Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280303/5/Ga/Km

Linz, 30.12.1998

VwSen-280303/5/Ga/Km Linz, am 30. Dezember 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des R E, vertreten durch Dr. W M, Rechtsanwalt in L, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 28. Oktober 1996, Ge96-33-1-1996, wegen Übertretung der Bauarbeiterschutzverordnung - BauV, zu Recht erkannt: Der Berufung wird stattgegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verfahren eingestellt. Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG. §§ 24; 44a Z1, 51c, 51e Abs.1, 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe: Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber schuldig erkannt, er habe "als handelsrechtlicher Geschäftsführer und verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher und somit als das gemäß § 9 Abs.1 VStG. zur Vertretung der E Gesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in L, nach außen berufenes Organ, am 20.3.1996 auf der Baustelle: W, Parz.Nr. 349/3, KG. L, L, 1. zwei Arbeitnehmer im Zuge der Neueindeckung des Daches mit der First eindeckung der an der Südseite des Hauses 2 auf o.a. Baustelle befindlichen Gaupe in deren Giebelbereich beschäftigt, 2. zwei Arbeitnehmer mit der Firsteindeckung im ostseitigen Giebelbereich des Hauses 1 beschäftigt, ohne daß diese Arbeitnehmer gegen Absturz gesichert gewesen wären.

Die angeführten Arbeitnehmer waren nicht mittels Sicherheitsgeschirr angeseilt.

Die Dachneigung betrug 35ï‚°, die Traufenhöhe ca. 7,5 m.

Verwaltungsübertretung(en) nach § 87 Abs.5 Bauarbeitenschutzverordnung."
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Berufungswerber gemäß § 130 Abs.1 Z19 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes eine Geldstrafe von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: fünf Tage) kostenpflichtig verhängt.

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende Berufung, über die der Oö. Verwaltungssenat erwogen hat:

Gemäß § 87 Abs.3 BauV müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20ï‚° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern. ... Geeignete Schutzeinrichtungen sind Dachschutzblenden und Dachfanggerüste (§ 88).

Gemäß § 87 Abs.5 BauV darf das Anbringen von Schutzeinrichtungen nach Abs.3 nur entfallen bei 1. geringfügigen Arbeiten, wie Reparatur- oder Anstricharbeiten, die nicht länger als einen Tag dauern, 2. Arbeiten am Dachsaum oder im Giebelbereich. In diesen Fällen müssen die Arbeitnehmer mittels Sicherheitsgeschirr angeseilt sein.

Der Straftatbestand zu dieser Schutzvorschrift ist (nicht im § 130 Abs.1 Z19, sondern) im § 130 Abs.5 ASchG geregelt, wonach eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 2.000 S bis 100.000 S, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 4.000 S bis 200.000 S zu bestrafen ist, begeht, wer als Arbeitgeber/in gemäß Z1 dieser Vorschrift "den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen (dazu gehört nach mittlerweile bekräftigter Judikatur des VwGH ua die BauV) zuwiderhandelt, oder ...".

Verfehlt ist die zunächst vorgetragene Auffassung des Berufungswerbers, er habe gegenständlich für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften schon deshalb nicht einzustehen, weil gemäß § 9 Abs.2 VStG ein verantwortlicher Beauftragter für den räumlichen Zuständigkeitsbereich "Großraum Linz" - und somit auch für die in Rede stehende Baustelle in L - ordnungsgemäß bestellt gewesen sei; auf die Rechtswirksamkeit der bezüglichen Bestellungsurkunde habe er vertrauen können, weil ihn das AI nicht auf die Unschärfe des mit "Großraum Linz" umschriebenen Verantwortungsbereichs aufmerksam gemacht habe.

