Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280129/5/Ga/La

Linz, 19.10.1995

VwSen-280129/5/Ga/La Linz, am 19. Oktober 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des L. D. in .........., ..............., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 17. August 1995, Zl. Ge96-283-1995, wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes (AZG) und der Verordnung (EWG) Nr.

3920/85, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben wird; der Antrag auf Einstellung des Strafverfahrens wird hingegen abgewiesen.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG; § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber wie folgt schuldig erkannt:

"Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der P. GesmbH., wie bei einer Überprüfung durch den Arbeitsinspektor Ing. P.

H., Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk ....., festgestellt wurde, die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes (AZG) sowie der EWG-Verordnung übertreten, indem 1) der Lenker J. G. von 7.6.1995 auf 8.6.1995 eine Einsatzzeit von 17 Stunden 30 Minuten hatte, obwohl die Einsatzzeit 14 Stunden nicht überschreiten darf; 2) der Lenker J. G. von 7.6.1995 auf 8.6.1995 eine Lenkzeit von 12 Stunden 15 Minuten und von 9.6.1995 auf 10.6.1995 eine Lenkzeit von 21 Stunden 30 Minuten hatte, obwohl diese nur 9 bzw. zweimal 10 Stunden betragen darf; 3) die Lenkpause vom Lenker J. G. nicht eingehalten wurde, obwohl nach einer ununterbrochenen Lenkzeit von 4,5 Stunden eine Lenkpause/Unterbrechung von mindestens 45 Minuten einzulegen ist; 4) die Ruhepause vom Lenker J. G. von 8.6.1995 auf 9.6.1995 nicht eingehalten wurde, obwohl innerhalb eines Zeitraumes von 24 Stunden den Lenkern eine ununterbrochene tägliche Ruhezeit von mindestens 11 Stunden zu gewähren ist." Dadurch habe der Berufungswerber 1) § 28 Abs. 1a Ziff. 7 iVm. § 16 Abs. 1 bis 3 AZG 2) § 28 Abs. 1a Ziff. 3 und 4 iVm. § 14 Abs. 2 AZG iVm.

Art.6 Abs. 1 Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 3) § 28 Abs. 1a Ziff. 5 und 6 iVm. § 15 Abs. 2 und 3 AZG iVm. Art. 7 Abs. 1 und 2 Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 4) § 28 Abs. 1a Ziff. 2 iVm. § 15a Abs. 1 und 2 AZG iVm.

Art. 8 Abs. 1 und 6 Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 verletzt und sei wegen dieser Übertretungen gemäß § 28 Abs.1a AZG mit je 5.000 S (EF: je 60 Stunden) zu bestrafen gewesen.

1.2. Als Begründung des Strafbescheides gibt die belangte Behörde an:

"Die im Spruch angeführten Verwaltungsübertretungen wurden vom Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk ..... am 21.7.1995 bei der ho. Behörde angezeigt.

Herr Dittrich wurde mit Schreiben vom 28.7.1995 aufge fordert, sich zu den ihm zur Last gelegten Übertretungen mündlich oder schriftlich bis 17.8.1995 bei der ho. Behörde zu rechtfertigen. Er wurde auch darauf aufmerksam gemacht, daß andernfalls das Strafverfahren ohne seine Anhörung durchgeführt wird. Bis dato ist keine Rechtfertigung bei der ho. Behörde eingelangt.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Die Strafbemessung erfolgte unter Rücksichtnahme auf § 19 VStG." 2.1. Die dagegen erhobene, das Straferkenntnis "dem Grunde und der Höhe nach" bekämpfende, (nur) erschließbar die Aufhebung und ausdrücklich jedoch die Verfahrenseinstellung beantragende Berufung hat die belangte Behörde zugleich mit dem Strafakt und ohne Gegenäußerung vorgelegt.

2.2. Das zur Berufung angehörte Arbeitsinspektorat hat folgende Stellungnahme abgegeben:

"Ob der Beschuldigte seiner Sorgfalts- und Kontrollpflicht tatsächlich nachgekommen ist, kann von Seiten des Arbeitsinspektorates erst dann abgeklärt werden, wenn der betreffende Lenker die Angaben des Beschuldigten allenfalls in Form einer Zeugenaussage - bestätigt." 3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsicht in den von der belangten Behörde zu Zl.

