Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-260182/5/Wei/Bk

Linz, 21.05.1996

VwSen-260182/5/Wei/Bk Linz, am 21. Mai 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung der T K H, vom 23. August 1995 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 8. August 1995, Zl. Wa 96-12-1994, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 137 Abs 2 lit l) Wasserrechtsgesetz 1959 - WRG 1959 zu Recht erkannt:

I. Aus Anlaß der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 2 VStG eingestellt.

II. Die Berufungswerberin hat keine Beiträge zu den Kosten des Strafverfahrens zu bezahlen.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991, §§ 64 ff VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis vom 8. August 1995 hat die belangte Behörde die Berufungswerberin (Bwin) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Mit rechtskräftigem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau wurde Ihnen aufgetragen, den auf dem Gst.Nr. KG H, Gde. H, im H-Bereich der M errichteten Zaunsockel zu entfernen. Dieser Verpflichtung sind Sie zumindest bis 15.5.1995 nicht nachgekommen.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 137 Abs. 2 lit. l iVm § 38 Abs. 1 WRG 1959" Wegen der so umschriebenen Verwaltungsübertretung verhängte die belangte Strafbehörde "gemäß § 137 Abs. 2 lit. l iVm § 38 Abs. 1 WRG 1959" eine Geldstrafe von S 1.000,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden S 100,-- vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das der Bwin am 14.

August 1995 durch Hinterlegung am Zustellpostamt zugestellt wurde, richtet sich die als Einspruch fehlbezeichnete Berufung vom 23. August 1995, die am 25. August 1995 - und damit rechtzeitig - zur Post gegeben wurde. In der Berufung wird sinngemäß die Schuldfrage bekämpft und erschließbar die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses beantragt.

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der nachstehende wesentliche S a c h v e r h a l t :

2.1. Mit dem Schreiben der Innbauleitung B vom 16. November 1963, Zl. 180/31-1963-Mt/Hi, wurde der belangten Behörde aus Anlaß von Beschwerden wegen Betonzaunerrichtung und Geländeanschüttung im Hochwasserabflußbereich der M mitgeteilt, daß sich das 1948 errichtete Anwesen der Ehegatten K auf der Grundparzelle der KG H am rechten Ufer des M der N in H im Abstand von rund 20 m befände und daß es nach den Eintragungen in der Katastermappe beim Gemeindeamt H sowohl im Hochwasserabfluß 1954 und 1958 läge. Eine wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung des Hauses im Hochwasserabflußbereich der M läge nicht vor. Nach Beschreibung der Lage weiterer Anwesen wird ausgeführt, daß eine 22 m breite Rasenmulde zwischen den Anwesen K (H 12) und B (H 13) bis zur Errichtung der nördlich in dieser Mulde auf den Parzellen und gelegenen Anwesen K und des 1951 erbauten Hauses der A (H Nr. 82) im Hochwasserfalle Erleichterungen gebracht hätte.

Das Grundstück K wäre auf das Niveau des geschotterten Fahrweges am rechten Ufer des M, der um rund 20 cm höher als die Mulde läge, aufgefüllt und an der West- und Südseite durch einen Maschenzaun auf einem durchgehenden Betonsockel umgeben worden. Dieser Zaunsockel hätte parallel zum Fahrweg in Fließrichtung des Hochwassers eine Höhe von 1/2 m über der Fahrbahn und eine Länge von rund 16 m. Auch diese Säulen wären wie der Sockel aus Beton und mit Kalksteinen verkleidet. Quer zur Fließrichtung des Hochwassers besäße der Zaunsockel eine Höhe von maximal 40 cm und verliefe gegen Osten hin mit dem Gelände. Der Zaunsockel wäre 20 cm stark. Anschließend daran befände sich ein altersschwacher Holzzaun und wären Gartenbeete mit Betonmauern eingefaßt.

