Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280070/8/Ga/Fb

Linz, 08.11.1996

VwSen-280070/8/Ga/Fb Linz, am 8. November 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des G B, vertreten durch DDr. G, Rechtsanwalt in F, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 13. März 1995, Zl. Ge96- 159-1993-Pa-Gra, wegen Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

AVG: § 66 Abs.4.

VStG: § 24; § 9 Abs.4, § 45 Abs.1 Z2, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 und § 66 Abs.1.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber in zwei Fällen wegen Übertretung der Maschinen-Schutzvorrichtungsverordnung und in einem Fall wegen Übertretung der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung je kostenpflichtig bestraft. Er sei schuldig, er habe "als gemäß § 9 Abs.2 und 4 VStG 1991 bestellter verantwortlicher Beauftragter der 'B Ges.m.b.H. & Co.KG.', Sitz in L, für die angelasteten Verwaltungsübertretungen (mit Tatzeit 15. November 1993) einzustehen, weil er in dieser seiner Eigenschaft für die Einhaltung aller Arbeitnehmerschutzvorschriften "bei den ihm zugeteilten Baustellen" hafte.

Auf Grund der Berufung hat der unabhängige Verwaltungssenat, nach Einholung von Parteienäußerungen, über den mit der Aktenlage gegebenen Sachverhalt erwogen:

2. Das zugrundeliegende Verwaltungsstrafverfahren wurde über Anzeige des Arbeitsinspektorats für den 9. Aufsichtsbezirk vom 22. November 1993 eingeleitet. Daß der Berufungswerber (und nicht das Vertretungsorgan des Arbeitgebers; vorliegend geht es um die Einhaltung von Schutzvorschriften durch eine juristische Person) für die Übertretungen einzustehen habe, stützte die belangte Behörde auf die Darstellung des Arbeitsinspektorats, wonach der Berufungswerber als verantwortlicher Beauftragter der bezeichneten Arbeitgeberin "für Baustellen in OÖ." genannt worden sei.

Die Kopie eines Schriftsatzes mit dem Betreff: "Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 23 ArbIG" war der Anzeige angeschlossen. Diesen Schriftsatz hat die belangte Behörde nicht nur als Nachweis der Zustimmung des Berufungswerbers iSd § 9 Abs.4 VStG (§ 23 Abs.1 erster Satz ArbIG) zu seiner Bestellung als verantwortlicher Beauftragter, sondern ohne weiteres auch als Nachweis, daß ein ordnungsgemäßer Bestellungsakt stattgefunden hat, gewertet.

Dies ist aus folgendem zu schließen: Zum einen ist die belangte Strafbehörde - der auch in diesem Fall die Prüfung und Entscheidung darüber, ob ein Bestellungsakt des Arbeitgebers überhaupt vorliegt und, zutreffendenfalls, ob damit die sodann mitgeteilte Verschiebung der verwaltungsstraf rechtlichen Verantwortlichkeit rechtlich überhaupt bewirkt werden konnte, zugekommen ist (vgl VwGH 8.7.1994, 94/02/ 0079) - auf den Rechtsgrund der dem Berufungswerber (als Arbeitnehmer!) zugesonnenen verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit für die gegenständlich in Verfolgung gezogenen Delikte in der Begründung des Straferkenntnisses überhaupt nicht eingegangen. Es kann zum anderen aber auch dem Verfahrensakt nicht entnommen werden, daß die belangte Behörde das Vorliegen einer rechtswirksamen Bestellung als solcher irgendwie hinterfragt hätte. Und schließlich hat der Berufungswerber selbst die ihm zugemessene Verantwortlichkeit von Anfang an gegen sich gelten lassen. Nicht zuletzt offenbar auch deswegen hat die belangte Behörde das Verwaltungsstrafverfahren gegen das nach außen vertretungsbefugte Organ der Arbeitgebergesellschaft von vornherein nicht eingeleitet.

