Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280293/6/Kl/Rd

Linz, 09.10.1997

VwSen-280293/6/Kl/Rd Linz, am 9. Oktober 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 8. Kammer (Vorsitzender: Dr. Schieferer, Berichterin: Dr. Klempt, Beisitzer: Dr. Langeder) über die Strafberufung des H, vertreten durch RAe, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 16.9.1996, Ge96-51-1996, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Arbeitnehmerschutzgesetz zu Recht erkannt:

I. Der Berufung gegen das Strafausmaß wird Folge gegeben und die verhängte Geldstrafe auf 35.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit die Ersatzfreiheitsstrafe auf fünf Tage, herabgesetzt.

II. Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 3.500 S; zum Verfahren vor dem O.ö. Verwaltungssenat ist kein Kostenbeitrag zu leisten. Rechtsgrundlagen: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 16, 19, 24, 51 VStG. zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 16.9.1996, Ge96-51-1996, wurde über den Bw eine Geldstrafe von 60.000 S, Ersatzfreiheitsstrafe von 202 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 87 Abs.3 und 5 der BauV iVm §§ 118 Abs.3 und 130 Abs.5 ASchG verhängt, weil er handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit gemäß § 9 Abs.1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der Fahrzeug GesmbH mit dem Sitz in R, ist und es als solcher zu verantworten hat, daß der Arbeitnehmer S am 10.6.1996 um ca. 15.30 Uhr sowie F am 11.6.1996 um 10.45 Uhr auf der Baustelle in M, auf dem Dach mit einer Neigung von ca. 30 Grad und einer Traufenhöhe von ca. 3,5 m zu Reparaturarbeiten, die länger als einen Tag dauerten und die sich nicht nur auf Arbeiten am Dachsaum und im Giebelbereich beschränkten, herangezogen worden sind, ohne daß geeignete Schutzmaßnahmen (Dachfanggerüst oder Dachschutzblende) vorhanden waren, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern. 2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung gegen die Höhe der ausgesprochenen Geldstrafe eingebracht, und dazu ausgeführt, daß die Behörde nicht beachtet habe, daß der Bw mit der Sorgepflicht für zwei Kinder belastet sei, daß das Geständnis zur Wahrheitsfindung beigetragen habe und daher als mildernder Umstand zu werten gewesen wäre, daß der Bw Schuldeinsicht gezeigt habe, daß relative Unbescholtenheit vorgelegen sei und daß Verwaltungsvorstrafen nicht näher ausgeführt worden seien. Auch sei ein spezialpräventiver Strafzweck nicht gegeben, weil der Bw jahrelang einschlägig nicht in Erscheinung getreten sei. Es hätte daher eine bedeutend geringere Geldstrafe verhängt werden müssen. 3. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt. Vom O.ö. Verwaltungssenat wurde das zuständige Arbeitsinspektorat für den 18. Aufsichtsbezirk am Verfahren beteiligt, welches die Bestätigung des Straferkenntnisses beantragte. Der O.ö. Verwaltungssenat hat weiters beim Bezirksgericht Schärding erhoben, daß gegen den Bw kein Strafverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung eingeleitet wurde. Weil sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet und die Durchführung einer Verhandlung nicht ausdrücklich verlangt wurde, konnte eine solche gemäß § 51e Abs.2 VStG unterbleiben.

Weil eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war zur Entscheidung eine Kammer des O.ö. Verwaltungssenates zuständig.

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 130 Abs.5 Z1 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes - ASchG, BGBl.Nr. 450/1994 idF BGBl.Nr. 201/1996, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 2.000 S bis 100.000 S, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 4.000 S bis 200.000 S zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwiderhandelt. Gemäß § 118 Abs.3 leg.cit. gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz. Gemäß § 87 Abs.3 Bauarbeiterschutzverordnung - BauV, BGBl.Nr. 340/1994, müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20 Grad und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern. Geeignete Schutzeinrichtungen sind Dachschutzblenden und -fanggerüste (§ 88). Das Anbringen von Schutzeinrichtungen nach Abs.3 darf nur entfallen bei 1) geringfügigen Arbeiten, wie Reparatur- oder Anstricharbeiten, die nicht länger als einen Tag dauern, 2) Arbeiten am Dachsaum oder im Giebelbereich.

In diesen Fällen müssen die Arbeitnehmer mittels Sicherheitsgeschirr angeseilt sein (§ 87 Abs.5 BauV).

Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1). Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

