Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-280047/8/Gu/Atz

Linz, 11.04.1995

VwSen-280047/8/Gu/Atz Linz, am 11. April 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Hans GUSCHLBAUER über die Berufung des Dr. L. H., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. W.

G., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 9.2.1995, Zl. Ge96-43-1994-Fr/Gut, wegen Übertretungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes, zu Recht:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren zu den darin beschriebenen Fakten 1 und 2 eingestellt.

Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 31 Abs.2 lit.p ASchG iVm § 45 Abs.3 und § 44 Abs.2 der Bauarbeitenschutzverordnung, § 9 Abs.2 und 4 VStG, § 23 Abs.1 und 2 AIG 1993, § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Die Bezirkshauptmannschaft Perg hat den Rechtsmittelwerber mit dem angefochtenen Straferkenntnis schuldig erkannt, es als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der P. GesmbH.

im Sinne der Bestimmung des § 9 VStG 1991 verantworten zu müssen, daß auf der vom Unternehmen betriebenen Baustelle in ............, ..........., am 9. März 1994 1.) der Arbeitnehmer M. S. mit der Herstellung der Kamineinfassung des nicht in der Nähe des Dachsaumes befindlichen Kamines auf einem ca. 35 Grad geneigten Dach beschäftigt gewesen sei, ohne daß Schutzblenden angebracht waren, obwohl die Traufenhöhe 5,5 m betragen habe und ferner 2.) die Arbeitnehmer A. W. und L. F. mit der Ziegeleindeckung auf dem 35 Grad geneigten Dach beschäftigt waren, ohne daß Schutzblenden angebracht waren, die ein Abstürzen von Menschen und Materialien hintanhalten hätten können.

Wegen Verletzung des § 45 Abs.3 einerseits und § 44 Abs.2 andererseits der Bauarbeitenschutzverordnung wurde über den Rechtsmittelwerber in Anwendung des § 31 Abs.2 lit.p ASchG eine Geldstrafe von einerseits 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage), andererseits 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) und zu den ausgesprochenen Geldstrafen Verfahrenskostenbeiträge von 10 % zur Zahlung vorgeschrieben.

In seiner rechtzeitig dagegen eingebrachten Berufung macht der rechtsfreundlich vertretene Rechtsmittelwerber unter anderem geltend, daß er am 1.4.1993 gemäß § 9 des Verwaltungsstrafgesetzes Herrn J. H. zum verwaltungsstrafrechtlich Beauftragten bestellt habe, welche Bestellungs urkunde am 5.4.1993 an das Arbeitsinspektorat für den 9.

Aufsichtsbezirk (dem für den Sitz des Unternehmens zuständigen Arbeitsinspektorat) gesandt worden sei.

Die im erstinstanzlichen Verfahren vom Arbeitsinspektorat vorgebrachte Einwendung, daß ein derartiger Eingang nicht vorzufinden sei, werde als unerklärlich und unrichtig befunden.

Zur vorgängigen Abklärung des Sachverhaltes hat der Rechtsmittelwerber über Aufforderung eine Ablichtung einer Urkunde vorgelegt, auf welcher auf einem Geschäftspapier der P. GesmbH. zur Übertragung der Verantwortlichkeit nach § 9 des Verwaltungsstrafgesetzes Herr Dr. L. H. in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der P. GesmbH., Herrn J. H., zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.2 und 3 des Verwaltungsstrafgesetzes für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften und für die Einhaltung des Arbeitsinspektionsgesetzes im gesamten Betrieb einschließlich der auswärtigen Baustellen (somit was die Materie anlangt in einem sachlich abgegrenzten Bereich) bestellt hat.

Demnach wurde J. H. die Befugnis übertragen, für diese Bereiche die entsprechenden Anordnungen zu treffen und Bevollmächtigte nach § 31 Abs.2 Arbeitnehmerschutzgesetz und Anordnungsbefugte nach § 3 Bauarbeiterschutzverordnung zu bestellen und zu bestimmen. J. H. hat der Bestellung zugestimmt. Die Urkunde trägt das Datum 1. April 1993 und ist von Dr. L. H. und J. H. unterzeichnet. Diese Urkunde wurde unter Hinweis auf § 23 des AIG am 5.4.1993 an das Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk übersandt und ist, wie sich nunmehr nachträglich herausstellte, tatsäch lich am 6.4.1993 dort eingelangt.

