Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280316/4/Kl/Rd

Linz, 23.12.1997

VwSen-280316/4/Kl/Rd Linz, am 23. Dezember 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des Arbeitsinspektorates für den 18. Aufsichtsbezirk, Ferdinand-Öttl-Straße 12, 4840 Vöcklabruck, gegen das verhängte Strafausmaß im Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 27.11.1996, Ge96-197-1996, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der BauV bzw. dem ASchG zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und der Straf- und Kostenausspruch vollinhaltlich mit der Maßgabe bestätigt, daß die Strafnorm iSd § 44a Z3 VStG zu lauten hat: "§ 130 Abs.5 Einleitungssatz ASchG".

II. Ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat ist nicht festzusetzen.

Rechtsgrundlagen: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 24 und 51 VStG. zu II.: § 64 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 27.11.1996, Ge96-197-1996, wurden gegen den Bw eine Geldstrafe von 10.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 87 Abs.3 iVm § 88 BauV iVm § 61 Abs.3 und § 130 Abs.1 Z6 ASchG verhängt, weil er als Arbeitgeber des Herrn H sowie des Herrn D am 1.10.1996 auf der Baustelle Wohnanlage V, nicht für die Einhaltung der durchzuführenden Schutzmaßnahmen gesorgt hat, zumal diese Arbeitnehmer bei einer am 1.10.1996 um 10.50 Uhr durchgeführten Überprüfung durch das Arbeitsinspektorat Vöcklabruck bei Dacharbeiten (Montage von Wandanschlußflächen) angetroffen wurden, wobei diese Arbeitnehmer nicht angeseilt waren und keine Sicherheitsgeschirre trugen und am gesamten Objekt weder Dachfanggerüste noch Dachschutzblenden angebracht waren, obwohl die Traufenhöhe 9,90m bzw. die Dachneigung 40ï‚° betrug.

Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag von 1.000 S festgelegt.

2. Dagegen hat das Arbeitsinspektorat für den 18. Aufsichtsbezirk fristgerecht Berufung eingebracht, mit welcher die Herabsetzung der beantragten Strafhöhe von 20.000 S auf lediglich 10.000 S nicht zugestimmt wurde. Begründend wurde ausgeführt, daß für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, heranzuziehen sei, wobei ein völlig ungesichertes Arbeiten auf Dächern mit Absturzhöhen von 9,90 m und einer Dachneigung von 40ï‚° direkt an der Absturzkante eine massive Gefährdung des Lebens der Arbeitnehmer darstellt. Zahlreiche schwere Unfälle mit tödlichem Ausgang unterstreichen die Notwendigkeit einer entsprechenden Bestrafung und der damit verbundenen Abschreckung vor derartigen Straftaten. Die erstmalige Begehung einer Tat schließe die Verhängung hoher Strafen nicht aus. Es werde daher beantragt, die in der Strafanzeige vom 4.10.1996 beantragte Strafe zu verhängen. 3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt und von einer Berufungsvorentscheidung abgesehen. Da sich die Berufung nur gegen das Strafausmaß richtet und in der Berufung eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht ausdrücklich verlangt wurde, war eine solche öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen (§ 51e Abs.2 VStG). Dem Bw wurde Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt, von welcher er nicht Gebrauch machte.

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 118 Abs.3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), BGBl.Nr. 450/1994, gilt die Bauarbeiterschutzverordnung, BGBl.Nr. 340/1994, (BauV), nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz. Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 2.000 S bis 100.000 S, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 4.000 S bis 200.000 S zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

Aufgrund des unangefochten gebliebenen und daher rechtskräftigen Schuldspruches hat der Bw eine Verwaltungsübertretung gemäß §§ 87 Abs.3 und 88 BauV iVm § 61 Abs.3 und § 130 Abs.1 Z6 ASchG (richtig wohl § 118 Abs.3 und § 130 Abs.5 Z1 ASchG) begangen.

4.2. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1). Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die belangte Behörde führt im angefochtenen Straferkenntnis zur Strafbemessung begründend aus, daß Zweck von Arbeitnehmerschutzbestimmungen ist, die für die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer bestehenden Gefahren zu minimieren bzw. auszuschließen. Durch das Nichtverwenden von Sicherheitsgeschirren bzw. durch das Nichtanbringen von Dachfanggerüsten und Dachschutzblenden waren die Arbeitnehmer H und D auf der gegenständlichen Baustelle gerade jenen Gefahren in einem hohen Maß ausgesetzt, denen die Arbeitnehmerschutzbestimmungen entgegentreten wollen. Außerdem kommt es gerade wegen des Nichtanbringens von geeigneten Schutzeinrichtungen immer wieder zu schwersten Unfällen mit teilweise tödlichem Ausgang. Als mildernd hat die belangte Behörde gewertet, daß der Bw bis dato unbescholten ist, die Verwaltungsübertretung nicht bestritten hat und unverzüglich nach der Überprüfung durch das Arbeitsinspektorat die notwendigen Sicherheitseinrichtungen angekauft hat. Straferschwerende Umstände lagen nicht vor. Zu den Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen hat die belangte Behörde auf die persönlichen Angaben des Bw (monatliches Nettoeinkommen von 20.000 S, Vermögen: ein Wohnhaus, keine Sorgepflichten) Bedacht genommen. Im Hinblick auf den gesetzlichen Strafrahmen hat sie die festgelegte Geldstrafe von 10.000 S als dem Unrechtsgehalt der Übertretung angepaßt und schuldangemessen und auch aus spezialpräventiven Gründen geeignet angesehen. 4.3. Laut ständiger Judikatur des VwGH ist die Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens eine Ermessensentscheidung. Gemäß Art.130 Abs.2 B-VG liegt im Bereich des verwaltungsbehördlichen Ermessens Rechtswidrigkeit dann nicht vor, wenn die Behörde von diesem im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Demgemäß obliegt es der Behörde, in Befolgung der Anordnung des § 60 AVG (dieser ist gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden) in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist.

Wie die belangte Behörde bereits rechtsrichtig ausgeführt hat, ist beim Unrechtsgehalt der Tat zu berücksichtigen, daß gerade durch die Vorschriften der BauV eine Gesundheitsbeeinträchtigung bzw. -gefährdung der Arbeitnehmer hintangehalten werden soll. Diesem Normzweck wird durch die Verletzung der entsprechenden Bestimmungen zuwidergehandelt und es wurden daher genau jene Rechtsgüter und jene Interessen, nämlich Gesundheit und Leben der Arbeitnehmer, gefährdet, deren Schutz die betreffende Norm dient. Gerade wegen der nicht unerheblichen Gefährdung und des damit beträchtlichen Unrechtsgehaltes der Tat ist ein höherer Strafrahmen vorgesehen und wurde auch die konkret verhängte Geldstrafe nicht bei der Mindeststrafe angesiedelt. Sie entspricht einem Zehntel des gesetzlichen Strafrahmens und damit im Ausmaß auch der Judikatur des O.ö. Verwaltungssenates. Es war aber zu berücksichtigen, daß ein konkreter Schaden bzw. nachteilige Folgen nicht eingetreten sind (§ 19 Abs.1 VStG). Hinsichtlich der subjektiven Strafbemessungsgründe gemäß § 19 Abs.2 VStG war auf die zu beachtenden Erschwerungs- und Milderungsgründe Bedacht zu nehmen. Insbesondere, daß dem Bw die Rechtswohltat der Unbescholtenheit zugutekommt, was einen erheblichen Milderungsgrund darstellt. Hingegen sind besondere Erschwerungsgründe nicht gegeben. Entgegen den Ausführungen des berufenden Arbeitsinspektorates ist der Verstoß gegen den Schutzzweck der Norm bzw. die Gefährdung der Arbeitnehmer bereits im Unrechtsgehalt der Tat enthalten, welcher auch in der gesetzlichen Strafdrohung seinen Niederschlag findet, während aber dieser Umstand keinen zusätzlichen Erschwerungsgrund nach § 19 Abs.2 VStG darstellt. Hingegen hat die belangte Behörde frei von Rechtsirrtum die Einsichtigkeit des Bw, nämlich daß er unverzüglich die notwendigen Sicherheitseinrichtungen angekauft hat, bei der Strafbemessung berücksichtigt. Auch konnte das Arbeitsinspektorat keine weiteren Erschwerungsgründe nach dem VStG bzw. nach dem sinngemäß anzuwendenden StGB anführen. Es kamen auch im Zuge des durchgeführten Verfahrens keine Erschwerungsgründe hervor. Zum Verschulden hat die belangte Behörde bereits Fahrlässigkeit in der Begründung des Straferkenntnisses angenommen, indem sie die Sorgfaltsverletzung darin erblickte, daß der Bw zwar die Arbeitnehmer darauf gedrängt habe, die Sicherheitsgeschirre zu tragen, jedoch die tatsächliche Verwendung nur stichprobenartig überprüft habe. Diese Sorgfaltsverletzung war auch in der Strafbemessung als fahrlässiges Verschulden zu berücksichtigen. Ein Vorsatz konnte hingegen von der belangten Behörde nicht nachgewiesen werden bzw. widersprechen die Ausführungen des Bw einer solchen Annahme.

Bereits die belangte Behörde hat auch frei von Rechtsirrtum auf die persönlichen Verhältnisse des Bw Bedacht genommen und die verhängte Geldstrafe aus spezialpräventiven Gründen als erforderlich aber auch geeignet begründet. Diesen Ausführungen ist nichts hinzuzufügen. Auch zum generalpräventiven Aspekt einer Strafe ist anzumerken, daß das gegenständlich verhängte Strafausmaß durchaus auch geeignet ist, andere Personen als Arbeitgeber in der Situation des Bw von einer Tatbegehung abzuhalten.

Unter Bedachtnahme auf alle Strafbemessungsgründe war daher die verhängte Geldstrafe tat- und schuldangemessen, den persönlichen Verhältnissen angepaßt und auch geeignet, vor einer weiteren Tatbegehung abzuhalten. Das vom berufenden Arbeitsinspektorat beantragte Strafausmaß erscheint hingegen im Hinblick auf die erstmalige Tatbegehung des Bw als überhöht. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß anläßlich des Strafantrages des Arbeitsinspektorates die subjektiven Strafbemessungsgründe gemäß § 19 Abs.2 VStG noch nicht bekannt sind, insbesondere aber auch die persönlichen Verhältnisse des Bw noch nicht bekannt sind und daher auf diese besonderen Umstände des Einzelfalls noch gar nicht Rücksicht genommen werden konnte und auch nicht genommen wurde.

4.4. Weil aber die Bestimmungen der BauV, BGBl.Nr. 340/1994, welche noch im Grunde des alten ASchG, BGBl.Nr. 234/1972 idgF, erlassen wurde, im Grunde der Bestimmung des § 118 Abs.3 ASchG (neu) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz weiter zu gelten hat, war die Strafbemessung des § 130 Abs.5 Z1 ASchG als Strafnorm iSd § 44a Z3 VStG heranzuziehen. Es war daher der Strafausspruch in diesem Sinn zu berichtigen.

5. Gemäß § 64 VStG ist in jedem Straferkenntnis und in jeder Entscheidung eines unabhängigen Verwaltungssenates, mit der ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, daß der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat. Weil aber diese Kostenbestimmungen auf ein Mehrparteienverfahren, nämlich auf eine Berufung von einer anderen Partei als der des Beschuldigten, nicht Rücksicht nehmen und davon ausgehen, daß der Beschuldigte (Bestrafte) Berufung erhebt, war im gegenständlichen Fall ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat nicht einzuheben. Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. Klempt