Eine Aufklärungspflicht dieser Art mit der vom Berufungswerber gesehenen Konsequenz aber ist dem AI vom Arbeitsinspektionsgesetz nicht auferlegt. Im übrigen hat der Oö. Verwaltungssenat verbindlich für die hier zugrunde liegende Konstellation mit Erkenntnis vom 18. Oktober 1996, VwSen-280289/ 5/Schi/Ka, entschieden, daß der Ausdruck "Großraum Linz" für sich genommen unpräzise und daher als Beschreibung des räumlichen Haftungsbereiches des verantwortlichen Beauftragten ungeeignet ist; davon abgesehen aber kann die Gemeinde L keineswegs mehr diesem "Großraum Linz" zugerechnet werden, weshalb die vorgenommene Bestellung unwirksam war und ein Übergang der bezogenen verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit von Anfang an nicht stattgefunden hatte. Von dieser Rechtsprechung nun abzugehen, liegt kein Grund vor. In der Sache selbst wendet der Berufungswerber im wesentlichen ein, daß das angefochtene Straferkenntnis nicht den Erfordernissen des § 44a Z1 VStG entspreche, weil der Schuldspruch nicht sämtliche Tatbestandsmerkmale der ihm angelasteten Übertretung umfasse. So hätte angeführt werden müssen, daß keine Schutzeinrichtungen iSd BauV aufgestellt waren. Auch seien die Dächer der involvierten Baustelle bereits fertig gedeckt, dh die Dachdeckungsarbeiten "bereits" (gemeint: zum Zeitpunkt der Kontrolle bzw der Herstellung des im Akt [in Kopie] einliegenden Baustellen-Fotos) abgeschlossen gewesen; die Arbeiter hätten die Gurte während der Neueindeckung des Daches verwendet, nach Beendigung der Arbeiten das Sicherheitsgeschirr jedoch wieder abgelegt; daß sich drei (keine 'vier') Arbeitnehmer zum Kontrollzeitpunkt unangegurtet am Dach befunden haben, sei zwar richtig, allerdings "verwaltungsstrafrechtlich nicht relevant", weil die Arbeiten eben bereits abgeschlossen, dh die Dächer auf der Baustelle bereits fertig gedeckt gewesen seien und sich die Arbeiter nur ganz kurz (ca 5 min) auf dem Dach befunden hätten; die Pflicht zum Anseilen mittels Sicherheitsgeschirr jedoch bestehe gemäß § 87 Abs.5 BauV "nur bei diesen Arbeiten".

Soweit der Berufungswerber mit diesem Vorbringen den Einwand der Unbestimmtheit des wider ihn erhobenen Tatvorwurfes erhärten will, kann ihm darin aus der Aktenlage (§ 51e Abs.1 VStG) nicht entgegengetreten werden.

Im Verwaltungsstrafverfahren hat nach der Vorschrift des § 44a Z1 VStG der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Dies bedeutet nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter anderem, daß im Spruch des Straferkenntnisses die Tat dem Beschuldigten in so konkretisierter - entsprechende, das heißt in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende, wörtliche Anführungen erfordernde - Umschreibung vorgeworfen werden muß, daß er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und weiters der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Es hat daher der Bescheidspruch alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des Tatverhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat und die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift erforderlich sind, zu enthalten. Die BauV ordnet für Arbeiten auf zufolge Dachneigung und Absturzhöhe in besonderer Weise gefahrengeneigten Dächern bestimmte geeignete Schutzeinrichtungen (siehe oben) an. Das Anbringen dieser besonderen Einrichtungen darf ausnahmsweise - in engen Grenzen - entfallen, ua (§ 87 Abs.5 Z2 BauV) bei Arbeiten am Dachsaum oder im Giebelbereich. Nur in diesen Fällen, dh wenn und solange (nur) am Saum oder im Giebelbereich eines Daches gearbeitet wird, darf dort auf Schutzblenden und Fanggerüste (iSd § 88 leg.cit.) verzichtet werden, unter der weiteren Voraussetzung allerdings, daß die Arbeitnehmer dann bei diesen Arbeiten (nicht auch bei anderen Arbeiten; vorbehaltlich jener iSd - hier freilich unanwendbaren - § 87 Abs.5 Z1 BauV) mittels Sicherheitsgeschirr angeseilt sind. Handelt es sich, wie vorliegend, um umfängliche, das ganze Dach mit allen Gaupen, Firsten, Flächen und diversen Randbereichen erfassende Arbeiten (komplette Neueindeckung), so darf die Ausnahmeregel des § 87 Abs.5 leg.cit. nicht etwa deswegen, weil die Neueindeckung notwendigerweise auch die Dachfläche im Saum- und Giebelbereich miterfaßt, auf die ganze (übrige) Dachfläche ausgedehnt werden. Umgekehrt: Müssen bei einer solchen Neuein- deckungs-Arbeit daher die genannten geeigneten Schutzeinrichtungen zwar grundsätzlich an allen absturzgefährlichen Stellen vorhanden sein, so kann aus dem Zusammenhalt der Regelungen gerade nicht abgeleitet werden, daß die Arbeiten, wenn sie fortschreitend schließlich Dachsaum und Giebel erreichen (oder von dort ihren Ausgang nehmen), dort gleichfalls nur im Schutze der dann eben auch an jenen Stellen - wie auch immer - anzubringenden Blenden und Fanggerüste vorgenommen werden dürfen.

