Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280344/4/Kl/Rd

Linz, 17.03.1998

VwSen-280344/4/Kl/Rd Linz, am 17. März 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des G, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 13.1.1997, GZ 101-6/3-330046369, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Arbeitszeitgesetz zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z3 und 51 VStG. zu II.: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 13.1.1997, GZ 101-6/3-330046369, wurde über den Bw eine Geldstrafe von 3.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 15 Abs.2 und 3 iVm § 28 Abs.1a Z5 AZG verhängt, weil er es als der im vorliegenden Fall haftbare Gewerbeinhaber der Einzelfirma "W", Linz, (= Firmensitz und Tatort, wo er gehandelt hat oder hätte handeln sollen) zu verantworten hat, daß diese als Arbeitgeber ebendort Arbeitnehmer wie folgt entgegen den Bestimmungen des Arbeitzeitgesetzes, BGBl.Nr. 461/1969 idgF (kurz: AZG), beschäftigt hat: Anläßlich einer Unterlagenprüfung des Arbeitsinspektorates Linz wurde festgestellt und beanstandet, daß der Arbeitgeber die Vorschriften des AZG hinsichtlich des Lenkers O Christian wie folgt verletzt hat: Am 3.5.1996 wurde nach einer Lenkzeit von mehr als viereinhalb Stunden keine mindestens 45-minütige Lenkpause eingelegt (bei einer Lenkzeit von 7 Stunden betrug die Pause lediglich 35 Minuten). 2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und Unrichtigkeit des Straferkenntnisses dahingehend vorgebracht, daß zunächst im Verwaltungsverfahren eine Übertretung nach EWG-Verordnungen 3820 und 3821 vorgeworfen worden sei, nunmehr aber von EU-Vorschriften nicht mehr die Rede sei. Auch sei das angelastete Verhalten insofern nicht nachvollziehbar, weil eine exakte Tatzeit, der Ort des Vergehens, das verwendete KFZ usw nicht aus dem Tatvorwurf hervorgehen. Schließlich sei die Strafe überhöht und den persönlichen Verhältnissen nicht angepaßt. Insbesondere die Würdigung der sieben Vormerkungen sei unrichtig. Es werde daher die Einstellung des Strafverfahrens, allenfalls eine Ermahnung beantragt. Auf eine mündliche Verhandlung wurde verzichtet. Schließlich wurde ein Bevollmächtigter, nämlich der Fuhrparkleiter F Roland, namhaft gemacht. 3. Der Magistrat der Stadt Linz hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

Der O.ö. Verwaltungssenat hat in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt Einsicht genommen. Weiters wurde das zuständige Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk am Verfahren vor dem O.ö. Verwaltungssenat beteiligt. Dieses teilte in der Stellungnahme vom 1.4.1997, 2260/10-9/97, mit, daß laut Niederschrift des LGK für - Verkehrsabteilung Wels, das höchstzulässige Gesamtgewicht mehr als 3,5 t beträgt. Im übrigen wird die Übertretung nicht bestritten und ist als erwiesen anzusehen. Aufgrund des fehlenden Kontrollsystems wurde daher beantragt, der Berufung keine Folge zu geben.

4. Weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, und in der Berufung lediglich die rechtliche Beurteilung und die Höhe der Strafe angefochten wurde und die verhängte Geldstrafe 3.000 S nicht übersteigt, war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen (§ 51e Abs.1 und 2 VStG).

5. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 15 Abs.2 Z1 Arbeitszeitgesetz (AZG), BGBl.Nr. 461/1969 idF BGBl.Nr. 446/1994, ist abweichend von Abs.1 beim Lenken von Kraftfahrzeugen, die zur Güterbeförderung dienen und deren zulässiges Gesamtgewicht, einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger, 3,5 t übersteigt, nach einer ununterbrochenen Lenkzeit von höchstens viereinhalb Stunden eine Lenkpause von mindestens 45 Minuten einzulegen. Gemäß Abs.3 leg.cit. kann durch Kollektivvertrag zugelassen werden, daß die Lenkpause von mindestens 45 Minuten durch mehrere Lenkpausen von mindestens 15 Minuten ersetzt wird, die in die Lenkzeit oder unmittelbar nach dieser so einzufügen sind, daß bei Beginn des letzten Teils der Lenkpause die Lenkzeit von viereinhalb Stunden noch nicht überschritten ist.