Abschließend stellte die Innbauleitung resumierend fest, daß durch die Errichtung des Anwesens K und des Hauses H Nr. 82, die Aufschüttung der Grundparzelle auf das Niveau der Zufahrtsstraße und die Einfassung des Grundstückes an zwei Seiten mit Betonmauern (gemeint ist wohl der Betonsockel des zuvor näher beschriebenen Maschenzaunes) die Hochwasserabflußverhältnisse wesentlich und nachteilig verändert worden wären. Die der belangten Behörde vorgeschlagenen ausgleichenden Maßnahmen wurden in der Folge ungenau und unklar wie folgt beschrieben:

"Die Zäune außerhalb des Stromschattens westlich des Anwesens K sind zu entfernen. Die Anschüttung westlich der Westfront des Hauses K ist bis auf das Niveau des ursprünglichen Bodens zu beseitigen. Die Fahrbahn des Zufahrtsweges ist soweit zu erniedrigen, daß ankommendes Hochwasser ungehindert gegen Norden abfließen kann." Schließlich wurde darauf hingewiesen, daß diese Maßnahmen den ursprünglichen Zustand nicht wieder herstellen könnten, da dies wegen der Bauten inmitten der Mulde im Hochwasserabflußbereich unmöglich wäre. Der bestehende Zustand würde nur verbessert werden, eine Verschlechterung der Hochwasserabflußverhältnisse bliebe jedoch bestehen.

2.2. Mit Bescheid vom 8. Mai 1964, Zl. Wa-0510, erließ die belangte Behörde unter Berufung auf das Gutachten der Wasserbauverwaltung, Innbauleitung (Sachverständigendienst), und auf einen Lokalaugenschein vom 4. Mai 1964 folgenden auszugsweise wiedergegebenen "S p r u c h Gemäß §§ 38, 39, 98, 105, 112 WRG 1959 haben die Eheleute F und T K, Hausbesitzer in H, H, die unbefugten Maßnahmen, die den Hochwasserabfluß nachteilig beeinträchtigen, bis 15. Juli 1964 wieder zu beseitigen, sodaß der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt erscheint.

Die durchzuführenden Maßnahmen sind:

1.) Entfernung aller Zäune, außerhalb des Stromschattens, westlich des Anwesens, bezw. dieselben ohne Sockel abhebbar zu gestalten.

2.) Beseitigung der Anschüttung westlich der Westfront des Anwesens bis auf das ursprüngliche Niveau, sodaß die Hochwässer aus dem Rest der früheren Mulde ungehindert abfließen können.

3.) Erniedrigung der Fahrbahn des Zufahrtsweges auf eine Höhe, daß ankommende Hochwässer ungehindert gegen Norden abfließen können.

4.) Aus Gründen der Zweckmäßigkeit ist das Einvernehmen mit der Wasserbauverwaltung (Innbauleitung) B herzustellen.

Für alle, aus diesen unbefugten Maßnahmen sich ergebenden Schäden besteht eine Schadenersatzpflicht im Sinne § 26 WRG 1959.

Sollten die aufgetragenen Maßnahmen bis zum vorangeführten Termin nicht zur Gänze durchgeführt worden sein, wird die Durchführung nach den Bestimmungen des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes veranlaßt werden.

Einer allfällig einzubringenden Berufung wird gemäß § 64 Absatz 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt." 2.3. Mit dem in Kopie vorgelegten Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 27. Juni 1969, Zl. 56.343-I/1/69 wurde die Berufung von F und T K gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 25. April 1969, Zl. 1727/2-1969/Ob, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Aus der Begründung dieses Bescheides geht hervor, daß der Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheid vom 29. März 1966, Zl. Wa-1706/2-1965, der Berufung gegen den oben bezeichneten Bescheid der belangten Behörde vom 8. Mai 1964 keine Folge gegeben hatte. Die gegen die Berufungsentscheidung eingebrachte Berufung wies der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft mit Bescheid vom 7. März 1968, Zl. 94.670-I/1/66, ab.

Mit Bescheid vom 19. Mai 1967, Zl. Wa-0510, erteilte die belangte Behörde die wasserrechtliche Bewilligung für das bereits errichtete Wohnhaus und den bestehenden Betonzaun und für die Ausführung des geplanten Zubaus. Über Berufung der Anrainer J und A B erteilte der Landeshauptmann von Oberösterreich die wasserrechtliche Bewilligung für das Wohnhaus und den geplanten Zubau unter Auflagen, nicht jedoch für den Zaun wegen bereits entschiedener Sache. Die Berufung wies der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft mit dem oben bezeichneten Bescheid vom 27.

Juni 1969 zurück. Begründend wurde ausgeführt, daß der Entfernungsauftrag der belangten Behörde vom 8. Mai 1964, Zl. Wa-0510, durch die Vorentscheidung des Bundesministers in Rechtskraft erwachsen ist.

2.4. Am 29. Juni 1993 führte die belangte Behörde aufgrund der Beschwerde von J und E K einen Lokalaugenschein durch, bei dem der vermutliche Hochwasserablauf erörtert wurde.

