Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280345/16/SCHI/Ri

Linz, 07.01.1998

VwSen-280345/16/SCHI/Ri Linz, am 7. Jänner 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schieferer über die Berufung des Herrn H R, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. E P und Dr. G W H, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters (Magistrat) der Stadt Wels vom 18. Februar 1996, MA2-Pol-5028-1995 Kri, wegen Übertretungen nach dem Arbeitszeitgesetz - AZG, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 6. November 1997, zu Recht erkannt:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß bei der Anführung der Strafnorm iSd § 44a Z3 VStG die Zitierung des § 28 AZG jeweils zu lauten hat: "§ 28 Abs.1 AZG".

Der Berufungswerber hat einen Verfahrenskostenbeitrag zum Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat im Ausmaß von (insgesamt) 1.900 S zu leisten.

Rechtsgrundlage: Zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl.Nr. 471/1995, iVm §§ 24, 9, 16, 19, 21, 51 Abs.1, 51c, 51d und 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr.52/1991 idF BGBl.Nr.620/1995; zu II: § 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Der Bürgermeister (Magistrat) der Stadt Wels hat mit Datum vom 18. Februar 1996 unter der GZ. MA2-Pol-5028-1995 Kri über den Berufungswerber (Bw) ein Straferkenntnis mit folgendem Inhalt erlassen:

"Sie haben als iS des § 9 (1) VStG zur Vertretung der T Ges.m.b.H. & Co. KG., W, nach außen berufene Organ, nämlich als handelsrechtlicher Geschäftsführer der T Ge.m.b.H. (Komplementärin der T Ges.m.b.H & Co. KG.) nachstehend angeführte, vom Arbeitsinspektorat W anläßlich einer am 25.10.1995 durchgeführten Betriebsprüfung festgestellte, Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes, wie nachstehend angeführt, zu verantworten:

1.Überschreitung der täglich höchstzulässigen Arbeitszeit:

A) Der Arbeitnehmer D S, wurde am Tag Std. Min. 06.9.1995 12 00 10.9.1995 12 00 11.9.1995 12 00 12.9.1995 11 00 13.9.1995 14 00 17.9.1995 13 00 18.9.1995 15 00 21.9.1995 11 00 22.9.1995 14 30 25.9.1995 12 00 26.9.1995 15 00 28.9.1995 13 30 30.9.1995 12 30 B) die Arbeitnehmerin K S, wurde am Tag Std. Min 11.9.1995 12 30 19.9.1995 12 30 C) der Arbeitnehmer M L wurde am Tag Std. Min 26.8.1995 14 00 eingesetzt, obwohl gemäß § 9 Abs 1 AZG die tägliche Arbeitszeit nicht mehr als 10 Stunden betragen darf.

2. Der Arbeitnehmer D S wurde in der Woche vom 04.- 10.9.1995 56 Std. 30 Min., vom 11.-17.91995 70 STd. 30 Min., vom 18.-24.9.1995 60 Std.

eingesetzt, obwohl gemäß § 9 Abs 1 AZG die Wochenarbeitszeit i.V.m. § 9 Abs 3 AZG, § 7 Abs. 2 AZG und dem Kollektivvertrag für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe, Pkt. 4a, von 55 Stunden nicht überschritten werden darf.

3.Dem Arbeitnehmer D S wurden am 4., 6. - 8.9.1995, 10.- 15.9.1995. 17. -22.9.1995, 25.,26.,28 und 30.9.1995 keine Ruhepause gewährt, obwohl gemäß § 11 Abs AZG die Arbeitszeit durch eine Ruhepause von mindestens einer halben Stunde zu unterbrechen ist, wenn die Tagesarbeitszeit mehr als 6 Stunden beträgt. An den angeführten Tagen betrug die Tagesarbeitszeit mehr als 6 Stunden.

4. Für die in der Küche(Fertigung, Produktion) und in der Abwäsche beschäftigten, dem AZG unterliegenden Arbeitnehmer, konnten vom Bevollmächtigten des Arbeitgebers keine Aufzeichnungen über die geleistete Arbeitszeiten für den Zeitraum 1.9. bis 25.10.1995 vorgelegt werden. gemäß § 26 Abs. 1 AZG haben Abeitgeber zur Überwachung der Einhaltung der im AZG geregelten Arbeitsstunden und deren Entlohnung zu führen.

