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VwSen-280246/7/Gu/Atz

Linz, 19.07.1996

VwSen-280246/7/Gu/Atz Linz, am 19. Juli 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Hans GUSCHLBAUER über die Berufung des Arbeitsinspektorates für den 18.

Aufsichtsbezirk gegen die Höhe der mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 21.5.1996, Zl. Ge96-2504-1995, gegen Ing. M. M. wegen Übertretung des Arbeitnehmerschutzgesetzes, verhängten Strafe nach der am 16. Juli 1996 in Gegenwart der Parteien durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Die verhängte Geldstrafe wird auf 15.000 S, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 200 Stunden und der erstinstanzliche Verfahrenskostenbeitrag auf 1.500 S erhöht.

Für das Berufungsverfahren entfallen Kostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 19 VStG, § 130 Abs.1 Einleitungssatz ASChG.

Entscheidungsgründe:

Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat den Beschuldigten Ing. M. M. schuldig erkannt, es als Arbeitgeber verantworten zu müssen, daß er am 20.6.1995, um ca. 10.45 Uhr, die Arbeitnehmer K. F., SCH. Ch. und N. M. bei Dachrinnenmontagearbeiten und einer herrschenden Traufenhöhe 5,5 m und Dachneigung 36 Grad ohne jede Sicherung gegen Absturz angetroffen wurde, obwohl bei Arbeiten auf Dächern mit einer Dachneigung von mehr als 20 Grad und einer Absturzhöhe von mehr als 3 m geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein müssen, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern. Die Arbeitnehmer trugen keine Sicherheitsgeschirre und waren nicht angeseilt. Am gesamten Objekt waren weder ein Dachfanggerüst, noch Dachschutzblenden angebracht, noch auf der Baustelle vorhanden. Anseilmittel waren nur teilweise im Firmenbus vorhanden.

Wegen Verletzung des § 130 Abs.1 Z 19 ASchG iVm § 87 Abs.3 Bauarbeiterschutzverordnung iVm § 61 Abs.3 ASchG wurde ihm deswegen eine Geldstrafe von 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 120 Stunden) und ein erstinstanzlicher Verfahrenskostenbeitrag von 500 S auferlegt.

Die erste Instanz hat bei der Bemessung der Strafe als mildernd gewertet, daß der Beschuldigte noch keine einschlägige Vorstrafe besaß und straferschwerende Umstände nicht vorgelegen sind. Im übrigen hielt sie den verhängten Strafbetrag auch bei ungünstigen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen als vertretbar und angemessen und fand den Strafantrag des Arbeitsinspektorates Vöcklabruck, lautend auf 30.000 S als zu hoch gegriffen.

In der gegen die zu geringe Höhe der Strafe dagegen eingebrachten Berufung macht das Arbeitsinspektorat für den 18. Aufsichtsbezirk geltend, daß die Meinung, straferschwerende Umstände seien nicht vorgelegen, von der Amtspartei nicht vertreten werden könne.

Ein völlig ungesichertes Arbeiten auf Dächern mit Absturzhöhen von 5,5 m und einer Dachneigung von 36 Grad direkt an der Absturzkante, stelle eine massive Gefährdung des Lebens der Arbeitnehmer dar. Zahlreiche schwere Unfälle mit tödlichem Ausgang würde die Notwendigkeit einer entsprechenden Bestrafung und der damit verbundenen Abschreckung von derartigen Straftaten unterstreichen.

Der Strafantrag liege ohnehin im unteren Drittel der möglichen Strafhöhe. Die erstmalige Begehung einer Tat schließe die Verhängung hoher Strafen nicht aus. Maßgeblich könnten immer nur die Umstände des Einzelfalles im Lichte der für die Strafzumessung nach § 19 VStG maßgeblichen Kriterien sein.

Aus diesem Grunde stellt das Arbeitsinspektorat den Antrag die Strafe auf die seinerzeit beantragten 30.000 S zu erhöhen.

Um die Umstände des Einzelfalles würdigen zu können, wurde aufgrund der Strafberufung am 26. Juli 1996 in Gegenwart der Parteien eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt.

Anläßlich dieser hat der Vertreter der ersten Instanz einen Auszug über allfällige Vorstrafen betreffend den Beschuldigten mit Stichtag 4.7.1995 vorgelegt. Daraus geht hervor, daß der Beschuldigte keinerlei verwaltungsstrafrechtliche Vormerkung besitzt. Die Umstände des Einzelfalles gestalteten sich demnach so, daß die im vorerwähnten Spruch zitierte Arbeitnehmerpartie bei einem Neubau, bei welchem der Dachstuhl mit Kaltdach aufgerichtet war und welcher die Lattung für die einzuhängenden Ziegel aufwies, vorgängig mit der Verlegung der Dachrinnen im Gefälle beschäftigt waren. Anschließend sollten die Ziegel verlegt werden. Bei der Dachrinnenmontage waren die Arbeitnehmer einschließlich ihres Vorarbeiters F. K.

ungesichert tätig.

Der Beschuldigte, welcher Inhaber des Dachdeckergewerbes, des Spenglergewerbes und des Installationsgewerbes ist und hiebei für Dachdeckerei und Spenglerei sieben Leute beschäftigt und als Installateur einen Lehrling hält und der für die Ausgabe des Materials und auch der Sicherheitseinrichtungen zu sorgen hat, bedient sich nach Übernahme des Geschäftes im Jahre 1990 noch seines Vaters, dem vormaligen Gewerbeinhaber - als Erfüllungsgehilfen, der mit der Aufnahme der Aufträge beschäftigt ist und bei der fachgerechten Erfüllung der Arbeiten sowie für die dabei zu beachtenden Sicherheitsvorkehrungen die Aufsicht führt.

