Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280328/18/SCHI/Km

Linz, 11.11.1997

VwSen-280328/18/SCHI/Km Linz, am 11. November 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schieferer über die Berufung des Herrn E R, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 10. Dezember 1996, Ge96-222-1996, wegen einer Übertretung nach dem ASchG, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 20.10.1997, zu Recht erkannt:

I.a) Hinsichtlich der Schuld wird die Berufung mit der Maßgabe abgewiesen, als die verletzte Verwaltungsvorschrift zu lauten hat: "§ 130 Abs.1 Z20 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, BGBl.Nr. 450/1994 iVm den gemäß § 113 Abs.2 ASchG als Bundesgesetz geltenden § 2 Abs.1 und § 3 der Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung über den Nachweis der Fachkenntnisse für bestimmte Arbeiten, BGBl.Nr. 441/1975." I.b) Hinsichtlich der Strafe wird der Berufung insofern stattgegeben und die verhängte Geldstrafe auf 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag) herabgesetzt.

II. Der Beitrag des Berufungswerbers zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz ermäßigt sich daher auf 500 S; zum Berufungsverfahren hat der Berufungswerber keinen Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlage: Zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl.Nr. 471/1995, iVm §§ 24, 9, 16, 19, 51 Abs.1, 51c, 51d, 51e Abs.1, 51g und 51i Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr.52/1991 idF BGBl.Nr.620/1995; zu II: § 64 Abs. 1 und 2 sowie § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis vom 10.12.1996, Ge96-222-1996, wurde der Berufungswerber (Bw) schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der R Bauunternehmen GesmbH und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ gemäß § 9 Abs.1 VStG verwaltungsstrafrechtlich zu vertreten, daß die R Bauunternehmung GesmbH, am 29.10.1996 um 13.40 Uhr den Arbeitnehmer J H auf der Baustelle Zubau Wohnhaus L, mit dem Führen des Liebherr-Kranes, Type 22 K 32, Nr. 5509, beschäftigt habe, obwohl dieser keinen Nachweis über die Fachkenntnisse zum Führen von Kränen vorweisen konnte. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Bw eine Geldstrafe in Höhe von 8.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 8 Tage) verhängt; gleichzeitig wurde der Bw gemäß § 64 VStG verpflichtet, einen Strafkostenbeitrag in der Höhe von 800 S (10 % der verhängten Strafe) zu leisten.

1.2. Mit Schriftsatz vom 10.1.1997 hat der Bw dagegen rechtzeitig Berufung erhoben und das Vorliegen des objektiven Tatbestandes auch grundsätzlich nicht bestritten. Allerdings wurde (u.a. in der Verhandlung) erklärt, daß es sich um eine ganz kurzfristige Hilfstätigkeit des Arbeitnehmers (bloßes Vorschieben eines Hebels im Kransteuerungskästchen) über genaue mündliche Anweisung des Poliers gehandelt hat und somit ein Führen des Kranes im eigentlichen Sinne nicht vorliege; dies deshalb weil der Abstand zu dem zu fällenden Baum etwas verringert werden sollte, da das Kranseil (Kette) um ca. 20 cm zu kurz gewesen ist.

2.1. Die Strafbehörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern - als nunmehr belangte Behörde - die Berufung samt Strafakt vorgelegt.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist in diesem Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 51 Abs.1 VStG als Berufungsbehörde zuständig und entscheidet gemäß § 51c durch (nur) eines seiner Mitglieder, weil in den einzelnen Fällen keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde.

2.2. Gemäß § 15 Abs.6 iVm § 11 Abs.1 ArbIG 1993 sowie § 51e Abs.2 VStG wurde die Berufung dem Arbeitsinspektorat für den 10. Aufsichtsbezirk in Salzburg zur Kenntnis gebracht; dieses gab mit Schreiben vom 17. Juni 1997, Zl. 1160/39-10/97, eine Stellungnahme ab, die mit der Parteienladung zur mündlichen Verhandlung vom 28.8.1997 dem Bw und der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht worden sind.

