Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-260161/2/Wei/Bk

Linz, 30.11.1995

VwSen-260161/2/Wei/Bk Linz, am 30. November 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des Mag. A G, vom 18. November 1994 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 2.

November 1994, Zl. Wa 96-16/5-1993, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 137 Abs 3 lit g) Wasserrechtsgesetz 1959 - WRG 1959 (BGBl Nr. 215/1959 idF BGBl Nr. 252/1990) zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, der Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 21 Abs 1 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen.

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991, § 66 Abs 1 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis vom 2.

November 1994 hat die belangte Behörde den Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie sind als Geschäftsführer der A A G Gesellschaft Gesellschaft mbH, als der zur Vertretung nach außen Berufene strafrechtlich dafür verantwortlich, daß am 4. Februar und 11. Februar 1993 entgegen dem wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 26. Juli 1991, Wa-200100/17-1991/Hz/Fr, eine Einwirkung auf Gewässer vorgenommen worden ist, weil die Kühlwässer wärmer als die vorgeschriebene Höchsttemperatur von 18 Grad C gewesen ist." Dadurch erachtete die Strafbehörde den § 137 Abs 3 lit g) WRG 1959 als verletzte Rechtsvorschrift und verhängte nach dem Strafrahmen des § 137 Abs 3 WRG 1959 eine Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage). Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden S 1.000,-vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw am 11.

November 1994 zugestellt worden ist, hat die A A G GmbH, firmenmäßig gezeichnet von Mag. A G, die als Einspruch fehlbezeichnete Berufung vom 18. November 1994 eingebracht, die am 21. November 1994 - und damit rechtzeitig - bei der belangten Behörde einlangte.

Die in der Wir-Form verfaßte und nach dem äußeren Anschein für die nicht Parteistellung genießende A A G GmbH gezeichnete Berufung betrachtet der unabhängige Verwaltungssenat im Zweifel als für den Bw eingebracht, weil dieser der Beschuldigte ist und eigenhändig unterschrieben hat. Die Verwendung des Briefpapiers der Gesellschaft sowie die firmenmäßige Zeichnung kann mit geschäftlichen Gepflogenheiten erklärt werden. Im Zweifel darf ein Rechtsmittel nicht zum Nachteil des Rechtsmittelwerbers ausgelegt werden. Ein übertriebener Formalismus ist den Verwaltungsverfahrensgesetzen außerdem fremd.

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der nachstehende entscheidungswesentliche S a c h v e r h a l t :

2.1. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 26. Juli 1991, Wa-200100/17-1991/Hz/Fr, wurde der A A G GesmbH im Spruchpunkt II lit b) die wasserrechtliche Bewilligung zur Einleitung von Kühlwässern und näher bezeichneten Niederschlagswässern in den Fernbach sowie zur Errichtung und zum Betrieb der hiefür erforderlichen Anlagen gemäß den Projektsunterlagen unter Vorschreibungen erteilt.

Zum Inhalt der wasserrechtlichen Bewilligung wird in diesem Bescheid unter Spruchpunkt II., A), b), 1. festgelegt, daß thermisch belastete Kühlwässer in einer Menge von 720 m3/d bzw 8,3 l/s mit folgender Temperatur an der vorgesehenen Meßstelle in den Fernbach eingeleitet werden dürfen:

zwischen 1.11. und 31.3. 18 Grad C in der übrigen Zeit 23 Grad C.

2.2. Die F A A G Ges.m.b.H. hat der Wasserrechtsbehörde ein Temperaturmeßprotokoll über stichprobenartige Messungen im Zeitraum Dezember 1991 bis Februar 1993 vorgelegt. Aus diesem Protokoll geht für die Wasseraustrittstemperatur beim Meßpunkt 1 hervor, daß die Ableitungstemperatur von 18 Grad C im Winter meist und von 23 Grad C im Sommer regelmäßig überschritten wird. Die Überschreitungen bewegen sich sowohl im Winter als auch im Sommer im Bereich von 2 bis 3 Grad C. Der Wert von 25 Grad C wird nach diesen Aufzeichnungen auch im Sommer nie überschritten.