5. Für die Arbeitnehmer A) Hr. L wurde am 7. -13.9.1995, B) Fr. D wurde am 7.-10., 13. und 16.9.1995, C) Fr. H wurde am 7.-13. und 16.9.1995 im Dienstplan nur die Beginnzeit mit offenem Ende ohne Pausen eingetragen (z.B. Hr.L, 7.9.1995, 7 - E), obwohl der Arbeitgeber an geeigneter, für den Arbeitnehmer leicht zugänglicher Stelle in der Betriebsstätte einen Aushang über Beginn und Ende der Normalarbeitszeit sowie Zahl und Dauer der Ruhepausen sowie der wöchentlichen Ruhzeit gut sichtbar anzubringen hat.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

zu 1):§ 9(1) Arbeitszeitgesetz, BGBl.Nr.461/1969 i.d.gF. zu 2):§ 9(1) i.V.m. § 9(3) und § 7(2) AZG leg.cit. und Kollektivvertrag für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe zu 3):§ 11 (1) AZG leg.cit. zu 4):§ 26 (1) AZG leg.cit. zu 5):§ 25 (1) AZG leg.cit.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von Schilling zu 1 A S 2000,-zu 1 B S 1000,-zu 1 C.S 1000.-zu 2 S.2000,-zu 3 S 1500,-zu 4 S 1000,-zu 4 S 1000,-S 9500,--

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tage 1 Tag 1 Tag 2 Tage 1 Tag 1 Tag 1 Tag 9 Tage

Freiheitsstrafe von

gemäß § § 9 Abs.1 AZG-leg.cit § 9(1)i.V.m. § 9(3) u.§7(2) AZG. leg.cit.u. dem Kollektivvertrag f. Arbeiter im Hotel- u. Gastgewerbe,Pkt.4 a jeweils im Sinne d.§ 28 Abs.1 Ziffer AZG leg.cit § 11 (1)AZG.leg.cit.i.S.d.§ 28 (1) Ziffer 3 AZG § 26 (1) AZG § 25 (1) AZG. jeweils i.S.d.§28 819 Ziffer 5 AZG.

Weitere Verfügungen (z.B. Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

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Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

950,-- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafe (je ein Tag Arrest wird gleich S 200,-- angerechnet) Schilling als Ersatz der Barauslagen für Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe, Kosten, Barauslagen) beträgt daher 10.450,-- Schilling. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54 VStG)." 2.1. Dagegen hat der Bw mit Schriftsatz vom 7. März 1997 rechtzeitig Berufung erhoben und beantragt, das Straferkenntnis als rechtswidrig aufzuheben und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu verfügen, in eventu wegen geringen Verschuldens und unbedeutender Folgen von einer Bestrafung abzusehen sowie eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

2.2. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß das Straferkenntnis an verschiedenen wesentlichen Verfahrensmängeln leide; so sei innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist dem Beschuldigten die zur Last gelegte Tat nicht bestimmt bezeichnet worden, weiters bestünde auch ein Anspruch in erster Instanz auf eine mündliche Verhandlung und schließlich sei das erstinstanzliche Verfahren wegen der Nichtbeachtung des § 9 ArbIG durch das Arbeitsinspektorat mangelhaft geblieben. Materiell rechtswidrig sei das Straferkenntnis deshalb, weil die Verständigung des Arbeitsinspektorates gemäß § 23 ArbIG über die Bestellung des Direktor D zum verantwortlich Beauftragten ohne Verschulden des Bw unterblieben sei.

3.1. Die Strafbehörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern - als nunmehr belangte Behörde - die Berufung samt Strafakt vorgelegt. Von einer Gegenäußerung zum Berufungsvorbringen hat die belangte Behörde abgesehen.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist in diesem Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 51 Abs.1 VStG als Berufungsbehörde zuständig und entscheidet gemäß § 51c durch (nur) eines seiner Mitglieder, weil in den einzelnen Fällen keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde.

