Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280310/22/Kl/Rd

Linz, 25.02.1997

VwSen-280310/22/Kl/Rd Linz, am 25. Februar 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des FW, vertreten durch RAe, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 28.10.1996, Ge96-210-1994-KM/ZE, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Arbeitszeitgesetz zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Sowohl der Verfahrenskostenbeitrag vor der belangten Behörde als auch zum Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat entfällt.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und Z3 und 51 VStG iVm §§ 1 Abs.2 Z8, 26 Abs.1 und 28 Abs.1 AZG, BGBl.Nr.

461/1969 idFd Novelle BGBl.Nr. 446/1994.

zu II.: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der BH Wels-Land vom 28.10.1996, Ge96-210-1994-KM/ZE, wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 2.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 9 Stunden wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 26 Abs.1 und Abs.6 AZG verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin "HH GesmbH" der Kommanditgesellschaft "H KG", mit Sitz in S, Zweigniederlassung S, und somit als zur Vertretung nach außen Berufener (§ 9 VStG 1991 idgF) zu verantworten hat, daß - festgestellt am 30.8.1994 anläßlich einer Kontrolle des Arbeitsinspektorates für den 3. Aufsichtsbezirk, 1010 Wien, der weiteren Betriebsstätte (Filiale) der Firma H KG in W, folgende Übertretungen des AZG begangen wurden:

Für die Filialleiterin, Frau R, geb. 6.4.1956, wurden für den Zeitraum August 1994 keine Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden geführt; es konnten daher dem AI für den 3. Aufsichtsbezirk, Wien, die erforderlichen Auskünfte betreffend die genannte Arbeitnehmerin nicht erteilt und auf Verlangen daher keine Einsicht in die Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden für diese Person gegeben werden.

Gemäß § 26 Abs.1 AZG, BGBl.Nr. 461/1969 idgF, hat der Arbeitgeber zur Überwachung der Einhaltung der im AZG geregelten Angelegenheiten in der Betriebsstätte Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden zu führen. Bereits mit Schreiben des AI für den 3.

Aufsichtsbezirk Wien vom 14.7.1993, GZ: 0680/403-3/93, wurde der Arbeitgeber aufgefordert, auch für die Filialleiterin (in diesem Fall Frau R, geb. 6.4.1956, wh. Wien, W) Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden zu führen.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht, in welcher das Straferkenntnis zur Gänze angefochten wurde. Im wesentlichen wurde vorgebracht, daß die H KG ursprünglich die jeweilige Filialleiterin und die jeweilige Stellvertreterin als verantwortliche Beauftragte bestellt habe und auch bekanntgegeben habe. Es sei daher der Bw von seiner Verantwortlichkeit befreit. Aufgrund der Tatsache, daß diesen Personen die rechtliche Möglichkeit eingeräumt ist, Personal einzustellen und Personal zu entlassen, Überstunden anzuordnen bzw. Dienstzeiteinteilungen vorzunehmen und überhaupt all jene Weisungen dem Personal der Filiale zu geben, die ansonsten dem Arbeitgeber vorbehalten sind, handle es sich um leitende Angestellte iSd AZG. Selbst wenn die Behörde zu Unrecht eine andere Meinung hinsichtlich der Verantwortlichkeit vertrete, so werde der jeweils zuständige Verkaufsleiter zur Kontrolle und ein Prokurist für jede Zweigniederlassung über dem jeweiligen Verkaufsleiter zur Kontrolle des Verkaufsleiters eingesetzt.

Nachdem die Behörde die gültige Bestellung als verantwortliche Beauftragte angezweifelt hat, wurde für alle Fälle der Verkaufsleiter H als verantwortlicher Beauftragter bestellt. Schließlich werde auch noch die Bestellung von Bevollmächtigten eingewendet, wie zB Herr H, dem ein Subbevollmächtigter, nämlich ein Bezirksleiter, unterstellt war. Auch Prokurist W wurde als Bevollmächtigter bestellt, welcher stichprobenartige Kontrollen des H durchführte.