Ge96-283-1995 vorgelegten Strafakt. Bereits daraus ging hervor, daß das angefochtene Straferkenntnis - gemäß § 51e Abs.1 VStG ohne öffentliche mündliche Verhandlung - zu beheben ist.

Dies aus folgenden Gründen:

3.1. Gemäß § 44a Z1 VStG in jener Ausprägung, die diese Vorschrift durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfahren hat, ist im Spruch eines Strafer kenntnisses die als erwiesen angenommene Tat insbesondere auch im Hinblick auf den Tatort und die Tatzeit zu konkretisieren.

Dies bedeutet in diesem Fall für den Tatort bei Übertretungen nach dem AZG, daß dieser dort anzunehmen ist, wo der Beschuldigte hätte handeln sollen; geht es dabei, wie hier, um den Betrieb eines Unternehmens, so fällt dieser Ort im Zweifel mit dem Sitz des Unternehmens zusammen. Das an diesem Sitz tätige verantwortliche Organ hätte dort handeln müssen, um die Verstöße gegen das Gesetz zu verhindern (vgl.

VwGH 25.1.1994, 93/11/0227; uva).

Im Berufungsfall sind innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist zwei Verfolgungshandlungen (nämlich: die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 28. Juli 1995 und das angefochtene Straferkenntnis) gesetzt worden. Damit aber nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Verfolgungshandlung den Eintritt der Verjährung (§ 31 Abs.1 VStG) verhindert, muß sie einen bestimmten (strafbaren) Sachverhalt, der jedenfalls wiederum - siehe vorhin - Tatort und Tatzeit umfassen muß, zum Gegenstand haben. Weder aber die Aufforderung zur Rechtfertigung noch das angefochtene Straferkenntnis selbst enthalten eine als Tatort taugliche Ortsangabe, jedenfalls keinerlei Hinweis auf den Sitz des Unternehmens des Berufungswerbers. Gegenständlich kann auch aus der Adressierung der Verfolgungshandlungen - auch im Zusammenhang mit der übrigen Textierung der Tatanlastung nicht abgeleitet werden, an welchem Ort der Berufungswerber sein Unternehmen betrieben hat bzw. daß gegen ihn der Vorwurf erhoben wird, die ihm angelasteten Taten unter der angeführten Adresse begangen zu haben (vgl. VwGH 22.4.1993, 92/09/0377, dort verweisend auf VwGH 13.7.1990, 90/19/0088, mit vergleichbarem Sachverhalt; ähnlich h. Erk. 31.5.1995, VwSen-310021/3/Ga/La). Auch die Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses gibt keinerlei Hinweis auf den Tatort.

Im Ergebnis ist einerseits der Berufungswerber für Delikte ohne Tatort bestraft worden. Damit aber hat sich andererseits die belangte Behörde der Rechtfertigung und Nachprüfbarkeit ihrer örtlichen Zuständigkeit begeben.

3.2. Darüber hinaus fehlt dem Vorwurf zu Spruchpunkt 3.

eine Tatzeit, die in der Angabe, wann Lenkpausen nicht gewährt worden seien, hätte bestehen müssen.

4.1. Der vorgelegten Berufung war daher gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG schon aus diesen Gründen stattzugeben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben, ohne daß noch auf das weitere Vorbringen des Berufungswerbers in der Sache einzugehen war.

4.2. Im übrigen obliegt es der belangten Behörde, im allenfalls fortzusetzenden Verfahren die Frage zu klären, ob bzw. inwieweit die Verfolgungsverjährungsfrist im gegenständlichen Fall noch offen ist. Der Antrag des Berufungswerbers auf Einstellung des Verfahrens war daher abzuweisen.

Dadurch ergibt sich, wie der unabhängige Verwaltungssenat zuletzt im Erkenntnis vom 10. Oktober 1995, VwSen-200177/2/Gf/Km (mit dort zit. Vorjudikatur) ausgeführt hat, auch kein Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die - wie etwa im Erkenntnis vom 4.