3.2. Gemäß § 15 Abs.6 iVm § 11 Abs.1 ArbIG 1993 sowie § 51e Abs.2 VStG wurde die Berufung mit h. Schreiben vom 24. März 1997 dem Arbeitsinspektorat für den 19. Aufsichtsbezirk in W zur Kenntnis gebracht; dieses gab mit Schreiben vom 29.4.1997, Zl. 2160/22-19/95-Bri, eine Stellungnahme ab, in der ebenfalls eine mündliche Verhandlung beantragt wurde.

3.3. Der maßgebliche Sachverhalt ist zwar grundsätzlich unbestritten geblieben; aufgrund der Berufungsanträge hat der O.ö. Verwaltungssenat jedoch in dieser Sache am 6.11.1997 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung anberaumt und durchgeführt. An dieser Verhandlung nahm der Rechtsvertreter des Bw und ein Vertreter des Arbeitsinspektorates Wels teil; als Zeugen wurden geladen und einvernommen der Arbeitsinspektor G B, Direktor G D, Prokurist K D und Frau G S. 4. Aufgrund des Ergebnisses der öffentlichen mündlichen Verhandlung und des vorgelegten Verwaltungsstrafaktes sowie in Verbindung mit den Berufungsausführungen, geht der O.ö. Verwaltungssenat von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

4.1. Der Arbeitsinspektor Günther Buchner hat bei seiner Kontrolle am 25.10.1995 im T der T Ges.m.b.H. & Co.KG. in W, die oben unter Punkt 1 im Spruch des angeführten Straferkenntnisses enthaltenen Übertretungen festgestellt und diese in der Verhandlung zeugenschaftlich bekundet; die Übertretungen wurden auch vom Bw nie in Abrede gestellt.

4.2. Zum Tatzeitpunkt am 25.10.1995 lag beim Arbeitsinspektorat W keinerlei Verständigung im Sinne des § 23 ArbIG über die Bestellung eines verantwortlich Beauftragten vor. Der ehemalige verantwortlich Beauftragte Hoteldirektor P T ist etwa im Mai 1994 aus dem Betrieb ausgeschieden. Der Bw war daher als handelsrechtlicher Geschäftsführer im ggst. Fall verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich. 4.3. Aufgrund der Anordnung des § 23 Abs.1 ArbIG wird die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.2 und 3 VStG erst rechtswirksam, nachdem beim zuständigen Arbeitsinspektorat eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des Bestellten eingelangt ist. Da es sich hier um einen Konstitutivakt handelt, war die allenfalls vor dem Tatzeitpunkt intern vorgenommene "Bestellung" des G D (im Zusammenhang mit seiner Beförderung zum Hoteldirektor) rechtlich nicht relevant. Mit dem Argument, wonach die Mitteilung gemäß § 23 Abs.1 ArbIG an das AI unverschuldet unterblieben sei bzw. ihn an der Nichtverständigung kein Verschulden treffe, versucht der Bw offenbar, den strafrechtlichen Begriff der Schuld in einen Bereich (nämlich in jenen der rechtswirksamen Bestellung von verantwortlich Beauftragten) zu transferieren, in welchem es diesen strafrechtlichen Begriff der Schuld nicht gibt und damit gleichzeitig auch die von der Strafrechtslehre entwickelten Begriffe der verschiedenen Entschuldigungsgründe nicht anwendbar sind. Denn die Anordnung des § 23 Abs.1 ArbIG, wonach die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten erst rechtswirksam wird, nachdem beim zuständigen Arbeitsinspektorat die schriftliche Mitteilung eingelangt ist, entfaltet lediglich eine sogenannte Gestaltungswirkung, dh. (erst) durch diesen Akt wird die Rechtslage zwischen den "Parteien" (Behörde-Verantwortlicher) konstitutiv umgestaltet (vgl. im einzelnen die Ausführungen zur Tatbestandswirkung in Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 6. Auflage, Rz. 474ff). Es war daher auch das diesbezügliche Vorbringen als nicht zielführend abzuweisen.