Es werde daher nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung die Aufhebung des Straferkenntnisses beantragt.

3. Die BH Wels-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt und keine Stellungnahme abgegeben.

Der O.ö. Verwaltungssenat hat das AI für den 3.

Aufsichtsbezirk am Verfahren beteiligt, welches in einer Stellungnahme unter Hinweis auf die VwGH-Judikatur mitteilte, daß Filialleiter nicht als leitende Angestellte zu bewerten sind, und deshalb die Bestellung zu verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen nicht rechtswirksam wurde. Dazu hat der Bw ausgeführt, daß die Stellung der einzelnen Filialleiter und -stellvertreter in den einzelnen Handelsketten äußerst unterschiedlich sei und daher in jedem Einzelfall zu prüfen sei. Es werde daher der Lokalaugenschein in den betreffenden Filialen beantragt. Im weiteren Verfahren wurde auf eine mündliche Verhandlung ausdrücklich verzichtet und es wurde die Stellung der Arbeitnehmerin als leitende Angestellte geltend gemacht.

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch die Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt sowie die in Wahrung des Parteiengehörs eingeholten Stellungnahmen und Eingaben. Weil der Sachverhalt unbestritten blieb und aus der Aktenlage klar hervorgeht und im übrigen nur die rechtliche Beurteilung angefochten wurde sowie eine 3.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, konnte von einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Der Berufungswerber hat überdies auf eine solche verzichtet.

Es steht daher fest und konnte daher der Entscheidung zugrundegelegt werden, daß im Zeitraum August 1994 in der Filiale W, Zweigniederlassung S, der H KG, Sitz in S, Frau R als Filialleiterin tätig war, wobei keine Arbeitsaufzeichnungen für sie in diesem Zeitraum geführt wurden.

5. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Zur Verantwortlichkeit:

Gemäß § 9 Abs.1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs.2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden (Abs.2).

Verantwortlicher Beauftragter kann nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist (Abs.4).

Für die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften und für die Einhaltung des ArbIG ist zusätzlich zur Rechtswirksamkeit erforderlich, daß beim zuständigen AI eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des Bestellten eingelangt ist. Überdies können Arbeitnehmer/innen für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften und für die Einhaltung des ArbIG zu verantwortlichen Beauftragten rechtswirksam nur bestellt werden, wenn sie leitende Angestellte sind, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind (§ 23 Abs.1 und 2 ArbIG 1993).

5.1.1. Der belangten Behörde lag ein Schreiben der H KG, Zweigniederlassung S, an das AI für den 6. Aufsichtsbezirk, betreffend die Bestellung der Frau R zur verantwortlichen Beauftragten für den sachlichen Zuständigkeitsbereich "Einhaltung des ArbIG" und "Einhaltung aller Arbeitnehmerschutzvorschriften" und den räumlichen Zuständigkeitsbereich "Filiale W,", samt einer mit 15.9.1993 datierten Zustimmungserklärung vor. Auch ist eine "Dienstanweisung für die Leitung einer Filiale", unterzeichnet von der Arbeitnehmerin R und dem Dienstgeber vom 30.4.1993, aktenkundig, worin die Genannte für die Filiale Nr. in S, für die Dauer der Ausübung ihrer Funktion als Filialleiterin als verantwortliche Beauftragte bestellt und für die Einhaltung aller Arbeitnehmerschutzvorschriften verantwortlich ist. Darin sind die wichtigen Befugnisse und Aufgaben aufgelistet, wie reibungsloser Geschäftsablauf und erfolgreiche Verkaufstätigkeit, Beachtung der gesetzlichen und behördlichen Bestimmungen hinsichtlich Personal, Waren, technischer und baulicher Einrichtungen, volle Verantwortung für den übernommenen Warenbestand, das Bargeld und das Inventar, Kontrolle der Abrechnungen und Inventur, Kontrolle der Lieferungen und Reklamationen, ausreichende Warendisposition, Einstellung, Kündigung und Entlassung von Arbeitnehmern, Einteilung und Überwachung der Mitarbeiter, Einteilung und Entscheidung über ihre Freizeit, Mehrarbeit und Urlaube, Festlegung der Verkaufspreise für Artikel in beschädigter Verpackung, Entscheidung über Reparaturen bis 5.000 S, bei Gefahr in Verzug 25.000 S, Öffnung und Schließung der Filiale, Führung von Wochenberichten usw.

