Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280011/13/Schi/Ka

Linz, 22.03.1995

VwSen-280011/13/Schi/Ka Linz, am 22. März 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schieferer über die Beschwerde der I W, wegen Verletzung subjektiver Rechte gemäß § 88 Sicherheitspolizeigesetz - SPG bzw wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 21.1.1994 durch Organe der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

Rechtsgrundlagen:

§ 88 Abs.2 und 4 Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl.Nr.

566/1991; Art.129 Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z2 und § 67c Abs.3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991
Begründung:

1.1. Die Beschwerdeführerin (im folgenden: Bf) hat vertreten durch ihren Ehegatten M W - per Telefax am 25.1.1994 eine Beschwerde "gemäß § 88 sowie § 89 des SPG" beim O.ö. Verwaltungssenat eingebracht. Eingangs führt die Bf aus, daß sie im Hause A, das Etablissement "W", betreibe; dabei handle es sich um eine private Zimmervermietung für Sextourismus. Nach näherer Beschreibung der Tätigkeit, in der ua dargelegt wird, daß auch Ausländerinnen dort die Prostitution ausüben, führt sie aus:

"Am 21.1.1994 erschienen nachmittags zwei Gendarmeriebeamte in Zivil in meiner Linzer Wohnung bzw vor der Haustüre, als ich gerade in Begleitung meines Ehegatten mit dem PKW wegfahren wollte. Zuvor war ich von einem Gendarmeriebeamten glaublich namens B telefonisch angerufen worden, welcher die Mädchen zuvor offenbar vernommen hatte und mir erklärte, meine Sachverhaltsdarstellung genüge ihm nicht, er brauche mich zur Einvernahme, worauf ich erklärte, er solle mir eine Ladung schicken. In Gegenwart meines Mannes erfaßte mich einer der Beamten, als ich gerade in das Auto einsteigen wollte, brutal an meinen Armen und hielt mich fest. Auf meine Frage, ob ich festgenommen oder verhaftet sei, erklärte man mir, dem sei nicht so, man brauche nur meine Aussage und ich möge zum Gendarmerieposten Thalheim/Wels mitfahren. Ich erklärte, daß ich nicht mehr aussagen könne, wie in meiner Sachverhaltsdarstellung vom 20.1.1994. Über Anraten meines Ehemannes fuhr ich jedoch mit. Als ich während der Fahrt erklärte, ich würde ohnedies keine Aussage mehr machen, brachte man mich nicht nach Thalheim sondern zum nähergelegene Gendarmerieposten Traun.

Dort wurde ich angeblich aufgrund eines mündlichen Haftbefehles, welcher von den Beamten erwirkt wurde, um ihr Verhalten zu legalisieren, verhaftet und in der Folge in das Gefangenenhaus des LG Linz überstellt. Meiner Meinung nach habe ich einen gesetzlichen Anspruch auf eine schriftliche Ladung unter Anführung des Einvernahmethemas sowie der Deklarierung, als was ich vorgeladen werde. Die hinterhältige Aktion der Gendarmeriebeamten beatrachte ich als Entführung im Sinne des § 102 StGB, zumindest als Freiheitsberaubung gemäß § 99 StGB. Es ist eine ungesetzliche und arglistige Vorgangsweise, wenn mir eine beabsichtigte Einvernahme vorgetäuscht wurde, um mich zum Einsteigen in das Gendarmerieauto zu veranlassen, um mich ohne Haftbefehl und ohne eine Festnahme ausgesprochen zu haben, unbegründet in meiner persönlichen Freiheit einzuschränken. Außerdem war der Beamte nicht berechtigt, mich an den Armen festzuhalten und mich am Einsteigen in mein Auto zu hindern, ohne einen richterlichen Haftbefehlt vorweisen zu können. Einen Amtsmißbrauch gemäß § 302 StGB erblicke ich darin, daß Gendarmeriebeamte so gegen mich vorgegangen sind, ohne im Stadtgebiet Linz hiezu berechtigt zu sein. Ich beantrage daher: a) disziplinäre Maßnahmen enzuleiten, b) die Rechtswidrigkeit und die Verletzung meiner subjektiven Rechte festzustellen.

Beweis: M W, L als Zeuge.

Kopien ergehen: 1.) an die Staatsanwaltschaft Linz als Sachverhaltsdarstellung mit Privatbeteiligtenanschluß 2.) an das Landesgendarmeriekommando für O.ö.

Linz, 25.1.1994 I W." 1.2. Um den relevanten Sachverhalt festzustellen sowie insbesondere eine allenfalls belangte Behörde zu ermitteln, wurde jeweils eine Kopie dieser Beschwerde an das Landesgendarmeriekommando für Oberösterreich in 4010 Linz, Gruberstraße 35 sowie an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich, 4010 Linz, Nietzschestraße 33,mit dem Ersuchen um Stellungnahme sowie um allfällige Behandlung gemäß § 89 SPG übermittelt.

