, daß die Gewässerverunreinigung unvorhersehbar und ohne Verschulden der gegenständlich verfolgten Personen eingetreten ist.

Selbst wenn man mit der belangten Behörde von der Haftung gemäß § 9 VStG ausgeht, sei es rechtsirrig, eine Verschuldensprüfung zu unterlassen. § 9 VStG bestimme nämlich nur, wer als Subjekt der Übertretung zu betrachten sei, ändere aber nichts an den Bestimmungen des § 5 VStG über die Schuldfrage. Die belangte Behörde sei mit der im Sinn des § 9 VStG vorgenommenen - unzutreffenden Feststellung der Verantwortlichen nicht der Aufgabe enthoben zu untersuchen, ob diese angeblich Verantwortlichen auch ein Verschulden trifft (Hinweis auf Ringhofer, Verwaltungsverfahren II E 10 zu § 9 VStG).

Abschließend wird die Aufhebung der Straferkenntnisse und Einstellung der Strafverfahren beantragt.

2.5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten zur Berufungsentscheidung vorgelegt und von einer Berufungsvorentscheidung ebenso wie von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsstrafakten und unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens festgestellt, daß das angefochtene Straferkenntnis bereits nach der Aktenlage aufzuheben ist. Es war daher gemäß § 51e Abs 1 VStG keine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen.

3.2. Im übrigen wird ergänzend festgestellt, daß der Bw nicht zur Vertretung der L AG nach außen berufen ist.

Nach dem im Verfahren VwSen 260080/1993 eingeholten Firmenbuchauszug vom 30. März 1994 zur FBNr. B 1709 des Landes- als Handelsgerichts Wels sind die Herren Dr. J Z, A W, Dipl.-Ing. Dr. H S und Dipl.-Ing. L F als Vorstandsmitglieder tätig. Weder der Bw noch die anderen strafbehördlich verfolgten Personen waren jemals als Mitglieder des satzungsmäßigen Vertretungsorganes der L AG im Firmenbuch eingetragen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 137 Abs 3 lit d) WRG 1959 begeht eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht strengerer Strafe unterliegt, und ist mit Geldstrafe bis zu S 100.000,-zu bestrafen, wer durch Außerachtlassung der ihn gemäß § 31 Abs 1 treffenden Sorgfaltspflicht eine Gewässerverunreinigung bewirkt.

Nach § 31 Abs 1 WRG 1959 hat jedermann, dessen Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen können, mit der im Sinne von § 1297 ABGB (gewöhnlicher Sorgfaltsmaßstab) oder von § 1299 ABGB (Sorgfaltsmaßstab für Sachverständige) gebotenen Sorgfalt seine Anlagen so herzustellen, instandzuhalten und zu betreiben oder sich so zu verhalten, daß eine Gewässerverunreinigung vermieden wird, die den Bestimmungen des § 30 (Begriff der Reinhaltung) zuwiderläuft und nicht durch eine wasserrechtliche Bewilligung gedeckt ist.

§ 31 Abs 1 WRG 1959 bestimmt eine allgemeine wasserrechtliche Sorgfaltspflicht für jedermann, wobei der Sorgfaltsmaßstab nach Lage des Falles verschieden sein kann (vgl näher Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht [1993], Rz 3 ff zu § 31 WRG). § 137 Abs 3 lit d) WRG 1959 ist daher ein fahrlässiges Erfolgsdelikt, das derjenige begeht, der eine Gewässerverunreinigung auf objektiv und subjektiv sorgfaltswidrige Weise herbeiführt. Es ist daher folgerichtig, daß etwa auch ein beauftragter Dienstnehmer wegen Außerachtlassung der ihn gemäß § 31 Abs 1 WRG treffenden Sorgfaltspflicht strafbar sein kann. Diese Rechtslage ist unmittelbar aus dem Tatbild des § 137 Abs 3 lit d) iVm § 31 Abs 1 WRG 1959 abzuleiten und hat nichts mit der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Beauftragten gemäß § 9 Abs 2 und 4 VStG zu tun, weil es des Rückgriffes auf diese Bestimmung bei einem fahrlässigen Allgemeindelikt wie dem § 137 Abs 3 lit d) WRG 1959 gar nicht bedarf.

Die Vorschriften des § 9 VStG haben demgegenüber den Sinn die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder durch (zumindest teilrechtsfähige) Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit auch bestimmten physischen Personen zur Pflicht zu machen, weil nach dem herrschenden Schuldstrafrechtsverständnis nicht die an sich verpflichteten juristischen Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit als solche, sondern nur physische Personen strafrechtlich belangt werden können (vgl dazu die Nachw aus der Judikatur bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II [1992], E 2 ff zu § 9 VStG).