Ferner wurde eine Mitteilung (vom 29.3.1993) über die Bestellung des Prokuristen H als Verkaufsleiter zum verwaltungsstrafrechtlich Veranwortlichen für den räumlichen Bereich Zentrale-Verkauf, S, vorgelegt.

5.1.2. Allein diese Bestellung der genannten Arbeitnehmerin als verantwortliche Beauftragte ist nicht rechtswirksam geworden, was der VwGH in ständiger Judikatur iSd nachstehenden Ausführungen ausführlich behandelt hat.

In seinem grundlegenden Erkenntnis vom 7.4.1995, 94/02/0470, führt er nämlich - entgegen der Rechtsansicht des Bw und auch von der belangten Behörde nicht zur Gänze beachtet zum Begriff des leitenden Angestellten aus, daß dieser Begriff im AZG und ARG nicht mit dem Begriff im ArbIG gleichzusetzen sei, weil in den arbeitszeitrechtlichen Vorschriften es darum geht, "daß Arbeitnehmer mit einer besonderen Stellung im Betrieb, die regelmäßig durch die besonders hohe Verantwortung und Entlohnung gekennzeichnet ist, und die damit insofern dem funktionalen Bild eines Arbeitgebers eher entspricht als dem eines typischen Arbeitnehmers, keinen Schutz vor zu hoher zeitlicher Inanspruchnahme ihrer Arbeitskraft zu genießen brauchen, weil es die Arbeitnehmer sind, die ein potentielles Schutzbedürfnis gegenüber ihren Anordnungen und Dispositionen haben, und sie selbst in der Disposition über ihre eigene Arbeitskraft in zeitlicher Hinsicht weitgehend autonom sind. Im ArbIG geht es hingegen offenbar darum, daß Arbeitnehmer, die zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden und damit dem Arbeitgeber die diesbezügliche Verantwortlichkeit abnehmen, iSd grundsätzlichen Regelung des § 9 Abs.4 VStG auch eine entsprechende Anordnungsbefugnis haben sollen, die es ihnen ermöglicht, Verstöße zu verhindern, für die sie verantwortlich gemacht werden können. Dies wird im Hinblick auf die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten für einen bestimmten räumlich oder sachlich abgegrenzten Bereich des Unternehmens ein Arbeitnehmer sein, der für diesen Bereich eine spezifische Leitungsfunktion ausübt. Dazu ist es aber nicht erforderlich, daß ihm ein Einfluß auf die Unternehmensführung zukommt. Den Gesetzesmaterialien (EB zur RV 813, BlGNr. 18.GP) ist bei aller aufgezeigten Unklarheit doch zu entnehmen, daß es dem Gesetzgeber im vorliegenden Zusammenhang in erster Linie auf den Umfang der innerbetrieblichen Befugnisse ankommt. Keinesfalls kann dem § 23 Abs.2 ArbIG ein Inhalt unterstellt werden, der im Ergebnis dazu führt, daß Arbeitnehmer praktisch niemals zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden können, weil unter dem Begriff des leitenden Angestellten nur das Management des Unternehmens (wenn auch nur dessen "zweiter Ebene") zu verstehen ist." ISd vom VwGH vorgegebenen Interpretation des "leitenden Angestellten" im § 23 Abs.2 ArbIG wäre daher für die gegenständlich genannte Arbeitnehmerin deren Bestellung zur verantwortlichen Beauftragten nach § 9 Abs.2 und 4 VStG grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Demgegenüber hat aber der VwGH - wie auch schon mehrmals in vorausgegangenen Erkenntnissen - im obzitierten Erkenntnis weiter ausgeführt, "daß die Bestellung und Namhaftmachung von verantwortlichen Beauftragten für räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche eines Unternehmens dann nicht rechtswirksam sind, wenn dieser Bereich nicht klar abgegrenzt ist, sodaß die Verwaltungsstrafbehörde die Bestellung aufgrund der Ergebnisse von hiezu erforderlichen Ermittlungen einer Interpretation zu unterziehen hat. Die Bestellungen (Namhaftmachungen) dürfen keine Zweifel über den Umfang der Übertragung der Verantwortlichkeit offenlassen. Eine solche eindeutige und zu keinen Zweifeln Anlaß gebende Umschreibung des Verantwortungsbereiches liegt darüber hinaus nur dann vor, wenn für die, in räumlicher, sachlicher und allenfalls auch zeitlicher Hinsicht abgegrenzte, verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit immer nur eine von vornherein feststehende Person in Betracht kommt". Es kann daher für ein und denselben Verantwortungsbereich nur ein verantwortlicher Beauftragter bestellt werden. "Die rechtspolitisch fragwürdige Situation, daß ungeachtet ihrer tatsächlichen internen Aufgabenverteilung alle eine bestimmte Organstellung bekleidenden Personen - auch kumulativ - für Verstöße gegen Verwaltungsvorschriften zur Verantwortung gezogen werden dürfen, soll im Falle gewillkürten Abgehens zu der Lösung führen, daß die Verantwortlichkeit möglichst klar definiert ist. Dies ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn aufgrund überlappender Verantwortungsbereiche wiederum mehrere Personen nebeneinander und wiederum auch kumulativ für einen bestimmten Verstoß gegen eine Verwaltungsvorschrift bestraft werden können. Besonders plastisch wird es in einem Fall wie dem vorliegenden, indem verschiedene Arbeitnehmer für denselben Verantwortungsbereich (hier: Einhaltung der 'Dienstnehmerschutzbestimmungen' in der in Rede stehenden Filiale), die noch dazu zueinander im Verhältnis der Überund Unterordnung stehen, von denen also der eine gegenüber dem anderen die Funktion eines Vorgesetzten mit Anordnungsbefugnissen ausübt, zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden sollen. Die unterschiedslose Übertragung der Verantwortlichkeit für die Einhaltung sämtlicher Dienstnehmerschutzbestimmungen auf verschiedene Arbeitnehmer für denselben Verantwortungsbereich ist daher nicht rechtswirksam." Im Lichte dieser Judikatur ist daher die gleichzeitige Bestellung einer Filialleiterin und einer -stellvertreterin für ein und dieselbe Filiale und ein und dieselben sachlichen Aufgabengebiete unzulässig. Dies aber umso mehr, als in räumlicher Hinsicht - wie im Berufungsverfahren durch Urkunde nachgewiesen - ein (übergeordneter) Verkaufsleiter (Herr H) zum weiteren verantwortlichen Beauftragten bestellt ist. Neben dieser Rechtsunwirksamkeit ist aber auch noch zu bedenken, daß die der Mitteilung an das AI beigefügte Dienstanweisung (diese gilt wohl als Bestellungsurkunde) nicht vom nach außen vertretungsbefugten Organ gemäß § 9 Abs.1 VStG (nämlich vom Bw) unterzeichnet ist, sondern von einem anderen "Leitungsorgan" bzw. Prokuristen. Von diesem kann aber der Übergang der verwaltungsstrafgesetzlichen Verantwortlichkeit nicht ausgehen.

