Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280165/2/Le/Fb

Linz, 02.12.1996

VwSen-280165/2/Le/Fb Linz, am 2. Dezember 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des R L, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. T W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 13.11.1995, Ge96-51-1995, jedoch nur hinsichtlich der Spruchabschnitte 1) und 3), wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird, soweit sie sich gegen Spruchabschnitt 3) des angefochtenen Straferkenntnisses richtet, Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird in diesem Umfang aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich eingestellt.

Hinsichtlich Spruchabschnitt 1) wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

II. Die verhängte Strafe verringert sich sohin um insgesamt 3.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden). Die zu Spruchabschnitt 1) verhängten Geldstrafen bleiben unverändert aufrecht.

III. Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens ermäßigt sich sohin auf 750 S.

Ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991, iVm §§ 24, 19, 44a, 51 Abs.1, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF.

zu II. und III.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf vom 13.11.1995 wurden über den nunmehrigen Berufungswerber (im folgenden kurz: Bw) wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes Geldstrafen in Höhe von insgesamt 66.500 S verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafen verpflichtet.

Das angefochtene Straferkenntnis gliedert sich in drei Spruchabschnitte, wobei aufgrund der Höhe der verhängten Strafen lediglich die Spruchabschnitte 1) und 3) in die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes des unabhängigen Verwaltungssenates fallen. Die vorliegende Entscheidung bezieht sich daher ausdrücklich nur auf die Spruchabschnitte 1) und 3) des anfochtenen Straferkenntnisses.

Spruchabschnitt 2) dieses Straferkenntnisses ist Gegenstand einer gesonderten Entscheidung durch die nach der Geschäftsverteilung des unabhängigen Verwaltungssenates dafür zuständigen Kammer.

Im einzelnen wurde dem nunmehrigen Bw im Spruchabschnitt 1) vorgeworfen, drei näher bezeichnete Arbeitnehmer zu näher bezeichneten Zeiten als Lenker von Kraftfahrzeugen, die der Güterbeförderung dienen und deren höchstzulässiges Gesamtgewicht 3,5 t übersteigt, über die erlaubten täglichen Lenkzeiten hinaus beschäftigt zu haben. Dabei wurden innerhalb von 24 Stunden-Zeiträumen Lenkzeiten von 12 h 30 min bis 15 h 15 min vorgeworfen.

Im Spruchabschnitt 3) wurde dem nunmehrigen Bw vorgeworfen, daß der Arbeitnehmer S M als Lenker eines Kraftfahrzeuges, das der Güterbeförderung dient und dessen höchstzulässiges Gesamtgewicht 3,5 t überschreitet, am 20.6.1995 für das Kontrollgerät im LKW KI-747 W innerhalb der täglichen Arbeitszeit zwei Schaublätter verwendet habe, und zwar das erste von 0.15 Uhr bis 11.15 Uhr und das zweite von 12.15 Uhr bis 19.45 Uhr.

In der Begründung dazu wurde ausgeführt, daß die zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen von einem Arbeitsinspektionsorgan bei einer am 23.8.1995 durchgeführten Kontrolle festgestellt wurden. Dem Beschuldigten wäre die Möglichkeit geboten worden, sich zu den Erhebungsergebnissen zu äußern, doch hätte er dies nicht wahrgenommen.

Sodann wurden die Gründe der Strafbemessung dargelegt.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 27.11.1995, mit der beantragt wird, das angefochtene Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, eventualiter die verhängte Geldstrafe unter Berücksichtigung zweier Sorgepflichten herabzusetzen, eventualiter die Mindeststrafe zu verhängen.

Im einzelnen wurde dazu ausgeführt, daß der Beschuldigte als Arbeitgeber seinen Fahrern immer dergestalt Aufträge erteilt bzw. die Einteilung der Fahrten so durchgeführt hätte, daß diese Fahrten unter Einhaltung sämtlicher gesetzlicher Bestimmungen über die Lenkzeit, die Einsatzzeit und die Ruhezeit durchgeführt werden konnten. Daß tatsächlich von Fahrern diese Zeiten teilweise nicht eingehalten worden sind, gehe nicht auf ein Verschulden des Beschuldigten als Arbeitgeber zurück, sondern auf das Unvermögen der Fahrer bzw. teilweise auf Umstände, die alleine im subjektiven Bereich der jeweiligen Fahrer lägen.