Mit Schreiben vom 1. März 1993 hat die Firma A A G Ges.m.b.H. zum Ansuchen auf Kollaudierung der Wasserrechtsbehörde verschiedene Mitteilungen gemacht. Dabei wurde auch die Optimierung des Kühlwasserverbrauches erläutert. Wie aus Aufzeichnungen der Gemeinde B hervorgehe, habe man in den Jahren 1990 und 1991 noch 933 m3/Tag bzw 902 m3/Tag und damit wesentlich mehr Kühlwasser pro Tag verbraucht. Im Jahr 1992 sei die Maschinenkapazität um 6 Spritzgußmaschinen erweitert worden, was natürlich einen erhöhten Kühlwasserverbrauch bedeutete. Wenn man diese Umstände bedenke, so sei doch die Optimierung des Kühlwasserverbrauches unterhalb der Konsensgrenze von 720 m3/Tag beachtlich. Durch die Reduzierung der Kühlwassermenge ergäbe sich aber - wie im übergebenen Temperaturmeßprotokoll ersichtlich - eine Erhöhung der Kühlwassertemperatur. Die Temperaturerhöhung des Baches sei nicht nur von der absoluten Einleittemperatur, sondern auch von der eingeleiteten Wärmemenge abhängig. Die Temperaturerhöhung des Baches habe jeweils maximal 1 Grad C betragen.

Der Amtssachverständige für Biologie erklärte dazu in seiner Stellungnahme vom 23. Juli 1993, daß bei verläßlicher Einhaltung des quantitativen Konsenses bis 8,3 l/s eine Aufwärmung des Fernbaches um mehr als 3 Grad C unwahrscheinlich sei. Eine wesentliche Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit sei aufgrund der Ableitung von rein thermisch belasteten Kühlwässern auch bei einer Änderung des qualitativen Konsenses nicht zu befürchten.

2.3. Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 10. Jänner 1994 hat die belangte Strafbehörde die Tatanlastung wie im Spruch ihres Straferkenntnisses vorgenommen. Vorgeworfen wurden die Termine 4. und 11. Februar 1993, für die sich aus dem Meßprotokoll eine Kühlwasseraustrittstemperatur von 21,5 und 18,5 Grad anstatt der zulässigen 18 Grad C ergibt. Die Bachtemperatur Meßpunkte 6 und 6' stieg dadurch am 4.

Februar 1993 lediglich von 3,5 auf 4 Grad C.

Zur Rechtfertigung legte der Bw mit Schreiben vom 28. Jänner 1994 eine Kopie des oben erwähnten Schreibens vom 1. März 1993 an die Wasserrechtsbehörde vor. Die Strafbehörde erließ in weiterer Folge das angefochtene Straferkenntnis und schätzte das monatliche Einkommen des Bw auf S 50.000,--, ohne daß diese Schätzung zuvor dem Parteiengehör unterzogen worden wäre.

2.4. In der Berufung wird ausgeführt, daß im Hinblick auf die Kostbarkeit des Grundwassers das Kühlsystem auf geringeren Verbrauch eingestellt worden wäre. Dies habe zur Überschreitung der höchstzulässigen Temperaturen in der Winterzeit um 1 bis 1 1/2 Grad C geführt. Die Gesamtenergiemenge der eingeleiteten Abwässer wäre aber wesentlich geringer gewesen. Zwischenzeitlich hätte auch die Wasserrechtsbehörde dem Rechnung getragen und den Wasserrechtsbescheid korrigiert.

Der Bw räumt ein, daß die Punkte des Bewilligungsbescheides nicht voll erfüllt wurden, meint jedoch, daß durch die Verringerung der Wassermenge ein wesentlicher Beitrag geleistet wurde, die Resource Grundwasser zu schonen. Auch in Anbetracht der zwischenzeitlichen Abänderung des Bescheides wird ersucht, von der Strafe abzusehen.

2.5. Die belangte Strafbehörde hat ihren Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, daß der entscheidungswesentliche Sachverhalt hinreichend geklärt erscheint und nicht bestritten worden ist. Eine Berufungsverhandlung war daher entbehrlich.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Der Bw, der gemäß § 9 Abs 1 VStG als handelsrechtlicher Geschäftsführer für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch die A A G GmbH verantwortlich ist, hat nicht den Schuldspruch bekämpft. Er sieht vielmehr ein, daß der qualitative Konsens der wasserrechtlichen Bewilligung vom 26. Juli 1991 hinsichtlich der vorgeschriebenen Kühlwassertemperatur zur Einleitung in den Fernbach im Spruchpunkt II., A), 2., b) nicht eingehalten wurde, weil unter anderem am 4. und 11. Februar 1993 die für die Winterzeit (1. November bis 31. März) vorgeschriebene Höchsttemperatur von 18 Grad C an der Meßstelle überschritten worden ist. Dementsprechend hat er grundsätzlich die Verwaltungsübertretung nach § 137 Abs 3 lit g) WRG 1959 zu verantworten, wonach strafbar ist, wer entgegen einer wasserrechtlichen Bewilligung gemäß § 32 Abs 1 und 2 WRG 1959 eine Einwirkung auf Gewässer vornimmt.

