Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280059/5/Kl/Rd

Linz, 23.04.1996

VwSen-280059/5/Kl/Rd Linz, am 23. April 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des Mag. WW, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 24.2.1995, Ge96-113-1994, wegen einer Übertretung nach der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung bzw. dem Arbeitnehmerschutzgesetz zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 44a Z1, 45 Abs.1 Z3 und 51 VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 24.2.1995, Ge96-113-1994, wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 10.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von fünf Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs.1 iVm § 16 Abs.2 und § 52 Abs.2 AAV verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer und verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der W Gesellschaft mbH mit dem Sitz in A, die wiederum persönlich haftende Gesellschafterin der G, S W KG mit dem Sitz in A ist, zur Vertretung nach außen berufenes Organ, am 25.8.1994 im Standort den Steinspalter PAKON, Nr. 9261-5377-3 zum Spalten von Granitsteinen eingesetzt hat, obwohl die Staubabsauganlage nicht betriebsbereit war. Die Aufhängung der Stauberfassungsvorrichtung (Trichter) war abgebrochen, sodaß eine Montage an der Maschine nicht möglich war. Die beiden Absaugschläuche waren mittels Draht oberhalb der Maschine fixiert bzw. hingen hinter der Maschine zu Boden. Eine Erfassung des beim Spaltvorganges entstehenden Quarzstaubes war nicht möglich.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und darin ausgeführt, daß der Bediener der Spaltanlage beauftragt und verpflichtet war, eine Beschädigung der Absauganlage sofort in der Werkstätte zwecks Behebung zu melden, umso mehr, als diese Werkstätte lediglich 50 m von seinem Arbeitsstand entfernt ist. Trotz dieser Meldepflicht, die ausschließlich zum Vorteil des Arbeitnehmers dient und ihm überdies nicht die geringsten Kosten oder Nachteile verursacht, habe der Unternehmer eine Einrichtung geschaffen und werde nunmehr der Arbeitnehmer von seiner Verantwortung sich selbst gegenüber enthoben und ihm eine Tätigkeit, die jedem normalen Menschen als selbstverständlich erscheint, erspart. Im Grunde eines solchen Kontrollsystems und aufgrund des immer härter werdenden Konkurrenzkampfes in den letzten Jahren sei daher der Betrieb in große finanzielle Schwierigkeiten geraten und befinde sich derzeit im Ausgleich. Der Strafbetrag stelle daher die Durchführung des Ausgleiches in Frage und sei auch, weil gleichzeitig mehrere Straferkenntnisse gegen den Bw erlassen worden sind, bei einem Monatsgehalt von 15.000 S bei weitem überhöht.

3. Die BH Rohrbach als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt. Der O.ö. Verwaltungssenat hat das anzeigende AI auch in seinem Verfahren beteiligt.

Weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 16 Abs.2 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung - AAV, BGBl.Nr. 218/1983 idgF (zum Tatzeitpunkt geltende Fassung) ist bei Arbeiten in Betriebsräumen, bei denen sich die Entwicklung von Gasen, Dämpfen oder Schwebstoffen gesundheitsgefährdender Arbeitsstoffe in einer gefährlichen oder in anderer Weise für die Gesundheit nachteiligen Konzentration nicht vermeiden läßt, die mit diesen Arbeitsstoffen verunreinigte Luft durch geräuscharm arbeitende Absauganlagen möglichst an der Entstehungs- oder Austrittsstelle abzuführen. Eine Konzentration iSd ersten Satzes liegt jedenfalls dann vor, wenn die in den amtlichen Nachrichten des BM für soziale Verwaltung und des BM für Gesundheit und Umweltschutz verlautbarten maximalen Arbeitsplatzkonzentrationen und technischen Richtkonzentrationen von Arbeitsstoffen überschritten sind.