Dabei ist von einer gegenständlichen Betongartenmauer an der Grundgrenze zum Wohnhaus H 66, die die Mulde abriegelt, die Rede. In Fließrichtung (des Hochwassers) abwärts befänden sich zwei weitere Zäune, deren Betonfundamente jedoch nur bis zum Niveau der angrenzenden Gemeindestraße reiche. Die Hochwässer uferten bereits abwärts der Schwemmbachmündung rechtsuferig aus. Der Großteil des Hochwasserabflusses der M flössen aufwärts der N linksuferig und folgten dort der Tiefenlinie.

Die Gartenmaueroberkante liege rund 10 cm über dem Niveau der Gemeindestraße, die etwa 1986 neu asphaltiert wurde. Bei einem Absenken der Mauer würde die ebenfalls über der Hochwassermulde liegende Gemeindestraße als natürliche Barriere wirken. Die Ehegatten K forderten zur Verbesserung des Hochwasserabflusses ein Absenken der Mauer bis auf die Höhe der Rasenfläche (mind. 20 cm).

Mit Schreiben vom 8. Juli 1993 wurde der Bwin die Ersatzvornahme angedroht. Weitere behördliche Maßnahmen im Vollstreckungsverfahren sind nicht aktenkundig.

2.5. Mit Strafverfügung vom 22. Mai 1995, Zl. Wa 96-12-1994, wurde der Bwin folgende Verwaltungsübertretung zur Last gelegt:

"Errichtung eines Zaunsockels an der Grundstücksgrenze zum Gst. Nr. KG H, Marktgemeinde H, im -Bereich der M, zumindest bis 15.5.1995, ohne hiefür die gemäß § 38 (1) WRG 1959 erforderliche wasserrechtliche Bewilligung zu besitzen" Dadurch erachtete die belangte Strafbehörde den § 137 Abs 2 lit e) WRG 1959 iVm dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 8. Mai 1964, Wa-0510, und des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft vom 27.6.1969, Zl. 56.343-I/1/69, als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte eine Geldstrafe von S 1.000,-(Ersatzfreiheitsstrafe 3 Stunden).

Gegen diese Strafverfügung brachte die Bwin mit Schreiben vom 20. Juni 1995 unter Hinweis auf eine Regulierung der M rechtzeitig Einspruch ein. In einer Stellungnahme des Gewässerbezirks B vom 6. Juli 1995, Zl.-160000/160-1995/Sa, wird betont, daß die M weder in H noch flußaufwärts reguliert worden wäre, weshalb die Hochwassergrenzen 1954 aufrecht blieben. Diese Grenzen wäre auch beim Hochwasser 1991, einem ebenfalls 30-jährlichen Ereignis, bestätigt worden. Eine gewisse Verbesserung der Hochwassersituation habe sich durch das Rückhaltebecken T am S ergeben. Der gegenständliche Bereich liege mehr im Einflußbereich der hochwässer. Der gegenständliche Zaunsockel befinde sich noch innerhalb des 30-jährlichen Hochwassers und stelle - wie bereits beim Lokalaugenschein festgestellt - ein Abflußhindernis dar.

Daraufhin erließ die belangte Strafbehörde das angefochtene Straferkenntnis vom 8. August 1995.

2.6. In der Berufung gegen das Straferkenntnis behauptet die Bwin, daß wegen geänderter Abflußverhältnisse durch das Rückhaltebecken T die Hochwasserabflußverhältnisse für den Raum U "neu überrechnet werden". Wegen dieser geänderten Situation läge sie unter Umständen nicht mehr im Hochwasserabflußbereich der M. Deshalb bittet die Bwin das Berechnungsergebnis abzuwarten. Sie werde nach Vorliegen der geänderten Abflußverhältnisse eine Wiederaufnahme beantragen. Sie bitte auch von einer neuerlichen Strafvorschreibung Abstand zu nehmen.

2.7. Die belangte Strafbehörde hat zunächst nur Aktenteile zur Berufungsentscheidung vorgelegt und über h. Veranlassung Ablichtungen des Schreibens der Innbauleitung B vom 16.

November 1993, des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft B vom 8. Mai 1964 und des Bescheides des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft vom 27. Juni 1969 ergänzend übermittelt. Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorliegenden Verwaltungsakten festgestellt, daß das angefochtene Straferkenntnis bereits nach der Aktenlage aufzuheben ist.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 137 Abs 2 lit l) WRG 1959 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist nach dem Einleitungssatz, sofern die Tat nicht nach Abs 3, 4 oder 5 einer strengeren Strafe unterliegt, mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,-zu bestrafen, wer entgegen § 38 besondere bauliche Herstellungen ohne wasserrechtliche Bewilligung vornimmt.

