Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280271/24/SCHI/Km

Linz, 11.11.1997

VwSen-280271/24/SCHI/Km Linz, am 11. November 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schieferer über die Berufung des Herrn P R, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J H, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters (Magistrates) der Stadt Wels vom 19.6.1996, MA2-Pol-50-2-1996 Pi, wegen einer Übertretung des ASchG, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 13.10.1997, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, daß von der Verhängung einer Strafe abgesehen wird und dem Berufungswerber gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens eine Ermahnung erteilt wird; dies mit der Maßgabe, daß im bekämpften Strafbescheid (Straferkenntnis) die Überschrift statt "Straferkenntnis" nunmehr "Bescheid" zu lauten hat und der Strafausspruch (Spruchelement gemäß § 44a Z2 VStG) und alle damit zusammenhängenden Spruchteile zu entfallen haben. Weiters hat die verletzte Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44a Z2 VStG zu lauten: "§ 61 Abs.1 iVm § 61 Abs.8 Z2 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG), BGBl.Nr. 450/1994 iVm § 130 Abs.1 Z19 ASchG.

Der Berufungswerber hat weder Beiträge zu den Kosten des Verfahrens vor der Strafbehörde noch vor dem unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen: Zu I: § 66 Abs. 4 AVG iVm §§ 24, 21, 51 Abs.1, 51c, 51e Abs.1, 51g und 51i VStG. zu II: § 64 Abs. 1 und § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 19.6.1996 wurde über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung nach § 130 Abs.1 Z19 ASchG eine Geldstrafe von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage) verhängt, weil es der Bw als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Bäckerei R GmbH & CoKG, W, zu verantworten hat, daß am 30.1.1996 bei einer Kontrolle in L, durch ein Organ des Arbeitsinspektorates Linz, festgestellt worden ist, daß auf der Straße vor dem Verkaufsladen ein ungeschützter Verkaufsstand (Krapfenstation) im Freien eingerichtet war, an welchem die Arbeitnehmer M P und E H bei einer Temperartur von +5,3ï‚°C (bei Sonneneinstrahlung) bzw. +3ï‚°C (im Schatten) nach Messungen um 10.45 Uhr am 30.1.1996 beschäftigt waren.

2.1. Mit Schriftsatz vom 26.6.1996 hat der Bw rechtzeitig Berufung erhoben und die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß § 61 Abs.8 normiert, daß Arbeitnehmer außerdem nur beschäftigt werden dürfen, wenn die Außentemperatur mehr als +16ï‚°C beträgt und der Verkaufsstand im Freien organisatorisch und räumlich im Zusammenhang mit einem Verkaufsladen oder sonstigem Betriebsgebäude steht. Hinsichtlich anderer Verkaufsstände vermeidet es der Gesetzgeber, konkrete Werte festzulegen und wurde auch keine besondere Bestimmung in einer Verordnung festgelegt. Wenn nun § 61 Abs.8 Z1 vom ausreichenden Schutz gegen Witterungseinflüsse spricht, so kann damit nicht von vornherein ein bestimmter Temperaturwert gemeint sein, sondern nur ein allgemein feststellbarer erforderlicher Schutz gegen widrige Witterungseinflüsse, wie Sturm, Hagel, starker Regen und auch tatsächlich sehr niedrige Temperaturen. Maßstab hiefür könne nur das allgemeine Verständnis eines maßgerechten Durchschnittsbetrachters sein. Im gegenständlichen Fall seien die Arbeitnehmer vor Witterungseinflüssen ausreichend geschützt gewesen; es hätten keine auffallend niederen Temperaturen geherrscht und weiters habe die Krapfenstation starke Wärme abgestrahlt.