Unter dessen Aufsicht stehen dann im einzelnen die zwei oder drei Partieführer (Vorarbeiter). Die Arbeitnehmer kommen täglich in den Betrieb.

Der Beschuldigte zeigte sich bei der mündlichen Verhandlung völlig einsichtig und gestand, daß er Mühe hatte, die Arbeitnehmer zum Anlegen der Sicherheitsgeschirre zu bewegen, wobei ihm die Beanstandung durch das Arbeitsinspektorat als Hilfe für die Überzeugungsarbeit erschien. Nach der Beanstandung hat er sogleich zusätzlich reagiert, ausziehbare Höhensicherungsgeräte, welche bei den Arbeitsvorgängen nicht hinderlich sind (um die Akzeptanz zu erhöhen) angeschafft.

Zu seinem persönlichen Verhältnis befragt gab er glaubwürdig an, monatlich von der Firma eine Privatentnahme von 15.000 S zu beziehen, Miteigentümer des Hauses Attersee, ...straße ..

und Attersee, ...weg 1, zu sein und eine Sorgepflicht für ein Kind im Alter von neun Jahren zu besitzen.

Bei diesem für die Strafbemessung relevanten Sachverhalt war zu bedenken:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Der Strafrahmen beträgt gemäß § 130 Abs.1 ASchG an Geldstrafe von 2.000 S bis 100.000 S, die Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 16 VStG bis zu zwei Wochen.

Bei dem in Rede stehenden Delikt handelt es sich um ein Gefährdungsdelikt, bei dem einerseits der Eintritt eines Erfolges nicht notwendig ist, aber andererseits neben dem Unrechtsgehalt der Tat, welcher die Gefährdung im Strafrahmen bereits berücksichtigt. Ein besonderer Erschwerungsgrund, der über die Tatbildmäßigkeit hinaus eine außerordentliche Gefährdung darstellen könnte (etwa ungeschütztes Dachrinnenverlegen am Dachsaum eines vereisten Blechdaches, wobei ein Abgleiten nur durch Zufall nicht erfolgt), muß in der Verfolgungshandlung und im Spruch des Straferkenntnisses aufscheinen. Allgemeine Formulierungen und Hinweise auf fremde Geschehnisse vermögen einen solchen besonderen Erschwerungsgrund nicht zu erzeugen. Weder die Anzeige noch die Verfolgungshandlung noch der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses enthielten derartige außergewöhnliche Beschreibungen, sodaß die Anlastung eines besonderen Erschwerungsgrundes bei regeltypischem Unrechtsgehalt gegen das sogenannte Doppelverwertungsverbot verstoßen würde, indem einerseits der Unrechtsgehalt, der unbestrittenermaßen gewichtig war, noch mit einem besonderen Erschwerungsgrund aufgedoppelt würde.

Insoferne konnten den Ausführungen des berufungswerbenden Arbeitsinspektorates nicht gefolgt werden. Demgegenüber ist der Beschuldigte nicht nur frei von einschlägigen Vorstrafen, sondern gänzlich frei von verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen, sodaß bei der erstmaligen Beanstandung der besondere Milderungsgrund des § 34 Z2 StGB voll zum Tragen kam. Darüber hinaus hat sich der Beschuldigte in der mündlichen Verhandlung voll einsichtig gezeigt, ein reumütiges Geständnis abgelegt und sein sofortiges Reagieren auf die Beanstandung hin dartun können, sodaß ihm noch der Milderungsgrund des § 34 Z17 StGB zugutekommt.

Angesichts der Tatsache, daß der objektive Unrechtsgehalt wie erwähnt, bedeutsam schien und drei Dienstnehmer ungesichert arbeiteten, erschien eine Anhebung der Strafe auf 15.000 S auch unter Berücksichtigung seines Einkommens und der Sorgepflicht für geboten, um einen Nachdruck für künftiges Wohlverhalten zu bieten. Die zur Last liegende Fahrlässigkeit wog bei dem überschaubaren Betrieb und der glaubhaft dargetanen Kontrollstruktur nicht besonders schwer, sodaß mit der vom O.ö. Verwaltungssenat vorgenommenen Anhebung nach dem Grundsatz der Ökonomie der Strafe das Auslangen gefunden werden konnte.

Die Anhebung der Strafe hatte bezüglich der erstinstanzlichen Verfahrenskosten aufgrund deren vorgegebenen gesetzlichen Höhe von 10 % der Geldstrafe zwangsweise zur Folge, daß auch diese in prozentmäßigem Umfang angehoben werden mußten (§ 64 Abs.1 und 2 VStG).

Aus all diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Ergeht an:

1. Ing. M. M., ...straße .., 4864 Attersee; 2. Arbeitsinspektorat für den 18. Aufsichtsbezirk zur Zahl 1170/1-18/96, Ferdinand Öttl-Straße 12, 4840 Vöcklabruck; 3. Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zur Zahl Ge96-2504-1995, Sportplatzstraße 1 - 3, 4840 Vöcklabruck, unter Aktenrückschluß mit dem Ersuchen um nachweisbare Zustellung der Entscheidung an vorstehende Parteien.

Beilagen Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Guschlbauer

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