2.3. Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde vom O.ö. Verwaltungssenat am 20. Oktober 1997 am Sitz der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung anberaumt, zu der der Berufungswerber, die belangte Behörde und das Arbeitsinspektorat für den 10. Aufsichtsbezirk geladen wurden und erschienen sind; weiters wurden als Zeugen der anzeigende Arbeitsinspektor G G, der Polier J E und der Arbeitnehmer J H geladen und vernommen. 2.4. Aufgrund der mündlichen Verhandlung in Verbindung mit dem vorgelegten Verwaltungsakt ergab sich, daß der Polier J E am 29.10.1996 um 13.40 Uhr auf der Baustelle Zubau Wohnhaus L in S einen Baum, der sich zwischen zwei Wohnhäusern befand und bereits angeschnitten war, entfernen wollte. Kurz vorher hat er den befugten Kranführer Josef Beinhundner um ein Gemisch geschickt. Der Polier J E ist selbst auf den Baum geklettert, und als er oben angekommen war, mußte er feststellen, daß das Kranseil bzw. die Kette geringfügig, nämlich um ca. 10-20 cm zu kurz war, weshalb er diesen somit nicht anhängen konnte. Da sich unten gerade der Arbeitnehmer Johann Hofmann befand und der Zeuge E vom Baum aus gute Sicht auf das Steuerungskästchen im Kran hatte, wies er ihn an, den rechten Hebel ein bißchen nach vor zu schieben, was J H auch gemacht hat. Dadurch wurde der Abstand solcherart verringert, daß der Baum angehängt werden konnte. Genau in diesem Augenblick erschien der Arbeitsinspektor G G und stellte diese Tätigkeit als unbefugtes Führen des Kranes fest, zumal J H keinen Nachweis über die Fachkenntnisse zum Führen von Kränen vorweisen konnte.

2.5. Dies ergibt sich aus den klaren, schlüssigen und widerspruchsfreien Aussagen aller in der Verhandlung vernommenen Zeugen.

3. In rechtlicher Hinsicht hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 130 Abs.1 Z20 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 2.000 S bis 100.000 S, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 4.000 S bis 200.000 S zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen Arbeitnehmer mit Arbeiten gemäß § 62 Abs.1 bis 3 beschäftigt, obwohl sie die zu deren Durchführung erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllen, oder selbst entgegen § 62 Abs.7 solche Arbeiten durchführt.

Gemäß § 62 Abs.1 ASchG dürfen zu Arbeiten, die mit einer besonderen Gefahr für die damit Beschäftigten oder für andere Arbeitnehmer verbunden sind, nur Arbeitnehmer herangezogen werden, die 1. hiefür geistig und körperlich geeignet sind, 2. über einen Nachweis der erforderlichen Fachkenntnisse verfügen und 3. über die erforderliche Berufserfahrung verfügen.

Zufolge Abs.2 dieses Paragraphen gilt Abs.1 für die Durchführung von Taucherarbeiten, das Führen von bestimmten Kränen und Staplern, die Beschäftigung im Rahmen eines Gasrettungsdienstes, die Durchführung von Sprengarbeiten sowie sonstige Arbeiten mit vergleichbarem Risiko.

Gemäß § 113 Abs.1 treten § 62 und § 63 Abs.1 und 2 erst mit Inkrafttreten einer Verordnung nach dem ASchG über den Nachweis der Fachkenntnis in Kraft, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt wird. Zufolge Abs.2 dieses Paragraphen gelten bis zum Inkrafttreten der Verordnung für die unter dieses Bundesgesetz fallende Beschäftigung von Arbeitnehmern folgende Bestimmungen als Bundesgesetz: 1. Die §§ 2-9 der Verordnung über den Nachweis der Fachkenntnisse für bestimmte Arbeiten, BGBl.Nr. 441/1975.

Diese Verordnung über den Nachweis der Fachkenntnisse für bestimmte Arbeiten BGBl.Nr. 441/1975 legt in § 2 Abs.1 lit.a fest, daß das Führen von Kränen als eine Arbeit, für die Arbeitnehmer für die sichere Durchführung dieser Arbeiten die notwendigen Fachkenntnisse nachweisen müssen. § 3 enthält die Fachkenntnisse für das Führen von Kränen; § 4 enthält die Fachkenntnisse für das Führen von Staplern.

3.2. Wie schon oben unter Punkt 2 dargestellt worden ist, hat der Bw das Vorliegen des objektiven Tatbestandes grundsätzlich nicht in Abrede gestellt. Hinsichtlich seiner Rechtfertigung, wonach es sich um kein eigentliches Führen des Kranes, sondern nur um ein ganz kurzes Betätigen eines Hebels gehandelt hätte, ist sinngemäß auf die Judikatur des VwGH hinsichtlich der Inbetriebnahme eines Fahrzeuges hinzuweisen. Auch im vorliegenden Fall ist weder gefordert, daß der (unbefugte) Arbeitnehmer eine bestimmte Mindestdauer am Kran manipuliert oder mehrere Handgriffe beim Kran ausführt; es genügt schon die bloße einmalige und kurze Betätigung eines Hebels, sodaß der Kran dadurch bewegt (geführt) wird.