Als Beispiel dafür stellte der Bw die Fahrt des Fahrers Kurzmann von 5. bis 6.3.1995 der Zeiteinteilung gegenüber, wie sie der Arbeitgeber geplant hatte.

Weiters führte er aus, daß der Fahrer K in der 10.

Kalenderwoche insgesamt nur 2.577 km gefahren sei, was ebenfalls dafür spreche, daß die Fahrten jeweils unter Einhaltung sämtlicher gesetzlicher Bestimmungen möglich gewesen wären. Der Dienstgeber habe den Fahrer in keiner Weise in die Lage gebracht, daß er, um seinen Transportauftrag erfüllen zu können, die gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich der Einsatzzeiten, Ruhepausen etc übertreten müßte.

Auch in der 13. Kalenderwoche wäre der Fahrer K nur 2.056 km unterwegs gewesen, in der 18. Kalenderwoche 2.018 km. Alle diese Dinge würden zeigen, daß bei entsprechender Organisation der Fahrten die Fahrer in der Lage wären, ihre Fahrten gesetzeskonform durchzuführen.

Es sei daher äußerst fraglich, ob hier überhaupt ein Verschulden des Beschuldigten vorliege, da der Dienstgeber nicht allgegenwärtig sein könnte und den Fahrern Gesetzesübertretungen nicht verbieten könnte. Daher liege kein Verschulden vor.

Hinsichtlich der Strafbemessung gab der Bw bekannt, daß er Sorgepflichten für zwei Kinder habe, was bei der Strafbemessung berücksichtigt werden müßte.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat die Berufung und den zugrundeliegenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat zur Klärung des Sachverhaltes am 19.11.1996 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an der neben dem Bw auch sein Rechtsvertreter teilnahmen; weiters wurden der anzeigende Arbeitsinspektor sowie die Fahrer F K und C K als Zeugen gehört.

3.2. Daraus steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

Der Bw betreibt seit ca. 16 Jahren einen Güterbeförderungsbetrieb in Form der R. L T mbH. Dazu beschäftigt er verschiedene Arbeitnehmer als Kraftfahrer auf Lastkraftwagen, deren höchstzulässige Gesamtgewichte 3,5 t übersteigen. Bereits im September 1994 war er von einem Vertreter des Arbeitsinspektorates darauf hingewiesen worden, daß von seinen Fahrern die gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich Lenkzeiten und Ruhezeiten nicht eingehalten wurden. Der Arbeitsinspektor übergab ihm damals auch Unterlagen über die entsprechenden Vorschriften und klärte ihn selbst im Betrieb über die Arbeitszeitbestimmungen auf.

Der Bw gab jedoch diese Information nur unzureichend weiter:

Während sich der noch immer im Betrieb des Bw beschäftigte Zeuge F K daran erinnern konnte, "vor ca. 2 Jahren über die Lenkzeiten belehrt" worden zu sein, gab der im Betrieb des Bw nicht mehr beschäftigte Zeuge C K an, daß er hinsichtlich der Lenkzeiten und Ruhezeiten "von der Firma her nie informiert" worden sei.

Die Tachoscheiben wurden wöchentlich von den Fahrern abgegeben, und zwar entweder beim Bw selbst oder sie wurden in ein dafür vorgesehenes Fach im Büro gelegt. Der Bw hat diese Tachoscheiben nach eigenen Angaben nicht kontrolliert, und zwar auch nicht hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Lenkzeitenüberschreitungen. Der Bw bestätigte weiters anläßlich der mündlichen Verhandlung, daß er für die Fahrer, die Lenkzeiten überschreiten oder Ruhezeiten unterschreiten, keine Sanktionen vorgesehen hatte und auch nicht hat. Lediglich der Zeuge K meinte, einmal ermahnt worden zu sein, indem ihn der Arbeitgeber auf die Nichteinhaltung der Arbeitszeiten hingewiesen und gemeint habe, daß sie darüber einmal reden müßten. Auch der Zeuge K berichtete von keinen weiteren Sanktionen.

