Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280215/2/Le/La

Linz, 10.06.1996

VwSen-280215/2/Le/La Linz, am 10. Juni 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des Arbeitsinspektorates für den 12. Aufsichtsbezirk, Erzherzog-Johann-Straße 6, 8700 Leoben, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 7.3.1996, Zl.

Ge96-60-1995-Fr/Gut, mit dem das Verwaltungsstrafverfahren gegen Herrn Dr. R... K..., G..., wegen Verdachtes einer Übertretung der Bauarbeiterschutzverordnung eingestellt wurde, zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben und die Angelegenheit an die Bezirkshauptmannschaft Perg zur Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens verwiesen.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 51c des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 7.3.1996, Ge96-60-1995-Fr/Gut, wurde von der Fortführung des Verwaltungsstrafverfahrens gegen Herrn Dr. R... K..., G..., wegen Verdachtes einer Übertretung nach § 53 Abs.4 Bauarbeiterschutzverordnung abgesehen und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens verfügt.

In der Begründung wurde ausgeführt, daß das Arbeitsinspektorat für den 12. Aufsichtsbezirk mit Schreiben vom 7.7.1995 der Behörde zur Kenntnis gebracht hätte, daß anläßlich einer am 27.6.1995 auf der Baustelle W..., Kanalbau, Künette zwischen den Schächten 4b3b-4b3c, folgender Sachverhalt festgestellt worden sei: Der Künettenverbau, welcher sich in der Künette zwischen dem Schacht 4b3b-4b3c befand, wäre nicht so eingebracht gewesen, daß er bis zur Aushubsohle gereicht hätte. Zwischen der Verbauunterkante und der Aushubsohle wären ca. 1,30 m nicht gesichert gewesen. Dies stelle eine Verwaltungsübertretung nach § 53 Abs.4 der Bauarbeiterschutzverordnung dar, wonach die Künettenverbaue bis zur Aushubsohle reichen müßten.

Auf Grund dieser Aufforderung wäre mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 31.8.1995 gegen Herrn Dr. K... das ordentliche Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet und ihm zur Last gelegt worden, er habe durch den oben bezeichneten Tatbestand eine Verwaltungsübertretung nach § 53 Abs.4 Bauarbeiterschutzverordnung (im folgenden kurz: BauV) begangen.

§ 53 Abs.4 BauV regle jedoch in Wirklichkeit die Überprüfung der Wirksamkeit der Verfestigung, weshalb der vom Arbeitsinspektorat am 27.6.1995 festgestellte Sachverhalt unter die Gesetzesstelle des § 53 Abs.4 BauV nicht subsumierbar wäre. Dies sei dem Arbeitsinspektorat mit Schreiben vom 14.12.1995 zur Kenntnis gebracht worden und hätte dieses mit Schreiben vom 21.12. mitgeteilt, daß es sich bei der in der Strafanzeige vom 7.7.1995 zitierten Verwaltungsnorm um eine Verletzung des § 51 Abs.4 BauV handeln müsse und es sich lediglich um einen Tippfehler handle.

Die belangte Behörde nahm jedoch, da die zur Verfolgung berufene Verwaltungsbehörde erstmalig am 28.12.1995 davon Kenntnis erhalten hätte, daß der Beschuldigte am 27.6.1995 eine Verwaltungsübertretung nach § 51 Abs.4 der BauV begangen hätte, mittlerweile eingetretene Verfolgungsverjährung iSd § 31 Abs.1 VStG an. Daher hätte das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt werden müssen.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung des Arbeitsinspektorates für den 12.

Aufsichtsbezirk, mit der beantragt wurde, den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 7.3.1996 zu beheben "und die Strafanzeige des Arbeitsinspektorates Leoben vom 7.7.1995, GZ: 1160/466-12/95) zu bestätigen." In der Begründung wurde ausgeführt, daß der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 31.8.1995 zu entnehmen sei, daß dem Beschuldigten zur Last gelegt werde, nicht dafür gesorgt zu haben, daß auf der Baustelle "W..., Kanalbauabschnitt 4b3b-4b3c" der Künettenverbau nicht so eingebaut war, daß er bis zur Aushubsohle reichte. Diese Beschreibung reiche aus, um den Eintritt der Verfolgungsverjährung zu verhindern.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Perg hat die Berufung und den zugrundeliegenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

Da aus diesem Verwaltungsakt der Sachverhalt klar hervorgeht, war die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung entbehrlich.