September 1992, 92/18/0353, deutlich wird - ja davon auszugehen scheint, daß mit der Aufhebung eines Straferkenntnisses lediglich dann zugleich auch die Einstellung des Strafverfahrens untrennbar verbunden ist, wenn sich im Spruch des Erkenntnisses des unabhängigen Verwaltungssenates hinsichtlich der Frage der Verfahrenseinstellung keine gesonderte Aussage findet, während demgegenüber - abgesehen von der expliziten Aufnahme des Ausschlusses der Verfahrenseinstellung in den Spruch des Berufungsbescheides - eben durchaus Fallkonstellationen denkbar sind, in denen die Aufhebung des Straferkenntnisses durch den unabhängigen Verwaltungssenat nicht auch zugleich die notwendige Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zur Folge hat (vgl. zB VwGH 8.10.1992, 92/18/0391,0392).

5. Mit diesem Verfahrensergebnis entfällt die Kostenpflicht des Berufungswerbers in dieser Sache gänzlich (die Aufhebung bewirkt zugleich auch den Wegfall des strafbehördlichen Kostenausspruchs).

6. Aus Zweckmäßigkeitsgründen hält der unabhängige Verwaltungssenat - im Hinblick auf eine allfällige Fortsetzung des Verfahrens durch die belangte Strafbehörde noch fest:

Das angefochtene Straferkenntnis ist rechtswidrig auch wegen Verletzung der Begründungspflicht (§ 58 Abs.2 und § 60 AVG iVm § 24 VStG). Keineswegs ist die von der belangten Behörde hier beanspruchte Vorschrift des § 42 Abs.1 Z2 letzter HS VStG (wonach dann, wenn der Beschuldigte der Aufforderung zur Rechtfertigung nicht nachkommt, das Strafverfahren ohne seine Anhörung durchgeführt werden darf) als Ermächtigung dahin auszulegen, das ordentliche Strafverfahren dann mit einem in Wahrheit begründungslosen, diesbezüglich über die Ebene einer schlichten Strafverfügung kaum hinausreichenden Straferkenntnis abschließen zu können.

So enthält sich die belangte Behörde - indem sie zur Sache selbst nichts anderes erwähnt, als daß bei ihr Verwaltungsübertretungen "angezeigt" wurden - jeder Aussage darüber, daß sie und warum sie in diesem Verfahren a) einen bestimmten Sachverhalt für erwiesen, b) die Tatbestandsmäßigkeit und c) die Schuldseite für erfüllt erachtet hat.

Im Lichte der Begründungspflicht ist auch der Satz: "Die Strafbemessung erfolgte unter Rücksichtnahme auf § 19 VStG." (dem sonst nichts weiter beigefügt ist!) völlig ungenügend.

Weder daraus noch überhaupt aus dem Strafakt ist nachvollziehbar bzw. überprüfbar, daß die Verhängung der Strafen tatsächlich an Hand der objektiven und subjektiven Kriterien des § 19 Abs.1 und Abs.2 VStG erfolgt ist. So unterblieb in diesem Fall nicht nur die Bewertung des Unrechtsgehalts der Taten, die Bedachtnahme auf das Schuldausmaß sowie die Abwägung der Erschwerungs- und Milderungsgründe, sondern auch, zumindest nach der Aktenlage, jegliche Ermittlung bzw. Schätzung (und vorherige Bekanntgabe) der für die Strafbemessung maßgeblichen persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten.

Gerade auf die Bedenklichkeit einer dergestalt rechtswidrigen Vorgangsweise bei der Strafbemessung hat jedoch der unabhängige Verwaltungssenat die belangte Behörde schon mehrfach und jeweils mit näherer Begründung aufmerksam gemacht (zuletzt: VwSen-280022/5/Ga/Fb vom 17.8.1995).

Der Verfassungsgerichtshof nimmt in ständiger Rechtsprechung (zB Erk. 25.6.1994, B 1676/92-10, mit Vorjudikatur) die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes (auch) dann an, wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat - etwa dadurch, daß eine gehäufte Verkennung der Rechtslage vorliegt oder in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wurde. Mit solcher Willkür scheint das angefochtene Straferkenntnis belastet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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