Unabhängig davon enthält der § 137 Abs 6 WRG 1959 eine besondere tatbestandliche Erweiterung des Täterkreises für Delikte, die beim Betrieb einer Wasseranlage begangen werden. Ein Sinn dieser Bestimmung wird mit Raschauer in der nicht vom Unrecht des unmittelbaren Täters abhängigen - und damit von der akzessorischen Beteiligungsregelung des § 7 VStG abweichenden - verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit des Wasserberechtigten und seines Betriebsleiters gesehen werden können (vgl Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht, Rz 12 zu § 137 WRG). Die weitere Bedeutung und Reichweite dieser Bestimmung erscheinen allerdings weitgehend ungeklärt. Für den gegenständlichen Sachverhalt ist diese Vorschrift aber nicht wesentlich.

4.2. Die dargestellte Rechtslage hat die belangte Behörde schon dadurch verkannt, daß sie im Zusammenhang mit dem für jedermann geltenden Tatbild des § 137 Abs 3 lit d) iVm § 31 Abs 1 WRG 1959 auf gemäß § 9 VStG Verantwortliche abstellte.

Außerdem wendet die Berufung mit Recht ein, daß für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen wie die L AG gemäß § 9 Abs 1 VStG grundsätzlich verantwortlich ist, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Nach herrschender Auffassung handelt es sich dabei um die organschaftlichen Vertreter (Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder) einer juristischen Person. Die bloße Bevollmächtigung genügt ebensowenig wie die Erteilung der Prokura (vgl dazu Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens [1990], 755 f; Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II, Anm 7 zu § 9 VStG). Der Bw und die übrigen strafbehördlich verfolgten Personen sind und waren nicht Mitglieder des Vorstandes der L AG.

Es gibt auch keine ausreichenden Anhaltspunkte, daß diese Personen verantwortliche Beauftragte iSd § 9 Abs 2 und 4 VStG sein könnten. Gemäß § 9 Abs 4 VStG muß der verantwortliche Beauftragte seiner Bestellung nachweislich zugestimmt haben. Dazu erkennt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (seit verst Sen v 16.1.1987, VwSlg 12375 A/1987), daß der verantwortliche Beauftragte erst ab dem Zeitpunkt seiner nachweislichen Zustimmung an die Stelle des sonst gemäß § 9 Abs 1 VStG Verantwortlichen tritt. Der Nachweis ist durch ein Beweisergebnis zu erbringen, das schon vor Begehung der Tat etwa in Form einer Urkunde oder Zeugenaussage vorhanden war. Es genügt nicht, wenn sich der Beschuldigte auf eine erst im Verwaltungsstrafverfahren abzulegende Zeugenaussage des verantwortlichen Beauftragten beruft, mit der die Zustimmung unter Beweis gestellt werden soll (vgl VwGH 12.12.1991, 19/06/0084).

Diese Erfordernisse im Sinne der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes waren der belangten Behörde offenbar nicht bekannt. Das Ersuchen der belangten Strafbehörde vom 30. November 1992 an die Lenzing AG, die verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen bekanntzugeben, war von vornherein unnötig und untauglich. Die Mitteilungen der L AG haben zwar Informationswert in bezug auf die Organisation des Unternehmens, sind aber für die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit nach § 9 VStG ohne rechtliche Relevanz. Schon aus dem Gesetzestext ist erkennbar, daß die Mitteilung eines Unternehmens nicht den Zustimmungsnachweis des verantwortlich Beauftragten ersetzen kann.

Schließlich ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, daß im Spruch auch klargestellt werden muß, in welcher Eigenschaft eine Person gemäß § 9 VStG verantwortlich ist.

4.3. Die belangte Strafbehörde hat an sich zu Recht angenommen, daß im gegenständlichen Fall eines Betriebsunfalles von vornherein an die Vorschrift des § 31 Abs 1 VStG bzw das Tatbild des § 137 Abs 3 lit d) WRG 1959 zu denken war. Bei diesem fahrlässigen Erfolgsdelikt war aber die nur für Ungehorsamsdelikte geltende Entlastungspflicht des Beschuldigten iSd § 5 Abs 1 VStG nicht anwendbar. Die belangte Behörde wäre deshalb verpflichtet gewesen, den Sachverhalt gegebenenfalls unter Beiziehung geeigneter Sachverständiger so genau zu erheben, daß sie dem Bw einen konkreten Verhaltensvorwurf hätte machen können. Bei Erfolgsdelikten hat die Strafbehörde nicht nur die Erfüllung des objektiven Tatbestandes, sondern auch das Verschulden des Täters nachzuweisen, wobei aufzuzeigen ist, worin die konkrete Schuld des Täters gelegen ist (vgl ua VwGH 29.3.1989, 89/01/0067; VwGH 26.11.1984, 83/10/0225).