2.2. Weiters wurde in einem ergänzenden Schriftsatz zur Berufung vom 5.8.1996 darauf hingewiesen, daß die Krapfenbackstation so ausgestattet sei, daß sie an jedem Standort aufgestellt werden könne, ohne daß es darauf ankomme, ob das Unternehmen am jeweiligen Standort eine Niederlassung habe. Überwiegender Einsatzzweck dieser Krapfenbackstation seien Märkte und sonstige Veranstaltungsorte im Freien (zB Schiweltcuprennen in H, ORF-Studio am Südbahnhofmarkt in L, Welser Messe, usw.). Der gegenständliche Aufstellungsort in der L am 30.1.1996 sei rein zufällig vor der eigenen Filiale gewesen. Die Backstation hätte auch an jedem anderen Ort aufgestellt werden können.

2.3. Mit einem weiteren Schriftsatz vom 5.8.1997 wird nochmals im Detail dargelegt, wie die gegenständliche Krapfenbackstation organisiert ist und weiters ausgeführt, daß keinerlei organisatorischer und räumlicher Zusammenhang vorliege, sowie daß die Krapfenbackstation selbst entsprechende Wärme abstrahle.

3.1. Die Strafbehörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern - als nunmehr belangte Behörde - die Berufung samt Strafakt vorgelegt. Von einer Gegenäußerung zum Berufungsvorbringen hat die belangte Behörde abgesehen.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist in diesem Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 51 Abs.1 VStG als Berufungsbehörde zuständig und entscheidet gemäß § 51c durch (nur) eines seiner Mitglieder, weil keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde.

3.2. Gemäß § 15 Abs.6 iVm § 11 Abs.1 ArbIG 1993 sowie § 51e Abs.2 VStG wurde die Berufung dem Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk in Linz zur Kenntnis gebracht; dieses gab mit Schreiben vom 9. Juli 1997 eine Stellungnahme ab, welche mit h. Schreiben vom 18.7.1997 dem Bw zu Handen seiner ausgewiesenen Vertreter zugestellt wurde. 3.3. In der gegenständlichen Angelegenheit hat der O.ö. Verwaltungssenat eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung am 13.10.1997 anberaumt und durchgeführt, zu der der Bw sowie sein Rechtsanwalt, die belangte Behörde und das Arbeitsinspektorat geladen wurden und erschienen sind. Als Zeugen wurden geladen und einvernommen Frau L R als anzeigendes Arbeitsinspektionsorgan und die vom Berufungswerber namhaft gemachten Zeugen Frau M P, E H und G M.

4. Aufgrund der Ergebnisse der Berufungsverhandlung in Verbindung mit dem vorgelegten Verwaltungsakt war von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt auszugehen:

4.1. Die gegenständliche Krapfenbackstation ist so konstruiert, daß sie grundsätzlich autark, dh. unabhängig von einer Betriebsstätte oder einer Filiale des Berufungswerbers eingesetzt werden kann. Die Krapfenbackstation ist organisatorisch dem G M in dessen Verantwortungsbereich übertragen, dh. daß dieser Arbeitnehmer entscheiden kann, wo und wann dieser Krapfenbackstand aufgestellt wird. Dabei richtet sich seine Entscheidung naturgemäß dahingehend, wann und an welchen Ort gerade Veranstaltungen oder ein größerer potentieller Kundenkreis zu erwarten sind (zB. Adventmarkt beim Stift L, Ski Weltcup Rennen, Südbahnhofmarkt, usw.). Wenn, wie im gegenständlichen Fall, der Stand vor einer Filiale aufgestellt wird, kann er nach Bedarf Unterstützung durch das dortige Verkaufspersonal anfordern.

4.2. Am 30.1.1996 war diese Krapfenbackstation vor der Filiale des Bw in L, aufgestellt; dieser Stand war nicht gänzlich ungeschützt, zumal sich eine Umrahmung mit Plexiglas an ihm befand und der Stand hinten ans Schaufenster gerückt war. Weiters wurde auch ein großer Schirm aufgestellt. Schließlich war abgesehen von der Wärmeabstrahlung des Backstandes ein Heizstrahler für die Füße unter dem Verkaufstisch aufgestellt. Zum Zeitpunkt der Kontrolle um 10.45 Uhr waren die Arbeitnehmer M P und E H beschäftigt; die Temperatur betrug +5,3ï‚°C bzw. +3ï‚°C. Die beschäftigten Arbeitnehmer hatten subjektiv nicht das Gefühl, zu frieren bzw. daß es zu kalt wäre, zumal sie sich warm gekleidet hatten und außerdem durch die Bewegung bzw. die Arbeit sowie den Heizstrahler und die Abwärme des Krapfenbackgerätes "aufgewärmt" wurden.

