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des Landes Oberösterreich
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VwSen-280043/21/Kl/Ka

Linz, 14.03.1996

VwSen-280043/21/Kl/Ka Linz, am 14. März 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des A H, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 8.2.1995, Ge96-8-1994-Bi, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Arbeitsruhegesetz nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 26.2.1996 und 8.3.1996 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 8.2.1995, Ge96-8-1994-Bi, wurden über den Berufungswerber (Bw) Geldstrafen von 1.) und 2.) jeweils 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafen von je 2 Tagen) und 3.) 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen) wegen Verwaltungsübertretungen zu 1.) und 2.) § 3 Abs.2 und zu 3.) § 3 Abs.1 Arbeitsruhegesetz verhängt, weil er es als das für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften verantwortliche Organ (handelsrechtlicher Geschäftsführer) der F-T zu verantworten hat, daß - wie im Zuge einer Überprüfung der Arbeitszeitaufzeichnungen durch das Arbeitsinspektorat für den 19. Aufsichtsbezirk in Wels am 29.12.1993 festgestellt wurde - im Kunststofferzeugerbetrieb der Gesellschaft 1. MS am Samstag den 11.12.1993 bis 22.30 Uhr und 2. JM am Samstag den 4.12.1993 bis 22.30 Uhr zu Arbeitsleistungen herangezogen wurden, obwohl die Wochenendruhe für alle Arbeitnehmer spätestens Samstag um 13.00 Uhr, für Arbeitnehmer die mit unbedingt notwendigen Abschluß-, Reinigungs-, Instandhaltungs- oder Instandsetzungsarbeiten beschäftigt sind, spätestens Samstag um 15.00 Uhr zu beginnen hat; 3. JM am Sonntag den 5.12.1993 sowie am Sonntag den 19.12.1993 jeweils von 6.00 Uhr bis 14.30 Uhr zu Arbeitsleistungen herangezogen wurde, obwohl Arbeitnehmer in jeder Kalenderwoche Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden haben, in die der Sonntag zu fallen hat.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht, in welcher unrichtige rechtliche Beurteilung und Verfahrensmängel geltend gemacht und die Strafe angefochten wurde.

Während ausdrücklich die Beschäftigung der Arbeitnehmer an Samstagen und Sonntagen im laut Straferkenntnis ausgeführten Ausmaß nicht bestritten wurde, wurde in der Berufung geltend gemacht, daß es sich bei diesen Arbeiten um Umbau-, Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten gehandelt habe, welche erforderlich waren, um die Produktionsanlage auf einen neuen Produktionsprozeß umzustellen. Dies sei während des regelmäßigen Arbeitsablaufes nicht möglich gewesen, weil die laufende Produktion dadurch gänzlich unterbrochen hätte werden müssen. Das Stoppen des regelmäßigen Produktionsprozesses oder die Nichtannahme des Großauftrages hingegen hätten zu nicht vertretbaren betriebswirtschaftlichen Schäden für die F-T GesmbH geführt. Es werden daher die Ausnahmetatbestände des § 10 Abs.1 Z1, 2 und 7 ARG geltend gemacht. Ein diesbezügliches Ermittlungsverfahren sei jedoch von der Erstinstanz unterlassen worden.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt. Der O.ö. Verwaltungssenat hat das anzeigende Arbeitsinspektorat durch Wahrung des Parteiengehörs am Verfahren beteiligt.

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt sowie die Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 26.2.1996 und 8.3.1996, zu welcher die Verfahrensparteien sowie der Zeuge GK geladen wurden, und die mit Ausnahme der belangten Behörde an den Verhandlungen teilgenommen haben.

Folgender Sachverhalt wird als erwiesen festgestellt:

4.1. Am 29.12.1993 wurde durch das zuständige Arbeitsinspektorat für den 19. Aufsichtsbezirk Wels eine Kontrolle im Betrieb des Bw hinsichtlich der Arbeitnehmerschutzbe stimmungen, insbesondere der Arbeitszeitbestimmungen, durchgeführt und anhand der vorgelegten Arbeitszeitaufzeichnungen, die im Straferkenntnis angeführten Beschäftigungen der näher bezeichneten Arbeitnehmer zu den angeführten Zeiträumen im Bereich der Wochenendruhezeit festgestellt.

Diese Beschäftigung wurde vom Bw auch zu keiner Zeit im Verwaltungsstrafverfahren bestritten.

Die Ausführungen des einvernommenen Zeugen haben aber ergeben, daß die gegenständliche Beschäftigung im November und Dezember 1993 auf einen Großauftrag der Firma K betreffend eine Mitsubishi-Wohnwagenkabine zurückzuführen ist, wobei der Auftrag vom Herbst 1993 im darauffolgenden Frühjahr erfüllt werden sollte, indem bereits im Frühjahr 1994 zu den Messen die Anhänger geliefert werden. Die Umorganisation für diesen Auftrag dauerte daher von November 1993 bis Anfang Februar 1994, wobei Anfang Februar 1994 dann die eigentliche Produktion anlief. Für diesen Großauftrag waren Umbaumaßnahmen an der Betriebsanlage erforderlich, nämlich die Errichtung von drei technischen Büros in der Produktionshalle sowie die Errichtung einer Montagestraße, die Vergrößerung der Vakuumanlage, die Errichtung einer Temperkammer, die Veränderung der Computerprogramme für die Roboter in einem Teach-In-Verfahren, dh Abänderung konkret an der Maschine, und für die Injektionsanlagen und der dafür erforderliche Modell- und Werkzeugbau. Der Werkzeugbau hatte teilweise auch an den Robotern selbst stattzufinden.