Es ist daher eine rechtswirksame Bestellung zur verantwortlichen Beauftragten nach § 9 VStG nicht erfolgt, weshalb die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit nicht auf eine andere Person übergegangen ist und daher allein bei dem nach außen vertretungsbefugten Organ, nämlich beim Bw geblieben ist.

5.2. Zur Tatfrage:

5.2.1. Gemäß § 1 Abs.1 des Arbeitszeitgesetzes - AZG, BGBl.Nr. 461/1969 idFd Novelle BGBl.Nr. 446/1994, gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes für die Beschäftigung von Arbeitnehmern (Lehrlingen), die das 18. Lebensjahr vollendet haben, und sind Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die die Aufzeichnungspflichten gemäß § 26 Abs.1, 2, 4 oder 5 oder die Auskunfts- und Einsichtspflichten gemäß § 26 Abs.6 verletzen, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 300 S bis 6.000 S zu bestrafen (§ 28 Abs.1 leg.cit.).

Ausgenommen vom Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes sind leitende Angestellte, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind (§ 1 Abs.2 Z8 AZG).

5.2.2. Der Bw stützte sich im gesamten Verwaltungsstrafverfahren einschließlich der Berufung darauf, daß die im Straferkenntnis angeführte Arbeitnehmerin leitende Angestellte sei. Dazu legte er auch schon im Verfahren erster Instanz ein Bestellungsschreiben zur Filialleiterin sowie die von dieser Arbeitnehmerin unterzeichnete Dienstanweisung mit den Rechten und Pflichten als Filialleiterin vor und verwies auf die in diesen Schreiben angeführten Aufgaben und Befugnisse der Arbeitnehmerin (siehe bereits in Punkt 5.1.1.). Weiters stützte sich der Bw hauptsächlich auf die "Personalhoheit" der Arbeitnehmerin, nämlich Einstellung, Entlassung und Kündigung von Personal.