Der Fahrer K meinte dagegen, daß der Bw öfter mit ihm geschrien habe, wenn er nicht rasch genug zurückgekommen sei. Er sagte auch aus, daß er seinen Arbeitgeber (= Bw) auch einmal gebeten hätte, eine in Deutschland über ihn als Fahrer verhängte Bestrafung in Höhe von 1.600 DM wegen Lenkzeitenüberschreitung für ihn zu bezahlen, worauf ihm der Bw geantwortet hätte, daß er das selber zu vertreten hätte; er selber sei früher eben mit zwei Scheiben gefahren, um derartige Bestrafungen zu vermeiden.

Auch der Zeuge K gab an, daß es keine Sanktionen wegen Lenkzeitenüberschreitungen bzw Ruhezeitenunterschreitungen gegeben hatte, obwohl diese öfters vorgekommen seien.

Zu den verfahrensgegenständlichen Lenkzeitenüberschreitungen gab der Bw anläßlich der mündlichen Verhandlung an, daß er seinen Fahrern ausreichend Zeit gegeben hätte.

Der Fahrer F K gab als Zeuge an, die Lenkzeitenüberschreitung am 6.3.1995 sei dadurch zustandegekommen, daß er infolge der schweren Erkrankung seines dritten Kindes unbedingt nach Hause wollte und daher die Lenkzeit nicht eingehalten hätte.

Der Zeuge C K erklärte, sich an die Lenkzeitenüberschreitung im Zeitraum 5. bis 6. Juni 1995 nicht mehr erinnern zu können.

Hinsichtlich des Entlohnungssystems gab der Bw anläßlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung an, daß jeder Fahrer ein Fixum für 8 Stunden hat und zusätzlich Diäten und Kilometergeld bekommt.

3.3. In Würdigung der aufgenommenen Beweise ist davon auszugehen, daß im Betrieb des Bw kein ausreichendes Informationssystem bestand, um die Fahrer ausreichend über die Bestimmungen betreffend Lenkzeiten und Ruhezeiten zu informieren. Die vernommenen Zeugen, die beide einen glaubwürdigen Eindruck hinterließen, sprachen davon, überhaupt nie (Zeuge K) bzw "einmal vor zwei Jahren" (Zeuge K) über Lenkzeiten und Ruhezeiten informiert worden zu sein.

Es ist daher davon auszugehen, daß weitere Informationen der Fahrer nicht erfolgt sind.

Das Entlohnungssystem im Betrieb des Bw ist aufgrund der eigenen Angaben des Bw so gestaltet, daß die Fahrer ein Fixum erhielten und daneben Diäten sowie Kilometergeld bezahlt wurden. Dies entspricht auch den Angaben des Zeugen K, der allerdings in diesem Themenbereich selbst angegeben hatte, sich nie genau ausgekannt zu haben. Allerdings bestätigte er, daß er mehr ausbezahlt bekommen hatte, wenn er mehr Kilometer gefahren war.

Hinsichtlich der Einhaltung der Lenkzeiten ist davon auszugehen, daß der Bw seinen Fahrern offensichtlich nicht nur nicht verboten hatte, Lenkzeiten zu überschreiten, sondern dies zum Teil sogar gefordert hat. Dies geht aus der - vom Bw unwidersprochen gebliebenen - Aussage des Zeugen K anläßlich der mündlichen Verhandlung hervor, wonach ihm der Bw als Arbeitgeber die Bezahlung der in Deutschland verhängten Geldstrafe wegen Nichteinhaltung der Lenkzeiten mit der Begründung verweigert hatte, daß er eben hätte zwei Scheiben verwenden müssen.

Aus den eigenen Angaben des Bw sowie auch aus den Aussagen der beiden Zeugen geht hervor, daß es im Betrieb des Bw hinsichtlich der Einhaltung der Lenkzeiten und Ruhezeiten kein wie immer geartetes Kontrollsystem gibt und vom Bw als Arbeitgeber auch keine Sanktionen dafür vorgesehen sind, wenn derartige Über-/Unterschreitungen vorkommen.

4. Hierüber hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des O.ö.

Verwaltungssenates.

