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des Landes Oberösterreich
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VwSen-280221/7/Ga/Ha

Linz, 27.08.1997

VwSen-280221/7/Ga/Ha Linz, am 27. August 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 5. Kammer (Vorsitzender: Dr. Grof; Berichter: Mag. Gallnbrunner; Beisitzer: Dr. Schön) über die Berufung des Dipl.Ing. Peter B, vertreten durch Dr. Dieter W, Rechtsanwalt in B gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 15. März 1996, Ge96-179-1995, wegen Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG. § 24; § 45 Abs.1 Z3; § 51 Abs.1, § 51c, § 51e Abs.1; § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Der Berufungswerber ist in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer mit Name und Sitz angegebenen Baugesellschaft m.b.H. der Übertretung des § 87 Abs.3 iVm Abs.5 der Bauarbeiterschutzverordnung - BauV iVm § 61 Abs.3 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes - ASchG schuldig gesprochen worden. Er habe zu verantworten, daß diese Gesellschaft (als Arbeitgeber) einen namentlich genannten Arbeitnehmer am 25. April 1995 auf (dem Dach) einer näher beschriebenen Baustelle mit bestimmter Dachneigung in bestimmter Höhe mit Vermessungsarbeiten auf einer Gaupe "ohne jede Sicherung gegen Absturz beschäftigt" habe. Über den Berufungswerber sei deswegen eine Geldstrafe in der Höhe von 20.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 14 Tage) kostenpflichtig zu verhängen gewesen.

2. Aus der Aktenlage - in den zu Zl Ge96-179-1995 gleichzeitig mit der Berufung, jedoch ohne Gegenäußerung, vorgelegten Strafakt wurde Einsicht genommen; das Arbeitsinspektorat wurde zum Inhalt der Berufung angehört - ist folgender maßgebender Sachverhalt festzustellen:

Den zugrundeliegenden Vorfall zeigte das Arbeitsinspektorat mit Schriftsatz vom 2. Mai 1995 an. Ausgeführt wurde, daß im Bereich der Gaupe weder ein Dachfanggerüst noch Dachschutzblenden noch ein Schutzgerüst angebracht gewesen seien; der Arbeitnehmer sei zu Vermessungsarbeiten nochmals auf die Gaupe gestiegen und habe dabei keine Mittel gegen Absturz getragen; die Mittel für das Anseilen seien unbenützt im zweiten Obergeschoß der Baustelle gelegen. Über diesen Vorfall eröffnete die belangte Behörde mit der am 6. Juni 1995 hinausgegebenen Aufforderung zur Rechtfertigung (als erste Verfolgungshandlung) das Strafverfahren gegen den nunmehrigen Berufungswerber; die Anlastung der ersten (und innerhalb der Verjährungsfrist einzigen) Verfolgungshandlung stimmt mit jener des angefochtenen Schuldspruchs überein. Zum Tatvorwurf rechtfertigte sich der Beschuldigte mit Schriftsatz vom 12. Juni 1995 dahin, daß der involvierte Arbeitnehmer die entsprechenden Sicherungsmittel für die ihm aufgetragen gewesene Arbeit auf der nämlichen Baustelle "mitgehabt" habe, was sich auch aus der Anzeige des Arbeitsinspektorates ergebe. Der Arbeitnehmer hätte alleine gearbeitet und es wäre daher seine Verpflichtung gewesen, die Sicherungsmittel auch tatsächlich zu verwenden. In der Stellungnahme zu dieser Rechtfertigung erklärte das Arbeitsinspektorat, daß es in Zukunft bei derartigen Verstößen eine Bestrafung der Arbeitnehmer gemäß § 130 Abs.4 ASchG in Betracht ziehen werde, wenn entgegen der Unterweisung und den Anweisungen des Arbeitgebers die zur Verfügung gestellte, dem Arbeitnehmerschutz entsprechende, persönliche Schutzausrüstung nicht oder nicht zweckentsprechend verwendet werde. Daraufhin schloß die belangte Behörde das ordentliche Ermittlungsverfahren mit dem angefochtenen Straferkenntnis ab und fällte den oben unter 1. dargestellten Schuldspruch, wobei sie die eigentliche Tatanlastung mit einer - in der ersten Verfolgungshandlung nicht enthalten gewesenen - abstrakten Wiedergabe des § 61 Abs.3 ASchG und von Teilen des § 87 Abs.3 BauV ergänzte. Als durch die Tat verletzte Rechtsvorschriften (§ 44a Z2 VStG) führte die belangte Behörde § 87 Abs.3 iVm § 87 Abs.5 BauV iVm § 61 Abs.3 ASchG an. Nur als Sanktionsnormen (§ 44a Z3 VStG) hingegen hielt sie sowohl die Z19 als auch die Z26 des § 130 Abs.1 ASchG fest. In der Anhörung zum Berufungsvorbringen verwies das Arbeitsinspektorat auf seine schon vor der Strafbehörde abgegebene Stellungnahme und führte ergänzend aus: "Lediglich zur Behauptung, der Arbeitgeber habe sich nur um die Zurverfügungstellung der persönlichen Schutzausrüstung zu sorgen, wird hinzugefügt, daß gemäß § 22 Abs.1 letzter Satz BauV die zweckentsprechende Verwendung der Schutzausrüstung zu überwachen ist." Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