Wiederholt eine Bestimmung dieses Abschnittes Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, ABl.EG Nr.L 370 vom 31.12.1985, S.1, oder ist eine Angleichung durch Kollektivvertrag erfolgt, ist die jeweilige Bestimmung im Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 nicht anzuwenden (§ 13 Abs.2 leg.cit.).

Gemäß § 28 Abs.1a leg.cit. sind Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die Z5 Lenkpausen gemäß § 15 Abs.1 bis 4 nicht gewähren; Z6 Lenkpausen gemäß Art.7 Abs.1, 2 oder 4 der Verordnung (EWG)Nr. 3820/85 nicht gewähren, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 1.000 S bis 25.000 S zu bestrafen.

5.2. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis (gleichlautend auch die Strafverfügung vom 8.8.1996 und die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 7.10.1996) wurde dem Bw vorgeworfen, den Arbeitnehmer Christian O als Lenker entgegen den Vorschriften des AZG beschäftigt zu haben, indem am 3.5.1996 nach einer Lenkzeit von mehr als viereinhalb Stunden keine mindestens 45-minütige Lenkpause eingelegt wurde (bei einer Lenkzeit von sieben Stunden betrug die Pause lediglich 35 Minuten).

Diese Tatumschreibung entspricht den Konkretisierungsanforderungen gemäß § 44a Z1 VStG entsprechend der ständigen Judikatur des VwGH nicht. Insbesondere bedarf es der Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift erforderlich sind (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S. 969 ff).

Um eine Zuordnung zu der im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfenen Verwaltungsübertretung gemäß § 15 Abs.2 und 3 iVm § 28 Abs.1a Z5 AZG vornehmen zu können, ist es daher erforderlich, daß aus dem Spruch hervorgeht, daß das gegenständliche Kraftfahrzeug zur Güterbeförderung diente und das zulässige Gesamtgewicht einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger 3,5 t übersteigt (§ 15 Abs.2 AZG). Dies wurde aber dem Bw weder in der Strafverfügung noch in der Aufforderung zur Rechtfertigung noch im angefochtenen Straferkenntnis noch in einem sonstigen Verfahrensschritt vorgeworfen und zur Kenntnis gebracht. Es ist daher schon aus diesem Grunde, weil eine ausreichende Konkretisierung der Tat innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist nicht stattgefunden hat, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. 5.3. Aus dem angefochtenen Straferkenntnis ist weiters nicht erkennbar, von welcher Voraussetzung, nämlich Gesamtgewicht über oder unter 3,5 t, die belangte Behörde überhaupt ausgegangen ist. Dies ist insofern auch von Relevanz, als das anzeigende Arbeitsinspektorat unter Bedachtnahme auf die Anzeige des LGK für , Verkehrsabteilung Wels, davon ausgeht, daß es sich um einen LKW mit Anhänger mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t gehandelt hat, während aus einem Aktenvermerk der belangten Behörde vom 8.8.1996 hervorgeht, daß es sich um einen LKW mit weniger als 3,5 t handelt. Entgegen der Einleitung in der Strafverfügung vom 8.8.1996 und in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 7.10.1996, welche noch auf die Verordnung (EWG) Nr. 3820/1985 Bezug nehmen, wurde dieser Bezug im angefochtenen Straferkenntnis fallengelassen. Geht aber die belangte Behörde von einem Gesamtgewicht unter 3,5 t aus, so wäre aber auch der § 15 Abs.2 AZG nicht anwendbar, sondern § 15 Abs.1 AZG heranzuziehen.