Diese Wechselwirkung im Verhältnis von Ausnahmeregelung zur generellen Anordnung muß sich in der Bedachtnahme auf die besonderen Bestimmtheitsanforderungen eines strafrechtlichen Tatvorwurfs niederschlagen. Für den hier gegebenen Anwendungsfall der Ausnahmeregel des § 87 Abs.5 Z2 zweite Alternative BauV folgt daraus: Der Vorwurf der bei bestimmten Arbeiten in einem bestimmten Giebelbereich - trotz dort nicht angebracht gewesener geeigneter Schutzeinrichtungen - unterlassenen Anseilung mittels Sicherheitsgeschirr muß konkret sachverhaltsbezogen und unmißverständlich auf genau diese Arbeiten im Giebelbereich abgestellt sein. Ausgehend davon aber genügt nach den Umständen dieses Falles der undifferenziert gebliebene (mit der ersten Verfolgungshandlung, d.i. die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 3.4.1996, wörtlich übereinstimmende) Vorwurf im Schuldspruch des angefochtenen Straferkenntnisses, es seien die angeführten Arbeitnehmer nicht mittels Sicherheitsgeschirr angeseilt gewesen, dem Konkretisierungsgebot nicht. Die nach dem Gesagten erforderliche, jedoch fehlende sachverhaltsbezogene Einschränkung auf 'diese Arbeiten' (im Giebelbereich) kann hier auch nicht etwa im Wege einer Präzisierung aus dem Zusammenhang mit dem sonstigen Inhalt des Schuldspruches oder aus der Begründung des (bereits außerhalb der Verjährungsfrist erlassenen) Straferkenntnisses gewonnen werden.

Im übrigen ohne Einfluß auf dieses Ergebnis ist der Hinweis des Arbeitsinspektorats in der Anzeige vom 27. März 1996 bzw in der Stellungnahme vom 11. Juli 1996, wonach auf der Baustelle für die vier Arbeitnehmer nur ein Sicherheitsgeschirr zur Verfügung gestanden bzw keine ausreichende Schutzeinrichtung vorhanden gewesen sei, geht es doch im Berufungsfall nicht um den Vorwurf, persönliche Schutzausrüstungen schon nicht zur Verfügung gestellt (vgl § 30 Abs.1 BauV), sondern um den Vorwurf, Arbeitnehmer ohne faktische Sicherung durch solche Ausrüstung (hier: Sicherheitsgeschirre) aktuell beschäftigt zu haben.

Ist aus allen diesen Gründen das angefochtene Straferkenntnis wegen mangelhafter Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat im Grunde des § 44a Z1 VStG inhaltlich rechtswidrig und ist der Schuldspruch einer Sanierung im Hinblick auf die zur Verjährungsunterbrechung nicht tauglich gewesene Verfolgungshandlung jedoch nicht mehr zugänglich, so war wie im Spruch zu entscheiden. Bei Regelverstößen wie vorliegend ist allein der Arbeitgeber Adressat des Sanktionensystems. Daher ist aus tatbildlichem Blickwinkel das ausdrückliche Festhalten im Schuldspruch, wer als Arbeitgeber gegen ihm von der Rechtsordnung auferlegte Pflichten verstoßen hat (hiezu grundsätzlich VfGH 19.6.1998, G 408/97 uwZ), zu trennen von der Frage, welche natürliche Person unter Rückgriff auf § 9 Abs.1 VStG für die Übertretung einer Arbeitgeber-Gesellschaft einzustehen hat. Im Hinblick aber auf das Verfahrensergebnis kann die im angefochtenen Straferkenntnis unterlassene Bezeichnung der Gesellschaft als hier eigentlich (iSd § 130 Abs.5 ASchG) zuwiderhandelnde Arbeitgeberin auf sich beruhen. Dieses Verfahrensergebnis bewirkt auch die Entlastung des Berufungswerbers von seiner Kostenpflicht.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Mag. Gallnbrunner Beschlagwortung:

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