Zu diesem Sachverhalt zur Geltendmachung des rechtlichen Gehörs eingeladen, teilte das Arbeitsinspektorat für den 9.

Aufsichtsbezirk mit, daß nunmehr abgeklärt werden konnte, daß die Bestellungsurkunde dem Arbeitsinspektorat im April 1993 übermittelt worden ist.

Es sei dennoch zu prüfen, ob Herr H. als leitender Angestellter im Sinn des § 23 AIG anzusehen sei und welche Führungsaufgaben er selbstverantwortlich wahrzunehmen hatte.

Nach den Informationen des Arbeitsinspektorates gehöre H.

der zweiten Berichtsebene des Unternehmens an.

In der gesamten Sache war wie folgt rechtlich zu erwägen:

Gemäß § 9 Abs.2 VStG sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt und soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das gesamte Unternehmen oder für bestimmte räumliche oder sachliche abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumliche oder sachliche abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

Gemäß § 9 Abs.4 VStG kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.

Gemäß § 23 Abs.1 AIG 1993 wird die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.2 und 3 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 in der jeweils geltenden Fassung für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften und für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes erst rechtswirksam, nachdem beim zuständigen Arbeitsinspektorat eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des/der Bestellten eingelangt ist. Dies gilt nicht für die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten auf Verlangen der Behörde gemäß § 9 Abs.2 VStG.

Gemäß § 23 Abs.2 leg.cit. können Arbeitnehmer für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften und für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.2 und 3 VStG rechtswirksam nur bestellt werden, wenn sie leitende Angestellte sind, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind.

Eine ausdrückliche Regelung, was zu geschehen habe, wenn beim Arbeitsinspektorat eine Mitteilung samt Urkunde bezüglich der Bestellung einer Person zum verantwortlichen Beauftragten für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften einlangt und das Arbeitsinspektorat Zweifel hegt, ob die beauftragte Person leitender Angestellter ist, der maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen ist, fehlt. Hiezu ist festzustellen, daß die Lehre sowie die Höchstgerichte, als auch die Straßburger Instanzen davon ausgehen, daß auch im öffentlichen Recht der Grundsatz von Treue und Glauben gilt.

Demzufolge hat ein befaßtes Arbeitsinspektorat bei gehegtem Zweifel diese den betroffenen Personen innerhalb angemessener Frist selbst mitzuteilen und hierauf allenfalls auch eine förmliche Erledigung zu treffen.

Offenbar diesem Grundsatz folgend führt Dr. Dietrich Scherff in der Ausgabe Arbeitnehmerschutz-ASchG, Arbeitsinspektion-ArbIG, herausgegeben in der Schriftenreihe der ARD Wien 1994 auf Seite 241 aus: "Wenn bei einem Arbeitsinspektorat eine Mitteilung eines Arbeitgebers über die Bestellung eines Arbeitnehmers zum verantwortlichen Beauftragten für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften einlangt, hat das Arbeitsinspektorat zu überprüfen, ob es sich tatsächlich um einen leitenden Angestellten handelt. Ist dies nicht der Fall, ist dem Arbeitgeber schriftlich mitzuteilen, daß die Bestellung unwirksam ist".

Aus diesem Grunde durfte der Rechtsmittelwerber darauf vertrauen, daß ihn die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung für die ihm am 9. März 1994 zur Last gelegten Übertretungen der Bauarbeitenschutzverordnung nicht treffen konnte, weil er hiefür schon im Jahr 1993 einen verantwortlichen Beauftragten bestellt hatte.

Aus all diesen Gründen war das angefochtene Straferkenntnis, das sich gegen den Beschuldigten richtet, aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen ihn einzustellen.

Dies hatte auf der Kostenseite zur Folge, daß ihm weder für das erstinstanzliche Verfahren noch für das Berufungsverfahren Kostenbeiträge auferlegt werden dürfen (§ 66 Abs.1 VStG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Guschlbauer

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum