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des Landes Oberösterreich
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VwSen-280201/5/GA/Ha

Linz, 27.06.1997

VwSen-280201/5/GA/Ha Linz, am 27. Juni 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des Ing. J D, vertreten durch Dr. J K, Rechtsanwalt in W, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 2. Februar 1996, MA2-Ge-4159-1994 Pi, wegen Übertretung der Bauarbeitenschutzverordnung (BArbSchV) zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben; das im Spruchpunkt 1. angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verfahren eingestellt. Rechtsgrundlage: AVG: § 66 Abs.4 VStG: § 24; § 51 Abs.1, § 51c, § 51e Abs.1, § 66 Abs.1.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis (Spruchpunkt 1.) wurde der Berufungswerber schuldig befunden, er habe es "als Verantwortlicher der Firma Ing. J D, W, V, zu vertreten, daß, wie aufgrund einer Überprüfung der Baustelle P, H, P, von einem Organ des Arbeitsinspektorates Linz am 19.9.1994 festgestellt wurde, auf dieser Baustelle Arbeitnehmer der Fa. Ing. J D mit Montagearbeiten beschäftigt waren, wobei Bodenöffnungen (etwa 3x4m) in allen 5 oberen Etagen (jeweilige Höhe 6m, 9,35m, 11,87m, 15,16m und 19m) des Mischturmes (rechts innerhalb der Tür im Bereich des do. Aufzuges) weder durchbruchsicher überdeckt noch standfest umwehrt waren, obwohl in mehreren Etagen Arbeiten durchgeführt wurden und dabei die gegenständlichen Bodenöffnungen den Arbeitnehmern der Fa. Ing. D zum Aufbringen von Maschinen und Anlageteilen dienten." Der Berufungswerber habe dadurch § 6 BArbSchV übertreten. Über ihn wurde "gemäß § 31 Abs.2 lit.p ANSchG" eine Geldstrafe im Ausmaß von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: vier Tage) kostenpflichtig verhängt.

2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende Berufung. Der Beschuldigte bestreitet die Tat und beantragt Aufhebung und Einstellung. Zugleich mit dem Rechtsmittel hat die belangte Behörde den Strafakt vorgelegt. Schon daraus ist ersichtlich, daß das angefochtene Straferkenntnis (Spruchpunkt 1.) aufzuheben ist. Gemäß § 51e Abs.1 VStG war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht durchzuführen.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

3.1. Der Berufungswerber bringt bestreitend im wesentlichen vor, daß die in Rede stehenden Bodenöffnungen von einer anderen, auf dem im Schuldspruch näher beschriebenen Bereich der Baustelle mit Bodenarbeiten (Verlegung von Bodenbelägen) beauftragt und zur Tatzeit dort auch tätig gewesenen Firma hergestellt worden seien und dieses Unternehmen daher auch für die Absicherung verantwortlich gewesen sei. Die belangte Behörde habe zu Unrecht angenommen, daß Arbeitnehmer seiner Firma bei den von ihnen auf der Baustelle durchgeführten Arbeiten sich in den Gefahrenbereich der Bodenöffnungen hätten begeben müssen; vielmehr seien sie in größerer Entfernung von den Öffnungen beschäftigt gewesen.

3.2. Eine Verwaltungsübertretung gemäß § 31 Abs.2 lit.p ANSchG (das hier noch anzuwenden ist) begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Vorschriften der auf Grund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen .... zuwiderhandeln. Zu den so erfaßten Verordnungen zählt (im Wege des § 33 Abs. 1 lit.a Z12 ANSchG) die BArbSchV. Die Übertretungen sind mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen (§ 31 Abs.2 lit.p iVm § 33 Abs.7 ANSchG).

Damit ist festgelegt, daß der jeweilige Arbeitgeber als Garant für die Einhaltung der in den verschiedenen Vorschriften, hier in der BArbSchV, geregelten Schutzgebote für die von ihm in einer konkreten Situation beschäftigten Arbeitnehmer berufen ist. Wesentliches Tatbestandsmerkmal eines Verstoßes gegen diese Garantenpflicht ist daher, daß ein bestimmter Arbeitgeber die ihm auferlegte, konkrete Schutzpflicht gegenüber seinen Arbeitnehmern verletzte, oder anders: daß jedenfalls auch Arbeitnehmer des beschuldigten Arbeitgebers (das ist hier die vom Berufungswerber in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht repräsentierte Gesellschaft, und zwar als deren handelsrechtlicher Geschäftsführer; die nur pauschale Bezeichnung als "Verantwortlicher" genügt den diesbezüglichen Bestimmtheitsanforderungen eines Schuldspruchs nicht) unter seiner Ingerenz zur Tatzeit auf der ungesicherten Arbeitsstelle in einer die konkrete Schutzpflicht auslösenden Weise arbeiteten (vgl VwGH 25.2.1993, 92/18/0382).

3.3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den §§ 31 Abs.1 und 32 Abs.2 VStG (vgl zB Erk 17.2.1997, 95/10/0228, und die dort zitierte Vorjudikatur) gelten als verjährungsunterbrechende Verfolgungsschritte alle Handlungen der Behörde, die nach Art und Bedeutung die Absicht der Behörde zum Ausdruck bringen, den gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Tat bestehenden Verdacht auf eine im VStG vorgeschriebene Weise zu prüfen, wobei eine Verfolgungshandlung nur dann die Verjährung unterbricht, wenn sie sich auf alle der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente bezogen hat. Der Beschuldigte muß in die Lage versetzt sein, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu bekämpfen und zu den Sachverhaltselementen, die als für den Ausgang des Strafverfahrens maßgebend zu betrachten sind, Beweisanträge zu stellen und den Tatvorwurf insoweit zu widerlegen. Diese Voraussetzung erfüllt die Ladung zur mündlichen Verhandlung im Verwaltungsstrafverfahren vom 8. November 1994 als im Berufungsfall gesetzte erste Verfolgungshandlung nicht. Der darin formulierte Tatvorwurf enthält keine Sachverhaltselemente, denen der Beschuldigte hätte entnehmen können, daß seine Arbeitnehmer zur Tatzeit im beschriebenen Gefährdungsbereich überhaupt beschäftigt gewesen seien. Es ist lediglich in allgemeiner Formulierung davon die Rede, daß "in mehreren dieser Etagen gearbeitet wurde". Worin aber die Arbeiten bestanden haben und welcher Arbeitgeber die Arbeiter dort zum Kontrollzeitpunkt/zur Tatzeit beschäftigt hat, geht daraus nicht hervor. Andere Verfolgungshandlungen mit einem in geeigneter Weise konkretisierten, dh verbesserten Tatvorwurf sind innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist nicht, jedenfalls nicht nach der Aktenlage, gesetzt worden (die Vernehmung des Beschuldigten am 25. November 1994 erfolgte nach Ausweis der Niederschrift zum selben - zur Unterbrechung der Verjährung untauglichen - Tatvorwurf wie in der ersten Verfolgungshandlung).

In seiner schriftlichen Stellungnahme vom 13. Jänner 1995 bestreitet der nunmehrige Berufungswerber neuerlich (wie auch schon im Zuge seiner Vernehmung am 25. November 1994), daß Arbeitnehmer seiner Firma im Nahbereich der Bodenöffnungen tätig gewesen seien und er verweist auf die Verantwortung eines anderen, näher bezeichneten Unternehmens. Dieser Bestreitung ist die belangte Behörde im weiteren Ermittlungsverfahren auf den Grund gegangen. Als Ergebnis dieser Bemühungen hat sie (erst) im Schuldspruch des angefochtenen Straferkenntnisses den Tatvorwurf durch solche Sachverhaltselemente ergänzt, die die Erfüllung des oben (3.2.) beschriebenen wesentlichen Tatbestandsmerkmals deutlich machen sollen. Zum Zeitpunkt der Fällung des Straferkenntnisses war jedoch die Verjährungsfrist schon abgelaufen.

3.4. Zusammenfassend war das angefochtene Straferkenntnis (Spruchpunkt 1.), weil es wegen bereits eingetreten gewesener Verfolgungsverjährung nicht mehr hätte erlassen werden dürfen, aufzuheben; gleichzeitig war die Einstellung des Verfahrens im Grunde des § 45 Abs.1 Z3 VStG zu verfügen.

4. Bei diesem Ergebnis kann auf sich beruhen, daß die undifferenzierte Angabe des "§ 6" BArbSchV als im Sinne des § 44a Z2 verletzte Rechts-vorschrift verfehlt ist; die belangte Behörde hat übersehen, daß dieser § 6 BArbSchV in insgesamt fünf Absätzen mehrere unterschiedliche Gebots-vorschriften regelt. Nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates wäre im übrigen zufolge der besonderen Gegebenheiten auf der Baustelle nicht § 6 Abs.3 BArbSchV und auch nicht, wie das Arbeitsinspektorat in seiner Stellungnahme zur Berufung vom 1. April 1996 meint, § 6 Abs.1 BArbSchV als verletzte Gebotsnorm, sondern vielmehr § 7 Abs.1 BArbSchV (als die speziellere Norm für absturzgefährliche Arbeitsstellen) heranzuziehen gewesen.

5. Die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses bewirkt von Gesetzes wegen auch die Entbindung des Berufungswerbers von seiner Kostenpflicht.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Ergeht an die Parteien dieses Verfahrens:

Beilagen (Akt; Erkenntnis u. Mehrausfertigung) Mag. Gallnbrunner

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