Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280120/6/Ga/La

Linz, 30.12.1996

VwSen-280120/6/Ga/La            Linz, am 30. Dezember 1996 DVR.0690392                                                          

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des Dipl.-Ing. C D, vertreten durch Dr. K H, Rechtsanwalt in G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 30. Juni 1995, Zl. Ge96-51-1994-Gb, wegen Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: AVG: § 66 Abs.4. VStG: § 24; § 45 Abs.1 Z3, § 51 Abs.1, § 51c, § 51e Abs.1,  § 66 Abs.1.

Entscheidungsgründe:

1.  Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber wegen Verletzung "des § 70 Abs.2 AAV iVm    § 11 Abs.1 des Arbeitnehmerschutzgesetzes (ANSchG), § 100 AAV iVm § 31 Abs.2 lit.f und Abs.5 ANSchG iVm § 9 Abs.1 VStG" eine Geldstrafe in der Höhe von 5.000 S (Ersatzfrei heitsstrafe: 120 Stunden) kostenpflichtig verhängt, weil er es trotz Bestellung eines Bevollmächtigten iSd § 31 Abs.2 ANSchG als das für die Einhaltung der Verwaltungsvor schriften verantwortliche Organ der A D KG (handelsrechtlicher Geschäftsführer der D Ges.m.b.H. in deren Eigenschaft als persönlich haftende Gesellschafterin der A D KG, mit näher angegebenen Standort in Neumarkt/H.) zugelassen habe, daß ein Arbeitnehmer dieser Gesellschaft, der am 8. März 1994 mit dem Einbinden von Bewehrungsstahl auf einer örtlich bezeichneten Baustelle beschäftigt gewesen sei, während dieser Tätigkeit auf einen aus der Baustahlgittermatte stehenden Eisenteil gestiegen sei und dieser Eisenteil die Schuhsohle des Arbeitnehmers durchdrungen und die linke Fußsohle des Arbeitnehmers verletzt habe, weil dieser keine Sicherheitsschuhe getragen habe, da von der genannten Gesellschaft als Arbeitgeberin keine Sicherheitsschuhe zur Verfügung gestellt worden seien, obwohl jedem Arbeitnehmer, für den bei der beruflichen Tätigkeit die Gefahr von Verletzungen oder Hautschädigungen für die Beine besteht und für diese Tätigkeit Arbeitsschuhe nicht geeignet sind, ein passender, zweckentsprechender Schutz aus geeignetem Material, wie Sicherheitsschuhe, Stiefel, Gamaschen, Schienbeinschützer oder Knieschützer zur Verfügung zu stellen ist und dieses Schuhwerk mit durchtritt sicherer Sohle ausgestattet sein muß.

2.  In der dagegen erhobenen Berufung bestreitet der Beschuldigte schon die Tatbildmäßigkeit mit dem Vorbringen, daß die Worte "zur Verfügung stellen" im § 70 Abs.2 AAV im Sinne eines "Bereithalten" und nicht quasi als ein dem Arbeitnehmer "In-die-Hand-Drücken" zu verstehen sei. In diesem Verständnis aber seien Sicherheitsschuhe (auch) dem hier involvierten Arbeitnehmer zur Verfügung gestanden und habe dieser jedoch die Sicherheitsschuhe am "Vorfallen heitstag" (bloß) nicht verwendet. Der Berufungswerber bekämpft aber auch die Annahme seines Verschuldens und bringt vor, daß die belangte Behörde zu Unrecht von der Vernachlässigung der ihm obliegenden Kontrollsorgfalt aus gegangen sei. Er beantragt Aufhebung und Verfahrensein stellung.

3.  Mit der Berufungsschrift legte die belangte Behörde auch den bezughabenden Verfahrensakt vor und erstattete keine Gegenäußerung und keinen Antrag (zwar liegt im Strafakt eine als "Gegenschrift" betitelte Punktation zum Berufungsvorbringen ein, die allerdings - ohne daß eine verfahrensrechtliche Grundlage hiefür erkennbar wäre - nur an den Berufungswerber direkt gerichtet wurde).

Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1.  Gemäß § 70 Abs.2 AAV ist jedem Arbeitnehmer, für den bei der beruflichen Tätigkeit die Gefahr von Verlet zungen ... für die Beine, insbesondere durch Einwirkungen nach Abs.1 (ua: mechanischer Art) besteht und für diese Tätigkeit Arbeitsschuhe nicht geeignet sind, ein passender, zweckentsprechender Schutz aus geeignetem Material zur Verfügung zu stellen, wie Sicherheitsschuhe ... Dieses Schuhwerk muß erforderlichenfalls mit durchtrittsicherer ... Sohle ausgestattet sein.

Im Grunde des § 44a Z1 VStG (Bestimmtheitsgebot) hat ein im Verwaltungsstrafverfahren ergehender Schuldspruch "die als erwiesen angenommene Tat" zu enthalten. Demnach ist es rechtlich ua geboten, die Tat hinsichtlich der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und überdies die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Bezogen auf § 70 Abs.2 AAV als hier iSd § 44a Z2 VStG durch die Tat verletzte Verwaltungsvorschrift muß der Schuld spruch, um dem Bestimmtheitsgebot zu entsprechen, auch jene Tatumstände enthalten, die sachverhaltsbezogen eine Beur teilung dahin zulassen, ob der involvierte Arbeitnehmer durch die konkrete berufliche Tätigkeit einer Gefahr von Beinverletzungen durch näher anzugebende Einwirkungen ausge setzt war und ob zur Abwendung der spezifischen Gefahr Arbeitsschuhe ungeeignet waren und es daher erforderlich war, qualifiziertes Schuhwerk (nämlich: Sicherheitsschuhe mit bestimmter Ausstattung, dh vorliegend mit durchtritt sicherer Sohle) zur Verfügung zu stellen. Gleichen Anforderungen allerdings unterliegt auch die erste Verfolgungshandlung, soll sie für die Unterbrechung der Verjährungsfrist (§ 32 Abs.2 iVm § 31 Abs.1 und 2 VStG) tauglich sein.

