Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280033/5/Schi/Ka

Linz, 08.05.1996

VwSen-280033/5/Schi/Ka Linz, am 8. Mai 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schieferer über die Berufung des G R, vertreten durch Rechtsanwälte G, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 26.1.1995, GZ.101-6/3-695 betreffend Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid vom 26.1.1995, GZ.101-6/3-695, behoben und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 iVm § 71 und § 72 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr.51/1991 idF BGBl.Nr.471/1995, iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 VStG, BGBl.Nr.52/1991, idF BGBl.Nr.620/1995.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 15.12.1994, GZ.101-6/3-695, wurde über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes Verwaltungsstrafen in verschiedenen Höhen von insgesamt 31.000 S (Ersatzfreiheitsstrafen 31 Tage) kostenpflichtig verhängt.

1.2. Dagegen hat der Bw einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fristgerecht bei der Erstbehörde eingebracht; gleichzeitig wurde die versäumte Handlung, nämlich die Berufung gegen das Straferkenntnis nachgeholt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 26.1.1995 hat die belangte Behörde den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs.1 Z1 AVG abgewiesen.

1.3. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß die gegenständliche Berufung am 16.1.1995, sohin am letzten Tag der Berufungsfrist, von der Post mit der Begründung zurückgestellt wurde, daß auf dem Eingabekuvert keine Zustelladresse angeführt und daher eine postalische Bearbeitung (Zustellung) nicht möglich war. Nach Mängelbehebung (Adressierung des Eingabekuverts) wurde die Berufung am 20.1.1995 (Datum des Poststempels) "rechtmäßig aber verspätet" eingebracht. Am 17.1.1995 hat der Bw erstmals Kenntnis von der Versäumung der Berufungsfrist erhalten, weshalb der Antrag auf Wiedereinsetzung mit 20.1.1995 (Datum des Poststempels) als fristgerecht eingebracht anzusehen war.

1.4. Der Rechtsanwalt habe es nach der Aktenlage verabsäumt, die richtige Zuweisung (Adressierung) der gegenständlichen Berufung persönlich zu kontrollieren. Nach seiner Darstellung ende die Kontrolltätigkeit bezughabender Schriftstücke mit der Kontrolle und Unterschrift der Zweitschrift (Reinschrift). Schon dieses Verhältnis alleine begründe ein schuldhaftes Verhalten des Anwaltes, da dieser nach neuester VwGH-Judikatur nur rein manipulative (technische) Enderledigungen von Schriftstücken unkontrolliert seinen Kanzleikräften überlassen dürfe. Die richtige Zuweisung von Schriftstücken, insbesondere fristgebundener Schriftstücke, an die zuständige Behörde setze jedenfalls ein solches Maß an Sachkenntnis und Verantwortung voraus, daß ein ordnungsgemäß handelnder Anwalt hier persönliche Kontrollen vorzunehmen habe. Darüber hinaus sei ein entsprechendes Kontrollsystem einzurichten.

Die Tauglichkeit dieses Kontrollsystems sei restriktiv am Erfolg zu beurteilen. Im vorliegenden Fall könne von einer entschuldbaren Unverläßlichkeit der Erfüllungsgehilfen bzw von entschuldbaren Mängeln des Kontrollsystems nicht mehr gesprochen werden, wenn trotz behaupteter mehrfacher Kontrolle die augenscheinliche Nichtadressierung eines Eingabekuverts übersehen werde. Aufgrund dieser Sach- und Rechtslage habe der Anwalt zumindest gewöhnliche Fahrlässigkeit zu verantworten. Da gemäß § 71 Abs.1 Z1 AVG ein Wiedereinsetzungsantrag nur dann zu belegen sei, wenn das Versäumnis der Partei auch Schuldlosigkeit oder einen minderen Grad des Versehens beinhalte - unter letzterem werde nach ständiger Rechtslehre leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden - sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

2.1. Dagegen hat der Bw mit Schriftsatz vom 15.2.1995 rechtzeitig Berufung eingebracht und beantragt, den angefochtenen Bescheid zu beheben und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Berufung zu bewilligen. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß die Berufung als eingeschriebene Briefsendung am 16.1.1995 laut Poststempel am Postamt 4601 Wels aufgegeben worden war. Dies gehe sowohl aus dem nicht adressierten Kuvert als auch aus dem Aufgabeschein hervor, die beide als Bescheinigungsmittel im Original dem Antrag auf Wiedereinsetzung beigelegt waren. Am 17.1.1995 sei die Berufung vom 16.1.1995 dem Rechtsvertreter zurückgestellt worden. Unrichtig und nach der Aktenlage nicht nachvollziehbar sei die Feststellung, daß nach Mängelbehebung die Berufung am 20.1.1995 rechtmäßig, aber verspätet eingebracht worden war. Die Berufung vom 16.1.1995 samt Kuvert wurden dem Antrag auf Wiedereinsetzung als Bescheinigungsmittel beigelegt. Darauf ist auch der Einschreibvermerk sichtbar. Es sei daher die Originalberufung nicht verspätet am 20.1.1995 eingebracht worden. Am 20.1.1995 sei vielmehr der Antrag auf Wiedereinsetzung, worin die versäumte Rechtshandlung gesetzeskonform nachgeholt worden sei, eingebracht worden.

