Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280289/5/Schi/Ka

Linz, 18.10.1996

VwSen-280289/5/Schi/Ka Linz, am 18. Oktober 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schieferer über die Berufung des P S, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. W M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 6.9.1996, Ge96-33-1996, wegen Übertretungen der Bauarbeitenschutzverordnung, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

Rechtsgrundlage:

Zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl.Nr. 471/1995, iVm §§ 24, 9, 45 Abs.1, 51 Abs.1, 51c, 51d und 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr.52/1991 idF BGBl.Nr.620/1995; Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber (Bw) angelastet, er habe als verantwortlich Beauftragter gemäß § 9 VStG der E GmbH mit dem Sitz in L am 20.3.1996 auf der Baustelle: WSG-L, Parz.Nr., KG. L, Lh i.M., 1.) zwei Arbeitnehmer im Zuge der Neueindeckung des Daches mit der Firsteindeckung der an der Südseite des Hauses 2 auf o.a. Baustelle befindlichen Gaupe, in deren Giebelbereich beschäftigt, 2.) zwei Arbeitnehmer mit der Firsteindeckung im ostseitigen Giebelbereich des Hauses 1 beschäftigt, ohne daß diese Arbeitnehmer gegen Absturz gesichert gewesen wären. Die angeführten Arbeitnehmer waren nicht mittels Sicherheitsgeschirr angeseilt. Die Dachneigung betrug 35 Grad, die Traufenhöhe ca. 7,5 m. Der Bw habe deswegen eine Verwaltungsübertretung nach § 78 Abs.5 Bauarbeitenschutzverordnung begangen. Gemäß § 130 Abs.1 Z19 Arbeitnehmerinnenschutzgesetz eine Geldstrafe von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) kostenpflichtig verhängt.

2. Dagegen hat der Bw mit Schriftsatz vom 16.9.1996 rechtzeitig Berufung erhoben und beantragt, der Berufung Folge zu geben, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen sowie eine mündliche Berufungsverhandlung anzuberaumen. Begründend wurde ua ausgeführt, daß der Bw lediglich für den Großraum Linz zur Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.2 VStG bestellt worden war. Nach dem Straferkenntnis sei der Tatort auf der Baustelle in 4132 Lembach im Mühlkreis, welches ca. 50 km von Linz entfernt sei und zweifelsfrei nicht zum Großraum Linz zähle, gelegen. Er sei deshalb für diese Baustelle verwaltungsstrafrechtlich nicht verantwortlich.

3. Die Strafbehörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern - als nunmehr belangte Behörde - die Berufung samt Strafakt vorgelegt. Von einer Gegenäußerung zum Berufungsvorbringen hat die belangte Behörde abgesehen.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist in diesem Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 51 Abs.1 VStG als Berufungsbehörde zuständig und entscheidet gemäß § 51c durch (nur) eines seiner Mitglieder, weil keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde.

Da schon aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, war ungeachtet des Antrages auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung die vorliegende Entscheidung ohne eine solche zu fällen (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 9 Abs.1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs.2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Nach Abs.2 dieses Paragraphen sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt, und soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

Als verantwortlicher Beauftragter können somit bestellt werden:

a) Personen aus dem Kreis der zur Vertretung nach außen Berufenen oder b) Personen, die diesem Kreis nicht angehören.

Während die unter a) genannten Personen auch als Verantwortliche für den Gesamtbetrieb bestellt werden können, ist dies in Ansehung der unter b) Genannten nur für bestimmte räumlich (zB Zentrale, Filiale, Baustelle) oder sachlich (zB Fuhrpark) abgegrenzte Bereiche (und nicht für das ganze Unternehmen) möglich (vgl VwGH 17.5.1988, 87/04/0131).

Voraussetzungen für die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten sind:

a) dessen Wohnsitz im Inland, b) die Möglichkeit seiner strafrechtlichen Verfolgung, c) die nachweisliche Zustimmung des Beauftragten, d) der Besitz einer Anordnungsbefugnis für den klar abgegrenzten Bereich.

4.2. Gemäß § 23 Abs.1 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 - ArbIG, BGBl.Nr.27, wird die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.2 und Abs.3 VStG für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften und für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes erst rechtswirksam, nachdem beim zuständigen Arbeitsinspektorat eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des Bestellten eingelangt ist.

4.3. Aus dem vorgelegten Akt ergibt sich, daß der Bw mit Schreiben vom 22.4.1994 zum verantwortlich Beauftragten gemäß § 9 Abs.2 VStG bestellt worden war; dieses Schreiben ist am 26.4.1994 beim Arbeitsinspektorat eingegangen. Mit ergänzendem Schreiben vom 3.5.1994, eingegangen beim Arbeitsinspektorat Linz am 4.5.1994, betreffend die Bestellung von verantwortlich Beauftragten gemäß § 23 Abs.1 ArbIG, wurde der Bw als verantwortlich Beauftragter des Arbeitgebers E GmbH in L, T, lediglich für den Großraum Linz als räumlichen Zuständigkeitsbereich (Punkt 4 des Formulares) bestellt. Auch hat das Arbeitsinspektorat Linz in seiner Anzeige vom 27.3.1996 an die belangte Behörde ausdrücklich darauf hingewiesen und deshalb ersucht, ein entsprechendes Verwaltungsstrafverfahren auch gegen den handelsrechtlichen Geschäftsführer enzuleiten.

4.4. Es ist eine offenkundige Tatsache, daß sich die Marktgemeinde L , der Firmensitz der E GmbH, keinesfalls mehr im (sicherlich unpräzisen Begriff) "Großraum Linz" befindet. Stellt sich aber wie im gegenständichen Fall aufgrund der räumlichen Einschränkung des Bestellungsbereiches heraus, daß der Bw hinsichtlich des vorliegenden Tatortes in L nicht verantwortlich war, dann hat der Übergang der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit diesbezüglich von Anfang an nicht stattgefunden.

5. Daher ist im Ergebnis der Bw zu Unrecht bestraft worden, weil er die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen mangels Verwantwortlichkeit nicht begehen konnte (§ 45 Abs.1 Z2 VStG). Deshalb war das Straferkenntnis aufzuheben und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG zu verfügen.

6. Mit diesem Verfahrensergebnis entfällt die Kostenpflicht des Bw in dieser Sache gänzlich (die Aufhebung bewirkt zugleich auch den Wegfall des strafbehördlichen Kostenausspruches).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. Schieferer

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