Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280034/2/Ga/La

Linz, 02.05.1995

VwSen-280034/2/Ga/La Linz, am 2. Mai 1995

DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des Baumeister Dipl.-Ing. R. F., vertreten durch Dr. G. H., Dr. A. F., Mag. U. S., Rechtsanwälte in ........., .............., gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt ...... vom 2. Februar 1995, Zl. MA2-Pol-5002-1995 Scho, wegen Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

Rechtsgrundlage:

AVG: § 66 Abs.4.

VStG: § 24; § 44a Z1, § 45 Abs.1 Z3, § 51 Abs.1, § 51c, § 51e Abs.1; § 65, § 66 Abs.1.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber wegen Verletzung des § 31 Abs.2 lit.p des Arbeitnehmerschutzgesetzes (ASchG) iVm § 70 Abs.2 und § 48 Abs.8 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) eine Geldstrafe in der Höhe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: zwölf Stunden) kostenpflichtig verhängt; er sei schuldig, er habe "als Geschäftsführer und somit als nach außen vertretungsbefugtes Organ der Bauunternehmung R. G.

KG., ......, ..............," gemäß § 9 Abs.1 VStG zu verantworten, als Arbeitgeber gegen seine Fürsorge- und Aufsichtspflicht gemäß § 70 Abs.2 und § 48 Abs.8 AAV verstoßen zu haben, weil ein namentlich genannter Arbeitnehmer dieser Gesellschaft auf einer näher bezeichneten Baustelle keine Sicherheitsarbeitsschuhe getragen habe, wodurch "die Verwendung dieser Schutzausrüstung gemäß § 48 Abs.8 AAV nicht entsprechend überwacht" worden sei.

2. Die dagegen mit näherer Begründung ua die Verjährung des Vorfalls einwendende, das Straferkenntnis zur Gänze anfechtende und die Aufhebung beantragende Berufung hat die belangte Behörde gleichzeitig mit dem bezughabenden Strafakt ohne Gegenäußerung vorgelegt.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

3.1. Der Berufungswerber macht geltend, daß in dieser Angelegenheit Verjährung deswegen eingetreten sei, weil die erste und einzige Verfolgungshandlung innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist nicht die belangte Behörde, sondern die Bezirkshauptmannschaft ........ gesetzt habe.

Mit diesem Einwand übersieht der Berufungswerber, daß eine Verfolgungshandlung - ihre inhaltliche Tauglichkeit vorausgesetzt - kraft ausdrücklicher Anordnung gemäß § 32 Abs.2 VStG selbst dann verjährungsunterbrechend wirkt, wenn sie von einer zu dieser Amtshandlung nicht zuständigen Behörde gesetzt worden ist. Zwar ist in dieser Sache, wie der unabhängige Verwaltungssenat im Erkenntnis vom 21. November 1994, VwSen-220999/4/Ga/La, festgestellt hat, mit der Bezirkshauptmannschaft .......... eine örtlich unzuständige Strafverfolgungsbehörde eingeschritten, weshalb das schon aus diesem Grund rechtswidrig erlassene Straferkenntnis im Zuge eines dagegen beantragten Berufungsverfahrens wegen Unzuständigkeit aufzuheben gewesen ist. Mit dieser Aufhebung war jedoch weder ausdrücklich formell noch implizit materiell die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens verbunden, wie dies der unabhängige Verwaltungssenat unter Hinweis auf die diesbezüglich nunmehr ständige Rechtsprechung klarstellend betont hat. Verfehlt ist daher die Ansicht des Berufungswerbers, wenn er ausführt, daß mit dieser Berufungsentscheidung das Verwaltungsstrafverfahren gegen ihn "beendet" worden sei. Vielmehr hat der unabhängige Verwaltungssenat, ausgehend von der oben zitierten Rechtslage, in dem zit. Erkenntnis (Seite 3, P.4.) festgehalten, daß "die Beantwortung der Frage, ob das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Berufungswerber fortgeführt werden kann, oder ob nicht vielmehr mit einer Einstellungsverfügung gemäß § 45 Abs.1 Einleitungssatz VStG vorzugehen sein wird, der sachlich und örtlich zuständigen Strafbehörde" obliegt.

3.2. Die belangte Behörde als in diesem Fall nun erstmals eingeschrittene örtlich zuständige Strafbehörde hat sich für die Fortführung des Verwaltungsstrafverfahrens entschieden und das vorliegend angefochtene Straferkenntnis gefällt.

3.3. Inhaltlich hat jedoch die Fortführung des Verwaltungsstrafverfahrens durch die belangte Behörde, aus dem Akt ersichtlich, nur in einer Neuformulierung des aufgehobenen Straferkenntnisses, u.zw. unter weitgehend wörtlicher Übernahme des Spruchs und der Begründung, bestanden. Ob dabei die belangte Behörde eine eigenständige Prüfung der maßgeblichen, von der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn gesetzten Verfolgungshandlung vom 2. Februar 1994 auf deren Tauglichkeit zur Unterbrechung der Verjährungsfrist vorgenommen hat, geht aus dem Akt nicht hervor.

Offenbar aber blieb - trotz Fingerzeigs des unabhängigen Verwaltungssenates - unentdeckt, daß in dieser Sache wegen Unbestimmtheit der ersten Verfolgungshandlung bereits Verjährung eingetreten gewesen ist.