4.3. Dies ergibt sich aus den übereinstimmenden und schlüssigen Aussagen der angeführten Zeugen sowie den Angaben des Berufungswerbers in der Verhandlung.

5. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 61 Abs.1 ASchG müssen Arbeitsplätze so eingerichtet und beschaffen sein und so erhalten werden, daß die Arbeitnehmer möglichst ohne Gefahr für ihre Sicherheit und Gesundheit ihre Arbeit verrichten können.

Gemäß § 61 Abs.8 ASchG gilt für Verkaufsstände im Freien abweichend von Abs.7 folgendes:

1. An Verkaufsständen im Freien dürfen Arbeitnehmer nur beschäftigt werden, wenn sie gegen Witterungseinflüsse, schädliche Zugluft, Einwirkungen durch Lärm, Erschütterungen und Abgase von Kraftfahrzeugen ausreichend geschützt sind.

2. An Verkaufsständen im Freien, die organisatorisch und räumlich im Zusammenhang mit Verkaufsläden oder sonstigen Betriebsgebäuden stehen, dürfen Arbeitnehmer nur beschäftigt werden, wenn die Außentemperatur am Verkaufsstand mehr als +16ï‚°C beträgt.

5.2. Obwohl nun im gesamten Verfahren keinerlei Feststellungen hinsichtlich Witterungseinflüsse, schädliche Zugluft, Einwirkungen durch Lärm, Erschütterung und Abgasen von KfZ erfolgt sind, hat die belangte Behörde unrichtigerweise dennoch die Z1 des § 61 Abs.8 ASchG als verletzte Rechtsvorschrift angesehen; allerdings wurde im Spruch des Straferkenntnisses die gemessene Temperatur von +5,3ï‚°C und +3ï‚°C angeführt. Da auch in der ersten Verfolgungshandlung (Ladung zur mündlichen Verhandlung im Verwaltungsstrafverfahren vom 8. Februar 1996) diese Temperaturelemente enthalten waren und überdies als verletzte Rechtsvorschrift (auch) § 61 Abs.8 Z2 ASchG angeführt worden war, war insoferne keine Verfolgungsverjährung eingetreten und konnte der O.ö. Verwaltungssenat unter Hinweis auf seine Richtigstellungspflicht diesen Fehler entsprechend korrigieren.

5.3. Wie nun das Ermittlungsverfahren und insbesondere die Berufungsverhandlung eindeutig ergeben haben, handelt es sich zwar beim gegenständlichen Krapfenbackstand um einen Verkaufsstand, der grundsätzlich so konstruiert ist, daß er organisatorisch und räumlich ohne jeglichen Zusammenhang mit Verkaufsläden oder sonstigen Betriebsgebäuden betrieben werden kann und außerdem in derartiger Art und Weise auch überwiegend betrieben wird. Allerdings wurde er aber gerade im gegenständlichen Fall durch das Aufstellen vor der Filiale zwangsläufig in einen organisatorisch und räumlichen Zusammenhang mit dem Verkaufsladen, nämlich der Filiale in der L gebracht; dabei wurde auch Personal von der Filiale (M P) zeitweise verwendet. Aus diesem Grund war jedenfalls für den gegenständlichen Tag bzw. Zeitpunkt ein organisatorischer und räumlicher Zusammenhang mit der Filiale gegeben und somit die Z2 des § 61 Abs.8 erfüllt, wonach Arbeitnehmer nur beschäftigt werden dürfen, wenn die Außentemperatur mehr als +16ï‚°C betragen hätte. Es war daher grundsätzlich vom Vorliegen des objektiven Tatbestandes auszugehen.

