Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280176/14/Kon/Fb

Linz, 12.11.1996

VwSen-280176/14/Kon/Fb Linz, am 12. November 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Robert Konrath über die Berufung des F J H, S, vertreten durch die Rechtsanwälte Prof. Dr. H, DDr. M, Dr. W, Dr. M und Dr. G, K, L, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 22. November 1995, Ge-650/94, wegen Übertretungen der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV), BGBl.Nr. 218/1983, zuletzt geändert mit BGBl.Nr. 369/1994 und des Arbeitnehmerschutzgesetzes (ANSchG), BGBl.Nr. 234/1972 idgF, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird hinsichtlich aller angelasteten Verwaltungsübertretungen Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Strafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG und § 45 Abs.1 Z3 VStG.

Entscheidungsgründe:

Das angefochtene Straferkenntnis enthält nachstehenden Schuld- und Strafausspruch:

"Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit gem. § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der Firma H Handelsgesellschaft mbH. in S, S, zu vertreten, daß - wie anläßlich einer Überprüfung durch eine Organ des Arbeitsinspektorates für den 2. Aufsichtsbezirk am 21.4.1994 in der Filiale oa. Firma in W, W, festgestellt wurde 1. der Arbeitsraum (Verkaufsraum) mit einer Fläche von ca.

32 m2 keine nutzbaren Lüftungsöffnungen besaß bzw. keine mechanischen Lüftungsmöglichkeiten vorhanden waren, obwohl in Arbeitsräumen dafür zu sorgen ist, daß frische, von Verunreinigungen möglichst freie Luft zugeführt, sowie Luft mit einem zu geringem Sauerstoffgehalt und zu hohem Kohlendioxidgehalt abgeführt wird, 2. den ArbeitnehmerInnen oa. Filiale keine zur Aufbewahrung und Sicherung gegen Wegnahme ihrer Straßen-, Arbeits- und Schutzkleidung ausreichend große, luftige und versperrbare Kästen zur Verfügung gestellt wurden, sondern lediglich für die zwei ständig beschäftigten ArbeitnehmerInnen eine offene Wandablage im Lagerbereich vorhanden war und 3. die Befunde eines befugten Fachmannes gem. § 12 ÖVE-E 5, Teil 1/1981 i.d.g.F. über den vorschriftsmäßigen Zustand der elektrischen Anlage des gesamten Betriebes (dh. oa.

Filiale), insbesondere über die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen bei indirektem Berühren, nicht zur Einsicht für behördlichen Organe im Betrieb bereitgehalten wurden, obwohl dies ein Auftrag des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien vom 9.2.1988, Zl: MBA 4/5 - Ba.

41.764/1/87 ist.

Dies stellte eine Übertretung der Bestimmungen der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV), des Arbeitnehmer schutzgesetzes (ANSchG) und des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien vom 9.2.1988, Zl.: MBA 4/5 - Ba. 41.764/1/87 dar.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

ad 1. § 13 (1) und (2) i.V.m. § 100 AAV, BGBl. 218/1983 i.d.g.F. i.V.m. § 31 (2) lit.p) ANSchG, BGBl. 234/1972 i.d.g.F.

ad 2. § 86 (1) i.V.m. § 100 AAV, BGBl. 218/1983 i.d.g.F.

i.V.m. § 31 (2) lit.p) ANSchG, BGBl. 234/1972 i.d.g.F.

ad 3. Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 9.2.1988, Zl.: MBA 4/5 - Ba. 41.764/1/87 i.V.m. § 31 (2) lit.p) ANSchG, BGBl. 234/1972 i.d.g.F.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von falls diese uneinbring- gemäß Schilling lich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von ad 1. S 10.000,-- 72 Stunden § 31 (2) lit.p) ANSchG ad 2. S 10.000,-- 72 Stunden § 31 (2) lit.p) ANSchG ad 3. S 10.000,-- 72 Stunden § 31 (2) lit.p) ANSchG S 30.000,-- 216 Stunden Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

S 3.000,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe (je ein Tag Arrest wird gleich S 200,-- angerechnet); Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher S 33.000,--. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54 d VStG)." Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte rechtzeitig Berufung erhoben und darin zu Faktum 1) Spruchmängel iSd § 44a VStG, zu Faktum 2) unzulässige Bestrafung infolge Vorliegens lediglich eines Deliktes und zu Faktum 3) rechtzeitige Überprüfung der elektrischen Anlagen eingewandt.

Im weiteren wird die Höhe der jeweiligen Strafen bekämpft.

In Entscheidung über die vorliegende Berufung hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 42 Abs.1 Z1 VStG hat die Aufforderung nach § 40 Abs.2 die deutliche Bezeichnung der dem Beschuldigten zur Last gelegten Tat sowie die in Betracht kommende Verwaltungsvorschrift zu enthalten.

Um dem Erfordernis der deutlichen Tatbezeichnung in der Aufforderung zu entsprechen, ist es ebenso wie nach den Bestimmungen des § 44a Z1 VStG geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird.