5.4. Schließlich geht die belangte Behörde auf das weitere Tatbestandselement, ob die Güterbeförderung im internat. Straßenverkehr stattgefunden hat, in keinster Weise während des gesamten Verwaltungsstrafverfahrens ein. Für innergemeinschaftliche Beförderungen im Straßenverkehr mit Fahrzeugen, die zur Güterbeförderung dienen und deren zulässiges Gesamtgewicht, einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger, 3,5 t übersteigen, ist aber die Verordnung (EWG)Nr. 3820/85 anwendbar (Art.2 Abs.1 und Art.4 Z1 der zit. EWG-VO). Es ist dann nach Art.7 Abs.1 der zit. EWG-VO nach einer Lenkzeit von viereinhalb Stunden eine Unterbrechung von mindestens 45 Minuten einzulegen, sofern der Fahrer keine Ruhezeit nimmt. Diesfalls wiederholt die Bestimmung des § 15 Abs.2 AZG Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85, sodaß gemäß § 13 Abs.2 AZG das AZG nicht anzuwenden bzw zu zitieren ist (daraus ergibt sich ein Anwendungsvorrang der EWG-VO), und eine Übertretung dann gemäß § 28 Abs.1a Z6 AZG zu bestrafen ist.

Weil aber zu keinem Zeitpunkt im Verwaltungsstrafverfahren von der belangten Behörde auf das Tatbestandsmerkmal der innergemeinschaftlichen Beförderung im Straßenverkehr bzw des internat. Straßenverkehrs Bedacht genommen wurde, war auch aus diesem Grunde eine Zuordnung des Tatvorwurfes unter die Bestimmung des § 28 Abs.1a Z5 oder Z6 AZG nicht möglich. Entgegen der Anzeige des LGK für , Verkehrsabteilung Wels, vom 3.5.1996, die in ihrer angehängten Kontrolliste von der Nichteinhaltung des Art. 7 Abs.1 und 2 EG-VO 3820/85 ausgeht, läßt die Anzeige des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk vom 30.5.1996 die entsprechende Zuordnung gemäß § 28 Abs.1a Z5 oder Z6 AZG offen.

Geht man aber - wie die belangte Behörde fälschlicherweise gemäß dem Aktenvermerk vom 8.8.1996 - von einem höchstzulässigen Gesamtgewicht unter 3,5 t aus, so ist weder die EG-VO 3820/85 noch § 15 Abs.2 und 3 AZG anwendbar, sondern vielmehr die allgemeine Regelung des § 15 Abs.1 AZG. Eine diesbezügliche Übertretung wurde aber nicht begangen, zumal die tatsächlich eingehaltene Lenkpause 35 Minuten betrug.

5.5. Letztlich erscheint der im angefochtenen Straferkenntnis vorgehaltene Tatvorwurf, daß der Bw den näher genannten Arbeitnehmer entgegen den Vorschriften des AZG "beschäftigt hat" und sohin das AZG "verletzt hat", indem die 45-minütige Lenkpause nicht "eingelegt" wurde, problematisch. Wie der O.ö. Verwaltungssenat in seinem Erkenntnis vom 30.7.1997, VwSen-280290/4/Ga/Ha, bereits ausgeführt hat, geht das AZG idF der Novelle BGBl.Nr. 446/1994 - entgegen § 28 Abs.1 altes AZG - nicht mehr vom "Zuwiderhandeln" aus, sondern sind nunmehr eine Vielzahl von inhaltlich konkreten Einzelstraftatbeständen geregelt, die das verpönte und zu bestrafende Verhalten des Arbeitgebers angeben, wie in § 28 Abs.1a Z5 und Z6 die Tathandlung "nicht gewähren". Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet dies aber ein Nichtbewilligen, Nichtzugestehen, Nichtstattgeben der vom Fahrer einzuhaltenden Lenkpausen und ist daher solcherart ein direktes oder indirektes Verhalten iS einer zielgerichteten Gestaltung des Arbeitgebers Voraussetzung. Auch ein diesbezüglicher Vorwurf in konkretisierter Form fehlt dem angefochtenen Straferkenntnis.

5.6. Weil aber sowohl nach § 31 Abs.2 VStG als auch nach § 28 Abs.4 AZG bereits Verfolgungsverjährung eingetreten ist, war eine diesbezügliche Korrektur des Spruches des angefochtenen Straferkenntnisses wegen eingetretener Verfolgungsverjährung nicht mehr möglich und war daher das angefochtene Straferkenntnis spruchgemäß aufzuheben.

6. Bei diesem Verfahrensergebnis entfallen gemäß § 66 VStG sämtliche Verfahrenskostenbeiträge. Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. Klempt Beschlagwortung: Gesamtgewicht, Ort der Güterbeförderung, Nichtgewähren sind wesentliche Tatbestandsmerkmale

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