Speziell für die Erstellung der neuen und geänderten Computerprogramme für die Roboter und auch für den Modellund Werkzeugbau war das Abschalten der Produktion, also des Betriebes erforderlich. Ein solcher Betriebsstillstand war aber nicht in der Normalarbeitszeit möglich, weil in der Normalarbeitszeit das laufende Produktionsprogramm durchgeführt wurde und bei einem Betriebsstillstand dann die laufende Produktion nicht termingemäß durchgeführt hätte werden können. Für diesen Fall wären hohe Pönale bzw der Entzug des Auftrages zu erwarten gewesen. Ein Schaden wäre in Millionenhöhe zu beziffern gewesen. Die Umrüstungsarbeiten und auch die Programmierung wurde von eigenen Arbeitnehmern durchgeführt. Ein Auftrag an andere Firmen war nicht notwendig. Auch die im Bescheid angeführten Arbeitnehmer waren als Hilfskräfte mit Aufräumarbeiten und Hilfstätigkeiten für die Umrüstung erforderlich. Lediglich hinsichtlich der Errichtung der technischen Büros sowie der Montagestraße war ein Stillegen von Maschinen nicht erforderlich. Der Neuauftrag ist dann im Frühling 1994 in der Normalarbeitszeit produziert worden. Eine Meldung dieser Umrüstungsarbeiten zu den Wochenenden an das Arbeitsinspektorat ist nicht erfolgt. Es handelt sich dabei um ein Versehen. Ein Umrüsten bzw die Umbauarbeiten waren durch Überstunden während der Woche nicht möglich, weil damit die täglichen Arbeitszeiten überschritten hätten werden müssen. Zusätzliche Kapazitäten seien im Betrieb nicht vorhanden.

4.2. Dies ergibt sich aus der glaubwürdigen und wiederspruchslosen Aussage des einvernommenen Zeugen GK. Dieser wurde auch auf die Wahrheitspflicht hingewiesen.

Im übrigen wurden diese Fakten auch vom Bw in ähnlicher Form geltend gemacht. Schließlich konnte der Vertreter des anzeigenden Arbeitsinspektorates ebenfalls in diese Richtung gehende Gespräche anläßlich seiner Kontrolle am 29.12.1993 berichten, wobei aber konkrete Ausführungen zu den Umbauarbeiten vom Arbeitsinspektorat nicht gemacht wurden.

Insbesondere wurden zu den Umrüstungsarbeiten keine konkreten Wahrnehmungen vorgebracht und waren diese auch aus den Stellungnahmen und aus der Anzeige des Arbeitsinspektorates nicht zu entnehmen. Die Erforderlichkeit eines Betriebsstillstandes wurde von diesem hingegen nicht bestritten.

5. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 3 Abs.1 Arbeitsruhegesetz, BGBl.Nr.144/1983 idgF, hat der Arbeitnehmer in jeder Kalenderwoche Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden, in die der Sonntag zu fallen hat (Wochenendruhe). Während dieser Zeit darf der Arbeitnehmer nur beschäftigt werden, wenn dies aufgrund der §§ 2 Abs.2, 10 bis 18 zulässig ist.

Die Wochenendruhe hat für alle Arbeitnehmer spätestens Samstag um 13.00 Uhr, für Arbeitnehmer, die mit unbedingt notwendigen Abschluß-, Reinigungs-, Instandhaltungs- oder Instandsetzungsarbeiten beschäftigt sind, spätestens Samstag um 15.00 Uhr zu beginnen (§ 3 Abs.2 leg.cit.).

Gemäß § 10 Abs.1 Z7 leg.cit. dürfen während der Wochenendund Feiertagsruhe Arbeitnehmer nur beschäftigt werden mit Umbauarbeiten an Betriebsanlagen einschließlich Bergbauanlagen, wenn diese aus technischen Gründen nur während des Betriebsstillstandes durchgeführt werden können und ein Betriebsstillstand außerhalb der Ruhezeiten mit einem erheblichen Schaden verbunden wäre. Der Arbeitgeber hat die nach Absatz 1 zulässigen Arbeiten dem Arbeitsinspektorat binnen vier Tagen nach ihrem erstmaligen Beginn schriftlich anzuzeigen (§ 10 Abs.2 leg.cit.).