4.1. Daß der Bw somit für das Fehlverhalten seines Arbeitnehmers verwaltungsstrafrechtlich einstehen muß, hat die belangte Behörde im Grunde des § 5 Abs.1 VStG zu Recht angenommen. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH (vgl. zB. Erk. vom 15.10.1993, 93/02/0181) ist der Arbeitgeber durch die Erteilung von Weisungen, die Arbeitnehmerschutzvorschriften einzuhalten, nämlich nur dann entschuldigt, wenn er behauptet und glaubhaft macht, daß er Maßnahmen ergriffen hat, um die Einhaltung der von ihm erteilten Anordnungen zwecks Beachtung der Schutzvorschriften zu gewährleisten, insbesondere auch welche Kontrollen er eingerichtet und wie er sich vom Funktionieren des Kontrollsystems informiert hat. Im Falle eines unter Mißachtung der Weisung unternommenen Verstoßes gegen die Schutzvorschrift hat der verpflichtete Arbeitgeber dieses Kontrollsystem im einzelnen darzulegen. Dies ist vorliegend jedoch unterblieben, sodaß im Ergebnis der Bw den Mangel an Kontrollsorgfalt haftungsbegründend gegen sich gelten lassen muß.

4.2. Somit hat der Bw die gegenständliche Verwaltungsübertretung auch subjektiv zu vertreten.

5. Zur Strafbemessung:

5.1. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Gemäß § 19 Abs.2 leg.cit. sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

5.2. Bei Bewertung des objektiven Unrechtsgehaltes der Tat ist festzustellen, daß die Gesetzesübertretung sonst nachteilige Folgen (zB Verletzungen der beschäftigt gewesenen Arbeitnehmer) nicht nach sich gezogen hat bzw. das Anhängen des Baumes an den Kran sogar die Arbeitnehmer vor dem Umfallen des Baumes schützen sollte. Weiters ist für den Nachweis einer (allenfalls nur bedingt) vorsätzlichen Begehungsform der Tat nichts hervorgekommen. Immerhin hat der Bw zumindest Fahrlässigkeit zu verantworten, weil er keine ausreichende eigene Überwachung der Baustelle vorgenommen hat.

5.3. Die belangte Behörde hat nun ausdrücklich als straferschwerend gewertet, daß der Bw bereits "einmal wegen derselben Übertretung" bestraft worden ist.

Dazu wird festgehalten, daß diesfalls eine verfassungswidrige unzulässige Doppelbestrafung vorläge. In der Berufungsverhandlung am 20.10.1997 hat sich herausgestellt, daß damit (nur) eine gleichartige Verwaltungsübertretung gemeint war, die vom Bw kurz zuvor, nämlich am 12.9.1996 begangen worden und mit Straferkenntnis vom 29. Oktober 1996 mit einer Geldstrafe von 5.000 S (mittlerweile rechtskräftig) geahndet worden ist.

Da auch in der Verhandlung mehrfach darauf hingewiesen worden ist, daß diese Vorstrafe insbesondere zur Begründung der höheren Strafe herangezogen worden ist, muß festgestellt werden, daß entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine einschlägige Vorstrafe nur dann als erschwerend gewertet werden darf, wenn diese im Zeitpunkt der Tat bereits rechtskräftig war. Zum gegenständlichen Tatzeitpunkt (29.10.1996) aber konnte das Straferkenntnis betreffend den Vorfall vom 12.9.1996, welches das Datum "29.10.1996" - sohin des ggst. Tattages trägt - schon aus logischen Gründen nicht in Rechtskraft erwachsen sein (es fehlte noch der Zeitraum der Zustellung sowie die 14-tägige Berufungsfrist), weshalb keine wertbare Vorstrafe vorlag.

Da sich sohin dieser von der belangten Behörde als straferschwerend erblickte Umstand als rechtswidrig erwies, war im gegenständlichen Fall auch nicht von einem Wiederholungsfall auszugehen, weshalb die verhängte Geldstrafe entsprechend zu vermindern war.

5.4. In diesem Zusammenhang mußte auch die Ersatzfreiheitsstrafe entsprechend herabgesetzt werden, wobei noch zu bemerken ist, daß im Hinblick auf den Strafrahmen (Höchstrafe 100.000 S oder 14 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) die ursprünglich im Straferkenntnis verhängt gewesenen 8 Tage für (nur) 8.000 S Geldstrafe völlig unverhältnismäßig gewesen sind.

6. Im übrigen mußten die von der belangten Behörde angewendeten Gesetzesbestimmungen entsprechend ergänzt bzw. berichtigt werden, zumal der im Spruch zitierte § 4 der Verordnung BGBl.Nr. 441/1975 lediglich die Fachkenntnisse für das Führen von Staplern betrifft und somit durch den hier einschlägigen § 3 ersetzt werden mußte.

7. Bei diesem Verfahrensergebnis war der strafbehördlich vorgeschriebene Kostenbeitrag entsprechend herabzusetzen; ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens war dem Rechtsmittelwerber in diesem Fall von Gesetzes wegen nicht aufzuerlegen.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. Schieferer Beschlagwortung: Unbefugtes Führen eines Kranes

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