§ 38 Abs 1 WRG 1959 sieht ua eine wasserrechtliche Bewilligungspflicht für die Errichtung und Abänderung von Brücken, Stegen, Uferbauten und anderen Anlagen innerhalb der Grenzen des Hochwasserabflusses fließender Gewässer vor.

Unter Anlagen iSd § 38 WRG 1959 versteht der Verwaltungsgerichtshof alles, was durch die Hand des Menschen "angelegt", also errichtet wird (vgl VwSlg 5070 A/1959; VwGH 11.6.1991, 90/07/0107; VwGH 29.6.1995, 94/07/0071). Auch Anschüttungen entlang des Ufers fließender Gewässer fallen unter diesen weiten Anlagenbegriff (vgl näher Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht [1993], Rz 2 zu § 38 WRG). Ebenso zählen Zäune, Mauern oder Betonsockel zu derartigen Anlagen.

Gemäß § 38 Abs 3 WRG 1959 gilt als Hochwasserabflußgebiet das bei 30jährlichen Hochwässern überflutete Gebiet. Auch insofern bestehen für das gegenständliche Gebiet nach den aktenkundigen Ausführungen der Amtssachverständigen keine Zweifel.

4.2. Die belangte Strafbehörde hat die Rechtslage mehrfach verkannt. Die konsenslose bauliche Herstellung erfolgte im vorliegenden Fall bereits im Jahre 1963 oder sogar noch früher (vgl Schreiben der Innbauleitung vom 16.11.1963). Aus diesem Grund ist hinsichtlich des Zustandsdelikts nach § 137 Abs 2 lit l) WRG 1959 längst Strafbarkeitsverjährung eingetreten. Das Bestehenlassen des konsenslosen Zustandes ist nicht Gegenstand des Straftatbestandes und damit auch kein strafbares Verhalten.

Wie der erkennende Verwaltungssenat bereits wiederholt mit ausführlicher Begründung dargelegt hat (vgl VwSen-260109 vom 21.03.1995; VwSen-260173 vom 18.3.1996), betrifft die von der allgemeinen Vorschrift des § 31 Abs 1 und 2 VStG abweichende Regelung des § 137 Abs 9 Satz 2 WRG 1959 (früher § 137 Abs 4 WRG 1959), wonach die Verjährung bei konsensloser Errichtung oder Änderung einer Wasseranlage erst nach Beseitigung des konsenslosen Zustandes beginnt, nur die Frage der Verfolgungsverjährung. Die Strafbarkeitsverjährung des § 31 Abs 3 Satz 1 VStG bleibt davon unberührt. Deshalb kann für eine mehr als drei Jahre zurückliegende Herbeiführung eines konsenswidrigen Zustandes keine Strafe wegen der Begehung eines Zustandsdeliktes verhängt werden.

Der Rückgriff der belangten Strafbehörde auf § 137 Abs 2 lit l) WRG 1959 zur Begründung der Strafbarkeit der Bwin war daher nicht möglich. Allerdings hat die Strafbehörde im angefochtenen Straferkenntnis auf einen Verstoß gegen ihren rechtskräftigen Bescheid vom 8. Mai 1964, Zl. Wa-0510, mit dem ein Entfernungsauftrag erteilt wurde, hingewiesen. Der Sache nach hat sie damit eine Verwaltungsübertretung nach dem § 137 Abs 4 lit i) WRG 1959 vorgeworfen. Auch wenn der erwähnte Bescheid der belangten Behörde den § 138 Abs 1 WRG 1959 nicht ausdrücklich als Rechtsgrundlage nennt, bildet diese Vorschrift dennoch die entscheidende Grundlage für die damals erteilten wasserpolizeilichen Aufträge.

4.3. Gemäß § 137 Abs 4 lit i) WRG 1959 begeht eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht nach Abs 5 einer strengeren Strafe unterliegt, und ist mit einer Geldstrafe bis zu S 250.000,-- zu bestrafen, wer einem ihm gemäß § 138 Abs 1 erteilten Auftrag zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes nicht nachkommt.

Nach dem gegenständlich relevanten § 138 Abs 1 lit a) WRG 1959 ist derjenige, der die Bestimmungen des WRG 1959 übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen.