Diesem Antrag auf Wiedereinsetzung sind sechs Beilagen (eidesstättige Erklärungen von Dr. G, M und F, das nicht adressierte Originalkuvert der Berufung vom 16.1.1995, der Aufgabeschein vom 16.1.1995 sowie die Berufung im Original vom 16.1.1995) als Bescheinigungsmittel beigelegt worden.

Überdies seien zu diesem Beweisthema auch zeugenschaftliche Einvernahmen von den genannten Personen angeboten worden.

Aus den Bescheinigungsmitteln gehe hervor, daß auf der eingeschriebenen und anschließend vom Anwalt unterschriebenen Berufung sehr wohl auf der ersten Seite die Anschrift der Behörde angeführt sei. Diese Reinschrift sei auch vor Unterschrift des Anwaltes kontrolliert worden. Der Fehler der Kanzleimitarbeiterin sei dadurch erfolgt, daß die richtige Adresse nicht auf das Aufgabekuvert übertragen worden war. Richtig sei, daß der Anwalt an jenem Tag eine Überprüfung der Kuverts, worin die kontrollierten Schriftstücke versendet werden, nicht vorgenommen habe. Im übrigen würde die Pflicht des Anwaltes zu weit gehen, wenn dieser persönlich die Kuverts adressieren müßte; er müsse sich auf seine Mitarbeiter - bei denen es sich um durchwegs verläßliche Personen handelt - verlassen können. Zu beachten sei auch, daß laut den beigelegten eidesstättigen Erklärungen derartige Fehler in den beinahe 20 Jahren anwaltlicher Tätigkeit des Rechtsvertreters noch nie passiert seien, sodaß das Kontrollsystem jedenfalls bislang funktioniert habe.

3.1. Die Erstbehörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern - als nunmehr belangte Behörde - die Berufung samt Verfahrensakt vorgelegt. In der Gegenäußerung zum Berufungsvorbringen hat die belangte Behörde darauf hingewiesen, daß im ggst. Fall das Schriftstück mangels Zustelladresse auf dem Kuvert nicht in Postbearbeitung genommen und zurückgesendet wurde; daher sei das Datum des Poststempels nicht "rechtsverbindlich". Die Gefahr der Beförderung eines Schriftstückes gehe daher zu Lasten der Partei.

3.2. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist in diesem Verwaltungsverfahren gemäß § 51 Abs.1 VStG als Berufungsbehörde zuständig und entscheidet gemäß § 51c durch (nur) eines seiner Mitglieder, weil in dem dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Straferkenntnis in den einzelnen Fällen keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde.

3.3. Aus der Akteneinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat einen genügend geklärten Sachverhalt vorgefunden. Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sind in der Begründung des angefochtenen Bescheides vollständig und mit dem Akteninhalt übereinstimmend so dargestellt, daß sich der unabhängige Verwaltungssenat ein klares und abschließendes Bild über die maßgebenden Sachverhaltselemente machen kann.

4. Aufgrund der Aktenlage war vom folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt auszugehen:

Das Straferkenntnis vom 15.12.1994, GZ.101-6/3-695, wurde dem Bw zu Handen seines Rechtsanwaltes am 2.1.1995 zugestellt bzw von ihm an diesem Tag übernommen. Die dagegen mit Schriftsatz vom 16.1.1995 und auf diesem richtig an den Magistrat der Stadt Linz adressierte Berufung wurde am 16.1.1995 am Postamt 4601 unter R 7918b zur Post gegeben, wobei jedoch auf dem Zustellkuvert sich keine Empfängeradresse befand. Dies geht sowohl aus dem Zustellkuvert (ON 111) als auch aus dem Postaufgabeschein über die eingeschriebene Postsendung hervor. In der Folge wurde wegen der fehlenden Anschrift am Kuvert die gegenständliche eingeschriebene Briefsendung dem ausgewiesenen Vertreter des Bw wieder zurückgestellt. Wegen mittlerweile eingetretenen Ablaufes der Berufungsfrist wurde der Berufungsschriftsatz vom 16.1.1993 neuerlich am 20.1.1995 (Datum des Poststempels) unter R 825 beim Postamt Wels zur Post gegeben und an den Magistrat der Stadt Linz adressiert. Gleichzeitig wurde wegen des Ablaufes der Berufungsfrist ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand an die belangte Behörde gestellt, der gesamte Sachverhalt dargelegt und unter Anschluß der erwähnten Unterlagen (Kuvert, Aufgabeschein) sowie unter Anschluß von eidesstättigen Erklärungen von den Kanzleikräften F, Mi und Herrn Rechtsanwalt Dr. M G der belangten Behörde vorgelegt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 26.1.1995, GZ.101-6/3-695, wurde sodann der Antrag auf Wiedereinsetzung abgewiesen.

5. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

5.1. Gemäß (dem nach § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren angzuwendenden) § 71 Abs.1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn 1.) die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder 2.) die Partei die Berufungsfrist versäumt hat, weil der Bescheid fälschlich die Angabe enthält, daß keine Berufung zulässig sei.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß gemäß § 71 Abs.2 AVG binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden. Zufolge Abs.3 dieses Paragraphen hat im Falle der Versäumung einer Frist die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

Da die Berufung gemäß § 63 Abs.5 AVG von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen ist, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat oder bei der Behörde, die über die Berufung zu entscheiden hat und der Bw seinen Antrag auf Wiedereinsetzung ausdrücklich beim Bürgermeister (Magistrat - Bezirksverwaltungsamt) der Landeshauptstadt Linz eingebracht hat, war diese Behörde gemäß § 71 Abs.4 AVG in erster Instanz zur Entscheidung über seinen Antrag berufen (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Anmerkung 10 zu § 71).

5.2. In der Sache selbst ist zunächt darauf zu verweisen, daß im ggst. Fall eindeutig und unzweifelhaft die Berufungsfrist versäumt wurde (vgl. oben Pkt.4.).

Weiters ist nach der neueren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen. Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist diesem nur dann als Verschulden anzulasten, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber den Angestellten unterlassen hat. Unterläuft einem Angestellten, dessen Zuverlässigkeit glaubhaft dargetan wird, erst nach der Unterfertigung eines fristgebundenen Schriftsatzes und nach Kontrolle desselben durch den Bevollmächtigten Rechtsanwalt im Zuge der Kuvertierung oder Postaufgabe ein Fehler, so stellt dies ein unvorhergesehenes Ereignis dar (vgl. etwa den Beschluß des VwGH vom 30.11.1989, Zl.89/13/0226, 0227). Die Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft diese rein manipulativen Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, ist dem Rechtsanwalt nicht zumutbar, will man seine Sorgfaltspflicht nicht überspannen (vgl. etwa Beschluß vom 24.6.1993, Zl.93/15/0031, 0032; ebenso VfGH vom 7.10.1991, B 871/91).

5.3. Daß im gegenständlichen Fall der Berufungsschriftsatz vom 16.1.1993 selbst richtig adressiert wurde und nach Unterschrift entsprechend vom Rechtsanwalt kontrolliert wurde steht fest; ebenso liegt offen zutage, daß im Zuge der Kuvertierung der Fehler insofern unterlaufen ist, als das Zustellkuvert keine Adresse aufwies, obwohl ein ordnungsgemäß ausgefüllter Postaufgabeschein vorhanden war; hier ist auch noch durch eine Verkettung unglücklicher Umstände offenbar dem Postbediensteten ein Fehler insofern unterlaufen, als auch ihm die fehlende Adressierung der eingeschriebenen Briefsendung nicht aufgefallen ist. Dies ist jedoch nicht mehr der Sphäre des Rechtsvertreters des Bw zuzurechnen. Weiters hat der Bw in seiner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausreichend alle Bescheinigungsmittel, die seine Wiedereinsetzungsgründe glaubhaft machen, beigebracht und eingehend dargelegt, daß die Kanzleiangestellte bzw die beiden Kanzleiangestellten bisher durchaus verläßlich gearbeitet hätten. Aus diesem Grund war im Sinne des Erkenntnisses des VwGH vom 24.2.1994, Zl.92/10/0392, der Berufung gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

6.1. Gemäß § 72 Abs. 1 AVG tritt durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

Das heißt für den ggst. Fall, daß die Berufung nunmehr als rechtzeitig eingebracht anzusehen ist und ihr daher iS des § 64 Abs.1 VStG aufschiebende Wirkung zukommt.

6.2. Im "fortgesetzten" (Berufungs-)Verfahren wird daher der O.ö. Verwaltungssenat - nach Rechtskraft des ggst.

Erkenntnisses allenfalls nach Durchführung weiterer erforderlicher Ermittlungen - über die Berufung in der Sache selbst zu entscheiden haben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Schieferer

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