4.4. Es steht sohin fest, daß im gegenständlichen Fall der Berufungswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer für die Verwirklichung des objektiven Straftatbestandes verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich war. 5. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 9 Abs.1 AZG darf die Tagesarbeitszeit 10 Stunden und die Wochenarbeitszeit 50 Stunden nicht überschreiten, sofern die Abs.2 und Abs.3 nichts anderes bestimmen. Diese Höchstgrenzen der Arbeitszeit dürfen auch beim Zusammentreffen einer anderen Verteilung der wöchentlichen Normalarbeitszeit mit Arbeitszeitverlängerungen nicht überschritten werden.

Gemäß § 9 Abs.3 AZG darf die Wochenarbeitszeit im Falle des § 4c (Dekadenarbeit) 50 Stunden überschreiten und in den Fällen der §§ 4a Abs.4 (Schichtarbeit), 5 (Arbeitsbereitschaft), 5a (besondere Erholungsmöglichkeiten), 7 Abs.2-5 (erhöhter Arbeitsbedarf), 18 Abs.3 (Betriebe des öffentlichen Verkehrs) und 19 (Krankenanstalten und Kuranstalten) 50 Stunden insoweit überschreiten, als dies nach diesen Bestimmungen zulässig ist.

Gemäß § 7 AZG kann bei Vorliegen eines erhöhten Arbeitsbedarfes die Arbeitszeit unbeschadet der Bestimmungen des § 8 über die nach den §§ 3 - 5 zulässige Dauer um 5 Überstunden in der einzelnen Woche und darüber hinaus um höchstens 60 Überstunden innerhalb eines Kalenderjahres verlängert werden. Wöchentlich sind jedoch nicht mehr als 10 Überstunden zulässig. Die Tagesarbeitszeit darf 10 Stunden nicht überschreiten (Abs.1).

Unbeschadet der nach Abs.1 erster Satz zulässigen Überstunden können durch Kollektivvertrag bis zu 5 weitere Überstunden ua für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe zugelassen werden. Dabei kann das Ausmaß der wöchentlichen Überstunden abweichend von Abs.1 2. Satz festgelegt werden (Abs.2).

Gemäß § 11 Abs.1 AZG ist die Arbeitszeit durch eine Ruhepause von mindestens 1/2 Stunde zu unterbrechen, wenn die Gesamtdauer der Tagesarbeitszeit mehr als 6 Stunden beträgt. Wenn es im Interesse der Arbeitnehmer des Betriebes gelegen oder aus betrieblichen Gründen notwendig ist, können anstelle der halbstündigen Ruhepause zwei Ruhepausen von je einer Viertelstunde oder drei Ruhepausen von je 10 Minuten gewährt werden.

Gemäß § 25 Abs.1 AZG hat der Arbeitgeber an geeigneter, für den Arbeitnehmer leicht zugänglicher Stelle in der Betriebsstätte einen Aushang über den Beginn und das Ende der Normalarbeitszeit sowie Zahl und Dauer der Ruhepausen sowie der wöchentlichen Ruhezeit gut sichtbar anzubringen.

Gemäß § 26 Abs.1 AZG hat der Arbeitgeber zur Überwachung und Einhaltung der in diesem Bundesgesetz geregelten Angelegenheiten in der Betriebsstätte Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden zu führen.

Gemäß § 28 Abs.1 AZG beträgt der Strafrahmen für die angeführten Verwaltungsübertretungen 300 S bis 6.000 S.

5.2. Das Vorliegen der objektiven Tatbestände wurde vom Bw nie in Abrede gestellt und überdies vom anzeigenden Arbeitsinspektor anläßlich der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung dezidiert in der Zeugenvernehmung als tatsächlich vorgelegen bekundet. Daß der Bw hiefür objektiv verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich war, wurde bereits oben unter Pkt. 3.4. eingehend abgehandelt.