Da Geldstrafen jeweils unter 10.000 S verhängt wurden, ist für die Durchführung dieses Verfahrens die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben (§ 51c VStG).

4.2. Art.6 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr (welche durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union auch in Österreich unmittelbar anwendbares Recht geworden ist) bestimmt, daß die nachstehend "Tageslenkzeit" genannte Gesamtlenkzeit zwischen zwei täglichen Ruhezeiten oder einer täglichen und einer wöchentlichen Ruhezeit 9 Stunden nicht überschreiten darf. Sie darf zweimal pro Woche auf 10 Stunden verlängert werden .....

§ 28 Abs.1 Z4 des Arbeitszeitgesetzes (AZG) bestimmt, daß Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die 4. Lenker über die gemäß Art.6 Abs.1 Unterabsatz 1 .... der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 zulässige Lenkzeit hinaus einsetzen, von der Bezirksverwaltungsbehörde, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, mit einer Geldstrafe von 1.000 S bis 25.000 S zu bestrafen sind.

Nach den Intentionen des AZG ist sohin für die Einhaltung der Ruhezeiten verwaltungsstrafrechtlich nicht der Arbeitnehmer, sondern der Arbeitgeber verantwortlich (eine Verantwortlichkeit des Arbeitnehmers hinsichtlich der Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten ergibt sich aus § 134 Abs.1 Kraftfahrgesetz 1967).

Aus dem durchgeführten Ermittlungsverfahren geht hervor, daß die dem Bw vorgeworfenen Lenkzeitenüberschreitungen durch seine Fahrer K, K und S tatsächlich begangen wurden, weshalb der objektive Tatbestand der angelasteten Verwaltungsübertretungen erfüllt ist.

4.3. Hinsichtlich der subjektiven Tatseite vermeint der Bw, für die ihm angelasteten Lenkzeitenüberschreitungen nicht verantwortlich zu sein, weil er während der Fahrt nicht bei den Fahrern wäre und sie daher nicht beaufsichtigen könne.

Mit dieser Verantwortung ist der Bw jedoch nicht im Recht:

Es entspricht den Intentionen des AZG sowie der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Arbeitnehmerschutzrecht (siehe hiezu etwa VwGH vom 30.1.1996, 94/11/0089; 30.1.1996, 93/11/0088-0091; 16.12.1993, 93/11/0201 und andere), daß der Arbeitgeber ein effizientes Vorbeuge- und Kontrollsystem in seinem Betrieb einhalten muß, um die Einhaltung der gesetzlichen Arbeitszeitgrenzen zu sichern.

Für ein effizientes Vorbeugesystem ist es etwa erforderlich, klare und ernsthafte Anweisungen betreffend die gesetzlichen Verpflichtungen an die Arbeitnehmer zu geben, Übertretungsanreize auszuschalten, entsprechend begrenzte Arbeitsaufträge zu erteilen und ausreichend Personal einzusetzen.

Im Ermittlungsverfahren ist hervorgekommen, daß der Bw seine Arbeitnehmer nicht ausreichend über die Lenk- und Ruhezeiten informiert hat. Lediglich der Zeuge K konnte sich erinnern, einmal vor zwei Jahren vom Arbeitgeber diesbezüglich informiert worden zu sein.

Es reicht offensichtlich nicht aus, Fahrer einmal in zwei Jahren kurz über die Lenk- und Ruhezeiten zu informieren, sondern ist es erforderlich, hier laufend auf diese Vorschriften hinzuweisen, insbesonders dann, wenn diese Vorschriften neu sind (die Verordnung 3820/85 wurde bekanntlich erst durch den Beitritt Österreichs zur EU in Österreich unmittelbar anwendbares Recht) oder wenn Fahrer immer wieder diese Bestimmungen nicht einhalten (was anhand der Tachoscheiben jederzeit kontrolliert werden kann).

Durch sein Entlohnungssystem, wonach die Fahrer auch nach den gefahrenen Kilometern entlohnt werden, hat der Bw einen Anreiz für seine Fahrer geschaffen, möglichst viele Fahrtaufträge zu bekommen.