2. Das Landesgendarmeriekommando für Oö hat mit Schreiben vom 26.1.1995 unter Anschluß einer Kopie des gesamten Beschwerdeaktes eine Stellungnahme abgegeben; ebenso hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich, 4010 Linz, Nietzschestraße 33, mit Schreiben vom 10.3.1995 unter Anschluß des Haftbefehles des Landesgerichtes Linz vom 21.1.1994 - eine eingehende Stellungnahme dem O.ö.Verwaltungssenat zugeleitet. Danach ergibt sich in Verbindung mit den Ausführungen in der Beschwerde folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt.

2.1. Gegen die Bf als Betreiberin eines Etablissements für Sextourismus namens "W" oder "W" in A, wurden über Auftrag der Staatsanwaltschaft Linz vom 16.12.1993, Zl.4 UT 5722/93, Ermittlungen wegen des Verbrechens des Menschenhandels geführt. Schließlich wurde aufgrund des Antrages der Staatsanwaltschaft vom 21.1.1994 vom Landesgericht Linz, Zl.21Vr 129/94, 21 Ur25/94, durch die Richterin Dr. M ein schriftlicher Haftbefehl gegen die Bf erlassen. Die Bf war dringend verdächtig, das Verbrechen des Menschenhandels dadurch begangen zu haben, daß sie als Betreiberin des bezeichneten Etablissements (weibliche) Personen mit ausländischer Staatsbürgerschaft, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hatten, nämlich Frauen aus der Dominikanischen Republik und aus Thailand, der Prostitution zugeführt hat. Der Haftgrund war gemäß § 175 Abs.1 Z3 und 4 StPO in der Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr gelegen.

Aufgrund dieses gerichtlichen Auftrages wurde die Bf am 21.1.1994 um 16.30 Uhr vor dem Hause L, für festgenommen erklärt. Trotz der ausgesprochenen Festnahme versuchte die Bf ihr Fahrzeug zu öffnen, worauf sie unter Anwendung von Körperkraft daran gehindert werden mußte. Die Bf wurde sodann zum GP T gebracht und dort niederschriftlich einvernommen. Bereits zu Beginn der Einvernahme wurde der Bf der schriftliche Haftbefehl vom 21.1.1994 gegen Bestätigung übergeben. Nach Abschluß der Einvernahme wurde die Bf dem Landesgericht eingeliefert (21.1., 17.35 Uhr).

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

3.1. Gemäß § 67a Abs.1 Z2 AVG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein.

Nach § 67c Abs.3 AVG ist der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären, wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder als unbegründet abzuweisen ist.

Gemäß § 67d Abs.1 AVG ist dann, wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen ist oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben oder der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären ist, eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen.

Gemäß § 87 SPG hat jedermann Anspruch darauf, daß ihm gegenüber sicherheitspolizeiliche Maßnahmen nur in den Fällen und der Art ausgeübt werden, die dieses Bundesgesetz vorsieht.

Nach § 88 Abs.1 SPG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehlsund Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein (Art. 129a Abs.1 Z2 B-VG).

Zufolge Abs.2 dieses Paragraphen erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate außerdem über Beschwerden von Menschen, die behaupten, auf andere Weise durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sofern dies nicht in Form eines Bescheides erfolgt ist.

3.2. Gemäß § 89 SPG hat der unabhängige Verwaltungssenat, insoweit mit einer Beschwerde die Verletzung einer gemäß § 31 festgelegten Richtlinie behauptet wird, sie der zur Behandlung einer Aufsichtsbeschwerde in dieser Sache zuständigen Behörde zuzuleiten. Menschen, die in einer binnen sechs Wochen, wenn auch beim unabhängigen Verwaltungssenat eingebrachten Aufsichtsbeschwerde behaupten, beim Einschreiten eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes, von dem sie betroffen waren, sei eine gemäß § 31 erlassene Richtlinie verletzt worden, haben Anspruch darauf, daß ihnen die Dienstaufsichtsbehörde den von ihr schließlich in diesem Punkt als erwiesen angenommenen Sachverhalt mitteilt und sich hiebei zur Frage äußert, ob eine Verletzung vorliegt (Abs.2). Von einer Mitteilung (Abs.2) kann insoweit Abstand genommen werden, als der Bf schriftlich oder niederschriftlich erklärt, durch mündliche Äußerungen der Behörde klaglos gestellt worden zu sein (Abs.3).

Jeder, dem gemäß Abs.2 mitgeteilt wurde, daß die Verletzung einer Richtlinie nicht festgestellt worden sei, hat das Recht, binnen 14 Tagen die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates zu verlangen, in dessen Sprengel das Organ eingeschritten ist. Dasselbe gilt, wenn eine solche Mitteilung (Abs.2) nicht binnen drei Monaten nach Einbringung der Aufsichtsbeschwerde ergeht. Der unabhängige Verwaltungssenat hat festzustellen, ob eine Richtlinie verletzt worden ist (Abs.4). Im Verfahren gemäß Abs.2 vor dem unabhängigen Verwaltungssenat sind die §§ 67c bis 67g AVG sinngemäß sowie § 88 Abs.5 SPG anzuwenden. Der unabhängige Verwaltungssenat entscheidet durch eines seiner Mitglieder (Abs.5).