3.1. Unstrittig geht es im Berufungsfall um eine Bauarbeit (§ 1 Abs.2 BauV) auf dem Dach (Gaupe) einer Baustelle und sind daher (iSd § 59 Abs.1 AVG iVm § 24 sowie § 44a Z2 VStG) nur die den Arbeitnehmerschutz speziell für Bauarbeiten, noch spezieller: für Bauarbeiten auf Dächern regelnden Vorschriften anzuwenden. Solche leges speciales sind § 87 Abs.3 BauV einerseits und § 87 Abs.5 BauV andererseits. Gemäß § 87 Abs.3 BauV müssen bei Arbeiten auf Dächern (unter den - hier erfüllten - Voraussetzungen hinsichtlich einer bestimmten Dachneigung und einer bestimmten Absturzhöhe) geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern. Solche geeigneten Schutzeinrichtungen sind Dachschutzblenden und Dachfanggerüste. § 87 Abs.5 BauV hingegen ordnet an, daß das Anbringen dieser Schutzeinrichtungen jedoch entfallen darf 1. bei geringfügigen Arbeiten, wie Reparatur- oder Anstricharbeiten, die nicht länger als einen Tag dauern, und 2. bei Arbeiten am Dachsaum oder im Gibelbereich. In diesen Fällen müssen die Arbeitnehmer mittels Sicherheitsgeschirr angeseilt sein. Nur dieses Gebot ist die konkrete verletzte Schutzvorschrift in diesem Fall. Damit aber ist die persönliche Schutzausrüstung angesprochen. Diesbezüglich bestimmt § 30 Abs.1 BauV, daß derartige Schutzausrüstungen den Arbeitnehmern unter den gegebenen Voraussetzungen zur Verfügung zu stellen sind. Der Einhaltung dieser Gebotsnorm dient der besondere Straftatbestand des § 130 Abs.1 Z26 ASchG und ist das Tatbild dieser Verwaltungsübertretung durch einen Arbeitgeber dann verwirklicht, wenn er die ihm obliegende Verpflichtung betreffend persönliche Schutzausrichtungen verletzt, d.h. die Ausrüstung dem Arbeitnehmer rechtswidrig von vornherein nicht zur Verfügung stellt. Hat jedoch der Arbeitgeber die Schutzausrüstung für konkrete Anlaßfälle immerhin zur Verfügung gestellt, dann ist er gemäß § 22 Abs.1 BauV auch verpflichtet, ihre zweckentsprechende Verwendung zu überwachen, dh er muß sich - im Wege geeigneter, effizienter und auch zumutbarer betrieblicher Vorkehrungen - darum kümmern, daß die Arbeitnehmer die in ihrem Interesse gebotene Schutzmaßnahme tatsächlich einhalten. Den hiefür einschlägigen Straftatbestand regelt § 130 Abs.1 Z6 ASchG und begeht demnach eine Verwaltungsübertretung, wer als Arbeitgeber nicht für die Einhaltung der durchzuführenden Schutzmaßnahme - im Berufungsfall war dies das Anseilen mittels Sicherheitsgeschirr iSd § 87 Abs.5 BauV - sorgt.