Unter eigenmächtig vorgenommenen Neuerungen gemäß dem § 138 Abs 1 lit a) WRG 1959 sind (auch aufrechterhaltene) bewilligungslose Maßnahmen zu verstehen, die entweder einer Bewilligung nach dem Wasserrechtsgesetz bedürfen oder die gar nicht bewilligungsfähig sind (vgl dazu im einzelnen mit zahlreichen Judikaturnachweisen Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht [1993], 577 Rz 6 zu § 138 WRG). Auch bauliche Herstellungen im Sinne der §§ 38, 41 WRG 1959 fallen darunter. Im Hochwasserabflußbereich errichtete bauliche Herstellungen sind solche bewilligungspflichtige Anlagen im Sinne des § 38 WRG 1959.

Der wasserpolizeiliche Auftrag im Sinne des § 138 Abs 1 WRG 1959 ist unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht demjenigen zu erteilen, der die Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes übertreten hat. Adressat für eine Leistungsverpflichtung ist regelmäßig der Anlagenbetreiber (Eigentümer oder verfügungsberechtigter Dritter; näher dazu Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht, 587 Rz 19 f zu § 138 WRG).

Bei der gegenständlich unstrittigen Nichterfüllung des bescheidförmigen Entfernungsauftrages handelt es sich um ein Unterlassungsdelikt mit der Wirkung eines Dauerdeliktes, bei dem auch die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustandes pönalisiert wird. Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 31 Abs 2 VStG erst ab dem Zeitpunkt zu laufen, mit dem das strafbare Verhalten aufgehört hat. Dies gilt nach § 31 Abs 3 Satz 1 VStG auch für die Strafbarkeitsverjährung. Die Verjährung im umfassenden Sinne beginnt daher solange nicht, als die Verpflichtung besteht und die Handlung noch nachgeholt werden kann (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. A [1990], 867, Anm 4 zu § 31 VStG). Die belangte Strafbehörde konnte daher die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses noch andauernde Nichterfüllung des erteilten wasserpolizeilichen Auftrages vom 8. Mai 1964 ohne Verjährungsproblem vorwerfen. Dennoch erfolgte die Tatanlastung aus den folgenden Gründen nicht zu Recht.

4.4. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen nach dem § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, daß eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit den Erk verstärkter Senate VwSlg 11466 A/1984 und VwSlg 11894 A/1985). Im Bescheidspruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine konkrete Umschreibung lediglich in der Begründung reicht nicht aus (vgl näher Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. A [1990], 939 f).

Diese Anforderungen gelten in gleicher Weise für bescheidförmige Auflagen, Aufträge oder Anordnungen, deren Gebote oder Verbote zum Gegenstand eines Straftatbestandes gehören. Ihr Inhalt bildet nämlich einen Teil der verweisenden Strafnorm. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher wiederholt ausgesprochen, daß es für die spruchmäßige Zuordnung des Tatverhaltens der ausdrücklichen bescheidmäßigen Bezeichnung und der wörtlichen Anführung solcher Auflagen bedarf, die einen Teil der Strafnorm bilden (vgl etwa VwGH 25.4.1995, 93/04/0112; VwGH 20.9.1994, 94/04/0041; VwGH 26.4.1994, 93/04/0244; VwGH 29.3.1994, 93/04/0255; VwGH 19.6.1990, 89/04/0249; ferner VwGH 22.12.1987, 87/07/0135). *g*+ Im Hinblick auf das strenge strafrechtliche Gesetzlichkeitsprinzip (nullum crimen sine lege) müssen bescheidförmige Auflagen oder Aufträge, die einen Blankettstraftatbestand inhaltlich ausfüllen, so klar gefaßt sein, daß sie dem Verpflichteten zweifelsfrei die Grenzen des erlaubten Verhaltens und damit den Unrechtsgehalt der Zuwiderhandlung erkennen lassen (vgl bereits VwSlg 9979 A/1979; VwGH 27.3.1990, 89/04/0119; VwGH 25.2.1993, 92/04/0164; VwGH 23.5.1995, 95/04/0035).

4.5. Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses weicht vom zweifelhaften Inhalt des Entfernungsauftrages im Bescheid der belangten Behörde vom 8. Mai 1994, Zl. Wa-0510, wesentlich ab. Dieser wasserpolizeiliche Auftrag ist derart mangelhaft und undeterminiert geblieben, daß er nach den Kriterien der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als Grundlage für ein mit Strafe bedrohtes Gebot in Betracht kommen kann.

