Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280163/8/Ko/Rd

Linz, 09.12.1996

VwSen-280163/8/Ko/Rd Linz, am 9. Dezember 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des Arbeitsinspektorats für den 18. Aufsichtsbezirk, Ferdinand-Öttl-Straße 12, 4840 Vöcklabruck, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis vom 6.11.1995, Ge96-129-1994, wegen Übertretung des Arbeitszeitgesetzes zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis vom 6.11.1995, Ge96-129-1994, vollinhaltlich bestätigt.

II. Es entfällt ein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 VStG, Art.13 iVm 15 Abs.5 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates vom 20.12.1985 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr iVm § 28 Abs.1b Z2 Arbeitszeitgesetz - AZG, BGBl.Nr. 461/1969 idF BGBl.Nr. 446/1994.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Strafverfügung vom 26.1.1995 wurde über Herrn FH als persönlich haftender Gesellschafter der JH & S OHG und somit primär gemäß § 9 VStG für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch dieses Unternehmen Verantwortlicher eine Geldstrafe von 3.000 S und Ersatzfreiheitsstrafe von zehn Stunden gemäß § 28 Abs.1b Z2 AZG verhängt, weil er es zu verantworten habe, daß der Arbeitnehmer der JH & S OHG, Herr DR, als Lenker des LKW mit dem amtlichen Kennzeichen , auf dem Schaublatt vom 15./16.8.1994 die Kennzeichennummer des Fahrzeuges, das ihm zugewiesen war, nicht vor der ersten auf dem Blatt verzeichneten Fahrt eingetragen hat, obwohl der Fahrer auf dem Schaublatt die Kennzeichennummer des Fahrzeuges, das ihm zugewiesen ist, einzutragen hat, und zwar vor der ersten auf dem Blatt verzeichneten Fahrt und in der Folge im Falle des Fahrzeugwechsels während der Benutzung des Schaublattes.

Aufgrund des vom Beschuldigten rechtzeitig eingebrachten Einspruches vom 7.2.1995 trat diese Strafverfügung außer Kraft, worauf die erstinstanzliche Behörde das ordentliche Ermittlungsverfahren einleitete und weitere Erhebungen durchführte und schließlich mit Bescheid vom 6.11.1995 das Strafverfahren nach § 45 Abs.1 Z2 VStG im wesentlichen mit folgender Begründung einstellte:

"Im ggst. Fall ist davon auszugehen, daß die JH & S OHG.

bzw. deren verantwortliche Person, Herr FH, Pflichten im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 nicht verletzt hat.

Er hat entsprechend der im Art.14 dem Unternehmer auferlegten Pflicht dem Fahrer eine ausreichende Anzahl von Schaublättern ausgehändigt und auch glaubhaft dargetan, daß die Schaublätter nach deren Benutzung im Betrieb entsprechend aufbewahrt werden. Auch wurde dargetan, daß eine regelmäßige, nachfolgende Prüfung der Schaublätter erfolgt und ist dem Akt nicht zu entnehmen, daß auch unvollständig ausgefüllte Schaublätter durch den Arbeitgeber aufbewahrt werden. Da in den Art.3 Abs.1, 13, 14, 15 Abs.1 bis 3, 5 Abs.7 oder Art.16 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 keine weitergehenden Pflichten des Arbeitgebers dahingehend enthalten sind, daß er für die Eintragung der Kennzeichennummer auf dem Schaublatt verantwortlich ist, sondern dies ausschließlich als Pflicht des Arbeitnehmers bzw. des Lenkers bezeichnet und dieser nach den Bestimmungen des KFG auch strafbar ist, liegt eine Übertretung im Sinne des § 28 Abs.1b Z2 AZG nicht vor. Seitens des Arbeitgebers und dessen Bevollmächtigten wurden Pflichten betreffend das Kontrollgerät und das Schaublatt nicht verletzt. Eine Pflicht zur Überwachung der Pflichten des Lenkers kann dem Art.13, der lediglich besagt, daß der Unternehmer und die Fahrer für das ordnungsgemäße Funktionieren und die richtige Verwendung des Gerätes sorgen, nicht hineininterpretiert werden. Das "Sorgen" des Arbeitgebers für die richtige Verwendung erschöpft sich nach hs. Ansicht darin, daß er den Lenker entsprechend zu unterweisen, ihn auf seine Pflichten aufmerksam zu machen und festgestellte Mängel zu beseitigen hat, was er jedoch wohl erst dann kann, wenn ihm die Schaublätter zur Aufbewahrung zurückgegeben werden. Aber selbst bei einer Interpretation des Art.13 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 dahingehend, daß der Arbeitgeber eine "Pflicht" verletzt, sobald der Lenker die ihm auferlegten Pflichten nicht erfüllt, müßte man im ggst. Fall zur Entscheidung gelangen, daß den Beschuldigten an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden im Sinne des § 5 VStG trifft, da er mit gutem Grund erwarten durfte, daß der ausgebildete Berufskraftfahrer RD in Kenntnis der Rechtslage die vorgeschriebenen Eintragungen auf dem Schaublatt vornimmt. Aus der Zeugenaussage des Herrn D geht auch eindeutig hervor, daß er auf die Eintragung des Kennzeichens "vergessen" hat. Umstände, wonach dies vom Arbeitgeber zu verhindern gewesen wäre, wurden nicht bekannt.