4.2. Die belangte Behörde hat daher zu Recht im Sinn der objektiven Strafbemessungskriterien den Unrechtsgehalt der Tat dahingehend gewertet, daß für die gegenständlichen Arbeiten für die Arbeitnehmer eine hohe Absturzgefahr bestand und daher in hohem Maße gerade jener Schutzzweck verletzt wurde, zu dessen Schutz die Verwaltungsvorschrift erlassen wurde. Insbesondere wurde auch beim Unrechtsgehalt der Tat gewertet, daß der Arbeitnehmer S tatsächlich vom Dach abgestürzt ist und sich erhebliche Verletzungen zugezogen hat. Es sind daher auch nachteilige Folgen der Tat eingetreten. Unter Wertung dieser objektiven Kriterien mußte daher für die gegenständliche Tat - insbesondere auch unter dem Aspekt, daß am darauffolgenden Tag ebenfalls ein Arbeitnehmer ohne Absturzsicherung auf dem Dach gearbeitet hat - eine empfindliche Geldstrafe, welche dem Unrechtsgehalt der Tat und den nachteiligen Folgen angemessen ist, festgesetzt werden. Demgegenüber war bei der Strafbemessung aber auch auf die subjektiven Strafbemessungsgründe gemäß § 19 Abs.2 VStG Bedacht zu nehmen. Die belangte Behörde hat die relative Unbescholtenheit und das Geständnis nicht als mildernd gewertet. Damit ist sie im Recht. Gemäß der ständigen Judikatur des VwGH ist nämlich unter Unbescholtenheit die absolute Unbescholtenheit, nämlich daß keinerlei Vorstrafen bestehen, zu verstehen (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens, S. 850, E68). Nur eine solche in jeder Richtung hin geltende Unbescholtenheit bildet einen Strafmilderungsgrund. Hingegen ist der Umstand, daß keine einschlägigen Vorstrafen bestehen, dahingehend zu beurteilen, daß nicht der Erschwerungsgrund der einschlägigen Vorstrafen besteht, bzw. würde ein höherer Strafrahmen für den Wiederholungsfall anzuwenden sein. Zum ebenfalls vom Bw relevierten Geständnis ist auszuführen, daß aufgrund der Anzeige und der Ermittlungen des GP Münzkirchens und des Arbeitsinspektorates für den 18. Aufsichtsbezirk der Tathergang schon völlig geklärt war, sodaß das Zugeben der Tat durch den Bw keinerlei weitere Aufklärung zum Tathergang erbracht hat. Es liegt daher kein qualifiziertes Geständnis iSd Judikatur des VwGH vor (vgl. Hauer-Leukauf, S. 850, E71). Gleiches gilt für die vom Bw vorgebrachte Schuldeinsicht, zumal außer dem Zugeben der Tat und des Verschuldens nichts vom Bw vorgebracht wurde. Wenn der Bw weiters bemängelt, daß die Verwaltungsvorstrafen nicht angeführt seien, so ist darin kein Begründungsmangel zu sehen, zumal gegen ihn verhängte Verwaltungsstrafen bekannt sein müssen (vgl. Hauer-Leukauf, S. 852, E95a). Inbesondere braucht auf diese nicht näher eingegangen zu werden, da keine auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstrafe vorliegt, weshalb keine Erschwerungsgründe vorliegen. Hingegen ist dem Bw insofern eine empfindliche Geldstrafe aufzuerlegen, als er handelsrechtlicher Geschäftsführer eines Spenglerunternehmens ist und daher iSd spezialpräventiven Strafzweckes von einer weiteren Tatbegehung durch eine empfindliche Geldstrafe abgehalten werden soll. Weiters hat die belangte Behörde auf die persönlichen Verhältnisse, welche der Bw in einer Niederschrift vom 15.7.1996 der belangten Behörde selbst angegeben hat, Bedacht genommen. Insbesondere wurde auch auf die Sorgepflicht für zwei Kinder Rücksicht genommen. Dem O.ö. Verwaltungssenat blieb aber nicht verschlossen, daß der Bw erstmalig gegen Bestimmungen des ASchG bzw. gegen Bestimmungen des persönlichen und sachlichen Arbeitnehmerschutzes verstoßen hat. Wenngleich dieser erstmalige Verstoß auch zu nachteiligen Folgen gelangt ist, so erscheint nach der bisherigen Spruchpraxis des O.ö. Verwaltungssenates eine erstmalige Geldstrafe im obersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens als nicht gerechtfertigt. Dem O.ö. Verwaltungssenat liegen aus der bisherigen Erfahrung bei tödlichem Ausgang von Arbeitsunfällen Geldstrafen von etwa 50.000 S vor. Ebenso liegen gerichtliche Strafen bei Todesfolge in vergleichbarer Höhe. Weil sich der Bw während des gesamten Verwaltungsstrafverfahrens einsichtig zeigte, konnte von einer derart hohen Geldstrafe, wie sie die belangte Behörde verhängt hat bzw. wie sie vom anzeigenden Arbeitsinspektorat - ohne Rücksicht auf subjektive Bemessungsgründe - beantragt wurde, Abstand genommen werden. Im übrigen mußte auch berücksichtigt werden, daß der Bw über kein Vermögen verfügt und das persönliche Einkommen - bei Sorgepflicht für zwei Kinder - monatlich 23.000 S beträgt.

Das nunmehr festgesetzte Ausmaß von 35.000 S ist aber in Anbetracht all der aufgezeigten Gründe erforderlich, um eine dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat angemessene Geldstrafe zu verhängen und den Bw von einer weiteren Tatbegehung abzuschrecken. Eine weitere Herabsetzung der Geldstrafe war aus den angeführten Gründen nicht vorzunehmen. Insbesondere konnte der Bw in seiner Berufung keine stichhaltigen Milderungsgründe anführen und kamen solche auch im Berufungsverfahren nicht hervor.

4.3. Aufgrund der Herabsetzung der Geldstrafe mußte auch die für den Fall der Uneinbringlichkeit festzusetzende Ersatzfreiheitsstrafe auf ein adäquates Ausmaß herabgesetzt werden (§ 16 VStG).

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz entsprechend der Bestimmung des § 64 Abs.1 und 2 VStG mit 3.500 S, ds 10 % der verhängten Strafe, neu festzusetzen. Weil der Berufung Erfolg beschieden war, war gemäß § 65 VStG kein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem O.ö. Verwaltungssenat aufzuerlegen.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig. Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten. Dr. Schieferer

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