Dies bedeutet weiters, daß der Tatvorwurf so gefaßt sein muß, daß er eindeutig und vollständig unter die verletzte Verwaltungsvorschrift subsumiert werden kann. Es muß sohin aus der Tathandlung sogleich auf das Vorliegen der bestehenden Übertretung geschlossen werden können. Der Beschuldigte hat ein subjektives Recht darauf, daß ihm die angelastete Tat vollständig und in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale vorgehalten wird (siehe VwGH vom 22.10.1992, 92/18/0040 uva).

Vor allem aber auch um den Ablauf der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist wirksam zu hemmen, ist es erforderlich, bereits in der Aufforderung zur Rechtfertigung eine den obigen Kriterien entsprechende Tatumschreibung vorzunehmen.

Dem Erfordernis einer deutlichen und ausreichend konkretisierten Tatumschreibung entspricht die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 22.8.1994 jedoch nicht. Wie aus der Aktenlage ersichtlich und durch Rücksprache des erkennenden Organs des unabhängigen Verwaltungssenates mit dem zuständigen Sachbearbeiter der belangten Behörde bestätigt, wurde dem Beschuldigten die Tat nach dem Wortlaut der Anzeige des Arbeitsinspektorates für den 2. Aufsichtsbezirk vom 18. Mai 1994 vorgeworfen. In der Aufforderung selbst wird der Beschuldigte lediglich darauf hingewiesen, daß anläßlich einer Überprüfung durch das Arbeitsinspektorat für den 2. Aufsichtsbezirk am 21. April 1994 in der H HandelsgmbH, Filiale, W, die (aus beiliegender Kopie) ersichtlichen Mängel festgestellt worden seien. Vom unabhängigen Verwaltungssenat wird hiezu vermerkt, daß es sich bei dieser beiliegenden Kopie eben um die Kopie der Anzeige des Arbeitsinspektorates handelt. Demnach wurden dem Beschuldigten die angelasteten Verwaltungsübertretungen in der Fassung der Anzeige des Arbeitsinspektorats vorgehalten, welche lautet, wie folgt:

"Anläßlich einer Überprüfung in der o.g. Filiale am 21.

April 1994 wurde festgestellt, daß folgenden gesetzlichen Vorschriften bzw. behördlichen Verfügungen zum Schutze des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer nicht entsprochen wurde:

I) Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung BGBl.Nr. 218/83 in der geltenden Fassung 1) § 13 Abs. 1 und 2: wurde insofern nicht erfüllt, als der Arbeitsraum keine nutzbaren Lüftungsöffnungen besitzt bzw.

keine mechanische Lüftungsmöglichkeit vorgefunden wurde.

Vorgefunden wurde der Verkaufsraum (ca. 32 m2) ohne irgendeiner Lüftungsmöglichkeit.

Strafnorm: § 31 Abs. 2 lit.p Arbeitnehmerschutzgesetz BGBl.Nr. 234/1972 2. § 86 Abs. 1: wurde insofern nicht erfüllt, als nicht jedem Arbeitnehmer ein ausreichend großer, versperrbarer und luftiger Kasten zur Verfügung gestellt wurde.

Vorgefunden wurde für die 2 ständig beschäftigten Arbeitnehmer lediglich eine offene Wandablage im Lagerbereich.

Strafnorm: § 31 Abs. 3 lit.b Arbeitnehmerschutzgesetz BGBl.Nr. 234/1972 II) Bescheid vom 9. Februar 1988, Zahl MBA 4/5 - Ba.

41.764/1/87 3) wurde insofern nicht erfüllt, als die elektrische Anlage nicht mindestens alle 2 Jahre nachweislich (Befund) überprüft wurde bzw. es wurde kein Befund zur behördlichen Einsicht bereitgehalten.

Bemerkt wird, daß seit Rechtskraft des Bescheides noch nie ein Befund vorgelegt wurde." Abgesehen davon, daß in der Aufforderung zur Rechtfertigung der Beschuldigte nicht in seiner Eigenschaft als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der H HandelsgmbH angesprochen wurde, entsprechen im weiteren die unter Punkt 1) bis 3) umschriebenen Mängelfeststellungen nicht dem Erfordernis einer ausreichend konkretisierten Tatumschreibung iSd § 44a Z1 VStG. Der unabhängige Verwaltungssenat hält aber hiezu fest, daß es nicht primär Aufgabe und Pflicht des Arbeitsinspektorates ist, in Anzeigen festgehaltene Mängel bereits in einer den Bestimmungen des § 44a Z1 VStG entsprechenden Weise tatbildmäßig zu umschreiben. Dies ist vielmehr Aufgabe der Strafbehörde.

Zu den einzelnen Tatumschreibungen:

Faktum 1):

Gemäß § 13 Abs.1 AAV ist in Arbeitsräumen dafür zu sorgen, daß frische, von Verunreinigungen möglichst freie Luft zugeführt, sowie Luft mit zu geringem Sauerstoffgehalt und zu hohem Kohlendioxidgehalt abgeführt wird.