(Ergänzend dazu wird darauf hingewiesen, daß Art.10 der Verordnung 3820/85 diese Form der Entlohnung ausdrücklich verbietet.) Der Bw hat weiters nicht einmal rudimentär ein Kontrollsystem zur Ahndung von Lenkzeitenüberschreitungen eingeführt:

Ein ausreichendes Kontrollsystem setzt voraus, daß nicht bloß stichprobenartig kontrolliert wird, sondern daß alle nachgeordneten Ebenen laufend kontrolliert werden und daß bei Nichteinhaltung der gesetzlichen Bestimmungen Verwarnungen ausgesprochen werden und notfalls alle sonstigen arbeitsrechtlichen Mittel eingesetzt werden.

Ziel dieses Systems soll sein, die Arbeitnehmer erforderlichenfalls von arbeitszeitwidrigen Arbeiten auch gegen ihren Willen effizient abzuhalten.

Ein solches Kontrollsystem hat der Bw nach eigenen Angaben nicht eingerichtet. Aus diesem Grund konnte es ihm auch nicht gelingen glaubhaft zu machen (§ 5 Abs.2 VStG), daß ihn an der Nichteinhaltung der Arbeitszeitbestimmungen in den verfahrensgegenständlichen Fällen kein Verschulden trifft.

Es muß vielmehr bei der Schuldform nicht nur von Fahrlässigkeit, sondern sogar von zumindest bedingtem Vorsatz ausgegangen werden, weil er als Unternehmer und Arbeitgeber verpflichtet ist, sich Kenntnis über die einschlägigen Arbeitnehmerschutzbestimmungen zu verschaffen; überdies wurde er unbestrittenermaßen im September 1994 durch ein Organ des Arbeitsinspektorates schriftlich und mündlich über die Arbeitszeitbestimmungen belehrt. Aus der Zeugenaussage K geht weiters hervor, daß er auch Druck auf die Arbeitnehmer ausgeübt hat, mehr zu fahren; dies wird auch bestätigt durch sein Entlohnungssystem, das unter anderem auch die gefahrenen Kilometer honoriert (im Widerspruch zu Art.10 der Verordnung 3820/85). Von ihm unwidersprochen blieb auch die Aussage des Zeugen K, daß er eben hätte mit zwei Scheiben fahren müssen, damit ihm die Lenkzeitenüberschreitungen nicht so leicht nachgewiesen werden können.

Sohin hat der Bw die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen in Ermangelung eines Informationsund Kontrollsystems auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten.

4.4. Die unter Spruchabschnitt 3) vorgeworfene Verwaltungsübertretung wurde auf die Übertretung der Art.13 und 15 Abs.2 zweiter Satz der Verordnung (EWG) 3821/85 gestützt. Während Art.13 bestimmt, daß der Unternehmer und die Fahrer für das ordnungsgemäße Funktionieren und die richtige Verwendung des (Kontroll-)Gerätes sorgen, wird in Art.15 Abs.2 folgendes bestimmt:

"(2) Die Fahrer benutzen für jeden Tag, an dem sie lenken, ab dem Zeitpunkt, an dem sie das Fahrzeug übernehmen, Schaublätter. Das Schaublatt wird erst nach der täglichen Arbeitszeit entnommen, es sei denn, eine Entnahme ist auf andere Weise zulässig. ...." Diese Bestimmung des Art.15 Abs.2 normiert sohin lediglich eine Verpflichtung der Fahrer (= Arbeitnehmer). Art.13 kann nicht als eine Bestimmung angesehen werden, die unmittelbar Verpflichtungen des Arbeitgebers auslöst. Sie hat lediglich einen ankündigenden Charakter, stellt aber für sich keinen Verwaltungsstraftatbestand dar. Die Verpflichtungen der Fahrer und Arbeitgeber sind in den folgenden Art.14 bis 16 statuiert und als konkrete Verpflichtungen einerseits des Arbeitgebers und andererseits des Arbeitnehmers formuliert.

In Art.15 Abs.2 ist keine Verpflichtung des Unternehmers (= Arbeitgebers) vorgesehen.

Da auch die Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 "über das Kontrollgerät im Straßenverkehr" ergangen ist, hat sie verwaltungsstrafrechtlich kraftfahrrechtlichen Inhalt. Ihre Übertretung ist in § 134 Abs.2 KFG auch zur Verwaltungsübertretung erklärt worden (siehe hiezu VwGH vom 25.6.1996, Zlen. 96/11/0062-0065).