Da eine Interpretation des Art.13 dahingehend, daß der Unternehmer und die Fahrer für das ordnungsgemäße Funktionieren und die richtige Verwendung des Gerätes sorgen und daß Pflichten des Lenkers automatisch auch als Pflichten des Arbeitgebers gelten, unzulässig erscheint, war das ggst.

Strafverfahren spruchgemäß einzustellen." Mit dieser Rechtsansicht ist die belangte Behörde - wie nachstehend dargelegt werden wird - im Ergebnis vollinhaltlich im Recht.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Berufung des Arbeitsinspektorats für den 18. Aufsichtsbezirk vom 21.11.1995, in welcher folgendes vorgebracht wurde:

"Gemäß den Bestimmungen des § 28 Abs.1b Arbeitszeitgesetzes, BGBl.Nr. 461/1969, sind Arbeiter und deren Bevollmächtigte für die Pflichten betreffend das Kontrollgerät und das Schaublatt gemäß Art.3 Abs.1, Art.13, Art.14, Art.15 Abs.1 bis 3, 5 oder 7 oder Art.16 der EG-Verordnung 3821/85, verantwortlich. Bei Verletzung dieser Vorschriften (Art.15 Abs.5 EG-Verordnung 3821/85) sind Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte gemäß dem § 28 Abs.1b AZG zu bestrafen.

Es wird daher der Antrag gestellt, die Berufungsbehörde möge den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, daß Herr FH als Gesellschafter der JH & S OHG, O, gemäß dem Strafantrag des Arbeitsinspektorates vom 11.1.1995 bestraft wird." 3. Da der erstinstanzlich festgestellte Sachverhalt unbestritten geblieben ist und somit nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wurde und eine Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt wurde, konnte eine mündliche Verhandlung iSd § 51e Abs.2 VStG unterbleiben.

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat in Entsprechung der kürzlich ergangenen Entscheidungen des VwGH zu einem ähnlich gelagerten Sachverhalt (Zl. 96/11/0062 bis 0065 vom 25.6.1996 und Zl. 96/11/0113 vom 6.8.1996 zu Art.13 und 15 der VO-EWG Nr.3821/85 iVm § 28 Abs.1b Z2 AZG) folgendes erwogen:

Die im vorliegenden Fall zur Anwendung gebrachte Strafnorm des § 28 Abs.1b Z2 AZG idgF bestimmt:

"Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die die Pflichten betreffend das Kontrollgerät und das Schaublatt gemäß Art.3 Abs.1, Art.13, Art.15 Abs.1 bis 3, 5 oder 7 und Art.16 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 verletzen, sind ... zu bestrafen." Art.13 der EWG-VO Nr. 3821/85 lautet:

"Der Unternehmer und die Fahrer sorgen für das ordnungsgemäße Funktionieren und die richtige Verwendung des Geräts." Art.15 Abs.5 lit.c der EWG-Verordnung führt aus:

"Der Fahrer hat auf dem Schaublatt folgende Angaben einzu tragen:

c) Die Kennzeichennummer des Fahrzeugs, das ihm zugewiesen ist, und zwar von der ersten auf dem Blatt verzeichneten Fahrt und in der Folge im Falle des Fahrzeugwechsels während der Benutzung des Schaublatts;" Der VwGH führte in den zitierten Entscheidungen im wesentlichen aus, daß Art.13 der gegenständlichen Verordnung nur eine einleitende Bestimmung des Kapitels IV (Benutzungsvorschriften) ist. Sie sagt aus, daß Unternehmer (Arbeitgeber) und die Fahrer für das ordnungsgemäße Funktionieren und die richtige Funktion des Kontrollgerätes sorgen. Die folgenden Art.14 bis 16 der Verordnung führen diese allgemeine Aussage aus, indem sie konkrete Verpflichtungen des Arbeitgebers einerseits sowie des Arbeitnehmers andererseits begründen.

Art.13 hat lediglich ankündigenden Charakter und stellt keinen (Verwaltungs-)Straftatbestand dar. Demzufolge enthalten Art.13 und Art.15 keine Verwaltungsstraftatbestände, welche gemäß § 28 Abs.1b Z2 AZG zur Bestrafung des Arbeitgebers wegen Verstöße gegen Art.15 der VO führen können.

In Anlehnung an die Judikatur des VwGH ist daher festzustellen, daß Art.15 Abs.5 der EWG-VO Nr.3821/85 nur Verpflichtungen des Fahrers statuiert und Unterlassungen der Fahrer dem Unternehmer nicht zum Vorwurf gemacht werden können.

Die in Rede stehende europarechtliche Norm ist seit dem Inkrafttreten des EU-Beitrittsvertrags unmittelbar anwendbares Recht geworden und geht im Kollisionsfall dem inner staatlichen Recht vor.

Bezogen auf den gegenständlichen Sachverhalt kann daher grundsätzlich eine eventuelle Unterlassung der Eintragung der Kennzeichennummer des Fahrzeuges auf dem Schaublatt vor Aufnahme der Fahrt durch den Lenker dem nach § 9 Abs.1 verantwortlichen Organ der OHG nicht zum Vorwurf gemacht werden.

Wie daher schon die belangte Behörde in ihrer ausführlichen Begründung richtig erkannte, bildet die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs.1b Z2 AZG, und war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. K l e m p t

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