4.2.  Dem kommt im Berufungsfall die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 13. Juni 1994 (als hier erste Verfol gungshandlung) nicht ausreichend nach. Vielmehr wird dem Berufungswerber nur vorgeworfen, er habe zu verantworten, daß von der involvierten Gesellschaft - allgemein - "den im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern bei deren beruflichen Tätigkeit zumindest bis zum 8. März 1994 keine Sicherheits schuhe zur Verfügung gestellt wurden, was am 8. März 1994 auch zu einer Fußverletzung des Thomas Altenhofer" auf der angegebenen Baustelle geführt habe. Mit der so formulierten Tatanlastung aber hat die belangte Behörde die Verletzung der Schutznorm, zweckent sprechendes Sicherheitsschuhwerk unter bestimmten Voraus setzungen zur Verfügung stellen zu müssen, schon abstrakt, dh losgelöst von Sachverhaltselementen, die im konkreten Einzelfall die Pflicht iSd § 70 Abs.2 AAV erst begründen, vorgeworfen.

Weder nämlich ist angegeben, um welche gefahrengeneigte berufliche Tätigkeit des Arbeitnehmers A es sich konkret gehandelt hatte noch welche spezifische Gefahr mit der Ausübung eben dieser Tätigkeit für den Arbeitnehmer zur Tatzeit auf der streitgegenständlichen Baustelle verbunden war (vgl idS VwGH 22.3.1991, 90/19/0220). Die mangelnde Bestimmtheit dieser Verfolgungshandlung konnte durch die Zeugenvernehmung vom 28. Juli 1994 (als weitere Verfolgungshandlung noch innerhalb der Verjährungs frist) nicht saniert werden, weil weder die Ladung zu dieser Zeugenvernehmung noch die Niederschrift darüber einen konkreten Tatvorwurf enthält.

4.3.  Fehlt aber ein dem § 44a Z1 VStG genügender Vor wurf schon von Beginn der behördlichen Verfolgung an, so ist die fehlende Bestimmtheit durch Beifügung bloß des abstrak ten Gesetzeswortlautes nicht ersetzbar. Daß die belangte Behörde den Bestimmtheitsmangel zwar erkannte, ist aus der Neuformulierung des Schuldspruchs im angefochtenen Straferkenntnis erschließbar. Die Anlastung im Spruch bezeichnet zum ersten Mal die vom Arbeitnehmer aus geübte Tätigkeit und beschreibt die damit verbunden gewesene Gefahr für die Fußsohlen des Arbeitnehmers und geht insgesamt davon aus, daß dem Arbeitnehmer nicht die eben deswegen erforderlich gewesenen Sicherheitsschuhe zur Ver fügung gestellt worden seien. Damit aber enthält der Schuld spruch wesentliche Sachverhaltselemente, die die Verfolgungs handlung noch nicht vorgeworfen hatte.

4.4.  Aus allen diesen Gründen war zum Zeitpunkt der Fällung des angefochtenen Straferkenntnisses für die Tat des Schuldspruchs bereits Verfolgungsverjährung eingetreten, weshalb dem unabhängigen Verwaltungssenat eine Sanierung des Spruchs nicht mehr zugänglich war und er daher auf Aufhebung und Verfahrenseinstellung zu erkennen hatte.

5.  Bei diesem Ergebnis kann auf sich beruhen, daß die oben zit AzR überdies eine andere Tatzeit anlastet als der schließliche Schuldspruch. Dieser erhob als Tatzeit einzig und allein den 8. März 1994 (als jenen Tag, an dem der Berufungswerber die spezifische Pflicht, Schutzmittel zur Verfügung zu stellen, verletzt habe) zum Vorwurf, jene hingegen ging erkennbar von einem Zeitraum des Nicht-zur- Verfügung-Stellens aus, ohne allerdings den BEGINN dieses Tatzeitraumes datumsmäßig genau anzugeben.

Gleichfalls nicht weiter einzugehen ist auf den Einwand des Berufungswerbers, wonach es im Grunde der als verletzt vorgeworfenen Vorschrift des § 70 Abs.2 AAV genüge, Sicherheitsschuhe (bloß) zur Verfügung zu stellen. Tatsächlich scheint auch die einschlägige (oben unter 4.2. zitierte) Judikatur des VwGH davon auszugehen, daß zur Befolgung des bezogenen Schutzgebotes ausreichend sei, wenn die - erforderlichen - Sicherheitsschuhe zu Beginn der aufgetragenen Arbeit auf der konkreten Baustelle zumindest vorhanden sind. Daß aber solche Sicherheitsschuhe für den involvierten Arbeitnehmer auf der Baustelle des Berufungs falles zur Benützung gar nicht vorrätig gewesen seien, hat weder die belangte Behörde unter Beweis gestellt noch hat Gegenteiliges der Berufungswerber zur Bekräftigung seines Einwandes konkret behauptet oder durch geeignetes Beweis angebot zu untermauern versucht.

6.  Mit dieser Entscheidung entfällt die Kostenpflicht des Berufungswerbers (die Aufhebung bewirkt zugleich auch den Wegfall des strafbehördlichen Kostenausspruchs; Beiträge zu den Kosten des Berufungsverfahrens waren nicht aufzuer legen).

^abstand(2) Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichts hof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Mag. Gallnbrunner

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