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des O.ö.

Verwaltungssenates.

4.2. Gemäß § 11 Abs.3 des Arbeitsinspektionsgesetzes steht dem Arbeitsinspektorat das Recht der Berufung gegen Bescheide ... zu.

Daraus ergibt sich die Legitimation des Arbeitsinspektorates zur Erhebung der vorliegenden Berufung.

4.3.1. Gemäß § 31 Abs.1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs.2) vorgenommen worden ist.

§ 32 Abs.2 VStG definiert die "Verfolgungshandlung" als jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u.dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

Nach Lehre und Judikatur dazu muß eine Verfolgungshandlung, damit sie den Eintritt der Verfolgungsverjährung ausschließt a) von einer Behörde ausgehen, b) gegen eine individuell bestimmte Person als Beschuldigten gerichtet sein, c) innerhalb der Verjährungsfrist nach außen in Erscheinung getreten sein und d) wegen eines b e s t i m m t e n (strafbaren) Sachverhalts erfolgen.

Dies erfordert, daß sie sich auf alle die Tat betreffenden Sachverhaltselemente zu beziehen hat. Es ist daher schon im Beschuldigten-Ladungsbescheid bzw. der Aufforderung nach § 40 Abs.2 VStG die Tat ausreichend zu konkretisieren (siehe hiezu Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Seite 880 f).

Im Erkenntnis vom 12.12.1975, Zl. 399/75, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, daß für die Verfolgung des Beschuldigten der Vorhalt des Tuns oder Unterlassens innerhalb der Verjährungsfrist maßgebend ist, nicht aber der Vorhalt der rechtlichen Qualifikation der Tat. Das heißt, daß durch eine andere rechtliche Qualifikation der Tat im Straferkenntnis als bei der Verfolgungshandlung, wenn dieses erst nach 6 Monaten erlassen werden sollte, die Tat deshalb nicht verjährt ist.

4.3.2. In der Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigter vom 31.8.1995 wurde Herrn Ing. R... K...

vorgehalten, es als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Dipl.-Ing. Dr. techn. R... K... H...- und T... mbH iSd Bestimmungen des § 9 VStG verantworten zu haben, "daß, wie im Zuge einer Kontrolle der von Obgenannter geführten Baustelle "W..., Kanalbauabschnitt 4b3b-4b3c" durch ein Organ des Arbeitsinspektorates für den 12. Aufsichtsbezirk am 27.6.1995 festgestellt wurde, der Künettenverbau, welcher sich in der Künette zwischen dem Schacht 4b3b-4b3c befand, nicht so eingebracht war, daß er bis zur Aushubsohle reichte. Zwischen der Verbauungskante und der Aushubsohle waren ca. 1,30 m nicht gesichert.

Verwaltungsübertretung nach § 53 Abs.4 BauV, BGBl.Nr.

340/1994".

Damit wurde dem Beschuldigten der Tatbestand des § 51 Abs.4 BauV in allen seinen wesentlichen Tatbestandsmerkmalen vorgehalten. Diese Aufforderung zur Rechtfertigung stellt daher eine taugliche Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG dar, die somit den Eintritt der Verfolgungsverjährung ausschließt.

Daß lediglich eine unrichtige Bezeichnung der Verordnungsstelle erfolgte ändert daran nichts. Es wäre vielmehr Sache der Erstbehörde gewesen, diese falsche Bezeichnung der Bestimmung der BauV in der Anzeige des Arbeitsinspektorates richtig zu stellen und richtig vorzuhalten.

Die Erstbehörde hat sohin im neuerlichen Rechtsgang davon auszugehen, daß Verfolgungsverjährung nicht eingetreten ist, sondern das Verwaltungsstrafverfahren zur Prüfung der Anzeige durchzuführen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. L e i t g e b

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