5.2.3. Der VwGH hat zum Begriff des leitenden Angestellten iSd § 1 Abs.2 Z8 AZG in ständiger Judikatur ausgesprochen, daß dieser Tatbestand dann erfüllt ist, wenn ein Arbeitnehmer wesentliche Teilbereiche eines Betriebes in der Weise eigenverantwortlich leitet, daß hiedurch auf Bestand und Entwicklung des gesamten Unternehmens Einfluß genommen wird, sodaß er sich aufgrund seiner einflußreichen Position aus der gesamten Angestelltenschaft heraushebt (VwGH 23.5.1989, 88/08/0140). Dabei kommt es in stärkerem Maße auf den faktischen Einfluß und die Funktion des zu beurteilenden Arbeitnehmers an. Wesentlich dabei ist, daß er allen ihm in diesem Teilbereich unterstellten Arbeitnehmern Weisungen betreffend Inhalt und Organisation ihrer Tätigkeit sowohl genereller als auch individueller Art zu geben befugt ist, sodaß er für diesen wesentlichen Teilbereich gleichsam den Unternehmensführer darstellt. Es handelt sich dabei um Angestellte, von denen man annehmen muß, daß sie denken und handeln wie ein Unternehmer und auf Grund der ihnen übertragenen dienstgeberischen Ausübung des Direktionsrechts selbst Arbeitszeiteinteilungen in wesentlichen Betriebsbereichen treffen, weshalb es nicht sinnvoll ist, sie unter den Schutz des AZG zu stellen. Wesentliches Merkmal ist auch das Vorhandensein von unterstellten Arbeitnehmern (VwGH 25.11.991, 91/12/0286). Hingegen kann in der bloßen Aufsicht über mehrere Mitarbeiter keine maßgebliche Führungsaufgabe iSd obzitierten Gesetzesstelle erblickt werden, da es sich hiebei um keine für das Unternehmen einflußreiche Position handelt. Dabei ist ein starkes Indiz für die Dienstgeberteilfunktion die eingeräumte "Personalhoheit", nämlich Eingehung und Auflösung von Arbeitsverhältnissen, Entscheidung in Gehaltsfragen, bei Vorrückungen, bei der Urlaubseinteilung, bei der Anordnung von Überstunden, bei der Ausübung des Direktionsrechtes und bei der Aufrechterhaltung der Disziplin im Betrieb. Die Eigenverantwortlichkeit ist daher an einem relativen Maßstab zu messen, dem leitenden Angestellten muß ein erheblich größerer Entscheidungsspielraum als anderen Arbeitnehmern eingeräumt sein. Es können daher auch Personen, die wesentliche, aber nicht kaufmännische Teile eines Unternehmens führen, leitende Angestellte sein. Bei der Auslegung dieser Ausnahmeregelung darf keinesfalls das dem Gesetz zugrundeliegende Schutzprinzip vernachlässigt werden. Kein leitender Angestellter, sondern voll unter dem Schutz dieses Gesetzes stehend, seien daher zB ein Abteilungsleiter, der einem Hauptabteilungsleiter unterstellt sei, ein Werkmeister oder ein Mitprokurist, der weder auf betriebstechnischem, kaufmännischem oder administrativem Gebiet maßgebliche Führungsaufgaben übertragen erhalten hat (vgl. OGH 17.6.1992, 9 Ob A 110/92). Hingegen ist ein Leiter einer Bankfiliale, der für Einhaltung der Arbeitszeit, der Öffnungszeiten, organisatorischen Arbeitsablauf, Urlaubseinteilung, administrativen Ablauf, Buchhaltung, Internkontrolle, Kreditanträge und Kundengespräche verantwortlich ist, als leitender Angestellter zu sehen, auch wenn er allenfalls auf die "Geschäftspolitik" des gesamten Unternehmens, sohin auf die grundsätzlichen unternehmerischen Zielvorgaben, keinen maßgeblichen Einfluß zu haben scheint (VwGH 22.10.1990, 90/19/0318). Wenn auch Eigenverantwortlichkeit hier nicht völlige Weisungsfreiheit bedeutet, so muß doch einem leitenden Angestellten ein erheblich größerer Entscheidungsspielraum als anderen Arbeitnehmern eingeräumt sein (VwGH vom 23.5.1989, 88/08/0140 mNd OGH-Judikatur, so auch, daß Personen, die wesentliche, aber nicht kaufmännische Teile eines Unternehmens führen, leitende Angestellte sind, wonach der dem Staatsoperndirektor unterstellte techn. Direktor und Ausstattungschef der Staatsoper als leitender Angestellter zu qualifizieren ist).

Zweifellos ist die Leitungsebene (Delegationsstufe), welcher ein Angestellter innerhalb eines Unternehmens zugeordnet wird, ein wichtiges Indiz für die Abgrenzung. Je nach der Delegationsbereitschaft des Unternehmens können noch auf der 3. oder 4. Leitungsebene Entscheidungen zu treffen sein, die in manchen Konzernunternehmen nicht einmal Vorstandsmitgliedern vorbehalten sind. Es kommt auf die konkrete Struktur des Unternehmens an (VwGH 24.3.1988, 87/09/0298).

Weiters wurde in der Rechtsprechung auch ausgeführt, daß Führungsaufgaben nicht nur dann vorliegen, wenn einem Angestellten Vorgesetztenfunktion zukommt, sondern auch, wenn ihm Entscheidungen auf kaufmännischem oder technischem Gebiet obliegen (vgl. OGH vom 16.12.1992, 9 Ob A 268/92).