6. Zu den Einwendungen des Bw:

a) Zur behaupteten Verfolgungsverjährung ist darauf hinzuweisen, daß bereits in der mündlichen Verhandlung geklärt werden konnte, daß sich im vorgelegten Verwaltungsakt eine rechtzeitige und taugliche Verfolgungshandlung (Pkt.I des Rechtshilfeersuchens vom 16.1.1996 an den Magistrat der Landeshauptstadt St. Pölten betreffend Beschuldigter Heinrich Rosenberger, MA2-Pol-5028-1995 Scho, im Akt mit ON 10 bezeichnet) befindet.

b) Insofern der Bw darauf verweist, daß der Mangel der Beschuldigteneinvernahme bzw. der mündlichen Verhandlung in erster Instanz ein Straferkenntnis mit Rechtswidrigkeit belastet und auch durch die Verhandlung vor der Berufungsbehörde nicht saniert werden kann (Hinweis auf Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes, Rz 880), so genügt es, hier darauf zu verweisen, daß von Hellbling und der neueren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Erk. vom 13.12.1979, Zl. 3175/97) diese Ansicht nicht (mehr) geteilt wird und sehrwohl daher eine Sanierung durch die Berufungsbehörde möglich ist.

c) Wenn der Bw die "Nichtbeachtung des § 9 ArbIG" als Verfahrensmangel geltend macht und damit offensichtlich die Nichtanwendung der Ermahnung durch das Arbeitsinspektorat rügt, so ist darauf zu verweisen, daß diese Bestimmung für das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren nicht präjudiziell ist, weshalb eine allfällige Verfassungswidrigkeit der Anzeigepflicht nach § 9 Abs.1 bis 3 ArbIG im gegenständlichen Verfahren vom O.ö. Verwaltungssenat nicht gemäß Art. 140 Abs.1 iVm Art.89 B-VG beim Verfassungsgerichtshof angefochten werden kann (vgl. Mayr, verfassungsrechtliche Probleme der Arbeitsinspektorate, ZAS 1995, Seite 1ff, der in der vom § 21 Abs.1 VStG abweichenden Regelung des § 9 Abs.3 erster Satz ArbIG im Hinblick auf Art.11 Abs.2 B-VG eine Verfassungswidrigkeit erblickt).

d) Hinsichtlich der "unverschuldeten" Nichtverständigung des AI ist auf die Ausführungen oben unter Punkt 4.3. zu verweisen, weshalb es sich auch erübrigt, darauf näher einzugehen, daß der Prokurist Dirmhirn die Angelegenheiten (Meldung an das AI) jahrelang immer exakt erledigt habe und er sich auf ihn deshalb verlassen konnte. Es sei lediglich angemerkt, daß durch das Unterbleiben der Meldung an das AI der Konstitutivakt (Eintritt der Rechtswirksamkeit der Bestellung) eben nicht zustande kam, weshalb dieser Mangel auch durch ein noch so geringfügiges Versehen eines Mitarbeiters nicht substituiert werden konnte. Im übrigen ist darauf zu verweisen, daß die bloße Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten durch einen Prokuristen nicht rechtswirksam gewesen wäre; vielmehr hätte die Bestellung durch ein zur Vertretung nach außen berufenes Organ der GesmbH durchgeführt werden müssen (VwGH vom 4.10.1996, Zl. 96/02/0274).

7. Zum Verschulden:

7.1. Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgen eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Da zum Tatbestand der dem Berufungswerber zur Last gelegten Verwaltungsübertretung weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr gehört, handelt es sich bei dieser Übertretung um ein Ungehorsamsdelikt. In einem solchen Fall besteht von vornherein die Vermutung eines Verschuldens (in Form fahrlässigen Verhaltens) des Täters, welche aber von ihm widerlegt werden kann. Zu dieser Umkehr der Beweislast kommt es allerdings nur dann, wenn der objektive Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes feststeht, wobei in dieser Hinsicht die Beweislast die Behörde trifft. Wie aber bereits in dieser Begründung ausgeführt wurde, hat der Berufungswerber den objektiven Tatbestand der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung erfüllt. Es wäre daher Sache des Berufungswerbers gewesen, glaubhaft zu machen, daß ihm die Einhaltung der objektiv verletzten Verwaltungsvorschriften ohne sein Verschulden unmöglich war. Dabei hätte er initiativ alles darzutun gehabt, was für seine Entlastung spricht, insbesondere, daß er solche Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen (vgl. VwGH v. 2. April 1990, Zl. 90/19/0078). Ansonsten wäre er selbst dann strafbar, wenn der Verstoß ohne sein Wissen und ohne seinen Willen begangen wurde. Ein derartiges Vorbringen - von Tatsachen oder von Beweismitteln -, das geeignet gewesen wäre, sein mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen, hat der Bw aber nicht erstattet.