Die den angelasteten Sachverhalt betreffende Passage im bezeichneten Bescheid lautet:

"S p r u c h Gemäß §§ 38, 39, 98, 105, 112 WRG 1959 haben die Eheleute F und T K, Hausbesitzer in H, H, die unbefugten Maßnahmen, die den Hochwasserabfluß nachteilig beeinträchtigen, bis 15. Juli 1964 wieder zu beseitigen, sodaß der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt erscheint.

Die durchzuführenden Maßnahmen sind:

1.) Entfernung aller Zäune, außerhalb des Stromschattens, westlich des Anwesens, bezw. dieselben ohne Sockel abhebbar zu gestalten. ......." Entgegen der Tatanlastung im angefochtenen Straferkenntnis durch die belangte Strafbehörde enthält der zugrundeliegende Entfernungsauftrag keine genauen örtlichen Angaben. Es ist nur allgemein von der Gemeinde H und von der Ortschaft H die Rede. Weder im Spruch noch in der Begründung wird eine nähere örtliche Bezeichnung durch Angabe der Hausnummer oder einer Grundstücksnummer samt Katastralgemeinde vorgenommen.

Auch von der Entfernung eines bestimmten Zaunsockels, der im Schreiben der Innbauleitung vom 16.11.1963 durchaus hinreichend bezeichnet wurde, ist keine Rede. Vielmehr wird pauschal und in einer nicht nachvollziehbaren Weise auf die "Entfernung aller Zäune, außerhalb des Stromschattens, westlich des Anwesens" abgestellt und alternativ eine Gestaltung ohne Sockel zugelassen, obwohl nur die Beseitigung, nicht aber eine Abänderung der eigenmächtigen Neuerung vorgeschrieben werden darf (vgl dazu mN Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht [1993], Rz 8 zu § 138 WRG). Dazu kommt noch ein bedeutsamer aktenkundiger Widerspruch, den die belangte Strafbehörde mit keinem Wort gewürdigt hat.

Während das Straferkenntnis das Grundstück Nr. der KG H nennt, liegt nach dem Schreiben der Innbauleitung B vom 16.

November 1963 das Anwesen K auf der Grundparzelle der KG H.

Die im Instanzenzug ergangenen Bescheide haben ohne Spruchänderung den mit Bescheid vom 8. Mai 1964 erteilten wasserpolizeilichen Auftrag der belangten Behörde bestätigt.

Wie etwa die Begründung des ergänzend vorgelegten Zurückweisungsbescheides des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 27. Juni 1969 und die Darstellung der belangten Behörde im Lokalaugenscheinprotokoll vom 29. Juni 1993, Zl. Wa-0216/05-1992, zeigen, wurde der Spruch des Bescheides vom 8. Mai 1964 immer wieder zwecks Erzielung einer inhaltlichen Genauigkeit vom tatsächlichen Wortlaut abweichend und damit verändert wiedergegeben. Eine solche Vorgangsweise war schon deshalb unzulässig, weil weder der Präambel noch der Begründung des genannten Bescheides irgendwelche Hinweise für eine klarstellende Auslegung des Spruches zu entnehmen sind (vgl zu dieser Bedeutung der Begründung mwN Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, 6.

A [1995], Rz 419). Vielmehr hätte nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenates die den Anforderungen einer Ersatzvornahme im Vollstreckungsverfahren entsprechende Bestimmtheit iSd § 59 AVG durch die Bescheide der Oberbehörden hergestellt werden müssen.

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat bereits wiederholt ausgesprochen, daß die Abänderung oder ergänzende Klarstellung einer inhaltlich unzureichenden Auflage oder eines solchen Auftrages durch eine strafbehördliche Tatanlastung unzulässig ist (vgl VwSen-221228 vom 23.5.1995; VwSen-230306 vom 9. Juni 1995).

Die Strafbehörde ist nicht befugt, ein bescheidförmiges Gebot oder Verbot, das einen Blankettstraftatbestand ausfüllt, eigenmächtig umzugestalten und für ihre Zwecke im Wege einer ergänzenden oder abändernden Normsetzung zu adaptieren.

5. Im Ergebnis war das angefochtene Straferkenntnis wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben und hinsichtlich der Verwaltungsübertretung nach § 137 Abs 2 lit l) WRG 1959 aufgrund eingetretener Strafbarkeitsverjährung und hinsichtlich der Verwaltungsübertretung nach § 137 Abs 4 lit i) WRG 1959 im Hinblick auf die qualifizierte Undeutlichkeit des wasserpolizeilichen Auftrages, sohin gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 2 VStG einzustellen. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. W e i ß

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