3.3. Zu § 88 Abs.1 SPG führen die erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (148 Blg.Nr.18.GP) aus, daß ihr im Hinblick auf Art.129a Abs.1 Z2 B-VG keine eigenständige normative Bedeutung zukomme; sie gebe nur die durch das B-VG getroffene Regelung sicherheitspolizeigesetzspezifisch formuliert wieder.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 24.2.1995, Zl.94/02/0500, ausgesprochen hat, erblickt er in der im § 88 Abs.1 SPG geregelten Beschwerdemöglichkeit kein selbständiges Rechtsinstitut, sondern nur einen Fall, der im allgemeinen im B-VG und AVG vorgesehenen sogenannten Maßnahmenbeschwerde, die es ohne ausdrückliche Erwähnung im SPG auch in Ansehung spezifisch sicherheitspolizeilicher Maßnahmen in gleicher Weise gäbe. In solchen Maßnahmenbeschwerden ist die ausdrückliche Berufung auf bestimmte Rechtsgrundlagen, wie sich aus § 67c Abs.2 AVG und § 88 Abs.4 und 5 SPG ergibt, nicht erforderlich. Die ausdrückliche Berufung der Bf auf § 88 SPG änderte somit am Rechtscharakter ihrer Maßnahmebeschwerde nichts. Es handelt sich somit bei der vorliegenden Beschwerde um eine solche nach Art.129a Abs.1 Z2 B-VG und § 67c AVG iVm § 88 SPG.

3.4. Im gegenständlichen Fall ist unzweifelhaft, daß die Bf aufgrund eines richterlichen Haftbefehles vom 21.1.1994 und somit im Dienste der Strafjustiz festgenommen wurde. Der Vollständigkeit halber sei bemerkt, daß die Bf deswegen mit Urteil vom 18.5.1994, Zl.27 Hr 6/94, vom Landesgericht Linz verurteilt wurde.

Nun hat aber der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt etwa VfSlg.11.491/1987, 11.518/1987 sowie VfGH 29.9.1992, B 1282/90 und B 1281/93 vom 28.2.1984) ausgesprochen, daß (nur) die Festnahme und Anhaltung von Personen im Dienste der Strafjustiz ohne richterlichen Haftbefehl gemäß den §§ 175 und 177 StPO solche, vor dem VfGH (und nunmehr seit der B-VG-Novelle 1988 vor dem unabhängigen Verwaltungssenat) bekämpfbare faktische Amtshandlung darstellten. Da im gegenständlichen Fall die Festnahme und Anhaltung im Dienste der Strafjustiz gemäß § 175 Abs.1 Z3 und 4 StPO mit einem richterlichen Haftbefehl erfolgte, war die gegenständliche Festnahme und Anhaltung von vornherein nicht als faktische Amtshandlung bekämpfbar.

3.5. Entgegen der Meinung der Bf ist es daher rechtlich völlig unerheblich, unter welchem "Vorwand" die Bf bewegt wurde, in das Gendarmerieauto einzusteigen sowie ob ein angeblich "unzuständiger Gendarmeriebeamter" im Stadtgebiet von Linz gegen sie vorgegangen sei. Unbeschadet dieser Feststellungen wird in diesem Zusammenhang bemerkt, daß gemäß Art.78b Abs.1 B-VG für jedes Bundesland eine Sicherheitsdirektion besteht, dessen örtlicher Wirkungsbereich das gesamte Bundesland erfaßt. § 7 Abs.2 SPG unterstellt dem Sicherheitsdirektor zur Besorgung der Sicherheitsverwaltung unmittelbar das Landesgendarmeriekommando und dessen hiefür bestimmte innere Gliederung, im konkreten Fall die Kriminalabteilung. Im gegenständlichen Fall wurde daher auch diese kriminalpolizeiliche Amtshandlung sowohl wegen ihrer überregionalen Ermittlungsanforderung als auch wegen der besonderen Qualität des Deliktes von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich durch die Kriminalbeamten der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich geführt. Deren örtlicher Zuständigkeitsbereich umfaßt daher, gleich ihrer Sicherheitsbehörde, das gesamte Bundesland und wird auch nicht durch eine erstinstanzliche Sicherheitsbehörde, insbesondere auch in Städten mit eigenen Bundespolizeidirektionen von diesen, beschränkt. Das einschreitende Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes ein Angehöriger der Bundesgendarmerie - war daher jedenfalls örtlich zuständig.

Mangels einer wesentlichen Zulässigkeitsvoraussetzung für die Beschwerdeerhebung war daher die vorliegende Beschwerde insgesamt als unzulässig zurückzuweisen.

4. Gemäß § 79a AVG steht nur der Partei Kostenersatz zu, die in Fällen einer Beschwerde wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegt. Da die belangte Behörde keinen Kostenantrag gestellt hat, war eine weitere Kostenentscheidung nicht zu treffen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Schieferer

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