Mit der bloßen Behauptung, daß der Beschuldigte der Verpflichtung zur Vermeidung einer möglichen Gewässerverunreinigung jedenfalls nicht nachgekommen sei, hat die belangte Behörde in keiner Weise dargetan, welches konkrete Fehlverhalten dem Bw in objektiver und subjektiver Hinsicht als Außerachtlassung der gemäß § 31 Abs 1 WRG 1959 gebotenen Sorgfalt anzulasten war. Es fehlt dabei der für die Konkretisierung eines Fahrlässigkeitsvorwurfes notwendige Sachverhalt. Dies beweist schon der Umstand, daß die belangte Behörde neben dem Bw auch den anderen von ihr verfolgten 9 Personen, völlig losgelöst von einer konkreten Tätigkeit und ohne auf deren Aufgaben und Funktion im Unternehmen abzustellen, den gleichen inhaltsleeren Tatvorwurf gemacht hat. Es ist daher der Berufung beizupflichten, daß die belangte Behörde infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Deliktsvoraussetzungen nicht geprüft hat, ob die betroffenen Personen überhaupt als Täter des fahrlässigen Erfolgsdeliktes gemäß § 137 Abs 3 lit d) WRG 1959 in Betracht kommen. Sie hat auch eine Auseinandersetzung mit dem durchaus entscheidungsrelevanten Vorbringen in der Rechtfertigung vom 22. April 1993 zur Gänze unterlassen.

Da sich der Schuldspruch der belangten Behörde darauf beschränkt hat, die Gewässerverunreinigung der Ager darzustellen und im übrigen bloß die verba legalia "unter Außerachtlassung der gebotenen Sorgfaltspflicht" wiederzugeben, liegen gravierende Feststellungsmängel vor, die eine Subsumtion unter § 137 Abs 3 lit d) WRG 1959 von vornherein ausschließen. Der von der Strafbehörde angelastete Sachverhalt ist in einem solchem Maß unvollständig, daß er keine Verwaltungsübertretung bilden kann. Im Hinblick darauf, daß nach der Aktenlage auch keine taugliche Verfolgungshandlung vorliegt, ist nach Ablauf der einjährigen Frist des § 137 Abs 9 Satz 1 WRG 1959 auch Verfolgungsverjährung eingetreten. Das Strafverfahren war daher gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG einzustellen.

4.4. Im übrigen geht aus dem Verwaltungsakt hervor, daß die Staatsanwaltschaft Wels offenbar aufgrund des gegenständlichen Vorfalles vom 20. Oktober 1992 einen Strafantrag wegen des Vergehens der fahrlässigen Beeinträchtigung der Umwelt nach § 181 StGB gegen die von der Strafbehörde nicht verfolgten Herren Ing. H F, J A, M W L, G F, J G U, M H, H M und Dipl.-Ing. A W L beim Landesgericht Wels eingebracht hat, das zu 11 EVr 173/94, EHv 13/94 anhängig ist (vgl Berufungsschrift, Seite 3; Mitteilung der Staatsanwaltschaft vom 21. Februar 1994, Zl. 4 St 2497/92).

Es ist demnach davon auszugehen, daß diese Personen nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Wels als Täter des Fahrlässigkeitsdeliktes nach § 181 StGB anzusehen sind.

Warum die belangte Behörde trotz der Subsidiaritätsklausel nach § 137 Abs 7 WRG 1959 glaubte, noch weitere (andere) Täter eines fahrlässigen Erfolgsdeliktes aufgrund desselben Vorfalles verfolgen zu müssen, ist unklar geblieben und aus der Aktenlage nicht nachvollziehbar. Es kann nur vermutet werden, daß insofern ein Mißverständnis der belangten Behörde betreffend das Verhältnis des § 9 VStG zum fahrlässigen Erfolgsdelikt des § 137 Abs 3 lit d) iVm § 31 Abs 1 WRG 1959 ausschlaggebend war.

5. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. W e i ß

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