3.2. Waren vorliegend aber, wie aufgezeigt, spezielle Schutzvorschriften anzuwenden, so erweist sich die spruchmäßige Hinzuzählung des die Sicherheit von (sonstigen) Arbeitsplätzen bloß generell regelnden § 61 Abs.3 ASchG zu den hier verletzten Rechtsvorschriften als verfehlt. Unter diesem Gesichtspunkt wäre auch die Heranziehung des § 130 Abs.1 Z19 ASchG als Straftatbestand ein Fehlgriff, wenn nicht die belangte Behörde diese Bestimmung in Verkennung der Rechtslage ohnedies nur als Sanktionsnorm (§ 44a Z3 VStG) angeführt hätte; als Strafnorm jedoch wäre allein § 130 Abs.1 Einleitung ASchG zu nennen gewesen. 3.3. Nun ging im Berufungsfall schon das Arbeitsinspektorat davon aus, daß dem involvierten Arbeitnehmer die Schutzausrüstung zwar zur Verfügung gestellt gewesen ist, dem Arbeitgeber aber angelastet werden müsse, die Verwendung dieser Schutzausrüstung nicht, jedenfalls nicht ausreichend überwacht zu haben. Und auch die belangte Behörde erhob weder mit der ersten Verfolgungshandlung noch mit dem Schuldspruch des angefochtenen Straferkenntnisses den dezidierten Vorwurf, daß dem Arbeitnehmer die Schutzausrüstung, nämlich das Sicherheitsgeschirr mit Anseilvorrichtung schon nicht zur Verfügung gestellt worden sei.

3.4. Beruft sich aber der Beschuldigte - insoweit in Übereinstimmung mit den Angaben des Inspektionsorgans - darauf, daß die "Mittel für das Anseilen" vorschriftsmäßig zur Verfügung gestellt gewesen seien, so hätte er - und dies übersieht der Berufungswerber - die zweckentsprechende Verwendung der Schutzausrüstung im Anlaßfall auch zu überwachen gehabt. Dh, er mußte als strafrechtlich verantwortliches Organ durch geeignete (aus dem Blickwinkel des § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG dann von ihm selbst durch initiatives Vorbringen glaubhaft darzustellende) Maßnahmen im Sinne des § 130 Abs.1 Z6 ASchG Sorge tragen, daß sich hier der Arbeitnehmer für die geringfügige Vermessungsarbeit auf der absturzgefährlichen Dachgaupe mit dem auf die Baustelle mitgenommenen Sicherheitsgeschirr auch wirklich anseilt. Auf dieses Tatbild des § 130 Abs.1 Z6 ASchG wäre daher der Schuldspruch abzustellen gewesen und hätte demgemäß die Tatanlastung den hier wesentlichen Sachverhalt umfassen müssen, wonach der Berufungswerber als Arbeitgeber nicht für das Anseilen des Arbeitnehmers mittels Sicherheitsgeschirr als in der konkreten Situation einzuhaltende Schutzmaßnahme gesorgt habe (idS vgl das h Erk vom 31.7.1997, VwSen-280188/8/Ga/Fb). Der pauschale - und insofern im Lichte des § 44a Z1 VStG auch unbestimmte - Vorwurf, wonach der Arbeitnehmer "ohne jede Sicherung gegen Absturz beschäftigt" worden sei, ist daher zur Tatbildverwirklichung nach § 130 Abs.1 Z6 ASchG nicht geeignet, weil diese Formulierung nicht Bedacht darauf nimmt, daß dem Arbeitnehmer die persönliche Schutzausrüstung immerhin zur Verfügung gestellt gewesen ist und er diese Ausrüstung auf der Baustelle zweifellos auch hätte anlegen können, sodaß von einer Beschäftigung ohne jede Sicherung gerade nicht die Rede sein konnte.

3.5. Bei diesem Ergebnis aber scheitert die Neuformulierung des Schuldspruchs im Sinne des Tatbestandes nach § 130 Abs.1 Z6 ASchG durch den unabhängigen Verwaltungssenat an der Sachbindung gemäß § 66 Abs.4 AVG bzw an der Verfolgungsverjährung, weshalb aus allen diesen Gründen wie im Spruch zu entscheiden war.

4. Die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses bewirkt von Gesetzes wegen auch die Entbindung des Berufungswerbers von seiner Kostenpflicht.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Ergeht an die Parteien dieses Verfahrens:

Beilage (Akt; Erkenntnis und Mehrausfertigung) Dr. G r o f

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