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VwSen-280187/14/Kon/Fb

Linz, 20.11.1996

VwSen-280187/14/Kon/Fb Linz, am 20. November 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 7. Kammer (Vorsitzender: Mag. Gallnbrunner, Berichter: Dr. Konrath, Beisitzer: Dr. Grof) über die Berufung des F J H, S, vertreten durch die Rechtsanwälte Prof.

Dr. H, DDr. M, Dr. W, Dr. M und Dr. G, K, L, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 30.

November 1995, Ge-773/94, wegen Übertretung der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV), nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung und Verkündung am 20. November 1996 zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Strafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG und § 45 Abs.1 Z3 VStG.

Entscheidungsgründe:

Das angefochtene Straferkenntnis enthält nachstehenden Schuldspruch:

"Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit gem. § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der Firma H Handelsgesellschaft mbH. in S, S, zu vertreten, daß - wie anläßlich einer Überprüfung durch eine Organ des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk am 5.9.1994 in der Filiale oa. Firma in L, L, festgestellt wurde - den ArbeitnehmerInnen oa. Filiale bei der Kasse im ebenerdigen Eingangsbereich kein Arbeitssitz an diesem Arbeitsplatz zur Verfügung stand, obwohl für Arbeiten, die ständig oder zeitweise sitzend verrichtet werden können, den ArbeitnehmerInnen am Arbeitsplatz Arbeitssitze zur Verfügung zu stellen sind.

Dies stellte eine Übertretung der Bestimmungen der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) und des Arbeitnehmerschutzgesetzes (ANSchG) dar.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 49 (1) i.V.m. § 100 AAV, BGBl. 218/1983 i.d.g.F. und i.V.m. § 31 (2) lit.p) ANSchG, BGBl. 234/1972 i.d.g.F." In seiner Berufung wendet der Beschuldigte entscheidungsrelevant ein, daß es sich bei der verfahrensgegenständlichen Kasse in der Filiale L, L, um keinen Arbeitsplatz iSd § 49 AAV handle. An dieser Kasse werde regelmäßig überhaupt nicht mehr gearbeitet. Nicht einmal das Arbeitsinspektorat habe behauptet, daß bei dieser Kasse im Eingangsbereich gearbeitet werde bzw gearbeitet worden sei. Die Anwendung des § 49 AAV setze voraus, daß an einem Arbeitsplatz Arbeiten verrichtet würden, die ständig oder zeitweise sitzend verrichtet werden könnten. Da in dieser Filiale vom System der Hauptkasse beim Eingang abgegangen worden sei und ein dezentralisiertes Kassensystem dergestalt eingeführt worden sei, daß bei den jeweiligen Abteilungen eine Kasse installiert worden sei, werde die frühere Hauptkasse nur bei extremen Überlastungen vorübergehend und kurzfristig in Betrieb genommen. Arbeiten iSd regelmäßigen oder gelegentlichen Tätigkeit an der Kasse würden dort überhaupt nicht mehr durchgeführt.

Da das Nichtaufstellen von Arbeitssitzen gemäß § 49 Abs.1 AAV nur dann strafbar sei, wenn in der Nähe der Arbeitsplätze keine Sitze bereitgestellt seien, hätte die Behörde im Spruch des Straferkenntnisses anführen müssen, daß in der Nähe keine Arbeitsplätze bereitgestellt worden seien. Mit diesem Vorbringen macht der Berufungswerber Mangelhaftigkeit der Tatumschreibung iSd § 44a Z1 VStG geltend. Wie er hiezu weiter vorbringt, hätten aus betrieblichen Gründen keine Arbeitssitze bei der früheren Hauptkasse im Eingangsbereich aufgestellt werden können, weil von einem zentralen Kassensystem zu einem dezentralen übergegangen worden sei. Dies sei zur Verhinderung von Ladendiebstählen unbedingt erforderlich gewesen. Da Arbeitssitze gemäß § 49 Abs.6 AAV so aufgestellt werden müßten, daß den Arbeitsvorgängen und Arbeitsverfahren entsprechend Betriebseinrichtungen und Betriebsmittel leicht bedient werden könnten, hätten aus betrieblichen Gründen Arbeitssitze gar nicht aufgestellt werden können. Die frühere "Hauptkasse", welche nur noch als Notkasse diene, werde lediglich dergestalt verwendet, daß der jeweilige Verkäufer bei Überlastung einer der dezentralen Kassen mit dem Kunden zur Notkasse (ehemalige Hauptkasse) gehe, um dann dort die Produkte zu fakturieren und hiefür den Geldbetrag einzuheben. Da die Notkasse bei Betrieb von mehreren verschiedenen Verkäufern bedient werde, sei es un möglich, einen Arbeitssitz aufzustellen, weil dieser den Arbeitsvorgang, nämlich das Eintippen des Rechnungsbetrages, erheblich erschwere. Ein Arbeitssitz bei der Notkasse habe aus diesen betrieblichen Gründen nicht aufgestellt werden können.