5.4. Auch subjektiv hat der Berufungswerber die Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes im Sinne des § 5 Abs.1 VStG zu vertreten, zumal keine Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe hervorgekommen sind. In diesem Zusammenhang ist im übrigen auf das diesbezügliche vom VwGH geforderte Kontrollsystem hinzuweisen, wonach der Arbeitgeber verpflichtet gewesen wäre, durch entsprechende Weisungen und Kontrollen dieser Weisungen Verstöße gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften hintanzuhalten.

6. Zur Straffrage:

6.1. Absehen von der Strafe gemäß § 21 Abs.1 VStG:

Nach dieser Vorschrift kann von einer Strafe abgesehen werden, wenn das Verschulden geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind.

Das Verschulden bzw die Schuld des Täters ist gering, wenn das tatbildmäßige Verhalten hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt vgl Hauer/Leukauf, Verwaltungsverfahren, 4. A, 814 ff, E 7, 8 und 23a zu § 21; Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A, § 42 Rz 14). Nach der Judikatur des OGH zum vergleichbaren § 42 StGB muß die Schuld absolut und im Vergleich zu den typischen Fällen der jeweiligen Deliktsverwirklichung geringfügig sein (vgl ua EvBl 1989/189 = JBl 1990, 124; SSt 55/59; SSt 53/15; SSt 51/21). Maßgebend ist zum einen der das Unrecht mitbestimmende Handlungsunwert und zum anderen der Gesinnungsunwert, der das Ausmaß der deliktstypischen Strafzumessungsschuld ebenso entscheidend prägt (vgl Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A, § 42 Rz 14 f mwN). Der Aspekt des Erfolgsunwerts wurde im § 21 Abs.1 VStG ebenso wie im § 42 StGB unter dem Merkmal "unbedeutende Folgen der Tat" verselbständigt.

6.2. Im gegenständlichen Fall ist darauf hinzuweisen, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Anspruch auf eine Ermahnung besteht, wenn die Schuld des Täters geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Wie sich schon aus der Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes unter Punkt 4 ergibt, bleibt im vorliegenden Fall das tatbildmäßige Verhalten des Bw hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurück, zumal es im gegenständlichen Fall an die Grenze der Zumutbarkeit gestoßen wäre, daß der Bw den Krapfenbackstand an einer anderen Stelle als vor seiner Filiale in der Landstraße 70, also zB lediglich ein kurzes Stück von dieser Filiale entfernt hätte aufstellen müssen, damit der organisatorische und räumliche Zusammenhang nicht zum Tragen kommt. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß das Verfahren ergeben hat, daß dieser Stand eben überwiegend autark eingesetzt wird und nicht im räumlichen oder organisatorischen Zusammenhang mit einer Betriebsstätte oder einem Verkaufsladen. Schließlich wurde durch entsprechende Vorrichtungen (Plexiglasbarriere, Schirm, Heizstrahler) weitgehend vorgesorgt, daß die dort beschäftigten Arbeitnehmer in ihrer Gesundheit entsprechend geschützt werden. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß auch die bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmer in der Verhandlung zeugenschaftlich bestätigten, daß sie sich selbst wunderten, daß ihnen vom Kontrollorgan mitgeteilt wurde, daß für sie eine Beschäftigung dort wegen Kälte unzumutbar gewesen sei.

6.3. Es war daher von einem Strafausspruch abzusehen und im Sinne des § 21 VStG eine Ermahnung auszusprechen, um beim Bw künftig die Aufmerksamkeit zu schärfen und ihn vor weiteren ähnlichen Handlungen abzuhalten.

7. Aus all diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden, wobei zufolge der Anordnung des § 65 VStG der Bw keinerlei Verfahrenskostenbeiträge zu leisten hat.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. Schieferer Beschlagwortung: Krapfenbackstand im Freien; nur 5ï‚°C statt 16ï‚°C; organisatorischer u. Räumlicher Zusammenhang mit Filiale

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