3.1. Gemäß § 23 Abs.1 ArbIG wird die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.2 und 3 VStG für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften und für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes erst rechtswirksam, nachdem beim zuständigen Arbeitsinspektorat eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des/der Bestellten eingelangt ist.

Hinsichtlich ArbeitnehmerInnen kann gemäß § 23 Abs.2 ArbIG eine solche Bestellung rechtswirksam nur vorgenommen werden, wenn sie leitende Angestellte sind, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind.

§ 9 Abs.2 letzter Satz VStG ordnet an, daß für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens auch andere Personen (als die Vertretungsorgane der juristischen Person) zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden können.

§ 9 Abs.4 VStG verlangt für den verantwortlichen Beauftragten, daß die betreffende Person den Wohnsitz im Inland hat, strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und ihr für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.

Diese Anordnungsbefugnis versteht die Judikatur als spezifische Leitungsfunktion, die der verantwortliche Beauftragte für den bestimmten räumlich oder sachlich abgegrenzten Bereich des Unternehmens ausübt, ohne daß dem leitenden Angestellten (iSd § 23 Abs.2 ArbIG) Einfluß auf die Unternehmensführung selbst zukommen muß.

3.2. In seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 9 Abs.4 VStG vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, daß die Bestellung und Namhaftmachung von verantwortlichen Beauftragten für räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche eines Unternehmens dann nicht rechtswirksam sind, wenn dieser Bereich nicht klar abgegrenzt ist, sodaß die Verwaltungsstrafbehörde die Bestellung aufgrund der Ergebnisse von hiezu erforderlichen Ermittlungen einer Interpretation zu unterziehen hat. Die Bestellungen (Namhaftmachungen) dürfen keine Zweifel über den Umfang der Übertragung der Verantwortlichkeit offenlassen (vgl VwGH 7.4.1995, 94/02/0470; mit Hinweis auf die seit Februar 1993 ergangene Judikatur).

Jedenfalls sollte vermieden werden, daß Zweifel am Umfang des Verantwortlichkeitsbereiches entstünden und als deren Folge die Begehung von Verwaltungsübertretungen allenfalls überhaupt ungesühnt bliebe (vgl VwGH 9.8.1994, 94/11/0207, 0208).

3.3. Eine solche zweifelhafte Bestellung liegt im Berufungsfall allerdings vor.

3.3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat würdigt den oben (2.) erwähnten Schriftsatz als einen - diesfalls eben in Schriftform niedergelegten - Bestellungsakt als solchen. Für diese Wertung sprechen die ausdrückliche Bezeichnung im Betreff, vor allem aber der in sieben Abschnitte gegliederte Inhalt des Schriftsatzes, der insoweit eindeutig über die Erfordernisse einer bloßen Mitteilung oder eines bloßen Nachweises der Zustimmung hinausreicht. Zudem deutet nach der Aktenlage nichts darauf hin, daß in diesem Fall eine andere Bestellung - in einer anderen Form - als eben mit diesem Schriftsatz erfolgt wäre. Daß diese Urkunde gleichzeitig auch den Zwecken der Mitteilung und des Nachweises der Zustimmung diente, verhindert nicht, daß in ihr die Bestellung selbst festgehalten ist.

3.3.2. Werden nun die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze (vorhin 3.2.) auf diesen Bestellungsakt vom 22. Juli 1993 übertragen, so kann ihm schon nicht eindeutig entnommen werden, ob eine Bestellung überhaupt zugrundeliegt. Die Urkunde hat nur der Berufungswerber unterschrieben. Die "Unterschrift des Arbeitgebers/der vertretungsbefugten Organe" sieht die Urkunde zwar in einem eigenen Abschnitt "7." vor, die Unterschrift des Bestellenden fehlt jedoch. Diesen Umstand für sich genommen, hat daher der Berufungswerber nur einer Blankobestellung zugestimmt. Wollte man andererseits aber davon ausgehen, daß die Bestellung (die Bevollmächtigung) zwar - mündlich erfolgte, so bleibt dennoch unklar, WER bestellt (bevollmächtigt) hat. Tatsächlich der Arbeitgeber bzw das iSd § 9 Abs.1 VStG verantwortliche Organ? Oder nur ein Prokurist? Oder die Leitung des Personalbüros? Oder die Leitung einer technischen Abteilung? Im Ergebnis ist, auf die Bestellung bezogen, aus der vorliegenden Urkunde keine Beweiswürdigung dahin möglich, ob die in dieser Urkunde enthaltenen Erklärungen tatsächlich vom (von den) Aussteller(n) herrühren.