Absauganlagen müssen so gestaltet und wirksam sein, daß sich Gase, Dämpfe oder Schwebstoffe gesundheitsgefährdender Arbeitsstoffe in einer gefährlichen oder in anderer Weise für die Gesundheit nachteiligen Konzentration nicht ansammeln und insbesondere nicht in den Bereich der Atmungsorgane gelangen können.

Weiters ist an Arbeitsstellen in Räumen, die keine Betriebsräume sind, ua zumindest im unumgänglich notwendigen Ausmaß für Maßnahmen iSd §§ 10, 11, 13, 14 und 16 bis 18 zu sorgen (§ 20 Abs.1 AAV).

An Arbeitsstellen im Freien ist zumindest im unumgänglich notwendigen Ausmaß für Maßnahmen iSd §§ 11 und 16 bis 18 zu sorgen (§ 20 Abs.2 AAV).

Gemäß § 100 AAV sind Übertretungen dieser Verordnung nach Maßgabe des § 31 des ASchG zu ahnden.

4.2. Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß 1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und 2) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, dh, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muß im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, daß er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muß ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

4.3. Gemäß den obzitierten gesetzlichen Bestimmungen der AAV ist es von wesentlicher Bedeutung, ob die konkret vorgeworfenen Arbeiten in Betriebsräumen oder an Arbeitsstellen in Räumen, die keine Betriebsräume sind, oder an Arbeitsstellen im Freien durchgeführt wurden. Diesbezügliche Feststellungen enthält weder der Spruch des Straferkenntnisses noch die Begründung des Straferkenntnisses noch die vorausgegangene Verfolgungshandlung.

Für eine Übertretung nach § 16 Abs.2 AAV - gleichgültig ob im Freien oder in Betriebsräumen - ist jedenfalls wesentlich, daß im konkreten Fall Schwebstoffe gesundheitsgefährdender Arbeitsstoffe in einer gefährlichen oder in anderer Weise für die Gesundheit nachteiligen Konzentration auftreten, woraus sich dann die Pflicht zur Absaugung mittels geräuscharm arbeitenden Absauganlagen möglichst an der Entstehungs- oder Austrittsstelle ergibt, wobei noch zu beachten ist, daß sich diese Arbeitsstoffe nicht ansammeln und insbesondere nicht in den Bereich der Atmungsorgane gelangen sollen. Es wäre daher für den Tatbestand wesentlich und erforderlich gewesen, eine nachteilige Konzentration, die die MAK-Werte überschreitet, in den Spruch aufzunehmen sowie auch dem Bw vorzuwerfen, daß eine Absaugung an der Entstehungs- oder Austrittsstelle sowie eine Abscheidung oder Ableitung des Staubes nicht erfolgte.

Ein diesbezüglicher Tatvorwurf wurde dem Bw aber weder in der ersten Verfolgungshandlung (Aufforderung zur Rechtfertigung) noch im Verwaltungsstrafverfahren noch im angefochtenen Straferkenntnis gemacht. Weil es sich aber um wesentliche Tatbestandsmerkmale gemäß den Bestimmungen der AAV handelt, ist diesbezüglich bereits Verfolgungsverjährung eingetreten und war daher das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Mit einem derart unkonkretisierten Tatvorwurf, aus dem die gesetzliche Verpflichtung für bestimmte Schutzeinrichtungen nicht ableitbar ist, wurde nämlich dem Bw die Möglichkeit genommen, sich in jeder Richtung hin zu verteidigen und entsprechende Beweise zu seiner Entlastung anzubieten.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis schließlich sei angemerkt, daß die Nichteinhaltung der gesetzlichen Vorschriften der AAV erst im § 100 AAV zur Verwaltungsübertretung erklärt werden und diese Verwaltungsübertretungen gemäß § 31 Abs.2 lit.p ASchG zu bestrafen sind. Es ist daher erforderlich, iSd § 44a Z2 VStG bei der verletzten Rechtsvorschrift auch § 100 AAV sowie § 31 Abs.2 lit.p ASchG zu zitieren.

6. Bei diesem Verfahrensergebnis waren keine Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t

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