Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280019/5/Schi/Ka

Linz, 26.07.1994

VwSen-280019/5/Schi/Ka Linz, am 26. Juli 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schieferer über die Beschwerde des H S, wegen Verletzung subjektiver Rechte nach dem SPG durch Organe der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land und dem damit verbundenen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

II. Der Antrag auf Verfahrenshilfe wird als unzulässig zurückgewiesen.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 88 Abs.1 und 2 sowie § 89 des Sicherheitspolizeigesetzes - SPG, BGBl.Nr. 566/1991, und § 67c Abs.3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr.

51/1991; zu II.: § 67c AVG; § 51a Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991
Begründung:

1. Mit Schriftsatz vom 21.6.1994, beim unabhängigen Verwaltungssenat eingelangt am 23.6.1994, wurde Beschwerde gemäß den "§§ 87, 88 und 89 SPG" erhoben sowie gleichzeitig die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt. Begründend wurde ausgeführt, daß aufgrund der zu VwSen-280013/4/Schi/Ka erliegenden Vermögensangaben der Beschwerdeführer (im folgenden: Bf) auch im gegenständlichen Beschwerdeverfahren die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantrage.

Weiters führt er an, daß er am 6.4.1994 im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder operiert worden sei und wegen der Gallenblasenentfernung auf strenge Diät gesetzt wurde. Am 10.5.1994 um ca. 9.00 Uhr erschienen in seiner Wohnung zwei Gendarmeriebeamte, um ihn zwangsweise zur amtsärztlichen Untersuchung durch den unzuständigen Polizeiarzt in die Nietzschestraße vorzuführen, weil er der Ladung zur amtsärztlichen Untersuchung betreffend Hafttauglichkeit nicht Folge leisten konnte. Er habe den Beamten die Krankmeldung und die Befunde des Krankenhauses sowie die Operationsnarbe gezeigt und sich nicht bereit erklärt mitzukommen; diese hätten über Funk Verstärkung angefordert, um Gewalt anzuwenden. In der Überzeugung, daß der Polizeiarzt seine Haftunfähigkeit feststellen müsse und aus Angst vor Verletzungen und Schmerzen sowie um demütigendes Aufsehen zu vermeiden, habe er sich unter Protest bereit erklärt, mitzukommen. Ein Vorführungsbefehl sei ihm nicht ausgefolgt worden; man habe ihn diesen nicht einmal lesen lassen. Er sei sofort in das Polizeigefangenhaus gebracht und durch lautes Lachen eines Beamten verhöhnt worden. Bevor der Polizeiarzt erschien, seien ihm seine persönlichen Gegenstände einschließlich Tabletten abgenommen worden. Im Gegenwart der beiden Gendarmen habe er sich vom Polizeiarzt Dr. B besichtigen lassen müssen (die Narbe). Obwohl er die Befunde vorgelegt habe, habe er ihn ohne nähere Untersuchung mit dem Bemerken für haftfähig erklärt, liegen könne er auch in der Zelle. Zuvor habe er ihn hinausgeschickt, weil der Beamte mit ihm alleine sprechen wollte. Hiebei habe er gehört, wie der Beamte zu ihm gesagt habe, es ginge um die Verjährung (des Verwaltungsstrafverfahrens, VerkR-96-9901/1990/G/Pe der BH Linz-Land). Er sei in eine Art Gemeinschaftszelle gebracht worden. Vorher habe er noch einen bekannten Rechtsanwalt anrufen dürfen, der ihn durch die Einzahlung des Strafbetrages um 15.00 Uhr auslöste. Wesentlich sei auch, daß man ihn zu Mittag ein fettes Essen angeboten habe, welches er verweigerte und ihm der Polizeiarzt nicht die Kreon Kapseln ausfolgen ließ. Im übrigen halte er noch fest, daß er einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens bei der BH Linz-Land gestellt habe, welchem Strafhemmung zukomme und über welchen bis heute nicht entschieden worden sei.

Schließlich erhebe er neben gleichzeitiger Beschwerde gemäß § 87, 89 SPG die Beschwerde gemäß § 87 und § 88 SPG und die Feststellung folgender Rechtswidrigkeiten:

a) Unzulässigkeit der zwangsweisen Vorführung bei Erkrankung gemäß § 54 Abs.1 VStG; b) Verletzung der Menschenwürde entgegen § 36 Abs.2 VStG; c) erniedrigende Behandlung entgegen Art.3 und 6 MRK; d) Verstoß gegen die garantierte persönliche Freiheit gemäß Art.8 StGG; e) eingetretene Vollstreckungsverjährung im Verfahren VerkR96-9901/1990/Ge/Pe gemäß § 31 Abs.3 VStG; f) Nichterledigung des Wiederaufnahmeantrages vom 27.9.1993 zum Zeitpunkt der Amtshandlung; 2. Hiezu hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

2.1. Gemäß § 88 Abs.1 des Sicherheitspolizeigesetzes - SPG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein.

Außerdem erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Menschen, die behaupten, auf andere Weise durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sofern dies nicht in Form eines Bescheides erfolgt ist (§ 88 Abs.2 SPG).

Schon aufgrund des Wortlautes der zitierten Gesetzesstellen ergibt sich aber, daß die darin vorgesehene Beschwerdemöglichkeit sich lediglich auf den Anwendungsbereich des SPG, nämlich die Sicherheitspolizei bzw. Sicherheitsverwaltung erstreckt (§ 1 und § 88 Abs.2 SPG). Hinsichtlich der Sicherheitsverwaltung befindet sich im § 2 Abs.2 SPG eine Legaldefinition, und besteht sie aus der Sicherheitspolizei, dem Paß- und dem Meldewesen, der Fremdenpolizei, der Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet und des Austrittes aus ihm, dem Waffen-, Munitions-, Schieß- und Sprengmittelwesen sowie aus dem Pressewesen und den Vereinund Versammlungsangelegenheiten. Die Sicherheitspolizei besteht aus der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, ausgenommen die örtliche Sicherheitspolizei, und aus der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht (§ 3 SPG).

Daraus erhellt, daß Angelegenheiten der "Verwaltungspolizei" - nämlich ein Einschreiten im Rahmen einzelner Verwaltungsrechtsgebiete - nicht vom SPG und daher auch nicht von der obzitierten Beschwerdemöglichkeit erfaßt sind.

2.2. Aus dem h. Verfahren, VwSen-280013 (abgeschlossen mit rechtskräftigem Erkenntnis vom 27.6.1994, VwSen-280013/7/Schi/Rd) ist dem O.ö. Verwaltungssenat bekannt, daß es sich bei dem rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsstrafverfahren der BH Linz-Land, VerkR-96/9901/1990, um ein Vollstreckungsverfahren hinsichtlich des Strafbetrages wegen einer Übertretung der StVO 1960 (§ 5 iVm § 99) handelt.

Da es sich somit im gegenständlichen Beschwerdefall um eine Angelegenheit der Straßenpolizei bzw ein Vollstreckungsverfahren handelt, war die Beschwerde auf der Grundlage des Sicherheitspolizeigesetzes unzulässig. Es war daher die Beschwerde - ohne daß in die Sache näher einzugehen war - als unzulässig zurückzuweisen.

2.3. Da die Beschwerde zurückzuweisen war, war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen (§ 88 Abs.4 SPG iVm § 67d Abs.1 AVG).

3. Darüber hinaus ist noch auf folgendes hinzuweisen:

3.1. Gemäß § 89 SPG hat der unabhängige Verwaltungssenat, insoweit mit einer Beschwerde die Verletzung einer gemäß § 31 festgelegten Richtlinie behauptet wird, sie der zur Behandlung einer Aufsichtsbeschwerde in dieser Sache zuständigen Behörde zuzuleiten. Menschen, die in einer binnen sechs Wochen, wenn auch beim unabhängigen Verwaltungssenat eingebrachten Aufsichtsbeschwerde behaupten, beim Einschreiten eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes, von dem sie betroffen waren, sei eine gemäß § 31 erlassene Richtlinie verletzt worden, haben Anspruch darauf, daß ihnen die Dienstaufsichtsbehörde den von ihr schließlich in diesem Punkt als erwiesen angenommenen Sachverhalt mitteilt und sich hiebei zur Frage äußert, ob eine Verletzung vorliegt (Abs.2). Von einer Mitteilung (Abs.2) kann insoweit Abstand genommen werden, als der Bf schriftlich oder niederschriftlich erklärt, durch mündliche Äußerungen der Behörde klaglos gestellt worden zu sein (Abs.3).

Jeder, dem gemäß Abs.2 mitgeteilt wurde, daß die Verletzung einer Richtlinie nicht festgestellt worden sei, hat das Recht, binnen 14 Tagen die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates zu verlangen, in dessen Sprengel das Organ eingeschritten ist. Dasselbe gilt, wenn eine solche Mitteilung (Abs.2) nicht binnen drei Monaten nach Einbringung der Aufsichtsbeschwerde ergeht. Der unabhängige Verwaltungssenat hat festzustellen, ob eine Richtlinie verletzt worden ist (Abs.4). Im Verfahren gemäß Abs.2 vor dem unabhängigen Verwaltungssenat sind die §§ 67c bis 67g AVG sinngemäß sowie § 88 Abs.5 SPG anzuwenden. Der unabhängige Verwaltungssenat entscheidet durch eines seiner Mitglieder (Abs.5).