Damit kann dem Bw diese Handlung des Kraftfahrers M S nicht angelastet werden, weshalb Spruchabschnitt 3) des angefochtenen Straferkenntnisses aufzuheben war.

4.5. Bei der Strafbemessung war von den Grundsätzen des § 19 VStG auszugehen: Demnach ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Durch die verfahrensgegenständlichen Bestimmungen des AZG in Verbindung mit der Verordnung 3820/85 sollen die berechtigten Interessen der Arbeitnehmer, nicht zu lange am Steuer eines Lastkraftwagens zu sitzen, geschützt werden.

Bei einer Überschreitung der zulässigen Lenkzeiten entsteht eine Erhöhung der Gefahr, daß sich, bedingt durch ein Nachlassen der Konzentration und Aufmerksamkeit, in verstärktem Maß Verkehrsunfälle ereignen können, die sich wiederum in verschiedensten Bereichen nachteilig, unter anderem auch auf die berechtigten Interessen der betroffenen Fahrer auswirken können.

Milderungsgründe konnten bei der Strafbemessung nicht gefunden werden, zumal der Bw verwaltungsstrafrechtlich nicht absolut unbescholten ist.

Als erschwerend kam jedoch in Betracht, daß dem Bw Verschulden in Form von bedingtem Vorsatz vorzuhalten ist.

Die beiden Übertretungen, die durch den Fahrer K veranlaßt wurden, sind als fortgesetztes Delikt anzusehen, wobei hinsichtlich des Tatzeitraumes 5. bis 6.3.1995 dem Arbeitgeber zugute gehalten wird, daß der Fahrer K diese Lenkzeitenüberschreitung deshalb begangen hat, weil er gewußt hatte, daß eines seiner Kinder schwer erkrankt war.

In dieser persönlichen bzw familiären Notsituation ist anzunehmen, daß selbst bei einem effizienten Informationsund Kontrollsystem der Lenker die Lenkzeiten möglicherweise nicht eingehalten hätte. Die massive Überschreitung der Lenkzeit in diesem 24-Stunden-Intervall wird daher nicht so gravierend bewertet, kann aber dennoch nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben.

Berücksichtigt wurde auch, daß die Lenkzeiten zum Teil erheblich überschritten wurden, nämlich - bezogen auf die maximal zulässige Tageslenkzeit von 10 Stunden um 2 Stunden (K), 3 Stunden (S) bzw 2 h 30 min und 5 h 15 min (K).

Die dem Bw vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen sind sohin im Hinblick auf die Gefährdung der berechtigten Interessen der Arbeitnehmer und der anderen Verkehrsteilnehmer als so gravierend anzusehen, daß selbst in Anbetracht der beiden Sorgepflichten eine Herabsetzung der Strafen sowohl aus spezial-, aber auch aus generalpräventiven Gründen nicht möglich ist.

Die verhängten Strafen erscheinen einerseits aus spezialpräventiven Gründen geeignet, aber auch erforderlich, den Bw von weiteren Übertretungen des AZG abzuhalten und ihn zu veranlassen, endlich ein wirksames Informations- und Kontrollsystem in seinem Betrieb einzurichten.

Auch aus generalpräventiven Gründen ist es erforderlich, daß die Nichteinhaltung von Lenkzeiten entsprechend sanktioniert wird, um bei allen wirtschaftlichen Kalkulationen den Arbeitnehmerschutz nicht aus den Augen zu verlieren.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.:

Gemäß § 64 Abs.1 VStG ist in jedem Straferkenntnis auszusprechen, daß der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.

Dieser Beitrag ist nach § 64 Abs.2 VStG mit 10 % der verhängten Strafe zu bemessen.

Da durch die gegenständliche Berufungsentscheidung die verhängte Strafe herabgesetzt wurde, war auch der Kostenbeitrag zum Strafverfahren der ersten Instanz entsprechend anzupassen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens waren gemäß § 65 VStG dem Bw nicht aufzuerlegen, weil der Berufung zumindest teilweise Folge gegeben wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. L e i t g e b

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