7.2. Der Bw hat im gegenständlichen Fall nur das Existieren eines Kontrollsystems in generell-abstrakter Form glaubhaft gemacht, nicht hingegen, wie von der Rechtsprechung des VwGH für erforderlich erachtet (vgl. zB 8.7.1991, 91/19/0095) darlegen können, wie dieses Kontrollsystem konkret, insbesondere im gegenständlichen Fall funktionieren hätte sollen. Hier genügt es daher nicht Anweisungen zu erteilen bzw. Checklisten zu erstellen und lediglich Stichproben durchzuführen. Weiters hat der Bw kein Sanktionssystem dargelegt, welches bei Verstößen entsprechend eingreifen sollte.

Es war daher jedenfalls von fahrlässigem Verhalten auszugehen.

8. Zur Straffrage:

8.1. Nach dieser Vorschrift kann von einer Strafe abgesehen werden, wenn das Verschulden geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind.

Das Verschulden bzw die Schuld des Täters ist gering, wenn das tatbildmäßige Verhalten hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt vgl Hauer/Leukauf, Verwaltungsverfahren, 4. A, 814 ff, E 7, 8 und 23a zu § 21; Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A, § 42 Rz 14). Nach der Judikatur des OGH zum vergleichbaren § 42 StGB muß die Schuld absolut und im Vergleich zu den typischen Fällen der jeweiligen Deliktsverwirklichung geringfügig sein (vgl ua EvBl 1989/189 = JBl 1990, 124; SSt 55/59; SSt 53/15; SSt 51/21). Maßgebend ist zum einen der das Unrecht mitbestimmende Handlungsunwert und zum anderen der Gesinnungsunwert, der das Ausmaß der deliktstypischen Strafzumessungsschuld ebenso entscheidend prägt (vgl Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A, § 42 Rz 14 f mwN). Der Aspekt des Erfolgsunwerts wurde im § 21 Abs.1 VStG ebenso wie im § 42 StGB unter dem Merkmal "unbedeutende Folgen der Tat" verselbständigt.

8.2. Im gegenständlichen Fall kann nicht davon die Rede sein, daß der Handlungsunwert und der Gesinnungsunwert derart in den Hintergrund tritt, daß das Verschulden so geringfügig sei, daß ein Anspruch auf ein Absehen von der Strafe gegeben gewesen wäre. Es brauchte daher nicht mehr weiter untersucht werden, ob die Folgen der Übertretungen unbedeutend geblieben sind.

9. Zur Strafbemessung:

9.1. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Gemäß § 19 Abs.2 leg.cit. sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

9.2. Unter Zugrundelegung des von der belangten Behörde realistisch eingeschätzten Einkommens des Bw und seiner Vermögens- und Familienverhältnisse im Hinblick auf die Vorgaben des § 19 Abs.1 und 2 VStG sowie unter Beachtung des Strafrahmens des § 30 KJBG kann der O.ö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall nicht finden, daß die belangte Behörde bei dem ihr zustehenden Ermessen bei der Strafbemessung einen Ermessensexzeß vorgenommen hätte. Vielmehr scheinen die ausgesprochenen Strafen schuldangemessen, dem Unrechtsgehalt der Taten entsprechend und auch den geschätzten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen angepaßt. Weiters scheinen sie geeignet, den Bw vor weiteren gleichartigen Verwaltungsübertretungen abzuhalten.

Die Spruchänderung bei der Zitierung des § 28 Abs.1 AZG war deshalb erforderlich, weil bei der gegenständlichen Zitierung im angefochtenen Straferkenntnis offensichtliche Schreibfehler entstanden sind, und zwar beim ersten Zitat "§ 28 Abs.1 Ziff AZG leg.cit." und beim zweiten Zitat "§ 28 819 Ziff.5 AZG". Der O.ö. Verwaltungssenat hatte dies im Hinblick auf seine Richtigstellungspflicht entsprechend zu korrigieren.

10. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw ein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren vor dem O.ö. Verwaltungssenat in der Höhe von 20% der verhängten Strafen, ds insgesamt 1.900 S vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. Schieferer

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