Gemäß § 13 Abs.2 leg.cit. hat die natürliche Lüftung von Arbeitsräumen nach Möglichkeit durch Fenster zu erfolgen; bei einer Raumtiefe von mehr als 10 m muß eine Querlüftung durch Fenster, Ventilatoren oder sonstige Lüftungsöffnungen, wie Lüftungsschächte oder Lüftungsklappen möglich sein. Fenster und sonstige Lüftungsöffnungen müssen einen wirksamen Lüftungsquerschnitt von mindestens einem Fünfzigstel der Fußbodenfläche des Raumes aufweisen und sich von einem festen Standplatz aus öffnen oder verstellen lassen.

In Anbetracht des engen wechselseitigen Bezuges der Bestimmungen des Abs.1 und Abs.2 des § 13 AAV erweist sich der der Verwaltungsübertretung zugrundeliegende Tatvorwurf als nicht ausreichend konkretisiert. Dies deshalb, weil in der Tatumschreibung nicht zum Ausdruck kommt, daß der Beschuldigte es unterlassen hat dafür zu sorgen, daß im gegenständlichen Arbeitsraum frische Luft zugeführt sowie verbrauchte kohlendioxidhaltige Luft abgeführt wird. Durch diesen Mangel in der Tatumschreibung ist nicht ausreichend erkennbar, worin das tatbildmäßige Verhalten des Beschuldigten besteht.

Faktum 2):

Gemäß § 86 Abs.1 AAV ist jedem Arbeitnehmer zur Aufbewahrung und zur Sicherung gegen Wegnahme seiner Straßen-, Arbeitsund Schutzkleidung ein ausreichend großer, luftiger und versperrbarer Kasten zur Verfügung zu stellen, in dem die Kleidung gegen Einwirkungen, wie Nässe, Staub, Rauch, Dämpfe oder Gerüche, geschützt ist.

Der Tatvorwurf unter Zugrundelegung des Anzeigewortlautes des Arbeitsinspektorats ist insofern nicht in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale erfolgt - und sohin unzureichend -, weil daraus nicht erkennbar ist, daß der in Rede stehende Kasten der Aufbewahrung und Sicherung gegen Wegnahme der Straßen-, Arbeits- und Schuztkleidung der Arbeitnehmer dienen soll.

Dies wäre deshalb erforderlich gewesen, weil erst dadurch dem Beschuldigten die volle Tatbildmäßigkeit seines Handelns vor Augen geführt worden wäre.

Faktum 3):

Der im Bescheid vom 9. Februar 1988, MBA 4/5 - Ba.

41.764/1/87, erteilte Auftrag verpflichtet den Beschuldigten, alle zwei Jahre über den vorschriftsmäßigen Zustand der elektrischen Anlage des gesamten Betriebes einen Befund erstellen zu lassen und den jeweiligen Befund im Betrieb zwecks Einsichtnahme durch Behördenorgane bereitzuhalten.

Dieser Auftrag enthält sohin zwei verschiedene Tatbestände, nämlich die Verpflichtung zur Befunderstellung (Überprüfung) einerseits und die Verpflichtung, den jeweiligen Befund zur Einsichtnahme bereitzuhalten, andererseits. Erfüllt der Beschuldigte nicht seine Verpflichtung zur Befunderstellung kann er demnach nicht mehr dafür bestraft werden, diesen Befund nicht zur Einsichtnahme bereitgehalten zu haben.

Im Tatvorwurf darf ihm sohin nur die Verletzung einer dieser Verpflichtungen vorgeworfen werden und muß aus diesem eindeutig hervorgehen, welcher der beiden Verpflichtungen er nicht nachgekommen ist.

Der Tatvorwurf nach dem Wortlaut der Arbeitsinspektoratsanzeige ("... nicht mindestens alle zwei Jahre nachweislich (Befund) überprüft wurde bzw kein Befund zur behördlichen Einsicht bereitgehalten wurde") enthält sohin einen Alternativvorwurf (arg. "bzw") und verstößt sohin gegen das Konkretisierungsgebot des § 44a Z1 VStG (siehe hiezu VwGH vom 17.9.1992, 92/18/0180, zit in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 976).

Dies deshalb, weil daraus nicht hervorgeht, ob dem Beschuldigten die unterlassene Überprüfung oder das Nichtbereithalten des Überprüfungsbefundes vorgehalten wird. Bemerkt wird, daß in der Berufung die erfolgte Überprüfung eingewendet wird.

Da sohin hinsichtlich aller drei Fakten innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist kein spruchtauglicher Tatvorwurf erhoben wurde, war wie im Spruch zu entscheiden.

Die vorliegende Spruchentscheidung hat zur Folge, daß der Beschuldigte von der Entrichtung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge befreit ist (§ 65 und § 66 Abs.1 VStG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. K o n r a t h

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