Gemäß § 27 Abs.1 leg.cit. sind Arbeitgeber, die den §§ 3, 4 usw und den §§ 10 bis 18 und 23 bis 25 zuwiderhandeln, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde, soweit es sich um Betriebe handelt, die der bergbehördlichen Aufsicht unterstehen, von der Berghauptmannschaft mit einer Geldstrafe von 500 S bis 30.000 S zu bestrafen.

5.2. Es steht unbestritten fest, daß die im Spruch des Straferkenntnisses angeführten Arbeitnehmer während der ununterbrochenen Ruhezeit am Samstag, nach 13.00 Uhr bzw.

15.00 Uhr und am Sonntag beschäftigt wurden.

Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens steht aber auch fest, daß es sich dabei nicht um eine regelmäßige normale Produktion des gegenständlichen Betriebes handelte, sondern um Umrüstungs- bzw Umbauarbeiten an der Betriebsanlage. Es hat das Beweisverfahren hervorgebracht, daß insbesondere zur Erstellung der neuen und geänderten Computerprogramme für die Roboter und die Injektionsanlagen (beide werden computergesteuert betrieben) eine Stillegung der laufenden Produktion und damit auch ein Betriebsstillstand erforderlich wurde. Da aber in der Normalarbeitszeit die regelmäßige Produktion stattgefunden hat und daher ein Betriebs- und Produktionsstillstand einen Ausfall der laufenden Aufträge und die Zahlung von hohen Pönalen zur Folge gehabt hätte, was einen erheblichen Schaden in Millionenhöhe erwarten ließ, konnten daher Umbauarbeiten an den Robotern und den Injektionsanlagen sowie teilweise bei der Umrüstung der vorhandenen Maschinen nur während eines Betriebsstillstandes in den Ruhezeiten erfolgen.

5.3. Wenn also die Produktion in erheblichem Umfang eingeschränkt werden müßte und wenn dadurch den Auftragsverpflichtungen in bedeutendem Umfang nicht nachgekommen werden könnte, sind Umbauarbeiten auch während der Ruhezeiten gemäß § 10 Abs.1 Z7 zu rechtfertigen. Auch diesbezüglich ist festzustellen, daß es für die Zulässigkeit solcher Arbeiten irrelevant ist, ob die Arbeitnehmer, welche die Bauarbeiten ausführen, im Betrieb selbst beschäftigt sind oder eine Baufirma und deren Arbeitnehmer mit den Umbauarbeiten beauftragt wurden (vgl. Bernhard Schwarz, Arbeitsruhegesetz, Seite 248).

Im Grunde der glaubwürdigen Zeugenaussage im Zusammenhalt mit den Ausführungen des Bw konnte daher das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes gemäß § 10 Abs.1 Z7 nicht ausgeschlossen werden.

Jedenfalls ist entgegen der Meinung des Arbeitsinspektorates dieser Ausnahmetatbestand nicht nur für echte Baumaßnahmen im baurechtlichen Sinne sondern hinsichtlich jeder erheblichen Veränderung einer Betriebsanlage anzuwenden. Im Gegensatz zu Instandhaltungs- bzw Instandsetzungsarbeiten nach § 10 Abs.1 Z1 ARG soll aber nicht ein vor einer sich durch den Produktionsprozeß ergebenden Verunreinigung oder Beeinträchtigung einer Maschine gegebener Zustand wieder hergestellt werden, sondern es soll die bestehende Betriebsanlage verändert werden dürfen. Aus diesem Grunde war daher auch die Argumentation der belangten Behörde hinsichtlich des Ausnahmetatbestandes nach § 10 Abs.1 Z1 ARG nicht zutreffend.

Weil aber aus dem Beweisergebnis nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, daß die im Tatvorwurf angegebenen Arbeitszeiten den Umbauten während des Betriebsstillstandes, also Umbauten an den Robotern bzw Injektionsanlagen, dienten oder nicht doch zur Errichtung der Montagestraße oder der technischen Büros, wofür ein Betriebsstillstand nicht erforderlich ist, und im übrigen auch das am Verfahren beteiligte Arbeitsinspektorat zu diesem Gesichtspunkt keine Wahrnehmungen gemacht hat und konkrete Umstände nicht vorbringen konnte, war im Zweifel, weil die zur Last gelegte Tat nicht mit der für eine Bestrafung erforderlichen Sicherheit erwiesen werden konnte, für den Beschuldigten das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes anzunehmen bzw auszusprechen, daß die vorgeworfene Tat keine Verwaltungsübertretung bildet.

Es war daher das Straferkenntnis aufzuheben und das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

5.4. Abschließend ist jedoch festzustellen, daß zwar die gegenständliche Beschäftigung entgegen § 10 Abs.2 dem Arbeitsinspektorat nicht gemeldet wurde, daß dem Beschuldigten aber dies nicht zur Last gelegt wurde.

5.5. Es waren daher weitere Ausführungen zur (bestrittenen) strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Bw nicht erforderlich. Es wird aber auf das Ergebnis und die Begründung im parallel geführten Strafverfahren zu VwSen-280041/21 verwiesen.

6. Bei diesem Verfahrensergebnis entfällt jegliche Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t

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