Der Bw ist allerdings der Ansicht, daß auch im Hinblick auf die zwischenzeitliche Änderung des Konsenses zur Ableitungstemperatur im Sinne der A A G GmbH durch die Wasserrechtsbehörde ein Absehen von der Strafe angebracht wäre. Obwohl dieser Umstand nicht aktenkundig ist, folgt der erkennende Verwaltungssenat dieser Darstellung, zumal die bekannte Aktenlage darauf hindeutet und die belangte Strafbehörde dem Vorbringen des Bw auch nichts entgegnet hat.

4.2. Zum Absehen von der Strafe nach § 21 Abs 1 VStG:

Von der Verhängung einer Strafe kann abgesehen werden, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind.

Das Verschulden des Täters ist gering, wenn das tatbildmäßige Verhalten hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. A [1990], 814 ff, E 7, 8 und 23a zu § 21 VStG; Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A, § 42 Rz 14). Nach der Judikatur des OGH zum vergleichbaren § 42 StGB muß die Schuld absolut und im Vergleich zu den typischen Fällen der jeweiligen Deliktsverwirklichung geringfügig sein (vgl ua EvBl 1989/189 = JBl 1990, 124; SSt 55/59; SSt 53/15; SSt 51/21). Maßgebend ist zum einen der das Unrecht mitbestimmende Handlungsunwert und zum anderen der Gesinnungsunwert, der das Ausmaß der deliktstypischen Strafzumessungsschuld ebenso entscheidend prägt (vgl Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A, § 42 Rz 14 f mwN). Der Aspekt des Erfolgsunwerts wurde im § 21 Abs 1 VStG ebenso wie im § 42 StGB unter dem Merkmal "unbedeutende Folgen der Tat" verselbständigt.

Im gegebenen Fall können die beiden angelasteten Überschreitungen der konsentierten Kühlwassertemperatur von 18 Grad C am 4. Februar 1993 um 2,5 auf 21,5 Grad C und am 11. Februar 1993 um 0,5 auf 18,5 Grad C schon vom Unrechtsgehalt nur als gering angesehen werden. Die Bachtemperatur ist deshalb in völlig unbedeutendem Ausmaß gestiegen. Der Amtssachverständige für Biologie sieht bei Einhaltung des quantitativen Konsenses selbst bei einer Ableitungstemperatur von 25 Grad C keine wesentliche Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit. Schon daraus folgt, daß die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen keine nachteiligen Folgen hatten.

Aber auch das Verschulden ist atypisch gering. Der nach der Aktenlage unbescholtene Bw hat die Konsenswidrigkeit grundsätzlich eingesehen und sich geständig verantwortet. Er bekannte sich zu der im Betrieb der A A G GmbH durchgeführten Optimierung des Kühlwasserverbrauches, um weniger Grundwasser beanspruchen zu müssen. Die Reduktion der Quellwasserentnahme entspricht durchaus den öffentlichen wasserwirtschaftlichen Interessen. Es ist dabei die unwiderlegte Berufungsbehauptung zu berücksichtigen, daß trotz der leicht gestiegenen Kühlwassertemperatur die durch die geringere Kühlwassermenge insgesamt abgeleitete Gesamtenergiemenge geringer geworden ist. Da der Amtssachverständige auch keine Bedenken gegen eine Änderung des qualitativen Konsenses hatte, hat die Wasserrechtsbehörde mittlerweile die Bewilligung entsprechend im Sinne einer höheren Ablauftemperatur geändert. Daraus ist ersichtlich, daß der Bw trotz formaler Überschreitung der ursprünglichen Temperaturbegrenzungen ökologisch verantwortungsvoll gehandelt hat. Das Verschulden an der Überschreitung kann nur als marginal angesehen werden.

Nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenates lagen daher die Voraussetzungen für die Anwendung des § 21 Abs 1 VStG vor. Von der aus spezialpräventiven Gründen vorgesehene Ermahnung im § 21 Abs 1 Satz 2 VStG konnte abgesehen werden, zumal sich der Bw ohnehin einsichtig zeigte und schon im Hinblick auf den geänderten wasserrechtlichen Konsens keine weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art zu erwarten sind.

5. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. W e i ß

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