3.3.1. Gemäß § 70 Abs.2 AAV ist jedem Arbeitnehmer, für den bei der beruflichen Tätigkeit die Gefahr von Verletzungen ... für die Beine insbesondere durch Einwirkungen nach Abs.1 (ua: durch mechanische Einwirkungen) besteht und für diese Tätigkeit Arbeitsschuhe nicht geeignet sind, ein passender, zweckentsprechender Schutz aus geeignetem Material zur Verfügung zu stellen, wie Sicherheitsschuhe ... Dieses Schuhwerk muß erforderlichenfalls mit durchtrittsicherer ...

Sohle ausgestattet sein.

Die Pflicht, eine solche Schutzausrüstung zur Verfügung zu stellen, ist jedoch nicht schrankenlos angeordnet, sondern steht unter dem tatbildlichen Vorbehalt (arg.: "sofern" im § 48 Abs.8 AAV), daß ein ausreichender Schutz der Arbeitnehmer trotz entsprechender technischer oder organisatorischer Maßnahmen nicht erreicht wird, oder solche Maßnahmen von vornherein nicht durchführbar sind. War demgemäß eine Schutzausrüstung zur Verfügung zu stellen, so ist ihre zweckentsprechende Verwendung in gebotenem Umfang zu überwachen (§ 48 Abs.8 AAV).

3.3.2. Sitz des eigentlichen Tatvorwurfs der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 2. Februar 1994 ist allein der Satz:

"Sie haben daher als Arbeitgeber gegen Ihre Fürsorge- und Aufsichtspflicht gemäß § 70 Abs.2 und § 48 Abs.8 AAV verstoßen." Eine Tatzeit für diese Zuwiderhandlung ist zugleich nicht angegeben.

Im übrigen jedoch besteht der hier belangvolle Inhalt dieser Verfolgungshandlung einerseits in der bloß neutralen Schilderung eines Unfallherganges (wie er sich am 6. Oktober 1993 auf einer bestimmten Baustelle abgespielt hatte, ohne daß diese Schilderung als Teil des Vorwurfs eines deliktischen Verhaltens eines bestimmten Beschuldigten erkennbar wäre) und andererseits in der abstrakten Wiedergabe von (zudem ungenau zitierten) Teilen der Bestimmungen des § 70 Abs.2 und des § 48 Abs.8 AAV, ohne daß daraus ein persönlich an einen Täter gerichteter Vorwurf herausgelesen werden könnte.

In der Folge hat der Berufungswerber, sich rechtfertigend, immerhin auf Überwachungsmaßnahmen hingewiesen und diese verteidigt und offenbar auch eingewendet, daß er die von ihm zur Verfügung gestellten Arbeitsschuhe für geeignet gehalten hat.

3.3.3. Damit aber sind - abgesehen von der nur vermeintlich angelasteten Tatzeit - dem Berufungswerber aus dem Blickwinkel der als verletzt zugrundegelegten Rechtsvorschriften insbesondere folgende wesentliche Tatbestandselemente nicht rechtzeitig zum Vorwurf gemacht worden:

* aus § 70 Abs.2 AAV: die an der Baustelle für die ausgeübte Tätigkeit bestehende Gefahr von Verletzungen für die Beine sowie die für diese Tätigkeit gegebene Nichteignung von Arbeitsschuhen; * aus § 48 Abs.8 AAV: die Nichterfüllung des oben dargelegten Vorbehalts zugunsten technischer und organisatorischer Maßnahmen sowie, daß die zweckentsprechende Verwendung der Schutzausrüstung nicht "in gebotenem Umfang" überwacht worden ist.

Da sich aber eine die Verfolgungsverjährung gemäß § 31 Abs.1 VStG ausschließende Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG nach ständiger Rechtsprechung des VwGH (vgl. zB für einen Anwendungsfall der AAV: Erk. vom 14.10.1994, 94/02/0287; mit Vorjudikatur) auf alle die Tat betreffenden, wesentlichen Sachverhaltselemente beziehen muß, hätte der Berufungswerber nur dann wegen der gegenständlichen Verwaltungsübertretung bestraft werden dürfen, wenn auch die vorhin genannten Sachverhaltselemente von einer innerhalb der Frist des § 31 Abs.2 VStG vorgenommenen Verfolgungshandlung umfaßt worden wären, was im Berufungsfall, wie aufgezeigt, jedoch nicht zutrifft.

3.4. Zusammenfassend erweist sich, daß der dem Schuldspruch zugrundegelegte Tatverdacht zur Zeit der Fällung des Straferkenntnisses wegen Unbestimmtheit bereits verjährt gewesen ist. Aus diesem Grund war die Aufhebung des Straferkenntnisses auszusprechen. Gleichzeitig war die Einstellung des Strafverfahrens zu verfügen, weil der Beschuldigte in dieser Sache nicht mehr verfolgt werden kann.

Auf das weitere Vorbringen in der Berufungsschrift war nicht mehr einzugehen. Eine öffentliche mündliche Verhandlung zur Vorbereitung dieser Entscheidung war gemäß § 51e Abs.1 VStG nicht durchzuführen.

4. Mit diesem Verfahrensergebnis entfällt die Kostenpflicht des Berufungswerbers in beiden Instanzen (die Aufhebung bewirkt zugleich auch den Wegfall des strafbehördlichen Kostenausspruchs).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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