Ist aber schon die Bestellung zweifelhaft, läßt sich auch nicht eindeutig ableiten, WOFÜR der namhaft gemachte verantwortliche Beauftragte zugestimmt haben soll.

3.3.3. Vor allem aber gibt auch die in der Urkunde (Abschnitte 3. und 4.) vorgenommene Abgrenzung des sachlichen und des räumlichen Zuständigkeitsbereichs des verantwortlichen Beauftragten Anlaß zu Zweifeln. Zwar ist die Abgrenzung in sachlicher Hinsicht für sich allein eindeutig ("Einhaltung des ArbIG; Einhaltung aller Arbeitnehmerschutzvorschriften"), doch wird diese Eindeutigkeit durch die in diesem Fall davon nicht zu trennende Abgrenzung in räumlicher Hinsicht wieder zunichte gemacht. Dort (Abschnitt 4.) ist angegeben: "für mehrere Baustellen in ganz Oberösterreich". Diese Formulierung ist mehrdeutig und läßt offen, ob die im Schuldspruch genannte Baustelle miterfaßt ist. Einerseits könnte damit ausgedrückt sein, daß der sachliche Zuständigkeitsbereich des verantwortlichen Beauftragten für die mehreren, im Sinne einer gegebenen ganzen Vielzahl der von der Gesellschaft in zum Zeitpunkt der Errichtung der Urkunde betriebenen Baustellen gelten soll.

Andererseits kann, was sprachlich naheliegender scheint, diese Formulierung auch bedeuten, daß die Bestellung zwar für mehrere, aber eben nicht alle Baustellen in ganz (derzeit schon betriebene oder auch künftig erst einzurichtende?) gelten soll. Angesichts dieser in Wahrheit unklaren Abgrenzung ist die Wortfolge im Schuldspruch: "bei den ihm zugeteilten Baustellen" geeignet, zum Rechtsnachteil des Berufungswerbers den falschen Eindruck zu erwecken, daß klar sei, welche konkreten Baustellen in seine Verantwortung delegiert wurden.

3.4. Auf Grund aller dieser zu Zweifeln über den Inhalt der Bestellung vom 22. Juli 1993 Anlaß gebenden Mängeln war die dem Berufungsfall zugrundegelegte Bestellung des Berufungswerbers zum verantwortlichen Beauftragten von Anfang an nicht rechtswirksam.

Ob überdies aus Abschnitt 5. der Urkunde die Zuweisung der Anordnungsbefugnis durch den Besteller eindeutig genug hervorgeht, kann auf sich beruhen.

4. Ist aber die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Arbeitgebers, wie sich herausgestellt hat, auf den gegenüber dem Arbeitsinspektorat namhaft gemachten Berufungswerber infolge unwirksamer Bestellung - nach der Aktenlage kann auch eine Scheinbestellung nicht ausgeschlossen werden - gar nicht übergegangen, durfte der Berufungswerber für die Taten des Schuldspruchs auch nicht bestraft werden.

Das angefochtene Straferkenntnis war daher aufzuheben; gleichzeitig war, weil der Beschuldigte die ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen nicht begangen hat, das Verfahren einzustellen.

5. Mit dieser Entscheidung entfällt die Kostenpflicht des Berufungswerbers (die Aufhebung bewirkt zugleich auch den Wegfall des strafbehördlichen Kostenausspruchs; Beiträge zu den Kosten des Berufungsverfahrens waren nicht aufzuerlegen).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Mag. Gallnbrunner

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