5.2.4. Im Lichte dieser Judikatur ist daher das Vorbringen des Bw geeignet, darzulegen, daß durch die Verantwortung der Filialleiterin R für eine ausreichende Warendisposition, wenngleich Bestellungen auch zum Teil bei der Zentrale vorzunehmen sind, die von ihr zu führende Verkaufstätigkeit, die Buchhaltungs- und Inventurpflicht, sowie insbesondere ihre umfassende "Personalhoheit", wonach sie Einstellung und Kündigungen und Entlassungen von Arbeitnehmern, die Einteilung der Freizeit und der Arbeitszeit der Arbeitnehmer, die Einteilung des Urlaubes der Mitarbeiter sowie erforderliche Mehrarbeit anzuordnen hat, aber auch die von ihr entgegenzunehmenden Reklamationen und Kundengespräche sowie die von ihr festzulegenden Verkaufspreise für Artikel in beschädigten Verpackungen sowie die von ihr zu treffenden Dispositionen im Falle von anstehenden Reparaturen und vieles andere mehr aufgrund der von ihr unterzeichneten Dienstanweisung, dieser sehr wohl eine selbständige und herausgehobene Entscheidungsbefugnis zukommt. Durch die Gesamtführung in organisatorischer wie auch in administrativer Hinsicht ist doch ein wesentlicher Einfluß auf das Verkaufs- und Umsatzergebnis realisierbar und somit auch ein Einfluß auf das Gesamtunternehmen.

Wenngleich sie auch nur Leiterin von einer der ca. 190 Filialen der H KG ist, so wird ihr doch durch ihre wesentliche Entscheidungsfreiheit, insbesondere im Bereich der Personalführung die Stellung des Dienstgebers bzw Unternehmers eingeräumt, wodurch sie sozusagen Dienstgeberteilfunktionen ausübt und daher gegenüber ihren Mitarbeitern doch in einer wesentlich herausgestellten und tragenden Funktion tätig ist. In diesem Ausmaß hat sie auch einen erheblich größeren Entscheidungsspielraum als die anderen Arbeitnehmer dieser Filiale. Ist sie auch in der "Unternehmenshierarchie" allenfalls erst auf 3. Ebene angeordnet, so schadet dies ihrer Funktion dennoch nicht, als sie für den Teilbereich ihrer Filiale doch umfassende Verantwortung insbesondere hinsichtlich der Organisation und der Personalabwicklung hat.

Aus all den angeführten Gründen war daher die Filialleiterin R als leitende Angestellte im Sinne des § 1 Abs.2 Z8 AZG anzusehen, weshalb die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes für diese Person nicht anzuwenden waren und daher für sie keine Aufzeichnungen zu führen waren. Es hat daher der Bw als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher die hinsichtlich dieser Arbeitnehmerin vorgeworfene Tat nicht begangen. Es war daher der Berufung in diesem Punkt Folge zu geben und das Strafverfahren einzustellen.

5.3. Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Dabei ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß 1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und 2) die Identität der Tat unverwechselbar feststeht.

Diesen Anforderungen wird der gegenständliche Tatvorwurf insofern nicht gerecht, als die Umschreibung der Tathandlung einen eindeutigen Tatvorwurf vermissen läßt. Es kann nämlich dem Spruch des Straferkenntnisses wie auch den vorausgegangenen Verfolgungshandlungen nicht entnommen werden, ob dem Bw das "Nichtführen von Aufzeichnungen" iSd § 26 Abs.1 AZG oder das "Nichterteilen von Auskünften" oder das "Nichtgeben der Einsicht in die Aufzeichnungen" iSd § 26 Abs.6 AZG vorgeworfen wird. Auch wurde dann bei der verletzten Rechtsvorschrift sowohl § 26 Abs.1 als auch § 26 Abs.6 AZG zitiert.

Jedes der genannten Verhalten bildet aber einen gesonderten Straftatbestand nach § 28 Abs.1 Z5 AZG, weshalb iSd ständigen Judikatur des VwGH der Vorwurf von Alternativtatbeständen rechtswidrig ist.

Es wäre daher schon bei diesem Ergebnis das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen gewesen.

6. Bei diesem Verfahrensergebnis war kein Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. K l e m p t

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