In Entscheidung über die vorliegende Berufung hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Wie der Aktenlage zu entnehmen ist, wurde dem Beschuldigten die Tat mit Ladung der belangten Behörde vom 29.9.1994 sohin noch innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist - nach dem Wortlaut des Rechtshilfeersuchens des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 5.7.1994 angelastet. Demzufolge hat es der Beschuldigte als das gemäß § 9 VStG verwaltungsstrafrechtliche Organ der H HandelsgmbH in S zu vertreten, daß in der von der oben angeführten Firma betriebenen Filiale in L, L, am 9.5.1994, wie anläßlich einer Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk festgestellt wurde, den Arbeitnehmern bei der Hauptkasse im ebenerdigen Eingangsbereich kein Arbeitssitz am Arbeitsplatz zur Verfügung stand, wodurch diese Arbeitnehmer gezwungen sind, ihre Arbeit ständig im Stehen zu verrichten, obwohl § 49 Abs.1 AAV, BGBl.Nr. 218/1983 idgF vorsieht, daß für Arbeiten, die ständig oder zeitweise sitzend verrichtet werden können, den Arbeitnehmern am Arbeitsplatz Arbeitssitze zur Verfügung zu stellen sind.

In der Beschuldigtenladung ist gemäß § 41 VStG die Tat, die dem Beschuldigten zur Last gelegt wird, kurz und deutlich zu bezeichnen. Die genaue Bezeichnung ist erforderlich, damit die Beschuldigtenladung als eine die Verfolgungsverjährung ausschließende Verfolgungshandlung gewertet werden kann.

Demnach ist es geboten, auch in der Beschuldigtenladung die dort iSd dem § 44a Z1 VStG innewohnenden Gebotes dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorzuwerfen, daß er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen.

Diesem Erfordernis entspricht die Tatumschreibung laut Beschuldigtenladungsbescheid nicht.

Gemäß § 49 Abs.1 AAV sind für Arbeiten, die ständig oder zeitweise sitzend verrichtet werden können, den Arbeitnehmern am Arbeitsplatz Arbeitssitze zur Verfügung zu stellen. Sofern aus betrieblichen Gründen Arbeitssitze unmittelbar am Arbeitsplatz nicht aufgestellt oder verwendet werden können, obwohl die Arbeitsvorgänge und Arbeitsverfahren ein zeitweises Sitzen zulassen, müssen in der Nähe der Arbeitsplätze Sitze bereitgestellt sein.

Eine Verletzung der zitierten gesetzlichen Bestimmung (erster Satz) ist nur dann gegeben bzw kommt die daraus resultierende Verpflichtung nur dann zum Tragen, wenn Arbeitnehmer ständig oder zeitweise an einem solchen Arbeitsplatz eingesetzt sind und dort ausschließlich solche Tätigkeiten verrichten, denen dieser Arbeitsplatz dient.

Andernfalls verlöre die der gesetzlichen Bestimmung innewohnende Verpflichtung ihren Sinn.

Im konkreten Fall bedeutet dies, daß der Beschuldigte an der in Rede stehenden Kasse nur dann einen Sitz anzubringen hätte, wenn dort einer seiner Arbeitnehmer ständig oder zeitweise ausschließlich als Kassier tätig wäre.

Gerade in Anbetracht des wiedergegebenen Berufungsvorbringens zeigt sich die unzureichende Umschreibung des Tatvorwurfes. Dies dergestalt, als daraus nicht zu entnehmen ist, daß an dem in Rede stehenden Arbeitsplatz (ehemalige Hauptkasse) überhaupt eine Kassiertätigkeit ständig oder zeitweise tatsächlich verrichtet wurde. Von letzterem könnte aber nur dann ausgegangen werden, wenn ein Arbeitnehmer an der verfahrensgegenständlichen Kasse bei ständiger oder auch nur zeitweiser Kassiertätigkeit angetroffen worden wäre.

Dieser Umstand ist jedoch dem Tatvorwurf laut Beschuldigtenladungsbescheid nicht zu entnehmen.

Da sohin innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist gegen den Beschuldigten kein Tatvorwurf erhoben wurde, der geeignet ist, als Grundlage eines Schuldspruches herangezogen zu werden, war wie im Spruch zu entscheiden.

Die vorliegende Berufungsentscheidung hat zur Folge, daß der Beschuldigte von der Entrichtung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge befreit ist (§§ 65 und 66 Abs.1 VStG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Mag. Gallnbrunner

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