3.2. Gemäß § 31 Abs.1 SPG hat der Bundesminister für Inneres zur Sicherstellung wirkungsvollen einheitlichen Vorgehens und zur Minderung der Gefahr eines Konfliktes mit Betroffenen durch Verordnung Richtlinien für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu erlassen. Nach Abs.3 dieses Paragraphen erläßt der Bundesminister für Inneres - soweit diese Richtlinien für Befugnisse der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Zuständigkeitsbereich anderer Bundesminister gelten sollen - die Verordnung im Einvernehmen mit den in ihrem Wirkungsbereich berührten Bundesministern.

Dieser Abs.3 des § 31 SPG sieht - nicht ganz im Einklang mit dem im § 1 SPG normierten Regelungsinhalt des Gesetzes einen über den Bereich der Sicherheitsverwaltung hinausgehenden Geltungsbereich der Richtlinienverordnung vor. Tatsächlich hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit den Bundesministern für Justiz und für öffentliche Wirtschaft und Verkehr mit Verordnung, + BGBl.Nr.266/1993 diese Richtlinien - Verordnung - RLV erlassen.

3.3. Der Wirkungsbereich des BM für öffentliche Wirtschaft und Verkehr ergibt sich aus Teil 2, Abschnitt M der Anlage zu § 2 des Bundesministeriengesetzes; dort scheinen unter Z3 das Kraftfahrwesen und Angelegenheiten der Straßenpolizei auf. Hinsichtlich kraftfahrrechtlicher Amtshandlungen erscheint somit die Geltung der RLV grundsätzlich geklärt, zumal das Kraftfahrwesen gemäß Art.10 Abs.1 Z9 B-VG sowohl in Gesetzgebung als auch in Vollziehung Bundessache ist.

Nicht so aber der Kompetenztatbestand Straßenpolizei im Art.11, da die dort aufgezählten Materien Bundessache in Gesetzgebung und Landessache in Vollziehung sind. Die Vollziehung straßenpolizeilicher Vorschriften ist daher ausschließlich Landessache. Bei der RLV handelt es sich daher nicht um eine Durchführungsverordnung zur StVO; sie wurde vielmehr auf Grundlage des § 31 SPG erlassen. Dazu kommt noch, daß gemäß § 97 StVO "Organe der Straßenaufsicht", die zur Handhabung der Verkehrspolizei berufen sind, in erster Linie die Organe der Bundesgendarmerie, der Bundessicherheitswache und allenfalls Gemeindewachkörper in Betracht kommen; die Behörde kann jedoch gemäß § 97 Abs.3 StVO auch andere Personen als Organe der Straßenaufsicht bestellen. Da solche Organe nicht als "Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes" gelten (§ 5 Abs.2 SPG) kann für sie schon aus diesem Grund die RLV keinesfalls Anwendung finden.

3.4. Von der Anwendbarkeit der RLV aber hängt schließlich auch die Beschwerdemöglichkeit ab. Wird nämlich die Verletzung einer gemäß § 31 SPG festgelegten Richtlinie behauptet, so hat zunächst die zur Behandlung einer Aufsichtsbeschwerde in dieser Sache zuständige Behörde eine Untersuchung um Prüfung vorzunehmen. Ist der Betroffene mit der Erledigung dieser Behörde nicht zufrieden, so kann er darüber eine Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates verlangen, der dann festzustellen hat, ob eine Richtlinie verletzt worden ist.

Außerhalb des Anwendungsbereiches der RLV besteht zwar auch die Möglichkeit einer Aufsichtsbeschwerde, nicht jedoch die Möglichkeit den unabhängigen Verwaltungssenat anzurufen.

3.5. Aus diesem Grund wird je eine Kopie der Beschwerde samt Anlagen den allenfalls in Betracht kommenden Aufsichtsbehörden (Landesgendarmeriekommando für Oberösterreich und Bundespolizeidirektion Linz) zur allfälligen Behandlung nach § 89 SPG übermittelt.

4. Auch der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe war als unzulässig zurückzuweisen, da gemäß § 51a VStG ein solcher nur für ein Verwaltungsstrafverfahren vorgesehen ist. Im SPG findet sich keine derartige Bestimmung, die eine Verfahrenshilfe zuließe. Auch im AVG ist keine Verfahrenshilfe vorgesehen. Es war daher auch der diesbezügliche Antrag als unzulässig zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Schieferer

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